Schatten, Schwert & Feder

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    Re: Schatten, Schwert & Feder

    Ena - 20.07.2009, 19:05

    Schatten, Schwert & Feder
    [ooc] Einfach mal so ein bisschen...




    Personen:
    Hauptpersonen:
    [Ich-Form]: Delia Taylor
    [Er-Form]: Elian Feskot
    [Er-Form]: Herr Rulif Toclesz

    Nebenpersonen:
    Umfeld Delia:
    Meister Rufus Gebrondt
    Herr Del Perkit
    Wichtel Galigtai
    Leerwandler Belvuzar
    Sukkubus Joralinda
    Suzana & Pergo Taylor [Delias Eltern]

    Umfeld Elian:
    Meister Gelis Prachtbart
    Belgo und Ysabelle Feskot [Elians Eltern]
    Susa
    Jenn

    Umfeld Rulif:
    Milten Relgis [persönlicher Bediensteter]
    Lady Alina Iubis [Geliebte]
    Susa Barpot
    SI:7 [Mathias Shaw und seine Untergebenen


    [0]

    Es war ein wundervoller Morgen in unserer geliebten Hauptstadt Sturmwind. Keine einzige Wolke war am Himmel zu entdecken. Nicht einmal das kleinste Anzeichen von Regen oder anderen unangenehmen Dingen von oben, einmal abgesehen von den Seevögeln, die sich vom Hafen in den Handelsdistrikt verirrt hatten. Ich marschierte hübsch eingelullt zwischen hoch aufragenden, blaudächigen Häusern die Straße entlang und ignorierte gekonnt den Lärm und den Trubel, der um mich herum herrschte. Nun gut, hin und wieder musste ich Ochsenkarren ausweichen oder mir die Nase wegen deren Hinterlassenschaften zuhalten, doch im Großen und Ganzen konnte ich meinem Auftrag gewissenhaft nachkommen. Der bestand übrigens keineswegs darin, wie ein einfacher Passant spazieren zu gehen, sondern war eine hochgefährliche Beschattungsaktion mit anschließender Entführung, ein ganz dicker Brocken. So schwierig wurde es allerdings vielleicht doch nicht, da heute Markttag in Sturmwind war. Das hieß, sämtliche Bauern und Handwerker quetschten sich nebeneinander auf die Plätze, dekorierten ihre Stände hübsch mit ihren Waren und versuchten sich gegenseitig durch lautes Brüllen zu übertrumpfen.
    Ganz ehrlich, ich hätte stepptanzend brüllen können, dass ich eine Hexe bin und niemand hätte Notiz von mir genommen – oder mich überhaupt gehört. An so einem Tag tat einem die Stadtwache wirklich Leid. Tja.
    Gerade betrachtete ich verzückt eine junge Frau um die zwanzig mit goldgelben Locken, welche ihr Gesicht anmutig einrahmten und bis auf die Schultern fielen. Ihre Haut hatte eine mittelblasse Farbe, die ihre meerblauen Augen wunderbar zur Geltung brachte. Um den nahezu perfekten Körper legte sich wie maßgeschneidert ein blaues Kleid mit weißen Kragen und einer türkisen Schleife um die Taille. Die vollen, dunkelroten Lippen umspielte ein selbstgefälliges Lächeln, was durchaus angebracht war, da ich mich gerade vor einem Stand mit Spiegeln befand und mich selbst begutachtete.
    Ich blickte auf und erschrak, als sich ein Paladin von rechts näherte. Fast etwas zu hastig für meine Rolle als einfache Bürgerin wandte ich mich um und tauchte in eine Menschentraube ein, die gerade zuschaute, wie ein Feuerspucker seine Kunst vorführte. Nicht einmal ein echter Magier...
    Mit pochendem Herzen spähte ich über die Schulter, wo sich der Paladin mittlerweile wieder verflüchtigt hatte und atmete erleichtert aus.
    Leider gibt es an meinem Beruf den kleinen Nachteil, dass Lichtanhänger und Elfen meine Aura spüren. Hat etwas mit den Dämonenbeschwörungen und blutigen Ritualen zu tun, die ich mit meiner Gruppe ausführe. Bedauerlicherweise versuchen diese Gesetzeshüter mich sofort mit allen Mitteln zu ermorden, was wiederum ein äußerst diskretes Vorgehen verlangt. Deshalb tauchte ich auch in eine Gruppe Menschen ein, da machte sich das berühmte Nadel-im-Strohhaufen-Prinzip bewährt.
    Grimmig lächelnd pustete ich mir eine Locke aus den Augen und legte meine Wanderung fort, wobei mein Blick scheinbar beilläufig die Ladenbesitzer streifte. Alles war vertreten, vom kaum ausgewachsenen Kind bis hin zum alten Tattergreis, doch derjenige, den ich suchte, war nicht dabei. Ich stieß einen derben dämonischen Fluch aus und wollte mich gerade einem Schmuckstand – natürlich nur wegen meiner Tarnung – zuwenden, als mich eine knochige Hand an der Schulter packte. Erschrocken fuhr ich zusammen und wollte mich umdrehen, als die andere Hand auch noch auf meine Schulter langte, sich mit den Fingern in den Stoff meines Kleides krallte und mich unsanft mitschleifte. Na toll. Was hatte ich denn getan, dass man mich entdeckt hatte? Extra für diesen Auftritt hatte ich sogar darauf verzichtet, einmal bei den fragwürdigeren Ständen vorbeizuschauen, deren Besitzer ich größtenteils kannte. Die meisten waren übrigens auch an meinem Auftrag beteiligt. Jetzt war aber ich eher an den Skeletthänden, die mich mit sich rissen interessiert. Einerseits konnte ich den Kerl leicht überwältigen, andererseits würde ein Flammenmeer oder ein sich plötzlich krümmender Mensch für Aufsehen sorgen und einen Paladin anlocken. Dann war's erstmal aus mit Delia Taylor, so heiße ich am Rande bemerkt, falls ich das vergessen haben sollte.
