Fliegen......................

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    Re: Fliegen......................

    rockmonster - 20.05.2006, 20:54

    Fliegen......................
    Der Ruf ausgeprägter Duldsamkeit eilt mir weit voraus. »Unfassbar, was Sie alles erdulden, wenn der Tag lang ist«, wird mir oft attestiert, »ich an Ihrer Stelle wäre längst unduldsam geworden«. Nehmen Sie nur mal Tauben. Zwar gibt es vereinzelte Gourmets, die auf deren Verzehr schwören, und wenn Sie sich zufällig gerade am Picadilly Circus oder auf dem Markusplatz aufhalten, finden Sie es vielleicht erstrebenswert, ein Foto nach Hause zu tragen, das Sie als echten Taubenbändiger oder -virtuosen ausweist, die meisten Bürger bringen diesen Tieren jedoch ein ablehnendes Verhältnis entgegen. Nicht umsonst etablierte sich in den 90er-Jahren mit der Taubenabwehr ein neuer Wirtschaftszweig, in dem jeder, der nichts Gescheites gelernt hat und wenigstens einen alten Kombi besitzt, sein sicheres Auskommen finden kann. Sicher, es sieht alles andere als schön aus, wenn jedes auch nur halbwegs als Taubentummelplatz geeignete Fassadenelement mit diesen Brachialstacheln zugepappt wird, aber was will man machen, die Menschen sind eben träge und bequem geworden, das Aufwischen von Taubenscheiße empfinden sie als lästig und unwürdig.

    Ich gebe zu, in Bodennähe sind Tauben ein wenig seltsam. Zumindest in den Innenstädten machen sie oft den Eindruck, die erhöhte Abgaskonzentration würde ihnen gar nicht gut bekommen. Die einen torkeln, andere wirken, als ob ihnen längst alles egal wäre, auch einbeinige finden Sie häufig unter ihnen und ein arg lädiertes Gefieder ist keine Seltenheit. Ganz anders auf den Dächern, glauben Sie mir, ich weiß wovon ich rede. Lasse ich den Blick zu egal welchem Fenster schweifen, stoße ich erst mal auf Dächer. Kein Nachbar ist mir so präsent wie die Tauben auf den Dächern um mich herum, oft scheuen sie sich nicht einmal, auf einem meiner Simse zu verweilen. Und ich sage Ihnen: erst hier oben offenbaren sie ihr wahres Wesen. Der Anflug von äußerster Eleganz, entspannt sitzen sie auf Giebeln und Kaminen, die Balz ein rührendes Schauspiel von zärtlicher Anmut. Das Erstaunlichste ist indes ihr Nestbau. Wo die Amsel tagelang ackert wie blöde, bis sie eine stabile und formvollendete, nach allen Regeln der Baukunst optimierte Brutarchitektur errichtet hat, die selbst nach Jahren noch unauflösbaren Bestand hat, genügt der Taube ein flüchtiges, flächiges Provisorium aus einigen locker und mit leichter Hand hingeworfenen Ästlein, das kaum den ersten ernsthaften Wind übersteht. Spätestens damit erweist sich die Taube als Meisterin des Minimalen und Ungefähren, während Sie lediglich sehen, dass sie scheißt.

    Aller Duldsamkeit zum Trotz bin ich ein Mann der schwankenden Laune. Und so gibt es Tage, an denen mich buchstäblich die Fliege an der Wand stört. Meinen Sekretär anzuweisen, sie zu entfernen, ist sinnlos, selbst die trägste Fliege entkommt diesem nichtsnutzigen Tölpel zuverlässig. In früheren Jahren haben sich noch meine beiden Zwergteufel des Problems angenommen, bis sie mir eines Tages maulend eröffneten, ihre wahre Bestimmung sei das Teuflische, wie der Name ja schon impliziert. Das abgrundtief Böse, wenn ich so wolle. Das Gewissenlose, Verkommene. Ich könne unmöglich verlangen, dass sie sich mit harmlosen Bagatellerscheinungen wie Stubenfliegen abgeben, sie würden sich doch nicht lächerlich machen. Kurz zog ich den Erwerb einer Fliegenklatsche in Erwägung, worauf mir sofort der Altbauer Mägerle einfiel, ein entfernter Bekannter von der Schwäbischen Alb. Herr Mägerle ist nämlich mit seiner Fliegenklatsche sozusagen verwachsen, ich kann mich nicht erinnern, ihn in den letzten 20 Jahren schon einmal ohne Fliegenklatsche erlebt zu haben. Da auf der Alb ungleich mehr Fliegen zugange sind als hier in der Stadt, schlägt er unablässig nach allen Richtungen aus, fasst die solcherart erledigte Fliege jeweils zwischen zwei Fingern und hält sie triumphierend in die Höhe, was jede Unterhaltung mit ihm ziemlich enervierend geraten lässt. Da ich auf keinen Fall so enden will wie der alte Mägerle, fiel die Fliegenklatsche folglich flach.

