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Lermontow, Michail - Ein Held unserer Zeit




Lermontow, Michail - Ein Held unserer Zeit

Beitragvon Krümel » 26.04.2009, 16:25

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Ist es wirklich ein Held?

Eigentlich ist doch dieser Petschorin ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Er ist stolz, eitel und von sich eingenommen, hart und zynisch, ein Macho und Frauenheld. Er lässt nicht locker bis ihm die Damenwelt zu Füßen liegt, hat er aber sein Ziel erreicht, wird er ihnen überdrüssig.

Doch meint Lermontow sein ganzes Werk ironisch? Wo ist dann der Held, wenn wir doch nur einen Un-Helden finden?

Betrachtet man Petschorin von einer anderen Seite, so kann man festhalten, dass er eigentlich doch moralisch gefestigt ist. Er strotzt vor Mut, ist intelligent, übernimmt Verantwortung, ist tollkühn und ritterlich. Aber warum wirkt er nicht als Held, wenn er doch alle Eigenschaften eines Helden in sich vereint?

Sein Zynismus entspringt der Perversion seiner Zeitgenossen. Der Durchschnittsmensch achtet nicht mehr auf Moral, Tugend kehrt sich in Untugend, die gesellschaftliche Norm besteht aus Betrug, Heuchelei, Geltungsmacht und Dekadenz.
Idealismus, was einen Helden ausmacht, hat seinen Platz in der Gesellschaft verloren. Solche Eigenschaften werden verpönt und belächelt. Und so muss der Held dieser Zeit in bitteren Zynismus verfallen und seinen Charakter verstellen.

Diesen Überdruss und die dekadente Langeweile findet man auch heute in unserer Gesellschaft. Auch wir leben in einer Zeit des Mittelmaßes, zu hohe Ansprüche an die menschliche Moral sollte man nicht mehr stellen, aber so ganz ohne Fass und Boden entspricht es auch nicht.

Ob nun Petschorin ein ganzer Held, oder ein ganzer Anti-Held ist, irgendwo in der Mitte werden wir ihn wohl ansiedeln können. Denn nicht alle Menschen im Werk, die diesem Helden begegnen, entsprechen diesem unsittlichen Bild. Petschorin erwidert ihnen allerdings die gleiche Verachtung.

Von der Thematik her gefiel mir dieses Werk ausgezeichnet. Die verschieben Betrachtungsweisen, die einzelnen Geschichten, was für die damalige Zeit ganz neu war, die Komplexität, ja genau das, missfiel mir allerdings am Werk. Es wirkte alles ein wenig zu abrupt und nicht zu ende ausgesprochen.
Im Nachwort wurde von Stendhals „Rot und Schwarz“ berichtet, ein Werk mit der gleichen Thematik, welches ich wohl bald lesen werde.

Bewertung: :stern: :stern: :stern: / :stern:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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