    Während ich so abwägte, ob ich vielleicht einen Tritt rückwärts riskieren sollte, nahm ich rasselnden Atem und röchelnden Husten wahr. Oha! Das war ja mein Meister.
    Leicht hüstelnd entkrallte ich meine Füße aus den Pflastersteinrillen, machte mich leicht und ließ mich mit vorbildlicher Ergebenheit in die nächste Gasse ziehen, wo sich Rufus Gebrondt erschöpft auf eine morsche Kiste fallen ließ. Ich hörte Ratten quieken, traute mich aber nicht an der Wahl des Besprechungsortes herumzunörgeln. Das wäre außerdem ziemlich blöd gewesen, da mein Meister zufällig irgendwo hinten in der Gasse eine Teufelswache stehen hatte, die mich mit rotglühenden Augen musterte. Etwas einschüchternd wirkte auch die riesige Axt, die sie nebenbei schwang. War es die Dunkelheit, oder klebte da noch Blut dran?
    Ich beeilte mich, auf die Knie zu kommen und wartete ab, bis Gebrondt sich ausgehustet hatte und mich aufwinkte. Unnötige Respektbekundung, aber die Wache da hinten hatte etwas Manieren anregendes.
    “Delia...Du hättest den Paladin...fast auf deine Fährte gebracht...”, brummte der alte Mann kalt, wobei er nach jedem zweiten Wort husten musste. Ekelhaft. Sein Gesicht war mager und eingefallen, den narbigen Kopf bedeckte nur weißer Flaum. Nichtsdestotrotz war er ziemlich mächtig, so dass ich meine Antwort gut auswählen musste. Er war nicht gerade der Meister von feinfühliger und gutmütiger Art. Im Gegenteil, manchmal war er erschreckend grausam, dann wieder entrückt und paranoid. Die Korruption war schon ziemlich weit bei dem armen Irren.
    “Nun, Herr, wie Ihr sagtet, fast. Ich bin mir durchaus im Klaren, wie wichtig dieser Auftrag für Euch ist”, erwiderte ich schließlich mit feinster Schoßhündchenstimme. Das faltige Gesicht mir gegenüber zeigte nicht die kleinste Regung. Darüber hinaus hatte ich gelogen, ich hatte nämlich keinen Schimmer, was Gebrondt von dem Jungen wollte...mein Auftrag hieß nur: Bring mir den Kleinen - lebendig.
    Mit beigelegter Skizze natürlich.
    “Hast Du denn schon einen Erfolg vorzuweisen?”, blaffte er rau und durchbohrte mich mit seinem Blick. Die Wache hinter ihm tat es ihm gleich. Wie konnten die Paladine eigentlich einen so mächtigen Dämon ignorieren? Unbehagen stieg in mir auf, vielleicht hatte sich mein Meister überschätzt, er war ganz fanatisch auf diesen Plan....als ob es sonst nicht seine Art wäre...Hüstel. Hüstel.
    “Äh...”
    “Du meinst, ihr habt noch gar nichts entdeckt? Ihr seid schon die ganze Nacht auf der Lauer!” Kleine Spucketröpfchen regneten auf mein Kleid. Gleich kam er in Fahrt, wenn ich keinen guten Vorschlag hatte.
    “Meister Gebrondt...ich könnte...zu ihm nach Hause gehen und...und ihn von dort beschatten.” Meine Stimme strotze nur so von geheuchelter Unterwürfigkeit, das Stottern war übrigens auch eingebaut, um meine Unsicherheit auszudrücken. Genial, ich weiß.
    Nach dieser Aussage senkten sich die seltsam struppigen Augenbrauen, die ich gerade im Blick hatte, um eine nachdenkende Grimasse zu vollenden. “Du wirst von ihm aufgespürt...Gelis meint, der Junge spürt Schattenmagie drei Meilen gegen den Wind...”
    “Ähm...Gelis?”
    “Du musst ihn dir sofort schnappen, wenn er das Haus verlässt. Der Überraschungsmoment ist wichtig für dein Vorgehen...”, meinte er grübelnd, ohne auf meine Frage einzugehen.
    “Natürlich Meister.”
    “Gut, geh sofort los und sag niemanden, wohin Du gehst. Lass dich keinesfalls erwischen...”
    “Natürlich, Meister.” Dachte er, ich wäre ein Anfänger?
    Ich machte kehrt, schnitt eine genervte Grimasse und stapfte Richtung Gasthaus, wo ich meine Sachen liegen hatte.
    Was wollte er nur von dem Jungen? Er hatte hier eine wunderbar begabte, nebenbei bemerkt such noch hochintelligente und sehr attraktive Schülerin, die für ihn die Drecksarbeit erledigte. Und was macht er? Er befiehlt MIR ein halbwüchsiges Kleinkind zu entführen! Amateursarbeit war das! Normalerweise war das die Aufgabe für Leute, die sich beweisen wollten...
    Ich hatte ja sowas von keine Ahnung.