    Nach einigem Nachdenken kam ich auf die Idee, eine fleischfressende Pflanze könnte hier Abhilfe schaffen, und was eignete sich dafür besser als eine Venus Fliegenfalle, die ihre Bestimmung schon im Namen trägt und zudem als Carnivore (so nennt der Kenner fleischfressende Pflanzen) für Einsteiger gilt.


    Schön war sie, eindeutig. Die Fallen weit und gierig geöffnet, übte sie auch auf mich eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Um den Schließmechanismus auszutesten, fummelte ich gleich mal mit einem Zahnstocher in einer der Fallen herum, und – zack! – schnappte sie zu. Noch war mir vollkommen unklar, was diesen Impuls auslöst, bis nach einigen weiteren Versuchen zweifelsfrei feststand, dass die kleinen Fühlborsten dafür zuständig sind, die ich auf der Falleninnenseite erkennen konnte. Leider waren jetzt bereits etwa 10 von 20 Fallen zu. Noch am gleichen Abend habe ich recherchiert, dass man die Fühlborsten keineswegs künstlich stimulieren sollte, um die Pflanze nicht unnötig zu stressen. Alles schien aber noch mal gut gegangen, am nächsten Tag hatten sich bereits die ersten Fallen wieder geöffnet oder waren mindestens sichtbar im Begriff. Eine Weile schaute ich zu, ob sich vielleicht eine Fliege bequemen würde, in die Falle zu gehen. Nachdem auch nach Stunden nichts darauf hindeutete, dass dies jemals geschehen würde, schlug ich wahllos die nächstbeste tot und verbrachte sie in eine der Fallen, die wiederum – zack! – zuschnappte. Diesen Vorgang wiederholte ich noch einige Male, bis ich das Gefühl hatte, die Pflanze hätte jetzt genug gegessen für heute. Sie ahnen vielleicht schon, dass man auch das nicht tun sollte, spürt die Pflanze nämlich keinen Zappelreiz, setzt auch der Verdauungsvorgang nicht ein. Die Folge: am nächsten Tag waren die Klappen wieder geöffnet und präsentierten – dem alten Mägerle nicht unähnlich – die zermatschten Fliegen, die inzwischen auch nicht besser aussahen als am Tag zuvor.

    Ich ließ erst mal alles wie es war und beschloss, die Planze nicht mehr weiter zu stören, sollten die Geschehnisse doch einfach ihren Lauf nehmen. Und tatsächlich wurden nach einigen Tagen erste Erfolge sichtbar, ein, zwei Fliegen tappten in die Falle, eine Schnake auch, ihre dürren, aus der geschlossenen Falle herausragenden Stelzen zappelten noch eine Weile in gequälten Verrenkungen, dann war sie über dem Jordan. Irritierend nur, dass die Pfanze ungebrochen fortfuhr, auch die selbst erbeuteten Tiere nach einem oder zwei Tagen wieder vorzuzeigen, diesmal in halbverdautem Zustand, ein Anblick, der mir bald so aufs Gemüt schlug, dass meine Gießintervalle länger wurden. Nun hat die Venus Fliegenfalle ihre Heimat im feuchtheißen Carolina, Wassermangel richtet sie demnach zügig zugrunde. Nach etwa 4 Wochen hatte ich ihr wohl endgültig den Rest gegeben, einige schwarz verfaulte Lappen waren noch zu sehen, dazwischen Insektenreste in verschiedenen Verwesungszuständen, die sofortige Trennung schien mir nur angemessen.

    Überhaupt ist mein Verhältnis zu Insekten ein gebrochenes, ambivalentes, was heißt, ich schwanke zwischen Faszination und Abscheu. Zu meinen erklärten Lieblingen zählt hingegen das Erdmännchen. So oft es nur irgend geht, trete ich den beschwerlichen Weg über den Neckar hinüber an, nach Bad Cannstatt, in die Wilhelma, dem zoologisch-botanischen Garten, der zu den Höhepunkten unserer Stadt zählt. Kaum angekommen, zieht es mich magisch zu den Erdmännchen, die einfach unglaublich sind. Ihre Abteilung besteht aus nicht mehr als einer flachen, sandigen Grube von sagen wir 3-4 Metern Durchmesser, in der ein paar größere Steinbrocken liegen, unter denen sie bei Bedarf Unterschlupf finden. Ich vermute, dass das Erdmännchen ein erhöhtes Wärmebedürfnis hat, jedenfalls wird der zentrale, oben abgeflachte Stein, sofern es sich nicht gerade um einen heißen Sommertag handelt, stets von einer mächtigen Halogenlampe angestrahlt, was ihn wie eine Theaterbühne wirken lässt.


