Das besondere Verfahren

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    Re: Das besondere Verfahren

    angela - 15.01.2009, 09:05

    Das besondere Verfahren
    Es ist soweit: Die ersten Zeilen sind geschrieben ! Lasst Euch überraschen, was noch folgen wird.

    1.
    Montage sind bei Gericht eigentlich wie in jeder anderen Firma auch: Unbeliebt. Nun war es schon der Dienstag und der Alltag hatte jeden wieder. Der Wecker störte am Morgen nicht mehr so sehr und die Mitarbeiter des Gerichtes wussten, dass der nächsten Tag die Woche teilen wird. Das bedeutete, dass der Freitag nicht mehr allzu fern lag. Die Termine der restlichen Woche standen und ungewöhnliche Termine waren nicht zu erwarten gewesen. Und doch stand genau an diesem Tag eine ungewöhnliche Verhandlung an.
    Im Saal 326 saß ein Richter auf seinem Platz auf dem Podest. Das Namensschild, das vor ihm stand, passte irgendwie nicht. Barbara Salesch stand darauf. Auf dem Platz des Staatsanwaltes saß eine junge Frau mit Robe. Auch hier passte das Namensschild nicht, denn es war Bernd Römer zu lesen. Auf dem Schild des Verteidigers stand Uwe Krechel. Doch auf diesem Platz saß niemand. Es war still, und bei genauem hinhören konnte man die Blätter hören, die Richter und Staatsanwältin lasen und umdrehten. Der Richter mit den grauen Haaren und der offenen Robe war klein, gedrungen und schaute düster drein.
    Die junge, blonde und blauäugige Staatsanwältin schaute kurz auf und erschrak: „Die Namensschilder müssen in die Schubladen. Heute ist dieser Raum nicht von den geplanten Juristen besetzt.“
    Schnell waren diese verschwunden und die Stille trat wieder ein. Die Uhr über dem Eingang tickte leise vor sich hin und gab die Zeit preis: 07:15 Uhr.
    Während dessen trafen sich im Richterbüro von Frau Salesch die Richterin selbst, Herr Römer und Herr Krechel um gemeinsam den bevorstehenden Prozess zu beurteilen und noch einmal einen Blick auf die Akten zu werfen. Zudem wurde die Reihenfolge der Zeugen noch einmal überdacht.
    Leise klopfte jemand an die Tür. Ein „Herein“ der Richterin sorgte für dafür, das die Tür sich leise karrend öffnete. Frau Hercher trat mit einem freundlichen „Guten Morgen!“ herein und verteilte den frisch gekochten Kaffee an die drei Anwesenden. Der Duft des aromatischen Getränkes verteilte sich schnell im Raum und sorgte für Bewegung. Nach dem Kaffee verteilte Frau Hercher drei Teller mit selbstgebackenem Kuchen und ein wenig Schlagsahne.
    Ein herzliches Dankeschön der drei Juristen brachte ein strahlendes Lächeln auf das Gesicht der grauhaarigen Dame. Sie war das Herz des Gerichtes, war sich dessen allerdings nicht bewusst. Sie kam jeden Tag gern zur Arbeit, verteilte freundlich die Akten, suchte Dinge, die während der Verhandlung nachträglich gebraucht wurden und kümmerte sich um die Verzweifelten, die in jedem Gericht auftauchten. Frau Hercher wusste, wo sich alles befand und wer wo hinsollte, welche Juristen verhandelten und welcher Richter oder Richterin urteilte. Während sie im Urlaub war, brach fast schon die gesamte Struktur des Hauses zusammen.
    Den drei Juristen ging jedes Mal, wenn sie Frau Hercher begegneten, das Herz auf. Ihre sympathische Art sorgte für gute Laune und der Ärger über so manchen Ganoven oder Zeugen verging schnell.
    Ein paar nette Worte wechselten im Richterzimmer die vier Personen und ein Lachen der Richterin erschallte bis in den Flur des alten Gebäudes. Die gute Laune schlug über auf den Staatsanwalt und den Rechtsanwalt.
    Die Zeit des Einlasses für die Zuschauer des Prozesses war um 08:00 Uhr und es waren reichlich Interessierte erschienen. In diesem Prozess sollte es ursprünglich um einen Mord im Rotlichtmillieu gehen. Ein Zuhälter wurde von einer Prostituierten ermordet. Das Interesse der Öffentlichkeit war dementsprechend groß.
    Nun stand zwar ein Totschlag an einem jungen Mädchen auf der Bekanntmachung an der Tür, doch dachten die Zuschauer noch an eine Verwechslung. Oder war der Prozess verschoben worden wegen der Ermittlungen, die ja noch liefen? Die Zuschauer wollten jedoch nicht gehen. Zum Teil hatten sie lange Anfahrtswege hinter sich und dachten nicht im Traum daran, umsonst gekommen zu sein. Dann eben ein Totschlag an einem Mädchen. Auch dies schien aufregend zu sein! In einer viertel Stunde sollte es beginnen. Neugierigkeit machte sich breit. Was hier wohl passiert war? Über den anderen Prozess waren die Zuschauer bereits gut informiert und wussten vieles aus der Presse. Kleine Unterhaltungen entstanden und Mutmaßungen machten die Runde.
    Punkt 08:15 Uhr ging die Tür auf und die Staatsanwältin, der Anwalt und der Angeklagte betraten den Saal und nahmen ihre Plätze ein. Im Anschluss öffnete sich die Tür hinter dem Richterpult und der grauhaarige Richter vom Morgen betrat den Raum. Ihn begleiteten zwei Schöffen und zwei weitere Richter in Robe. Die Besucher der Verhandlung sowie die anderen Juristen und der Angeklagte erhoben sich. Dies war in jeder Verhandlung der Moment, in der es totenstill war. Der Richter stellte sich zwischen Pult und Stuhl, blickte in die Runde, musterte den Angeklagten und sprach in rauchiger Stimme: „Bitte nehmen Sie Platz.“