    Re: Schatten, Schwert & Feder

    Ena - 20.07.2009, 19:06


    [1]

    Elian wohnte in einem schönen Haus. Rostrote Ziegel, zwei Stockwerke, eine massive Holztür und eine kleine Steintreppe, die zu dieser hinaufführte. Auf der linken Seite derer war ein Kräuterbeet, welches allem Anschein nach täglich gepflegt wurde, auf der anderen Seite stand ein vollbepackter Karren und wartete darauf, dass man ihn endlich nach Sturmwind fuhr. Ich wartete ebenfalls, obwohl ich wenig Ähnlichkeit mit dem schnaubenden Pferd hatte, welches den ganzen Karren zog. Eine prächtige, rostbraune Stute mit kräftigen Beinmuskeln und weißen Stiefeln. Möglicherweise konnte ich sie ja mitnehmen, wenn ich mir den Jungen krallte.
    Während ich überlegte, hockte ich in einem Strauch, gar nicht weit entfernt vom Kräuterbeet und fiel fast um, als ich den Lavendel roch, der größtenteils darauf wucherte. Wenn der Junge auch danach stank, brauchte ich dringend ein Stück Watte für meine empfindliche Nase. Die Blätter juckten auf meiner Haut, doch ich war viel zu angespannt, mich zu kratzen – außerdem saß ich auf meinen Füßen, welche wiederum auf meinen Unterarmen lagen. Nur wenn man genau hineinschaute und nach einem Beobachter suchte, konnte man mich entdecken. Und was würde schon ein Bauer gegen jemanden wie mich ausrichten können?
    Ich versuchte noch eine Weile, durch dezentes Stampfen die Spinnen und Ameisen von mir fernzuhalten, dann ging die Tür auf. Meine Beine spannten sich an, die Arme waren mit leicht eingeknickten Fingern ausgestreckt und meine Augen blickten ihnen wachsam entgegen. Auf meinen Lippen lag schon der erste Fluch.
    Zunächst tauchte ein Mann auf, dessen Haar zwar noch eindeutig braun war, dennoch an den Schläfen schon langsam einen grauen Ton ansetzte. Sein weißes Hemd war halb aufgeknöpft und zeigte eine muskolöse Brust, die hochgekrempelten Ärmel spannten sich über kräftigen Armen. Er hatte einen Vollbart, bis zum Halsansatz und wirkte auf mich, als könnte er einen Baumstamm ausreißen. Dieser Mann war wohl kaum der Junge. Wahrscheinlich sein Vater. Ich wusste, dass er früher Krieger war und sich wegen seiner Familie zur Ruhe gesetzt hatte, doch an den Muskeln und den wachsamen Blick war wohl ein starker Kämpfer verlorengegangen.
    Nicht soo gut.
    Der Muskelmann wandte sich um und half einer Frau über die Treppe, die einen großen Korb hinuntertrug. Im Gegensatz zu ihm wirkte sie dürr wie eine Zaunlatte, obwohl sie durchaus eine hübsche Frau war. Rote, schulterlange Haare, hellblaue Augen und eine kleine Nase. Typisch, aber immer wieder nett anzusehen.
    Wo ließen sie denn ihr Kind? Kam es etwa nicht mit?
    Meine Arme bewegten sich trotz meiner Gedanken keinen Milimeter. Wer wusste schon, was der Muskelmann alles hörte. Die beiden riefen irgendetwas ins Haus hinein, stiegen auf den Wagen und galoppierten davon. Konnte das tatsächlich so einfach sein? Es schien so.
    Grinsend erhob ich mich aus den Blättern, zertrampelte unterwegs ein paar Lavendelpflänzchen und stellte mich, eine Hand seitlich in die Hüfte gestemmt, vor die Tür. Kurz überlegte ich, ob ich nicht die Tür einreißen sollte, dann kam mir eine bessere Idee. Warum sollte ich vorher nicht noch ein wenig Spaß haben mit meinem Opfer?
    Ich klopfte kräftig gegen die Tür, der Höflichkeit halber, da ich ja schon wusste, dass offen war.
    Als ich hörte, wie ein Möbelstück langsam über den Steinboden schleifte, überprüfte ich noch einmal den Sitz meiner Haare und übte, mein Lächeln möglichst hilflos wirken zu lassen. Die Dreckklumpen, die an meiner Robe klebten und die leicht gerötete Haut taten ihr Übriges.
    “Habt ihr 'was vergessen?”, fragte jemand, der sich anhörte, als hätte er gerade den Stimmbruch hinter sich.
    Als er die Tür endlich aufzog, klappte mir trotz meiner eigentlich unbändigen Selbstsicherheit der Mund auf. Nicht, weil er besonders schön war, oder seinem Vater ähnelte, sondern weil ich einfach total baff war.
    Dieser Junge war ein junger Mann und bestimmt mindestens so alt wie ich!
    Ich hatte damit gerechnet, ihn einfach an der Hüfte zu packen, einen Stummfluch zu wirken und ihn unter der Achsel zu transportieren. Ich hatte mir sogar überlegt ihn per Portal einfach meinem Meister zuzuwerfen.
    Aber dass ich ihn wahrscheinlich nicht mal an körperlicher Stärke das Wasser reichen konnte...wieso sagte mir eigentlich nie einer was?
    Anscheinend brachte mein ungläubiger Riesenaugen-Blick den Jungen aus der Fassung, denn er blickte prüfend an sich hinab und hatte seinen Mund zu einem stummen “Oh” geformt. Er hatte türkise Augen, die mich unsicher musterten und dieselbe Haarfarbe wie seine Mutter. Diese hingen in zwei Scheiteln bis zu seinen Ohrläppchen und wiesen leichte Verwischungsspuren auf, als hätte er gerade versucht sie sich umzukämmen. Außerdem trug er eine dunkelblaue Leinenhose und ein gelbes Hemd mit weiten Ärmeln. Hinderlich für einen Bauern, aber vielleicht wollte er ja gerade ausgehen und ich hatte ihm während des Umziehens erwischt.
    Mein Gesicht fasste sich wieder etwas, bis es einen verführerischen Ausdruck zeigte. Den Schreck hatte ich mittlerweile soweit verdaut, dass ich ihn unterdrücken konnte.
    “Elian Feskot?”, fragte ich, während mir sein Lavendelduft entgegenströmte und ich mich fragte, ob er sich damit gerade Hals und Arme gerieben hatte.