    Erdmännchen organisieren sich offenbar so, dass sich der größte Teil von ihnen unbekümmert balgt, während einer Schmiere steht. Aufrecht, den schlanken Leib steil nach oben gereckt, steht er im Rampenlicht und verliert den Himmel niemals aus dem Blick. Kreisende Greifvögel – seine ärgsten Feinde in freier Wildbahn – halten sich über Cannstatt zwar im Rahmen, dem Erdmännchen sind allerdings auch Fluggeräte gleich welcher Art Drohung genug, schon Luftballone reichen dazu völlig aus. Weil er im Laufe eines Tages doch einiges fliegen sieht, ist seine Konzentration immer die äußerste, was ihm eine merkwürdige Aura tiefer Ernsthaftigkeit verleiht.

    Aber wir waren bei den Insekten. Der Zusammenhang wird klar, wenn ich Ihnen eröffne, dass die Wilhelma satte 10 Euro Eintritt nimmt. Ich muss um Verständnis bitten, dass ich nicht jedes Mal 10 Euro ausgeben kann, nur um ausschließlich den Erdmännchen zuzusehen, bei aller Liebe. Also versuche ich, meinen Besuchen jeweils einen Zusatznutzen abzuringen, indem ich auch noch andere Beispiele aus der Tier- und Pflanzenwelt betrachte, und einmal ging ich zu diesem Zweck ins Insektenhaus. In dem befinden sich zahllose Glasvitrinen und Guckkästen in denen es wuselt, schwirrt und kreucht und fleucht, dass es eine Art hat, da fällt Ihnen nicht mehr viel ein. Obskurste Exemplare der Insektenwelt können Sie dort bestaunen, bizarre Konstruktionen und formale Höhepunkte ebenso wie schleimige Kriecher und hektisch flatterndes Gemücke. Eine Weile stand ich staunend da, schaute hier und dort, bis sich mir, ohne Vorwarnung, von jetzt auf sofort und gänzlich unerwartet der Magen umdrehte. In letzter Sekunde gelang es mir gerade noch, das Freie zu erreichen, wo ich mit mächtigem Strahl den Gehweg vollkotzte. Sie werden verstehen, dass ich den Aufenthalt im Insektenhaus seither meide.


    Egal, Alternativen gibt es genug. Zum Beispiel Thekla, ein wahres Prachtexemplar von Landschildkröte. Thekla ist meines Wissens etwa 3000 Jahre alt und hat demzufolge alles gesehen und erlebt, ihr macht keiner mehr etwas vor. Entsprechend verbittert hat sie für Gaffer nichts als Verachtung übrig und beschränkt sich darauf, mit angewidertem Gesichtsausdruck Gras aus der Erde zu reißen, das sie mürrisch, mit mahlendem Kiefer zermalmt, ohne Sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Benannt habe übrigens ich sie. Und zwar nach meiner Großtante Thekla, die ihr im Ausdruck verblüffend ähnelte. Tante Thekla war zudem hüftlahm und konnte sich kaum noch bewegen, was mich als Kind nicht davon abhielt, ihr ständig den beliebten Kinderreim »Hoppla, Thekla, lupf den Fuß, zeig mir wie man tanzen muss« unter die Nase zu reiben, was sie immer sehr erzürnte und ihre Gesichtszüge noch furchterregender werden ließ. Ich schätze, dass es neben der Tatsache, dass ich kein anderes Thekla-Gedicht beherrschte, hauptsächlich ihr wirklich aufsehenerregend missmutiger Gesichtsausdruck war, der mich zu dieser eindeutigen Provokation bewog.

    Auch andere Tiere schauen ziemlich missmutig, und so habe ich vor einiger Zeit beschlossen, eine kleine Privatsammlung möglichst missmutig schauender Tiere aufzubauen. Es kann gut sein, dass sich meine an sich nur schwach ausgeprägte Sammelleidenschaft bald wieder anderen Sujets zuwenden wird.

    Wenn Sie aufmerksam gelesen haben, ist Ihnen bestimmt aufgefallen, dass mein Fliegenproblem immer noch nicht gelöst ist. Als ich mich nach Wochen und Monaten ergebnislosen Grübelns schon damit abgefunden hatte, Fliegen wohl oder übel in meinen persönlichen Duldungskanon aufzunehmen – if you can‘t beat them, join them – bin ich unlängst auf ein viel versprechendes Produkt gestoßen, eine elektronische Venus Fliegenfalle aus dem Hause Varta. Glaubt man den Beteuerungen des Herstellers, fängt sie tatsächlich Fliegen, indem sie einen Duftstoff ausströmt, die Falle mittels eines elektronischen Sensors zuschnappen lässt und im Anschluss obendrein rülpst. Das einzige, was mich vom Kauf noch abhält, ist die ungeklärte Frage, was mit der toten Fliege passiert, der Hinweis auf die beiliegende Reinigungsbürste lässt Unangenehmes befürchten. Falls unter Ihnen zufällig jemand mit diesem Gerät arbeitet, wäre ich für Erfahrungsberichte dankbar. Sonst sehe ich halt mal weiter....

    :lol: :shock: :lol: :shock:



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