Die Polizeituba

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    Re: Die Polizeituba

    thonderbold - 08.05.2006, 23:44

    Die Polizeituba
    Die Polizeituba

    Großvater kommt mit einer Fahne ins Zimmer. „Darf ich sie hinaushängen?" fragt Heiko.
    Großvater antwortet: „Das ist für dich zu gefährlich." Da hat der Großvater schon recht, aber Heiko hätte gern etwas für den 1. Mai getan. Die ganze Straße ist sauber und geschmückt. Nur für ihn hat es keine Arbeit gegeben. Vielleicht braucht die Mutter ihn in der Küche beim Kuchenteigrühren. Aber sie sagt: „Du würdest die Schüssel herunterreißen. Und was wäre das für ein Feiertag, ohne Kuchen?" Das stimmt. Zum Feiertag gehört Kuchen. Kann er denn nirgends helfen? Der Vater kommt nach Hause. Er bringt aus dem Betrieb seine Tuba mit. Sie ist groß und schwer. Wenn Vater sie in den Arm nimmt und hineinbläst, fängt sie an zu singen. Laut oder leise, tief und brummend oder sehr zart, so wie Vater es will. Als er einmal krank war, konnte die Blaskapelle nicht spielen. So wichtig ist die Tuba.
    Vater sagt: „Ich muß noch einmal fort zum Festplatz. Das Instrument putze ich morgen früh. Die Tuba stelle ich über Nacht ins Kinderzimmer." Großvater kommt vom Balkon. Draußen flattert die Fahne. Aus der Backröhre beginnt es nach Kuchen zu duften. Und da hüpft Heiko durch den Flur und bläst und singt: „Tata, die Tuba, die ist da, tutu, ich weiß ja auch, wozu...
    Der Vater wird staunen. So schnell wie heute abend ist Heiko noch nie in seinem Zimmer verschwunden. Als die Mutter noch einmal vorsichtig nach ihm sieht, schläft er noch nicht, aber er liegt ganz still. Genauso still wie die dicke Tuba, die reglos in der Schrankecke lehnt. Im Flur verlischt das Licht. Heiko schaltet seine Nachttischlampe ein. Unter dem Bett hat er einen Lappen und ein Fläschchen mit einem Putzmittel versteckt.
    Zuerst muß die schwere Tuba auf den Fußboden gelegt werden. Langsam, schön langsam, denkt Heiko, gleich habe ich es geschafft, und ... Aul hätte er am liebsten laut gerufen. Der Rand des breiten Trichters liegt auf seiner nackten großen Zehe und zwickt sie wie ein Riesenkrebs. Er zieht den Fuß weg, und das Blechinstrument scheppert auf den Fußboden. Haben Mutter oder Großvater das gehört? Heiko lauscht zum Flur hin. Nichts.
    Hoffentlich hat sich die Tuba nicht weh getan! O ja! Da ist eine Wunde, so groß wie ein Suppenteller. Heiko fährt erschrocken mit den Fingern darüber. Und da merkt er, daß die zerknitterte Stelle schon alt ist. Heiko freut sich. Er ist so erleichtert, daß die große Zehe überhaupt nicht mehr schmerzt. Nun kann es ja losgehen mit dem Putzen! Heiko schraubt das Fläschchen auf und versucht, ein paar Tropfen von dem weißgrauen Putzmittel auf das Blech der Tuba zu träufeln. Es kommt aber viel zuviel, läuft an dem dicken Rohr herunter und tropft auf den Fußboden. Hastig beginnt Heiko, mit dem Lappen an dem Instrument zu reiben. Aber es wird nicht blank, sondern grau, schwarz und schmutzig. Mehr Putzmittel herl Auf dem Fußboden entsteht wieder eine Pfütze. Heiko reibt und scheuert, er schwitzt. Als er wieder nach dem Fläschchen greift, kommen nur noch zwei Tröpfchen, es ist leer. Und die Tuba sieht über und über verschmiert aus. Kein Rohr hat Heiko ausgelassen, kein dickes, kein dünnes, kein krummes und kein gerades. Er will in der Küche nachsehen, ob noch so ein Fläschchen zu finden ist. Auf dem Flur läuft er fast gegen den Großvater. „Das riecht ja so nach ..."
    Er geht ins Kinderzimmer. „Dacht' ich mir's doch!"Heiko flüstert: „Ich möchte Vater eine Freude machen und auch etwas für den Festtag tun. Warum soll er morgen früh noch die Arbeit habenl Bloß, die Putze reicht nicht." „Die reicht." Der Großvater nimmt den Lappen und beginnt, die Tuba zu polieren. Und nun fängt sie wirklich an zu funkeln, erst eine kleine Stelle, dann immer mehr.„Woher kannst du das, Großvater?" „Das kann ich schon länger als vierzig Jahre." Heiko staunt: „Vierzig Jahrel Warst du da schon ein richtiger Mann?" „Erst einmal ins Bett mit dirl" Heiko zieht die Decke bis unter die Nase, und Großvater wienert weiter. „Ja, diese Tuba ist schon sehr alt. Als ich ein junger Mann war, habe ich sie geblasen. Damals hatte ich nur ein Paar Schuhe, und manchmal gab es nicht genug zu essen. Ich hatte kein Geld, um eine schöne Reise zu machen, und wenn ich mir ein Buch kaufen wollte, mußte ich erst sparen. Wir Arbeiter bekamen in der Fabrik nur sehr wenig Lohn. Es war dieselbe Fabrik, in der dein Vater heute arbeitet, aber damals gehörte sie einem einzigen reichen Mann. Der gab uns für unsere schwere Arbeit so wenig Geld, weil er immer reicher werden wollte. Deshalb nahmen wir Arbeiter uns vor, am 1. Mai durch die Straßen zu marschieren und mehr Lohn zu verlangen. Unsere Arbeiterblaskapelle war natürlich dabei. Was denkst du, wie das schallte, als wir spielten und sangen: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!