Interview mit Wolfgang Buresch

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    Re: Interview mit Wolfgang Buresch

    Jaxx - 14.02.2005, 19:03

    Interview mit Wolfgang Buresch


    "Kinder orientieren sich mehr an dem, was wir ihnen vorleben, als daran, was wir an sie hinreden!" (Wolfgang Buresch)

    GEBOREN: 04. Februar 1941

    lebt als freier Autor, Puppenspieler, Regisseur und Coach in Hamburg.

    Fernsehredakteur beim NDR war er von 1971-2001; pensioniert wurde er dort als Leiter der Abteilung 'Kinder & Familie'. Er prägte wesentlich das Kinderprogramm der ARD durch die Produktion so bekannter Serien wie "Hase Cäsar", "Maxifant und Minifant", "Plumperquatsch" oder "Emm wie Meikel". Seine Fernseharbeit für Kinder begann er 1965 mit der Serie "Stoffel und Wolfganh". Buresch ist Autor von 14 Kinderbüchern und ca. 100 Kinderschallplatten. 2003 gab er das Buch 'Kinderfernsehen - Vom Hasen Cäsar bis zu Tinky Winky, Dipsy und Co.' heraus (edition suhrkamp 2227).

    (Quelle: Wikipedia)



    Interview mit Wolfgang Buresch



    Herr Buresch, in den 70er Jahren produzierten Sie viele Kinderhörspiele welche aus heutiger Sicht nostalgisch und angestaubt wirken. Diese Werke scheinen in den Kinderohren von heute nichts mehr zu suchen bzw. zu bewirken. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

    Wolfgang Buresch: An den Vorlagen; wenn die Vorlagen auch heute noch ‚Klassiker’ sind, wie z.b. die Bücher von Astrid Lindgren, wirken auch die Hörspiele aus heutiger Sicht nicht angestaubt. Doch die meisten Kinderstoffe spiegeln auch den ‚Zeitgeist’ wieder und der ist wandelbar und verändert sich ständig. So wie die Mode und Schlager aus dieser Zeit ‚angestaubt’ wirken, so ist es auch mit Filmen, Fernsehserien und Hörspielen.



    Ich bin Jahrgang 69 und erinnere mich noch gerne an Serien wie "Robi, Tobi und das Fliwatüüt", "Hase Cäsar" und viele andere zurück. Schaue ich heute in den Fernseher wird mir schlecht. Wieso "sterben" die wertvollen Kinderserien aus?

    Wolfgang Buresch: Tcha, so ist das mit der Sozialisation; das heißt, die Stoffe, gleichgültig ob es sich dabei um Theaterstücke, Musiken, Fernsehserien, Filme, viele Bücher und auch Hörspiele handelt, mit denen wir groß geworden sind, die uns Kinder oder junge Erwachsene gefallen, die uns beeindruckt haben, erinnern uns unbewusst an unsere positive Stimmung in diesen Momenten in jener Zeit, das idealisieren und ‚überhöhen’ wir und finden dann leicht das, was heute angeboten wird, viel schlechter.

    Mein Vater, der über 90 Jahre alt geworden war, sagte mir einmal "So gut, wie Josef Kainz in meiner Jugend den Hamlet gespielt hat, das bleibt unerreicht!" Und mein Vater hatte als Erwachsener noch viele Hamlet-Aufführungen gesehen. Ich hatte mir fest vorgenommen, nie einen solchen ‚Unsinn’ zu sagen.

    Vor kurzer Zeit habe ich im Deutschen Schauspielhaus hier in Hamburg eine ‚neue’ Faust-inszenierung gesehen. Ich sage ‚neu’, weil ich die Inszenierung von Gustav Gründgens in Hamburg als junger Mann mehrmals gesehen hatte. Ich habe - anders als mein Vater - nichts vergleichbares gesagt, doch gedacht schon. Ich musste mich zur Auseinandersetzung mit dieser neuen Aufführung regelrecht zwingen, denn schließlich wollte ich analysieren, warum diese neue Aufführung hier in Hamburg so erfolgreich ist.



    Sie schrieben u.a. das Kinderbuch "Räuber & Gendarm", welches als Hörspiel adaptiert wurde und bei der Phonogram unter dem Label "fontana" erschienen ist. Dort lesen Sie den Erzähler und Ihr Kollege – Michael Weckler – spricht ebenfalls mit. Zwei Regisseure die mitsprechen, dass deutet auf grenzenlosen Idealismus. Richtig?

