Justus

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    Re: Justus

    methu - 06.07.2008, 11:15

    Justus
    Justus

    Mit böse zusammengekniffenen Augen musterte Justus die alte Wassermühle. Sein gesamtes Leben lang war dieses dunkle, alte Gebäude sein Zuhause gewesen. Er kannte jeden Winkel, jedes Eckchen, jeden möglichen Schlupfwinkel. Tausende seiner Feinde hatten, natürlich vergeblich, versucht ihm da zu entfliehen. Er hatte diesem Kampf seine komplette Existenz untergeordnet, lebte nur für seinen Dienstherren. In den vielen Jahren hatte er sich zur perfekt funktionierenden Kampfmaschine entwickelt, gnadenlos, skrupellos, treu bis in den Tod. Es war nicht so dass er nicht jederzeit gehen hätte können. Doch weswegen denn?
    Er hatte seine Aufgabe, sein Essen, kam gut aus mit seinem Herren.
    Nie hatte er Schläge bekommen, bis zu jenem unsäglich schmerzvollen Tag vor vier Wochen.
    Mit einem unwilligen Knurren riß Justus seinen Blick los, nahm seinen Streifzug durch das Unkrautdickicht des verwilderten Mühlengrundstücks wieder auf. Kaum noch erkennbar die ehemals mit Zwiebeln, Tomaten und Kräutern bepflanzten Beete. Alles um ihn herum war der tödlichen Glut der Sommersonne zum Opfer gefallen. Gelb und vertrocknet raschelten deren Überreste unter seinen Schritten, welche kleine Wölkchen Staubes vom ausgedörrten Erdboden aufwirbelten.
    Verdorrt und verkümmert wie seine Seele. Eingegangen und vernichtet, bevor überhaupt die Möglichkeit zu leben bestanden hatte.
    Justus mußte stehenbleiben da Tränen heiß in seinen Augen brannten und ihm die Sicht nahmen.
    "Tot. Alles tot. Vergangen, vernichtet. Sinnlose Opfer! Wie auch ihr, meine Liebsten. Meine Kleinen!" Wieder und wieder wischte er mit der Rückseite seiner Vorderpfote über die Augenpartie. Sein Schmerz vervielfachte sich noch um Vieles.
    "Warum nur?" Sein lauter Schrei hallte schaurig, überdeckte jedes andere Geräusch.
    Immer noch wimmernd schlurfte Justus bis zur Böschung des Mühlengrabens, wo er zitternd und weinend zusammenbrach.
    Starren Auges musterte er das kümmerliche Rinnsal am ausgedrockneten Grund des tiefen Grabens. Langsam drifteten seine Gedanken ab.

    ~Die helle Aprilsonne spielte glitzernd auf der Oberfläche des gefüllten Mühlgrabens. Mit leisem Plätschern drehte sich das massive Rad stetig, trieb im Inneren das Mahlwerk an. Justus war der mehlstaubdurchdrungenen Enge der Mühle für einige Minuten entkommen um frische Luft zu atmen und sein Äußeres zu reinigen. Genußvoll hatte er seinen muskulösen Körper gestreckt, sich geschüttelt und mit geschlossenen Augen den unwiderstehlich frischen Duft der Frühlingsluft tief inhaliert.

    Leises Kichern hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Automatisch hatte er Kampfposition eingenommen, blickte nach dem Störenfried. Registrierte große sonnengelbe Augen in denen kleine spöttische Kobolde zu tanzen schienen. Eine schmeichelnde Stimme erreichte sein Ohr.

    "Sachte, Du großer grauer Kämpfer. Begrüßt man so einen Gast."

    Sprachlos hatte er sein Gegenüber gemustert. Die Anspannung war aus seinem Körper entwichen. Im Gegenteil, er hatte angefangen elegant auf und ab zu trippeln um sich in seiner ganzen Schönheit zu präsentieren.

