"Steppenwolfs Erben"

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    Re: "Steppenwolfs Erben"

    Compuexe - 05.09.2008, 00:14

    "Steppenwolfs Erben"
    Steppenwolfs Erben

    "Das ist wohl ein ziemlich schwieriges Buch?"
    "Wie bitte?" Irritiert sah ich von meiner Lektüre auf.
    "Was Sie da lesen. Das sieht nach ziemlich schwerer Literatur aus."
    Neben mir stand ein Mann, klein, mit Hut und altmodischer Brille. Ein schwarzer, geschlossener Regenschirm baumelte über seinem Arm.
    Der Anzug, den er trug, sah aus, als habe er ihn auf dem Trödelmarkt erstanden.
    Ich drehte das Buch, damit er das Cover sehen konnte. Er wirkte beeindruckt. Langsam nickend zog er sein Gesicht in die Länge.
    "Ohne Brille kann ich das leider nicht lesen."
    "Steppenwolf." Meine Stimme war automatisch lauter geworden, obwohl er mir nur erklärt habe, er könne nicht gut sehen. Von schlechtem Gehör hatte er nicht gesprochen.
    "Bitte? Nur weil ich meine Brille nicht auf habe? Was erlauben Sie sich denn, Sie ...?"
    Er rückte entrüstet mehrere Schritte von mir ab. Sofort versuchte ich, das Missverständnis aufzuklären.
    "Das Buch, meinte ich. Steppenwolf ist der Titel des Buches!"
    Er schien sofort zufrieden mit der Erklärung und nickte.
    "Kenne ich gar nicht, wer hat das denn geschrieben?"
    "Hesse."
    "Oh, Hesse!"
    "Sie kennen Hesse?", fragte ich vorsichtig. Meine Überraschung konnte ich trotzdem kaum verbergen. Er kam ins Grübeln.
    "Ich kannte mal einen Busfahrer namens Hesse. Er stand früher immer auf dem Dürreplatz und ..."
    "Verzeihen Sie", unterbrach ich ihn, "ich meinte den deutschen Schriftsteller Hermann Hesse."
    "Hermann? Nein, der den ich meine, der hieß Klaus. Klaus Hesse.
    Kam aus Sulzbach, wenn ich mich recht erinnere, kann aber auch Hemsbach gewesen sein. Nein, den Hermann kannte ich nicht. Fuhr der auch Bus?"
    Mir blieb nichts anderes übrig als den Kopf zu schütteln. Dann wandte ich mich wieder meiner Lektüre zu, insgeheim hoffend, dass der kleine Mann mich jetzt in Ruhe ließ. Für morgen hatte ich geplant mit meinen Schülern über Hesse und seine Werke zu reden, darum war es mir wichtig, mich nochmals über die Eckdaten von Hesses bekanntesten Buch zu informieren. Schüler konnten grausam sein, wenn ein Lehrer unvorbereitet zum Unterricht kam.
    Meine Hoffnung währte nicht lange.
    "Sie lesen wohl sehr viel?", wurde ich nach einigen Augenblicken der Stille gefragt.
    "In der Tat."
    Langsam ging er mir auf die Nerven, er hatte meinen Lesefluss erneut unterbrochen.
    "Nur von diesem Busfahrer, diesem ... Hesse?"
    Ich klappte das Buch zu, es hatte keinen Sinn. Am besten nahm ich es mit nach Hause, um am Abend darin zu lesen. Helga würde sich freuen, wenn aus dem Abend in der Hausbrauerei nichts werden würde. Ich versuchte, meine Nerven in Zaum zu halten.
    "Nein", erklärte ich beherrscht, "nicht nur von diesem Hesse.", wobei ich das Wort diesem betonte, "Ich lese grundsätzlich viele Werke der Weltliteratur."
    Er nickte anerkennend. Nachdenklich murmelte er: "Dann sind Sie das, was man einen belesenen Menschen nennt."
    Misstrauisch beäugte ich ihn. Da musste noch was kommen, aber was?
    Tatsächlich. Nach wenigen Sekunden des Innehaltens sagte er: "Verstehen Sie denn alles, was Sie da lesen?"
    Mein Blick sprach wohl Bände.
    "Nein, nein, ich wollte Sie nicht beleidigen. Das hat ja nichts mit ... ähh ... mit Intelligenz zu tun. Also zumindest bei Ihnen nicht, meine ich. Nein, nicht dass Sie jetzt meinen, ich würde Ihnen keine ... also das, was der Autor ausdrücken will, Fremdworte und so und ... das verstehen Sie ... also ... Sie wissen doch, was ich meine, oder?"
    Er hatte das in seinem Blick, was Männer dazu bringt, ein im Wald gefundenes Rehkitz mit in die eheliche Zweizimmerwohnung zu nehmen um es zu pflegen. Doch erstens war er kein Reh und zweitens waren wir nicht im Wald, sondern in der Stadtbibliothek. Daher klärte ich ihn auf.