    Wolfgang Buresch: Weniger, wir waren nur beide eben auch Schauspieler und nicht nur Regisseure und haben häufig das gemacht, woran wir selbst viel Spaß hatten.



    Heute beschränkt sich die Hörspielindustrie auf High-End-Produktionen die Hollywood-Produktionen gleichkommen oder "Endlos-Serien" wie "Die drei Fragezeichen". Wieso gibt es keine Produktionen á la "Der Brandstifter von Tarrafal" mehr?

    Wolfgang Buresch: Weil sich Endlosserien besser verkaufen.



    Beim Brandstifter von Tarrafal übernahmen Sie die Hörspiel-Regie. Wie gefällt Ihnen die Geschichte persönlich?

    Wolfgang Buresch: Ich mag das zu Grunde liegende Kinderbuch von Boy Lornsen sehr gern. Es war damals einer der wenigen auch psychologisch stimmigen Krimis für Kinder. Ich habe auch die Verfilmung coproduziert, um sie in der ARD ausstrahlen zu können.



    Ein weiterer Kinderhörspiel-Regisseur war Kuth Vethake. Kannten Sie Vethake persönlich? Wenn ja: Gab es etwas, was Sie an ihm bewunderten/toll fanden o.ä.?

    Wolfgang Buresch: Wir sind uns ein oder zweimal begegnet; ich habe ihn als professionellen Kollegen geschätzt.



    Kurt Vethake sagte mal: "Frau Lindgren hat darauf bestanden, daß sie die Rechte nur weiter gibt, wenn ich die Platten mache. Ich habe alle 17 oder 18 Bücher von der Lindgren bearbeitet." Das Buch "Madita" haben aber Sie mit Hans-Joachim Herwald bearbeitet. Wie kam das zustande?

    Wolfgang Buresch: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Vethake das so gesagt hat, denn ich habe vier Lindgren-Bücher bearbeitet und realisiert; außerdem hat die Kollegin Charlotte Niemann manche Stoffe von Frau Lindgren gemacht. Ich habe die Kleinkindstoffe von Frau Lindgren bearbeitet und realisiert (‚Madita’, ‚Madita & Pimps’, ‚Immer lustig in Buillerbü’ und ‚Neues von den Kinder in Bullerbü’), da ich zu dieser Altersstufe einen besonders guten Zugang hatte; s. a. meine Fernsehserie ‚Stoffel & Wolfgang’.


    Sie sagten mal, dass Hörspielreihen, bzw. die Umsetzung von klassischen Kinderstoffen heute keine Vertriebsgesellschaften und wohl auch nicht mehr genügend Käufer finden würden. Kennen Sie den Grund?

    Wolfgang Buresch: Nein, nicht im wissenschaftlichen Sinne, ich kenne keine Untersuchung zu dem Thema. Doch meiner Beobachtung nach sind die Reize so vielfältig geworden, Kinder so sehr auf schnelle (häufig ober-flächliche) Abläufe konditioniert, dass es vielen (den meisten?) von ihnen schwer fällt, sich einzulassen, hinzuhören, mitzudenken usw.

    Die gleichen Beobachtungen konnte ich auch während meiner Zeit (1971 bis 2002) als Verantwortlicher für das Kinderprogramm des NDR- Fernsehens in der ARD machen. Es ist nach wie vor möglich Kinder mit Abenteuer- oder anderen Stoffen zu fesseln, doch das ist aufwendig und die Kosten für solche Programme sind hoch. Wenn dann Vertriebsgesellschaften die Beobachtung machen, dass sich auch soundtracks von Fernsehserien als Hörspiele verkaufen lassen – also Produktonen ohne künstlerischen, technischen und finanziellen Aufwand – beginnt eine Abwärtsspirale. Doch ich bin zuversichtlich dass sich das wieder ändert, vermutlich allerdings solange nicht, wie die Bildungsangebote für Vorschulkindern in unserem Land noch so sehr internationalen Standards hinterherhinken, wie sie es zur Zeit tun.

    Doch erst muss das, was die Generation der 68iger nebenbei auch an negativem 'angerichtet' hat, 'auswachsen'. So etwas dauert bekanntlich drei Generationen, also ab 2038 ist wieder mit einer Kindergeneration zu rechnen, wo die Mehrheit zuhört, mitdenkt und im Idealfall Sprache als Material begreift, mit dem man spielen und arbeiten kann. Ob dann allerdings noch MC's, CD's oder DVD's die Medien sein werden, auf denen wir gestaltete Sprache verbreiten, bezweifle ich.