`" Großvater singt ein Stückchen vor, die Melodie gefällt Heiko. „Da machten die Leute ihre Fenster auf, und viele kamen zu uns und sangen und marschierten mit. Zuletzt konnte keiner mehr sehen, wie lang unser Umzug eigentlich war. Das brachte den Fabrikbesitzer -in Wut. Er rief Polizisten, die uns vertreiben sollten. Weil wir nicht gleich auseinanderliefen, prügelten sie mit Gummiknüppeln. Auch uns in der Kapelle ließen sie nicht aus. Mir wollte einer einen Schlag auf den Kopf geben. Aber ich drehte mich schnell weg, und da sauste der Gummiknüppel auf die Tuba nieder.", „Auf die Tuba?" fragt Heiko. Großvater zeigt auf die große Knitternarbe. „Hier war es. Dein Vater könnte schon längst ein neues Instrument haben. Der Betrieb würde es sofort kaufen. Aber er möchte keine andere als diese Tuba, die Polizeituba." „Ich würde auch keine andere nehmen", sagt Heiko. Der Großvater stellt die Tuba in die Ecke und wischt die Flecke vom Fußboden. Daß Heikos Hände noch sehr schmutzig sind, hat der Großvater wohl vergessen, denn er schaltet das Licht aus und sagt: „Gute Nacht!" „Wo ist bloß die Putzflasche geblieben?" fragt jemand. Heiko wird wach davon. Es ist Morgen. Das war doch Vater. Er kommt ins Kinderzimmer, um die Tuba zu holen. „Ja, was ist denn das!" ruft er erstaunt. „Haben wir hier fleißige Heinzelmännchen?" Großvater antwortet vom Flur her: „Na ja, eines haben wir, das liegt da im Bett." „Und das andere ist Großvater", erklärt Heiko.
    „Ihr beide habt die Polizeituba geputzt?" Der Vater blinzelt zuerst dem Großvater zu, dann schwenkt er Heiko durch die Luft, und zuletzt bläst er ein schmetterndes Tatatataah1 auf der Tuba. Die Mutter kommt erschrocken ins Zimmer: „Das ganze Haus wird ja wach!"
    Vater lacht: „Soll es! Heute ist der 1. Mai, und den darf keiner verschlafene"
    Wohnen in der Stadt wirklich so viele Menschen? Die Gehwege sind verstopft. Sogar auf der Straße stehen Leute. Sie stellen sich auf für den großen Festumzug. Straßenbahn, Autos und Motorräder müssen warten, bis die Volkspolizei die Straße wieder freigibt. Die Erwachsenen haben ihre Sonntagskleider angezogen, die großen Jungen und Mädchen tragen blaue Blusen. Auch Junge Pioniere sind überall zu sehen. Einige tanzen zu der fröhlichen Musik aus dem Lautsprecher. Sie springen und hüpfen so lustig wie die bunten Fahnen. „Hast du all die roten Nelken verkauft?" will Heiko vom Großvater wissen. Nein, der Großvater hat nur welche für die alten Leute in seiner Straße gehabt und eine für Heikos Mütze. Die beiden stehen in dem Gedränge in der ersten Reihe. Sie werden auf der Straße alles gut sehen können. Neben ihnen steht ein Volkspolizist, ein Stückchen weiter noch einer, dann noch einer. Der eine spricht lachend mit den Leuten, die hinter ihm stehen. Heiko denkt an Großvaters Erzählung. Der Umzug beginnt. Vaters Blaskapelle marschiert an der Spitze, denn sie gehört zum größten Betrieb in der Stadt.Trompeten und Trommeln sind zu hören. Die Leute werden neugierig, recken die Hälse, und auf einmal kann Heiko nichts mehr sehen. Andere stehen vor ihn. am Straßenrand.„Ich will Vater sehen und die Polizeituba!" schimpft er.
    Der Volkspolizist dreht sich zu ihm um: „Komm zu mir und zeige mir deinen Vater!" Heiko darf vor dem Volkspolizisten stehen. „Dort in der Kapelle ist er, der mit der Tuba. Großvater und ich haben sie geputzt!" Das Instrument glänzt in der Sonne. „Du mußt sie weiterspielen lassen!" bittet Heiko den Volkspolizisten. Der blickt verwundert. „Na sicher lasse ich sie weiterspielen. Die Musik gefällt mir genauso wie dir."Als der Großvater hinter ihnen mitzusingen beginnt: „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!", fragt Heiko den Polizisten: „Warum marschierst du nicht mit?"„Es geht nicht, ich muß hier helfen, die Straßen frei zu halten", erklärt der Polizist. „was wäre das für ein Umzug, wenn alle durcheinanderliefen?" „Und was wäre das für ein Umzug, wenn die dicke, alte Polizeituba nicht geputzt wäre?" antwortet Heiko und freut sich über die blitzblanke Tuba.



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    Bohrmeister Benno - gepostet von thonderbold am Montag 01.05.2006



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