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Goebel, Joey - Vincent




(der Autor/in lebt noch, und spiegelt die heutige Zeit)

Goebel, Joey - Vincent

Beitragvon Pippilotta » 27.04.2006, 12:37

Ein Buch möchte ich euch vorstellen, das ich vor Kurzem gelesen habe und mir recht gut gefallen hat:

Zum Inhalt

„Eltern aufgepasst: Zeigt Ihr Sohn oder Ihre Tochter (im Alter zwischen 5 und 12 Jahren) außergewöhnliches künstlerisches Talent? Weist er oder sie eine ungewöhnliche Begabung im Schreiben, Musizieren oder anderen künstlerischen Ausdrucksformen auf?

Falls ja, könnte Ihr Kind mithelfen, die Welt der Unterhaltung zu verbessern.
Rufen Sie jetzt an: 1-800-555-4297"


Mit diesem Inserat will der Medienmogul Foster Lipowitz, der bis dato mit seinen seichten Sitcoms, seinen ebenso niveaulosen wie brutalen Actionfilmen und anspruchsloser Einheits-Brei-Musik die Medienlandschaft beherrschte Talente finden für seine Eliteschule „New Renaissance“. Lipowitz, derweil unheilbar an Krebs erkrankt, erkennt im Angesicht seines Todes sein „Verbrechen“ an die Kulturwelt und will auf diesem Weg etwas gutzumachen. In „New Renaissance“ sollen die Schüler zu anspruchsvollen Songwritern und Drehbuchautoren ausgebildet werden.

Als talentiertester Schüler stellt sich der junge Vincent Spinetti heraus. Nach dem Grundsatz, dass wahre Kunst nur durch Elend und Leid entsteht, wird Vincent ein persönlicher Manager zur Seite gestellt. Dieser Harlan Eiffler, selber ehemaliger Medienkritiker, hat zur Aufgabe, Vincent Steine in den Weg zu legen und ihm bewusst Leid zuzufügen. Er muss dafür sorgen, dass Vincent immer mit Leid konfrontiert wird, dass er niemals glücklich ist. Dies gelingt ihm ganz hervorragend, er sabotiert angehende Beziehungen, konfrontiert ihn mit unheilbaren Krankheiten und stößt damit den übersensiblen Vincent in tiefste menschliche Abgründe was aber schöpferische Geniestreiche zur Folge hat. Die Rechnung scheint also aufzugehen….

Joey Goebel (kopiert vom Klappentext)

Joey Goebel ist 1980 in Henderson, Kentucky, geboren und dort aufgewachsen. Mit 5 Jahren schreibt er seine erste Story, obschon er sich bald ein Leben als Punkrocker erträumt und als Leadsänger mit seiner Band "The Mullets" fünf Jahre lang durch den Mittleren Westen bis nach Los Angeles tourt. Joey Goebel hat einen B.A. in Anglistik vom Brescia College in Owensboro, Kentucky.

Meine Meinung

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Von Stil und Inhalt hat es mich ein bisschen an Nick Hornby erinnert.
Aufmerksam geworden bin ich durch den Klappentext, und dieser hält, was er verspricht. Das Buch hat mich dermaßen gefesselt, dass ich es in kürzester Zeit durch hatte. Es ist spannend, es ist lustig, traurig, gemein, fies und doch versöhnlich, und - vor allem - liest es sich, bedingt durch die kurzen Kapitel (insgesamt sind es über 100), sehr flüssig.

Die Geschichte wird aus der Sicht des Managers Harlan Eiffler erzählt.
Zu Grunde liegt die Idee künstlich das Niveau der Medienlandschaft zu heben, indem man Talente im wahrsten Sinne des Wortes heranzüchtet. Kunst entsteht durch Leid und Elend und deshalb lässt Harlan keine Gelegenheit aus, seinem Schützling Kummer zuzufügen, sein Glück zu kreuzen, wobei auch gesagt werden muss, dass die wahren Schicksale das Leben selber spielt.

Das ganze soll als Satire gesehen werden, wobei ich aber doch oft das Gefühl hatte, dass es der Realität sehr nahe kommt.

Gut getroffen fand ich die Figur des Vincent, der labile, sensible und clevere Junge in seiner vertrauenswürdigen Naivität, der all den erwachsenen Besserwissern trotzdem einen Schritt voraus ist und sehr wohl seine eigenen Werte und Vorstellungen hat.

Alles in allem - ein wunderbares Buch zur Unterhaltung, voller Humor und Satire über die (v.a. amerikanische) Medientwelt und auch zum Nachdenken, wohin uns die Medienlandschaft führen kann...

:stern: :stern: :stern: :stern:

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Herzliche Grüße
Pippilotta


T.C. Boyle - Wenn das Schlachten vorbei ist

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Beitragvon marilu » 28.04.2006, 19:54

Das Buch ist fantastisch geschrieben! Mir gefiel fast alles daran!