    “Ja? Kenne ich Euch?” Er blickte an mir vorbei und schien, als hätte er etwas Unangenehmes in der Nase.
    “Ich fürchte nicht, aber ich komme im Auftrag eines...Adeligen und soll mir Euer Haus ansehen, damit die Steuern gesenkt beziehungsweise erhöht werden können...” Ich pustete eine Haarsträhne von meinem Auge und legte ganz vorsichtig eine Hand an die Tür. Er wich unbehaglich etwas mit seinem Arm zurück.
    “Ich weiß nicht...meine Eltern sind gerade in die Stadt gefahren, vielleicht solltet Ihr lieber mit ihnen reden...riecht Ihr das auch?” Sein Blick ruhte kurz auf meinem, er schien ziemlich gequält.
    Also wirklich, wer war hier bitte der Kerl, der roch als hätte er sich in seinem Kräuterbeet gewälzt? Das klein bisschen Schattenmagie konnte er doch wohl verkraften. Wobei ein klein bisschen relativ ist, da ich ja, wie ihr wisst eine höchst mächtige Hexenmeisterin bin.
    “Riechen? Ich fürchte nicht, aber...es geht ganz schnell, ich muss nur kurz...”
    “Ja, kommt rein, diesen Geruch hält man ja nicht aus!”
    Er packte mich am Ärmel und zog mich ins Haus, während mir nicht einmal Zeit blieb, einen überraschten Schrei auszustoßen.
    Der erste Eindruck den ich hatte, war: gemütlich. Es gab eine geräumige Küche, einen Kamin und jede Menge bequem aussehender Stühle dort, wo wir uns befanden. Auf dem Boden vor dem Kamin lag ein Zweihänder, daneben ein Tuch und etwas, dass nach Wachs oder Fett aussah. Oh-ha.
    “Das scheint ein altes Haus zu sein, von Generation zu Generation vererbt?”, riet ich ins Blaue und versuchte mich zwischen ihn und den Kamin zu platzieren. Im Notfall konnte ich ihn einfach per Schockwelle durch die Wand schlagen. Funktioniert übrigens ausgezeichnet, vor allem bei Murlocs. Je kleiner das Ziel, desto größer der Spaß.
    “Eigentlich hat mein Vater es erst vor zehn Jahren gebaut...macht Ihr Eure Arbeit schon lange?” Er musterte mich misstrauisch und ich machte noch einen Schritt auf den Kamin zu, wobei ich tat, als würde ich eine Vase genau mustern.
    “Ja, ich sehe älter aus, als ich bin...und wie alt seid Ihr?”
    “Achtzehn, wieso fragt Ihr?” Wieder sah Elian aus, als hätte er Magenschmerzen.
    “Nur, um etwa das Entstehungsdatum abzuschätzen. Wie ich hörte, war Euer Vater ein atemberaubender Krieger...bekommt Ihr hin und wieder Unterricht?” Beiläufig striff meine Hand meinen Ärmel und ertastete den Griff eines Dolches, in dem ich ein paar Flüche eingearbeitet hatte.
    “Nein, ich bekomme Unterricht vom ehrenwerten Herrn Gelis Prachtbart, mein Vater mag es nicht, wenn ich kämpfe.” Gepresst stieß er die Luft zwischen den Zähnen aus.
    “Geht es Euch nicht gut?” Sofort stand ich neben ihm, ohne mich sichtlich bewegt zu haben und führte ihn an einen hölzernen Stützpfeiler. Meine Hand umschloss den Dolch, bereit ihn jederzeit zu zücken. Perfekte Gelegenheit...
    “Nein...ich glaube...ich habe ein Problem mit Euch...” Leicht beleidigt sah ich ihm ins Gesicht, doch da steckte mein Dolch auch schon im gegenüberliegenden Bücherregal und er hatte seine Arme um meinen Oberkörper geschlungen, gleichzeitig hielt er mein Bein mit seinem Fuß umklammert.
    “Ach, verdammter Mist!”, seufzte ich, “Was für ein Fettnäpf-”
    Seine Arme drückten mich erstaunlich fest zusammen, eine Hand schob sich auf meinem Mund, so, dass ich nicht einmal zubeißen konnte, geschweige denn etwas sagen.
    Gut, damit hätte ich rechnen sollen. Dieser Kerl war- jedenfalls körperlich - stärker als ich und wusste anscheinend, dass ich zum Zaubern Arme und Mund brauchte.
    “Du hörst mir jetzt genau zu, dreckige Hexe. Ich lasse jetzt deinen Mund los und du erzählst mir, wer dich geschickt hat und was du vorhattest. Sind da draußen etwa noch mehr von deiner Sorte?”
    Was dachte sich der Kerl eigentlich, wie er mit mir umspringen konnte? Seine Hand ließ meiner Schimpftirade freien Lauf, doch bevor ich dazu kam, mich über die Qualität des Essens seiner Mutter lustig zu machen, hatte ich diese stinkende Hand wieder auf meinem Mund.
    “Wie ich sehe, kapieren wir nicht so schnell...nun gut, ich versuche es noch ein einziges Mal, bevor ich deinem widerwärtigen Leben den Garaus mache.”
    Wieder ließ er mich los, diesmal blieb ich für einige Sekunden stumm, während ich krampfhaft auf einen genialen Plan sinnierte.
    “Wird's bald?”
    “Ja...also...zunächst einmal möchte ich anführen, dass dein Ton mir überhaupt nicht passt und ich so etwas Unhöfliches wie dich nicht einmal bei denen im Verlies sehen durfte. Dann habe ich beträchtlich mehr Respekt vor meinem Meister als vor dir, Bubi und sehne mich nicht danach, dir geheime Informationen zu verraten. Außerde-”
    Da wurde ich doch schon wieder verstummt! Diesmal war sein Ton angespannt, er hauchte mir die Worte fast ins Ohr.
    “Dann stirbst du wohl.” Mit einem Ruck ließ er meine Arme los und umklammerte meinen Hals, doch bevor er zudrücken konnte, knallte er schon mit rauchendem Rücken gegen die Wand und sah erstmal Sterne.
    “Oder wer....”
    Selbstzufrieden ließ ich den Schattenball in meiner Hand verpuffen und wedelte die Rauchschwaden zur Seite, dann trat ich betont langsam an ihn heran. Die kecke Antwort war natürlich nur der Ironie wegen, mein Meisterchen wollte ihn ja lebend sehen...na ja, was soll's.
    Auftrag ausgeführt.