    "Wer bist Du denn? Ich habe Dich noch nie gesehen. Das hätte ich mir gemerkt, wirklich!" Oh, oh. Was ging nur in seinem Kopf ab? Hatte er das wirklich gerade laut gesagt. Verlegen hatte er seinen Schnurrbart glattgestrichen, dabei sein zierliches Gegenüber nicht aus den Augen gelassen. Diese schlanken Fesseln, diese zarten Öhrchen, dieser beeindruckende schöngemusterte rötliche Pelz. Dieses feingeschnittene Gesichtchen mit dunkel umrandeter Nase, einem ausladenden Bart und zartem Mund der nur für ihn zu lächeln schien.

    Kokettierend hatte sich dieses engelsgleiche Wesen erhoben, strich nun langsam an seiner Seite entlang.
    "Ich bin Selena. Wir sind erst kürzlich hierher gezogen und heute durfte ich zum erstenmal raus. Du wohnst hier?" Sie deutete auf die Mühle.
    Justus hatte seine Gedanken wieder einigermaßen im Griff.
    "Willkommen Selena. Ich bin Justus und lebe schon immer hier. Ich halte die Mühle mäusefrei. Ich bin der beste Jäger weit und breit."
    "Ach, wirklich!" Wieder hatte einer ihrer Blicke sein Herz getroffen.
    Blicke die in sein Innerstes durchdrangen und heiße Knoten in seinem Bauch verursachten. Gleich darauf war sie davongelaufen. Er war zurückgeblieben, hatte sich krank gefühlt. Nur langsam war ihm klargeworden was ihn überwältigt hatte. Er war verliebt. Liebe auf den ersten Blick.

    In jeder freien Minute war er von nun an unterwegs. Immer öfter hatte in der folgenden Zeit eine Maus überlebt. Seine ganzes Leben hatte sich von grundauf geändert. Welche Herrlichkeiten das Leben bereit hielt hatte er erst in diesem Jahr begriffen.

    Bald sah man die beiden gemeinsam durch die Gegend streifen und als es Sommer ward brachte Selena in einer ruhigen Ecke der Mühle drei wunderschöne Junge zur Welt. Justus war so stolz gewesen. er schien regelrecht zu schweben. Was um ihn herum geschah hatte er garnicht recht wahrgenommen.

    Der Müller, auch schon ein alter Mann, gebeugt durch die Last eines schweren Lebens, erhielt eines Tages einen Brief von der Müllerinnung.

    Fassungslos hatte er immer wieder das offizielle Schreiben buchstabiert. Seine Mühle sei zu alt, entspräche nicht mehr den hygienischen und wirtschaftlichen Ansprüchen der modernen Zeit. Aus und vorbei, aufs Altenteil geschoben. Tagelang war er verbittert, schwer auf seinen Stock gestützt, rastlos durch seine Mühle geschlurft. Schweren Herzens hatte er den Sperriegel des Rades ein letztes Mal betätigt Saß seitdem nur noch in seiner Stube, ließ allem seinen Lauf

    Justus hatte gedacht es sei eine gute Idee dem alten Mann eine Freude zu machen.

    Nach Absprache mit Selena hatten sie ihre drei Lieblinge geputzt und geleckt und sie, auf ihren wackligen Beinchen, in die Stube des Müllers geschubst. Stolz war Justus zu dem Sitzenden gelaufen, mauzend seine Aufmerksamkeit erregend. Hatte beobachtet wie der Blick des Menschen auf seiner Familie ruhte.