Ein Stilmittel, das mich besonders ansprach, war die Charakterisierung der jeweils vorgestellten Personen durch die Nennung ihrer Lieblingsband, Lieblingsserie und ihres Lieblingskinofilms.

Allerdings finde ich den Titel der deutschen Ausgabe nicht passend.
Der Ich-Erzähler des Buches ist Vincents Manager Harlan Eiffler und SEINE Sicht der Ereignisse sind zentraler Schwerpunkt des Buches. Vincent bleibt bis kurz vor dem Ende in einer passiven Rolle.
Der Originaltitel "Torturing the artist" ist zweideutiger und trifft den Sachverhalt viel besser!

Der Roman ist eine Mischung aus Humor und Pathos, Komödie und Drama, anspruchsvoll und anspruchslos - alles in allem ein "Tweener" (ein Titel ohne spezifische Zielgruppe).

pippilotta hat geschrieben:Gut getroffen fand ich die Figur des Vincent, der labile, sensible und clevere Junge in seiner vertrauenswürdigen Naivität, der all den erwachsenen Besserwissern trotzdem einen Schritt voraus ist und sehr wohl seine eigenen Werte und Vorstellungen hat.


Über große Strecken hatte ich Mitleid mit ihm. Doch dann stellt sich heraus, dass er unser Mitleid gar nicht braucht...

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Krümel » 21.11.2006, 11:42

Voltaire hat folgendes geschrieben:

Titel: Vincent
Originaltitel: Torture The Artist
Autor: Joey Goebel
Verlag: Diogenes
Seitenzahl: 432
Erschienen: September 2005
ISBN: 3257064853
Preis: 19.90 EUR


Inhalt:
Foster Lipowitz hat alles erreicht. Sein Unterhaltungsimperium hat das Land mit zynischen Soaps, seichten Songs und filmischen Werken, die Titel tragen wie „Blood Lust 1 –4“, förmlich überzogen. Nun, da der Krebs ihn rasch dahinrafft, wandelt der Medienmogul sich vom Saulus zum Paulus. Die wenige ihm verbleibende Zeit soll der Schaffung wahrer Werte dienen. Im tiefsten Indiana gründet er „New Renaissance“, eine Eliteschule, an der junge Künstler förmlich gezüchtet werden sollen. Der siebenjährige Vincent Spinetti, ein schriftstellerndes Wunderkind, ist einer der Besten!
Da, wie die Legende weiß, nur großes Leid große Kunst gebiert, bekommen die Schüler eine Art schwarzen „Schutzengel“ an ihre Seite gestellt. Über Vincent wacht von nun an Harlan Eiffler als Manager darüber, dass seinem Schützling Vincent auf dem Weg zum Genie nicht allzu wohl wird. Alles um der Kunst willen, versteht sich. Der in der Musikbranche gescheiterte Harlan, Ich-Erzähler dieser Satire, nimmt seinen Job zerstörerisch genau, wie schon der amerikanische Originaltitel Torture the Artist suggeriert. Quäl‘ den Künstler!
(Quelle www.amazon.de)

Autor:
Joey Goebel wurde 1980 in Henderson, Kentucky geboren und ist dort auch aufgewachsen. Mit fünf Jahren schreibt er seine erste Story, obschon er sich bald ein Leben als Punkrocker erträumt und als Leadsänger mit seiner Band „The Mullets“ fünf Jahre lang durch den Mittleren Westen bis nach Los Angeles tourt.

Meine Meinung:
Die Message dieses Buches wird schnell deutlich. Das Meiste, was so auf dem Musikmarkt und anderen sogenannten Kreativmärkten „verbrochen“ wird ist Mist. Und die Menschen, die sich großspurig Künstler nennen und Geld ohne Ende scheffeln werden und haben nie etwas wirklich Vernünftiges zustande gebracht. Vielleicht etwas zu pauschal diese Urteile, wobei dieses Buch leider gerade auch unter diesen Pauschalurteilen leidet und offenbar lediglich die besonderen Befindlichkeiten des Autors widerspiegelt. Aber damit kann man als Leser an sich ganz gut leben, denn die positiven Aspekte des Buches überwiegen eindeutig. Die Sprache ist klar und direkt, Tabus scheint es für den Autor nicht zu geben und die Story wird zudem in einem rasanten Erzähltempo an den Leser weitergegeben. Der Autor schafft es, dieses Erzähltempo bis zum Schluss durchzuhalten. In einigen wenigen Passagen erinnerte mich das Buch ein klein wenig an John Irving. Ein wirklich lesenswertes Buch.

Bewertung:

:stern: :stern: :stern:


PS Leider kann ich den ersten Beitrag eines Threads nicht verschieben, so blieb mir keine andere Lösung als diese :cry:
BildLiebe Grüße,
Krümel



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