    Re: Schatten, Schwert & Feder

    Ena - 20.07.2009, 19:06


    [2]

    Dachte ich zumindest.
    Ich packte den Jungen unsanft an der Schulter und vollführte mit meiner freien Hand einige komplizierte Zeichen. Sie taten ihre Wirkung, denn neben dem Kamin und einer großen, antiken Standuhr öffnete sich ein schwarz-violetter Strudel, der immer größer wurde, sich in der Mitte ausweitete und dort durchschimmernd wurde wie eine Seifenblase. Portale sind einfach nur nützlich. Gerade, als ich mit einiger Mühe den bewusstlosen Körper auf meine Schulter bugsierte (natürlich nicht den ganzen Körper, sondern nur den Arm, damit ich ihn hineinwuchten konnte...), klopfte es an der Tür. Super. Besuch konnte ich jetzt sehr gut gebrauchen. Seine Eltern konnten es kaum sein, seit ihrer Abfahrt waren höchstens zwanzig Minuten vergangen. Mein prüfender Blick auf die Uhr bestätigte das nur. Es klopfte wieder, ungeduldiger.
    “Elian? Bist du da?”, rief eine eindeutig weibliche Stimme gedämpft von der anderen Seite.
    Seine Verabredung? Ich ließ den Jungen wie ein nasser Sack auf den Boden plumpsen und hob erwartungsvoll die Hände, einen Fuß vorne, den anderen weiter hinten. Ganz langsam trippelte ich nach vorne zur Tür, für den Fall, dass sie stärker war als ich annahm und die Tür einbrach. Natürlich hätte ich einfach einen Feuerball durch die Tür jagen und sie verbruzzeln können, aber das erschien mir zu einfach. Außerdem hätte es Spuren hinterlassen, was wiederum nicht so prickelnd für meinen Meister gewesen wäre und dann wahrscheinlich auch nicht für mich.
    “Elian?”
    Mit einer ruckartigen Bewegung griff ich nach dem Türknauf und zog daran. Eine etwa gleichaltrige junge Frau starrte mich überrascht aus hellblauen Augen an. Ich lächelte keck zurück. Sie trug ein ziemlich schickes Kleid und hatte ihre haselnussbraunen Haare zu einer Flechtfrisur hochgesteckt. Hui!
    “Wer bist du?” Sah ich da etwa ein bisschen Eifersucht in ihrem Blick?
    “Wie wäre es zunächst mit einem Hallo? Also gut, Hallo unbekannte Freundin meines Opfers, mein Name ist Delia Taylor und ich bin eine Hexe. Im Klartext bedeutet das, dass ich wild mit Schattenbällen um mich schieße, blutige Rituale mache und darauf stehe, mit Dämonen herumzuhängen! Und was treibt dich hierher?”, antwortete ich im lockeren Plauderton, eine Hand lässig in die Hüfte gestemmt.
    Kaum hatte sie meine Aussage verstanden, schien eine Veränderung in ihr vorzugehen. In ihrem Kopf arbeitete es sichtlich, ihre Augen verengten sich. Ich grinste immernoch.
    Sie blickte zuerst nur hasserfüllt mich an, dann an mir vorbei. Vor Entsetzen weiteten sich ihre Augen, als sie Elian auf den Boden liegen sah und dahinter den violetten Strudel, den ich immernoch aufrecht erhielt. Und mein Meister sagte immer, meine größte Schwäche wäre die Unterschätzung meiner Gegner! Ich fragte mich immernoch, was er von Elian wollte, wo er doch so einfach zu überwältigen gewesen war. Aber vielleicht wusste er ja etwas, dass ich bisher noch nicht erraten hatte, mir war es auch soweit egal, solange ich nicht das Kindermädchen für Elianlein spielen musste.
    Ich wurde abrupt aus meinen Überlegungen gerissen, als ich die Faust umklammerte, die aus heiteren Himmel auf mich zugeschossen kam. Was bildete sich diese Schnepfe eigentlich ein, mich einfach zu schlagen? Vor Empörung zogen sich meine Augenbrauen zusammen und es wurde ganz schön warm unter meiner Hand. So warm, dass die Kleine schmerzerfüllt das Gesicht verzog. Es begann zwischen meinen Fingern zu rauchen und ich schmunzelte diabolisch, doch kaum drückte ich noch etwas fester zusammen, packte die Kleine einfach die Oberseite der Tür, stemmte sich mit einem Arm nach oben und schwang sich über mich hinweg durch die Türöffnung. Vor lauter Überraschung ließ ich ihre Faust los und sie landete anmutig mit leicht angewinkelten Knien und rieb sich die immernoch geröteten Fingerknöchel. Jetzt war sie es, die grinste und ich total baff.
