Herr und Hund...

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    Re: Herr und Hund...

    Felicia - 07.04.2006, 18:04

    Herr und Hund...
    Herr und Hund...

    Dirk hatte einen Hund. Es war eine winzige Promenadenmischung. Allzu lange besaß er ihn noch nicht.
    In Zeiten der zunehmenden Rattenplage war jeder geächtet, der keinen Hund besaß. Und so war Dirk doch recht glücklich darüber gewesen, als eines Tages irgend jemand dieses arme kleine Geschöpf an der Klinke seiner Tür festgebunden hatte.
    „Egal was passiert, laß ihn niemals los!“ stand in krakeliger Handschrift auf dem verknitterten grauen Zettel, der an das Halsband geknotet war.
    Eigentlich hatte Dirk nie einen Hund gewollt – doch wenn schon mal einer da war, konnte man ihn ja nicht wieder wegschicken. Die Nachbarn hatten ohnehin nie verstanden, warum er sich noch keinen eigenen Hund gekauft hatte. Da kam das verwaiste Tier doch gerade recht. An die wenigen neuen Pflichten würde er sich schon gewöhnen. So ein kleiner Hund machte ja nicht allzu viel Arbeit.

    Monate vergingen, und aus dem erbärmlichen Fellbündel wuchs ein mittelgroßer Hund heran. Er jagte gut und erbeutete viele Ratten, weshalb Dirk bei den Nachbarn wohl geachtet war. Zwar gab es jetzt mehr zu tun, denn je größer der Hund war, desto komplizierter gestaltete sich seine Haltung.
    Das kräftige Tier brauchte viel Auslauf und viel Beschäftigung. Aber da Hektor – so hatte er ihn getauft – sich so gut um die Ungezieferplage kümmerte, war er den Aufwand auch wert.
    Dirk war zufrieden mit sich und seinem Haustier.
    Bisher hatte er als Außenseiter gegolten, aber nun wurde er von allen Menschen in seinem Umfeld akzeptiert.
    Er fragte sich, wer wohl den Hund vor seine Tür gesetzt hatte. Und noch mehr beschäftigte ihn die Frage, warum er es getan hatte. Aus welchem Grund gab man solch ein prächtiges Tier denn aus der Hand?

    Doch Hektor hörte nicht auf, zu wachsen. Mittlerweile hatte er die stattliche Größe eines Bernhardiners erreicht. Langsam wurde Dirks doch recht spärlicher Wohnraum zu knapp für ihn.
    Da ein Hund dieser Größenordnung noch mehr Ausarbeitung brauchte, mußte Dirk nach und nach seine Hobbies aufgeben, um seinen Anforderungen gerecht zu werden.
    Natürlich wurmte ihn das. Doch er konnte doch das Tier nicht wieder hergeben, dem er sein gutes Ansehen verdankte. Wie hätte er denn dann dagestanden? Als Asozialer, der sich zu fein für die Haltung eines Hundes fühlte, und damit die Rattenplage indirekt durch Unterlassung förderte...
    Lieber opferte er seine Freizeit für Hektor und bot ihm alles, was er brauchte, um weiterhin fleißig Ratten zu jagen.
    Sicher würde es sich irgendwann lohnen.

    Eines Morgens erwachte Dirk, und ging – wie jeden Tag – mit seinem Hund für einen sehr langen Spaziergang nach draußen.
    Hektor war inzwischen größer als jeder Hund, den man bisher gesehen hatte. Die Rattenjagd und der reichliche Auslauf hatten ihn ausgesprochen muskulös werden lassen.
    Wenn mit den Worten der Nachbarn früher Achtung und Lob mitgeklungen waren, so waren es jetzt eher übertriebene Bewunderung oder gar Mitleid.
    Dirk hatte seinem Haustier zuliebe alles aufgegeben – seine Hobbies, seinen Freundeskreis, die ohnehin nicht allzu feste Beziehung zu seiner Lebensgefährtin... was war das schon alles gegen die Tatsache, solch einen Hund zu besitzen. Ein derartiges Prachtexemplar forderte eben seinen Preis.
    Irgendwie hatte Hektor gerade wieder eine Ratte entdeckt. Dirk war zu müde und erschöpft, um die Leine rechtzeitig zu lösen. Der riesige Köter riß den nicht allzu kräftigen Mann mit sich.
    Vergebens versuchte Dirk, den Hund mit Zurufen zum Stehen zu bringen. Der Instinkt war stärker als jeder Gehorsam. Im Grunde genommen hatte Hektor Dirk nie gehorcht. Am Anfang war es eine Art Symbiose gewesen – Dirk versorgte ihn, und er fing dafür die lästigen Ratten. Aber es war immer nach Hektors Kopf gegangen.
    Dirks Leben zog an ihm vorbei, als das kräftige Tier ihn über den Asphalt schleifte.
    Vielleicht hätte er sich noch retten können, wenn er die Leine einfach losgelassen hätte.
    Doch die Worte, die damals auf dem grauen Zettel standen, hatten sich zu tief in seine Erinnerung eingegraben:
    „Egal was passiert, laß ihn niemals los...“



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