    Doch sie sehen, grundsätzlich schaue ich optimistisch in die Zukunft, wenn es auch - aus Altersgründen - nicht mehr meine sein wird.



    Sie beteiligen sich heute noch an Produktionen für Kinder im Film- und Fernsehbereich. Welche Funktion bekleiden Sie da?

    Wolfgang Buresch: Manchmal arbeite ich dramaturgisch oder auch als Lektor bei Spielfilmen und Fernsehserien für Kinder mit; außerdem entwickele ich für verschiedene Produzenten unterschiedliche Stoffe für Kinderserien.



    Was musste ein Kinderhörspiel-Regisseur in den 60/70er Jahren mitbringen?

    Wolfgang Buresch: Das, was jeder gute Regisseur auch heute noch mitbringen muss: Grundlagenwissen über die kindliche Entwicklung, Freude am Stoff und Spaß an der Arbeit mit Kollegen.



    Heute wird in vielen Familien der Fernseher als "Maulkorb" für die eigenen Kinder missbraucht. Sind Eltern von heute verantwortungslos?

    Wolfgang Buresch: Ich denke nicht, dass Eltern sich grundlegend zum Schlechteren geändert haben. Die meisten sind mit Ihren Vor- und Einstellungen abhängig vom ‚Zeitgeist’, und sicherlich wollen auch die meisten Eltern nach wie vor das Beste für Ihre Kinder. Häufig wissen sie nicht, was das Beste für Ihre Kinder ist, doch das war nie anders, denke ich. (In dem von mir herausgegebenen Buch ‚Kinderfernsehen – Vom Hasen Cäsar bis zu Tinky, Winky, Dipsy und Co.’, erschienen in der edition suhrkamp 2227, Frankfurt 2003, habe ich unter der Überschrift ‚Gebrauchsanweisung für Erwachsene zum unvernünftigen Umgang mit dem Fernsehen für Kinder’ zwölf Möglichkeiten vorgestellt, wie man die Medien benutzen kann, um mit Sicherheit seinen Kindern zu schaden.)



    Wenn Sie die Jugend der 70er Jahre mit der heutigen vergleichen, welche Parallelen erkennen Sie?

    Wolfgang Buresch: Zum Glück die immer wiederkehrenden uralten: Auf jeden Fall will und werde ich anders sein als meine Eltern!

    Nur so ist einerseits Veränderung möglich, andererseits ändert sich letztendlich nicht gar so viel, obwohl es vielen Älteren immer so vorkommen mag.



    Welche gravierenden Unterschiede sehen Sie?

    Wolfgang Buresch: Keine! Die andere Seite einer Medaille, gehört immer noch zur gleichen Medaille.



    "Erwachsene Kinder", die den Hörspiel-Produktionen vergangener Jahre hinterher weinen sind Ihrer Meinung nach...

    Wolfgang Buresch: ...entweder Menschen, die sich Teile die positiven Anteile Ihrer Kindlichkeit nicht zerstören lassen wollen oder Ignoranten, die nicht sehen wollen, wozu Veränderungen gut sind und warum sie sein müssen.


    In heutigen Kinderhörspielen fallen leider auch derbere Wörter wie das berühmte Wort, welches damals für Schlagzeilen sorgte, als "Schimanski" es im "Tatort" aussprach. Gehören solche Wörter in Produktionen für Kinder? Immerhin wachsen sie mit solchen Wörtern auf (Kindergarten, Schule, Elternhaus(?) etc).

    Wolfgang Buresch: Auch diese ‚bösen Wörter’ hat es bereits zu jeder Zeit gegeben.

    Die Empörung darüber, dass die deutsche Kultur zu Grunde geht, wenn Vulgärausdrücke unserer Kindheit eines Tages zum Umgangssprache gehören, ist albern. Sprach ist lebendig und verändert sich. Ich mag es nicht, wenn dauernd ‚Scheiße’ gesagt wird und habe in allen Produktionen darauf verzichtet, doch das hat mit meiner Sozialisation zu tun, siehe Frage 2.



    Mein Dank gilt Wolfgang Buresch, mit dem ich das Interview am 08.01.2005 via Mail führte



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