    “Nicht schlecht!”, sagte ich anerkennend, “Aber das wird dir nicht viel nützen!” Ich weiß, das sagen alle Bösewichte in sämtlichen Geschichten und Erzählungen, aber es passte doch wirklich gut, oder?
    “Das werden wir ja sehen...” Sie wartete darauf, dass ich den ersten Schritt machte, aber ich war nicht so blöd, jemanden herauszufordern, der sich allen Anschein nach an den Dachbalken hinaufziehen und mich niederwalzen konnte. Hier war Taktik gefragt, außerdem sollte ich ja keine Spuren hinterlassen.
    “Na los! Hau mir eine rein! Oder willst du noch ein bisschen herumhüpfen?”, fragte ich in der Hoffnung sie anzustacheln. Gelang mir aber nicht. Auch sie war nicht doof.
    “Damit du daselbe mit mir machen kannst wie Elian? Nein danke, Delia.” Sie spuckte meinen Namen aus wie ein Stück fauliges Obst, in das man unabsichtlich gebissen hatte. Ich muss zugeben, das ärgerte mich ein wenig, aber ich hatte das schon öfters erlebt.
    “Du willst also ein bisschen reden? Alles klar!” Ich machte ein paar Schritte auf den nächstliegenden Sessel zu und ließ mich mit übereinandergeschlagenen Beinen darauf nieder.
    “Schönes Wetter heute, nicht?”
    Endlich lief sie auf mich zu, aus ihren Ärmeln flogen zwei Dolche und nagelten meine eigenen Robenärmel am Stuhl fest. Wow! Während sie rannte!
    Aber ich erschien unbeeindruckt und blieb einfach, wo ich war. Dass ich festhing, hatte damit übrigens nichts zu tun. Ehrlich.
    Sie kam immer näher, ich murmelte ein Wort und ritzte mit dem Dolch in mein Handgelenk. Ich war der Kleinen dankbar, sonst hätte ich das wahrscheinlich nicht geschafft. Mein eigener Dolch steckte ja noch im Bücherregal und ich hatte vergessen ihn wieder zu nehmen. Schön dunkelrot sickerte das Blut auf den Steinboden, wo es sich zu einem Runenkreis formte. Das kostete mich zwar einiges mehr an Kraft, als wenn ich die Runen aufgemalt hätte und ich musste einmal kräftig nach Luft schnappen, damit ich den Blutzoll auch noch bezahlen konnte, aber das war es auf jeden Fall wert. Die Kleine blieb abwartend stehen und starrte auf den Kreis.
    Dort wurde eine dunkelblaue, fast schwarze Masse sichtbar. Sie zuckte immer wieder hin und her und manifestierte sich schließlich zu einem Leerwandler. Ein recht großes Exemplar, übrigens.
    “Guten Tag, Belvuzar. Ich befehle dir, diese Grashüpferin zu... nun ja...töten. Ach und zieh doch die Dolche aus meinen Ärmeln...” Ich lächelte spöttisch, als sich die dunkle Masse behäbig in Bewegung setzte und die Dolche mit einem Auswuchswischen gegen die Decke flogen.
    Die Kleine stellte sich in Angriffposition auf, die Beine weit voneinander entfernt, die Hände zu spitzen Dolchen umgeformt. Belvuzar schlurfte auf sie zu, irgendetwas in ihm schmatzte.
    Ich zuckte nur mit den Schultern und sah nocheinmal in die Augen der Kleinen. Unerschütterliche Entschlossenheit spiegelte sich darin und ich fragte mich, woher sie diese Tricks hatte. Irgendetwas sagte mir, dass wir sie wohl nocheinmal wiedersehen würden. Na hoffentlich nahm sie da etwas mehr mit als nur ein paar Dolche.
    Ich presste einen Finger auf meine Wunde, vergrößerte das mittlerweile schon stark geschrumpfte Portal keuchend und hievte irgendwie Elianlein durch.
    Das Letzte, das ich hörte, bevor ich durch Raum und Zeit gezogen wurde, war das Knacken des Dachbalkens und einen Kampfschrei, gefolgt vom diabolischen Lachen meines Dieners.
    Ich lächelte.