    Viel Spaß beim Lesen !

    Angie



    Re: Das besondere Verfahren

    angela - 16.01.2009, 13:34


    2.
    Der Richter verlas die Daten des Angeklagten: Heinrich Paulsen, 45 Jahre alt, geschieden, Schlosser von Beruf, in Köln lebend. „Frau Staatsanwältin, bitte die Anklageschrift.“ Die junge, blauäugige Frau erhob sich, gab ihren blonden Haaren einen Schub nach hinten und verlas die Anklageschrift: Totschlag an einem 16jährigen Mädchen nach einem Discobesuch. Zudem war der Versuch eines Missbrauches ersichtlich und mitangeklagt. „Schwerer Tobak!“, dachte so manch einer der Zuschauer. Die Worte der Staatsanwältin umschrieben die Tat: Die junge Frederike besuchte an dem Tattag die Dorfdiskothek mit ihrer älteren Schwester und drei Freundinnen. Dort haben die fünf Mädchen bis ungefähr eine Stunde nach Mitternacht getanzt, ein wenig geflirtet und alkoholfrei getrunken. Der Angeklagte habe dort schon das spätere Opfer mehrfach belästigt. Der Spaß an diesem Abend sei schon früh vergangen durch diese Belästigungen. Im Laufe des Abends habe der Angeklagte dem Alkohol reichlich zugesprochen, pöbelte nun die Mädchengruppe an. Der Türsteher beförderte den Angeklagten nach mehreren Beschwerden aus der Diskothek. Dieser sei nach dem Rausschmiss in die Dorfkneipe drei Straßen weiter gegangen um seine Wut zu ertränken. Den Frust der Absage des Mädchens und schließlich den Rausschmiss konnte er nicht ertragen. So trank er weiter, schnell, fast schon hastig, erklärte den Gästen der Wirtschaft wütend die Geschichte und meinte, dass dies Mädchen das noch bereuen würde. Gegen 01:30 Uhr verließ er die Kneipe. Zur gleichen Zeit verließen die beiden Schwestern die Diskothek. Die ältere Schwester holte an der Tankstelle noch eine Schachtel Zigaretten. Bei der Rückkehr war die kleine Schwester verschwunden. Der Angeklagte habe bemerkt, dass dieses Mädchen für einen Moment allein war, näherte sich zwecks erneutem Versuch, sie zu belästigen. Sie wehrte sich stark. So hielt er sie fest, brachte sie in den Wald um nicht entdeckt zu werden. Dort unternahm er einen weiteren Versuch, sich an ihr zu vergehen. Zum Einen trat wohl nun die Wirkung des Alkohols ein und zum Anderen wehrte sich das Mädchen. In voller Wut erwürgte der Angeklagte die Schwester um einer Entdeckung zu entgehen und flüchtete. Im nahen Waldstück fand die Ältere die Schwester Tod auf und benachrichtigte die Polizei. Keine 500 Meter entfernt wurde der 45jährige vermeintliche Täter verhaftet. Der Blutalkohol betrug 2,45 Promille.