    "In der Regel verstehe ich die Literatur, die ich lese. Ich lehre schließlich hier am Heisenberg-Gymnasium Deutsch und Geschichte."
    Ihm entfuhr ein hörbar erfreutes: "Ach, Sie sind Lehrer? Darauf wäre ich jetzt gar nicht gekommen. Sie sehen, verzeihen Sie mir, gar nicht wie ein Lehrer aus."
    Mir war momentan nicht danach, mich mit ihm über das spezifische Aussehen unserer Zunft zu unterhalten.
    "Wie schon gesagt, in der Regel verstehe ich, was in den Büchern steht, die ich lese", antwortete ich stattdessen, "es sei denn, der Autor schreibt wirklich sehr unverständlich. Von der Sorte Autoren gibt es aber glücklicherweise nur sehr wenige.
    Er seufzte. "Ja, wir Autoren haben es nicht leicht."
    "Wir Autoren? Sie schreiben?" Jetzt war ich doch völlig verblüfft.
    "Nicht richtig", wiegelte er ab, "nur so für den Hausgebrauch."
    "Ach. Das ist ja interessant. Was denn genau? Romane? Kurzgeschichten? Essays vielleicht?" Jetzt war ich wirklich neugierig geworden.
    "Leserbriefe!"
    "Wa...?"
    "Ich schreibe Leserbriefe!"
    "Leserbriefe?"
    Er nickte eifrig.
    "Bisher wurden einhundertvierunddreissig Leserbriefe von mir in den Weinheimer Nachrichten veröffentlicht. Unter verschiedenen Namen natürlich", erklärte er mit Verschwörermiene und erst, nachdem er sich umgesehen hatte.
    "Und ... zu welchen Themen?"
    "Die Themen sind egal, darum geht es gar nicht. Mir geht es nur ums Schreiben, verstehen Sie? Mein Geschriebenes auf Papier gedruckt zu sehen."
    Er deutete mit dem Finger auf den Ausgang. "Ich habe meine Mappe draußen, soll ich sie Ihnen zeigen?"
    Den Steppenwolf hatte ich mittlerweile irgendwo zurück ins Regal gestellt. Dieser kleine Kerl mit seinem merkwürdigen Äußeren faszinierte mich weit mehr, als Hesse es je gekonnt hatte. Und sollten mich meine Schüler morgen wirklich in die Enge treiben, würde mir schon etwas einfallen. Ich schüttelte vehement den Kopf.
    "Danke, das wird wohl nicht nötig sein. Womit genau kann ich Ihnen denn helfen?"
    "Ich habe da ein kleines Problem mit einem Buch!" Unsicher sah er sich um.
    "Aber das hätten Sie doch gleich sagen können", antwortete ich, "Worum geht es denn? Vielleicht hab ich das Buch ja schon einmal gelesen."
    Er lächelte dümmlich, drehte auf dem Absatz um und verschwand wortlos im nächsten Gang. Hatte ich ihn beleidigt? Wenn ja, womit?
    Es dauerte wenige Augenblicke, dann kam er zurück. In seiner Hand ein dickes, ein wirklich dickes Buch. In Gedanken wollte ich schon alle dicken Bücher durch gehen, die ich in meinem Leben gelesen hatte, gab es aber bald auf. Leider hielt er das Objekt der Begierde so, dass ich den Titel nicht lesen konnte.
    "Sie lehren auch Geschichte, sagten Sie?"
    Ich nickte. "Deutsch und Geschichte."
    Er sah mich wohlwollend an.
    "Das passt hervorragend. Warten Sie ... hier diese Stelle ...!"
    Er schlug das Buch auf, blätterte kurz, bis er die Seite gefunden hatte und hielt mir das aufgeschlagene Buch direkt vor die Augen. Ich drückte seinen Arm sanft herunter, aus zu kurzer Entfernung fällt mir das Lesen schwer. Ich las die Überschrift - "Altdeutscher Christstollen - Originalrezept."
    "Genau dieser Absatz hier: '... wozu ein halber Gescheid Weizenmehl verwandt werde ...'", las er vor und sah mich erwartungsvoll an.
    Mein Unterkiefer machte sich langsam auf den Weg nach unten.
    "Sie unterrichten doch Deutsch und Geschichte, können Sie mir bitte erklären, was ein halber Gescheit ist?"
    Fassungslos drehte ich das Buch herum und sah auf den Einband.
    "Alfred G. Schwurbel - Das altdeutsche Kochbuch, Erstausgabe 1867. Untertitel: Maßvoll Speis und Trank halten alle Menschen schlank!", stand da.
    "Gell, Sie wissen das auch nicht?"



    Re: "Steppenwolfs Erben"

    Laura - 05.09.2008, 11:39


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