    Re: Schatten, Schwert & Feder

    Ena - 20.07.2009, 19:07


    [3]
    Der Mond spiegelte sich im Wasser des Kanals, als eine gebeugte Gestalt daran vorbeihinkte. Im Schatten der Nacht war sie nur umrissartig zu erkennen. Neben ihr ging aufrecht und eindeutig weiblich eine zweite Gestalt, doch während die gebeugte Gestalt heftig gestikulierte, bewegte sie sich kaum, nur ab und an ruckte ihr Kopf in alle Richtungen.
    “Sie haben ihn also...Nun, das war nicht ganz das, worauf ich ursprünglich rechnete, aber doch...das öffnet uns natürlich weitere Möglichkeiten”, krächzte die gebeugte Gestalt. Es war die Stimme eines alten Mannes.
    Die Frau nickte nur.
    “Eure Begegnung ist gut verlaufen?” Er lachte leise und sah sich noch einmal um.
    “Lasst Eure Tarnung. Sie ist nicht sehr überzeugend. Die Feder liegt Euch besser.” Die Frau sagte es mit einer schneidenden Stimme, doch sie war belegt, als hätte sie geweint.
    Der alte Mann richtete sich hastig auf, warf den Umhang über die Schulter und beobachtete die Frau hinter einem Monokel mit blauen, adlerscharfen Augen. Plötzlich sah er nicht mehr alt aus, eher wie ein zu früh grau gefärbter Mann, der in seinem Leben noch viel vorhatte. Er räusperte sich.
    Die Frau machte keine Anstalten, ihren Umhang fallen zu lassen. Unter der Kapuze ließ sich kaum etwas erkennen.
    “Der Wandler hat mich nicht aufgehalten.”
    “Gut, sehr gut...” Die Stimme des Mannes war fest und tief. Befehlsgewohnt, aber auch künstlich aufgeplustert.
    “Aber ich konnte ihnen nicht folgen.”
    Der Mann lachte wieder leise und betrachtete den Mond, Halbmond, wie er am Himmel hing. Vielleicht sollte er einmal davon schreiben. Er konnte es immernoch nicht fassen, wie weit er in das Ganze gerutscht war.
    Vor einigen Wochen war er, Rulif Toclesz, noch ein einfacher Geschichtenschreiber! Und jetzt, jetzt plante er geheime Dinge mit Auftragsmördern. Unglaublich! Er fühlte sich beflügelt, als wäre das schon immer seine Bestimmung gewesen.
    “Bringen sie ihn um?”, fragte die Frau und blieb plötzlich stehen. Obwohl sie etwas kleiner als er selbst war, schüchterte sie ihn ein. Sie sprach, als wäre sie der Herr und nicht er, der sie gefunden hatte. Sie sei die Beste, sagten sie. Nicht in den Fertigkeiten, aber im Herz. Kalt wie Eis.
    “Vielleicht haben sie ihn schon getötet...vielleicht auch nicht. Ich denke allerdings, sie wollen seine Kraft für ihre eigenen Versuche aufsparen.” Er lächelte leicht und verschränkte die Arme hinter den Rücken. Er wusste, dass er damit mächtig wirkte. Allerdings war die Frau unbeirrbar.
    “Werdet IHR ihn töten?”
    Rulif Toclesz blieb ebenfalls stehen, es waren nun etwa drei Meter Abstand zwischen ihnen, doch er sah trotzdem, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten und spürte, wie sie ihn unter der Kapuze erwatungsvoll musterte.
    “Vielleicht...vielleicht auch nicht.”



    Re: Schatten, Schwert & Feder

    Ena - 20.07.2009, 19:08


    [4]

    “Ohh...”
    Elian öffnete die Augen zögerlich. In seinem Kopf drehte sich alles und die letzten Stunden waren ein Gewirr aus Schreien, Tritten und...geflüsterten Niederträchtigkeiten?
    Als er versuchte, sich nach oben zu stemmen, brannte sein Rücken, als hätte er auf kurvigen Steinen gelegen und er ächzte gequält. Erst jetzt, wo er stand, konnte er erkennen, wo er war.
    “Oh nein...”
    Innerlich hatte er gehofft, alles wäre ein Traum gewesen, doch die Steinwände, die Eisentür und das winzige Fenster über ihm sahen eindeutig nach Kerker aus. Er hob die Hände und schaute an sich hinab. Wenigstens war er nicht gefesselt und trug seine alte Kleidung.
    Elian lehnte sich verzweifelt gegen eine Wand. Er schüttelte den Kopf. Es stank hier fürchterlich, so sehr, dass ihm schlecht wurde und sein Blickfeld verschwamm. Er hatte öfter dieses Gefühl, als würde sich die Welt verdrehen und sich sein Magen umstülpen, aber es war noch nie so heftig wie hier.
    “Urgh...”, machte er und musste unwillkürlich würgen. Galle stieg ihm hoch, aber er beherrschte sich.
    Wo war er hier nur? Und wieso?
    “Willst du uns etwa zu Tode würgen?” Elian erkannte die Stimme sofort und sah auf. Schweißperlen rannen seine Stirn hinab und er stolperte nach vorne, klammerte sich wie ein Betrunkener an die Gitterstäbe und versuchte unter der schwammigen Sicht und den verklebten Haaren ihr Gesicht zu erkennen.
    “Du...”
    “Oh! Beim Licht! Ich zitterte vor deiner Stärke...Sag mal, wieso wackelst du denn so? Hast du etwa...Angst?”
    Sie beugte sich soweit vor, dass er ihr Parfüm riechen konnte, Rosen. Doch es war nicht angenehm, er prallte zurück, als hätte sie ihn geschlagen und blieb am Boden sitzen.
    “Was zum...”, stöhnte er, sein Hals war trocken und er verlor das Gefühl in den Beinen, sie fühlten sich an wie Pudding. Was war hier los? Der Gestank wuchs und wuchs, bald würde er es nicht mehr aushalten, das wusste er.
    “Wahrscheinlich hast du's schon gemerkt, aber ich sag es mal trotzdem, man kann ja nicht wissen, wie schlau du bist. Alsoo...du hast da so eine Art Antenne, mit der du ähnlich wie Nachtelfen Schattenmagie aufspüren kannst. Keine Ahnung wie, aber...na ja. Wir wollen dich also töten, aber zuerst erforschen, damit wir deine Kräfte zu unserem Vorteil nutzen können.”
    Elian starrte sie verständnislos an. Ja, er wusste, wenn ein Hexer vor ihm stand...aber...wieso?
    “Oh, und du bist so fertig, weil sich gerade so ziemlich alle Hexer oben treffen, die wir auftreiben konnten...du armes Bubi.” Sie lachte ihn unverhohlen aus, warf eine kleine Schattenkugel auf ihn und verschwand.
    Als die Kugel ihn traf, schrie er, obwohl sie ihm nicht wehtat. Er spürte nichts mehr. Sein Hals schnürte sich zu und er verlor fast das Bewusstsein. Sie wollten ihn töten...Wenn er nicht vorher starb.
    Er brauchte Luft! Würgend und hustend griff er sich an die Kehle, er spürte förmlich, wie die Luft aus ihm wich und sich seine Lungen zusammenzogen. Nein...es war nur Gestank...seine Gabe war nicht körperlich.
    Es war nur ein starkes Gefühl. Wieso schwitzte er dann? Und wieso spürte er kein Körperteil mehr?
    “Nein”, flüsterte Elian. “Licht...Luft...”
    Nichts kam. Er würde in dieser Zelle ersticken, an seiner eigenen Gabe.
    Mit letzter Kraft schrie er ihnen einen Fluch entgegen, dann sackte er zusammen.
    “Licht...”