    Re: Das besondere Verfahren

    angela - 29.01.2009, 22:30


    3.
    Der Richter gebot dem Angeklagten, sich an den Tisch vor dem Richterstuhl zu setzen.
    „Herr Paulsen, haben Sie etwas zur Anklage zu sagen?“ Der Angeklagte schwieg, hielt den Kopf gesenkt.
    „Dann nehmen Sie wieder neben Ihrem Anwalt Platz.“ Ein herablassender Blick wanderte eilig zu dem zusammengekauerten Angeklagten hin.
    Für einen kurzen Moment herrschte absolute Ruhe. Die Zuschauer sahen irritiert auf die ein wenig skurril wirkende Szenerie. Was für eine merkwürdige Verhandlung begann hier? Und was für eine merkwürdige Stimmung, die von den Juristen ausging. Es ging dann ein leichtes Raunen durch den Raum. Dies quittierte der Richter mit einem Runzeln der Stirn und einem energischen Blick in die Runde. Sofort herrschte wieder Ruhe. Unwohl fühlten sich nun die Zuschauer.
    „Frau Staatsanwältin, Ihren ersten Zeugen bitte.“
    „Mein erster Zeuge ist der Herr Rechtsanwalt Krechel.“ Die Stimme der jungen Staatsanwältin wirkte, im Gegensatz zu ihrem Aussehen, nicht sanft. Ihr Ton war barsch, fast schon aggressiv.
    Die Tür zum Gerichtsaal öffnete sich und der Rechtsanwalt Uwe Krechel trat ein. Er wirkte leicht irritiert und musste sich erst einmal orientieren. Diese Position als Zeuge erschien ihm nicht passend und er fühlte sich alles andere als wohl. Trotzdem nahm er, souverän wie immer, auf dem Zeugenstuhl Platz, legte seine Unterarme auf den Tisch vor und faltete die Hände. Er blickte den vorsitzenden Richter beinahe schon neugierig an, dann die beisitzenden Richter und die Schöffen. Die Staatsanwältin gefiel ihm optisch schon und als sie von ihren Papieren aufsah um ihn anzublicken, lächelte er sie an. Doch die versteinerte Miene der jungen Frau ließ auch ihm das Lächeln gefrieren. Der Verteidiger blickte weder zu seinem Mandanten, noch suchte er den Kontakt zu den anderen Juristen. Der Anwalt schien einfach nur gelangweilt und ohne Interessen.
    „Ihr Name ist Uwe Krechel und Sie sind Rechtsanwalt von Beruf.“ Die raue Stimme des Richters unterbrach die Gedankengänge des Anwalts auf einen Schlag und er zuckte erschreckt zusammen. Sein Blick wanderte nun wieder zu dem Vorsitzenden.
    „Allerdings. Und nun frage ich, warum ich hier als Zeuge aussagen muss.“ Uwe Krechel war sauer.
    „Zunächst einmal“, begann der Richter mit energischer Stimme „bitte ich um einen höflicheren Umgang mit dem Gericht. Zum zweiten sind sie sich als Anwalt zumindest im Ansatz bewusst, welche Funktionen ein Zeuge hat. Und nun komme ich zu meiner ersten Frage: Sie waren am 2. August 2005 als Rechtsanwalt des heute hier Angeklagten tätig. Erinnern Sie sich an diesen Tag?“
    „Natürlich ist mir dieser Tag noch im Gedächtnis. Da ich ungern Prozesse verliere, erinnere ich mich an die meisten Fälle, auch wenn es insgesamt nicht viele waren. Und dieser Fall war äußerst spektakulär.“
    „Ich habe Sie vorgewarnt: Vergessen Sie nicht den Respekt vor dem Gericht. Ich verhänge € 200,-- oder 2 Tage Ordnungshaft. Und nun erzählen Sie, was Sie als Anwalt des Angeklagten an diesem Tag durchgeführt haben.“ Der Richter erschien immer mürrischer und Herr Krechel verzog das Gesicht. All seine Verachtung war deutlich zu erkennen. Doch er erzählte, wie er den ersten Verhandlungstag empfand. Der Anwalt hatte Zeugen vorgeführt, welche über das sonstige Verhalten des Angeklagten aussagten. Gewiss hatte er die Aggressivität des Mandanten damals in seinem eigenen Büro erleben müssen und er hielt ihn nicht für einen Sympathieträger. Doch war er als Anwalt verpflichtet, das Beste für seinen Mandanten zu tun. Die Zeugen sagten ausnahmslos aus, dass der Angeklagte zwar manchmal mürrisch war, doch nicht zu Gewalttaten neige. Manchmal sagte es ihm nicht zu, einen Angeklagten zu verteidigen. Doch stand er zu dem Grundsatz, dass jeder Mensch in Deutschland das Recht auf einen Anwalt hatte. Bei diesem Fall damals war er von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Emotional sträubte sich alles in ihm, diesen Mann zu verteidigen. Doch was hatte er für eine Wahl? Er unterstand der Gesetzgebung. Und das er unschuldige Angeklagte vor Haftstrafen bewahren konnte, wiegte alles andere auf!
    Und Uwe Krechel erzählte den Anwesenden, wie er als Anwalt und Verteidiger den Tag erlebt hatte: Unwohl fühlte er sich. Das Mandat hätte er gern abgelehnt gehabt, im Nachhinein. Doch vor Gericht versuchte er stets, das Beste für seinen Klienten herauszuholen, ließ halt seine Zeugen auffahren.



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    Wer... - gepostet von angela am Montag 12.01.2009



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