    Re: Schatten, Schwert & Feder

    Ena - 20.07.2009, 19:08


    [5]

    Oh Mann. So ein verdammtes Weichei. Wieso musste er bewusstlos werden? Und wieso wurde ausgerechnet ich dazu verdammt, ihm erste Hilfe zu leisten?
    Ich hockte in seiner Zelle, kniff Elianlein die Nase zusammen und presste meine Lippen auf seine, atmete durch seine Lungen. Verdammter Mist. Jetzt verpasste ich, was sie berieten, weil dieser dumme Trottel abkratzen musste! Dafür würde er mir büßen...
    “Jetzt wach schon auf, du Idiot!”, rief ich und gab ihm eine Ohrfeige, dass es klatschte. Aber mehr als einen feuerroter Abdruck bewirkte ich damit auch nicht. Noch einmal drückte ich Elianlein meinen Mund auf den seinen und versorgte ihn mit reiner Luft. Ich fühlte seinen Puls, er war kaum zu spüren. Och nee...
    “Komm schon!” Ich wurde langsam panisch, unterdrückte meine Aura soweit ich nur konnte, doch es half nichts, er wachte nicht auf.
    “Elian! Hey!”
    Das war gar nicht gut...das war sogar mies. Ich würde gebruzzelt werden, wenn er starb. Hundertfach, von tausenden von Hexern. Dies könnte die Chance für unseren ewigen Untergrund bedeuten! Wenn wir herausfanden, wie dieser Junge uns wahrnahm, konnten wir die anderen auch täuschen. Paladine, Elfen...niemand würde uns mehr erkennen, doch wir würden sie erkennen. Und unsere Rache würde schrecklich sein. Gottverlassenes, doofes Licht...hilf mir..
    Gerade, als ich wieder eine Mund-zu-Mund-Beatmung vollführte, fing er plötzlich an, zu husten und zu spucken. Er starrte mich nur kurz an und drehte sich dann auf meine Seite, wo er sich auf meine Robe erbrach.
    In solchen Augenblicken kann man eigentlich nur dumm glotzen. Ganz selten fällt einem ein Kommentar ein, aber in diesem Augenblick war sogar ich sprachlos. Angeekelt stand ich auf und setzte mich gut einen Meter weiter weg. Er hustete immernoch, bekam aber anscheinend jetzt genügend Luft, um alleine zu atmen. Ob die anderen schon zu einem Entschluss gekommen waren? Ich schaute nach oben, als könnte ich durch die Steindecke hindurchsehen.
    “Na toll”, sagte ich, endlich etwas gefunden, dass meinem Gefühl Ausdruck verleite.
    Er drehte sich auf den Bauch und sah mich an, ein Sabberfaden hing von seinem Mundwinkel, aber er lächelte. Ich wusste nicht, was ekliger war. Irgendwie wirkte er auf mich, als wäre er auf Mojo oder so...
    “Danke...”, brachte er heraus und wischte sich mit einen Ärmel über den Mund,
    “Was? Dass ich dir das Leben gerettet habe, oder dass du mich ankotzen durftest?”, fragte ich patzig.
    Elianlein war immernoch sehr schwach. Er konnte kaum die Augen offen halten, sie sahen glasig aus.
    “B-beides...danke.”
    “Ja, bitteschön. Gerne doch.” Ich stand auf und spielte mit den Gedanken ihn jetzt sofort einer Höllenfeuermassage zu unterziehen, doch irgendwie...und das verstand ich nicht...tat er mir Leid.
    Also wandte ich mich einfach um, schloss die Kerkertür ab und betrachtete mulmig, wie er versuchte aufzustehen.
    Ich hatte einem Menschen das Leben gerettet...und es war kein schlechtes Gefühl.



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