    Nie würde er die nächsten Sekunden vergessen. Nie vergessen wie das Gesicht sich zu einer diabolischen Fratze verzogen, wie der knorrige Gehstock eines der Jungen durch den Raum katapultierte, ebenso wie die anderen auch. Selena und er hatten im gleichen Augenblick zum Sprung angesetzt, hatten sich im Fleisch des Müllers verbissen. Die haßerfüllten Worte prasselten genauso auf sie herunter wie die Schläge.
    "Du nutzloser Bastard! Denkst wohl, Du und Deine verflohte Brut können sich hier breitmachen. Denkst, die Mühle gehört auch Dir. Verschwinde, Du elendes Vieh! Weg! Weg!"
    Halb betäubt von den harten Schlägen hatte er doch wahrgenommen dass Selena zu den regungslos liegenden Körpern der Kleinen gelaufen war, ihr Aufschrei"Sie sind alle tot" brannte sich unauslöschbar in seinem Kopf fest.
    Dann war seine Liebste, mit dem Körper eines der Jungen im Maul, aus dem Fenster gesprungen und für immer entschwunden.
    Ein weiterer harter Schlag hatte ihn zum loslassen gezwungen. Bewegungsunfähig und nach Luft ringend hatte er zulassen müssen wie der rasende Mensch ihn, unter weiteren Tritten und Schlägen, zur Tür hinausgetreten und diese hinter ihm zugeworfen hatte.

    Wie von Sinnen war Justus gerannt, nicht wissend wohin oder was er tun sollte. Weit außerhalb des Ortes, im Unterholz eines dichten Gebüschs, war er zusammengesackt. Wie lange er da gelegen, auf den Tod gewartet, ja ihn herbeigesehnt hatte? Er wußte es nicht. Zu dem alles auffressenden Gefühl des Schmerzes, des Verlustes gesellte sich bald ein anderes. Ein mächtigeres Gelüst der Rache. Rache wollte, mußte er nehmen.

    Sein Körper hatte sich zusehens erholt. Er leckte den Tau von den Blättern, füllte seinen Magen mit Krabbelgetier bis er wieder in der Lage war Nager oder Vögel zu jagen. Nun war er kräftig genug Erkundungsstreifzüge in seinem Darf zu unternehmen.
    Mehr als einmal hatte er Selenas Heim aufgesucht, hatte gerufen, hatte Nächte ausgeharrt. Doch sie war nie wieder zu ihm gekommen. Manchmal meinte er ihren Duft wahrnehmen zu können. Dann hatte sein Herz besonders geschmerzt.
    Den Hauptteil seiner Erkundungen hatte er jedoch der alten Mühle gewidtmet. Er hatte endlich einen Plan und nächtelang penibel alles vorbereitet.~

    Die Sommersonne war längst hinter dem Horizont verschwunden. Justus hatte sich erhoben, geschäftig letzte Vorbereitungen getroffen.
    Im milden Licht des Mondes betrachtete er das Werk der letzten Wochen.
    Stückchen für Stückchen hatte er aus dem alten Steg vor dem Wasserrad kleine Holzteile gekratzt. Er war probeweise draufgesprungen und hatte mit Genugtuung registriert wie sehr der Steg unter seinem Gewicht geächzt hatte.
    Wie ein Schatten huschte er nun in die Mahlstube, blickte auf den Sperriegel.
    Es kostete ihn viel Kraft und unzählige Anläufe, doch endlich hatte sich die Sperre gelöst. Zufrieden lauschte der Kater dem sofort einsetzenden bekannten Klang des rauschenden Wassers, dem bedächtigen Knarren des mächtigen Wasserrades. Schleifend fingen die Mühlsteine an sich zu drehen.
    Nun konnte der Kater nur noch warten. Fasziniert betrachtete er die Steine, vor denen er immer Respekt gehabt hatte nachdem er sich als junger Spund bei der Jagd einmal zu nahe herangetraut und zwei Krallen seiner rechten Pfote verloren hatte.
    Endlich, der Müller nahte. Justus hörte das Gebrabbel und das Geräusch des Stockes immer näher kommen.

    "Du?" Das Gesicht des alten Mannes verzog sich erstaunt als er seinen ehemaligen Mäusefänger erkannte. Den Stock erhebend kam er Schritt für Schritt näher.
    Alles in Justus vibrierte vor Spannung. Sein Plan schien zu funktionieren. Schnell lief er bis zur Tür, um dort, den Alten fixierend, seinen Schwanz zu heben und provokant seine Blase zu entleeren. Wie erwartet, der Müller kam , nun laut schimpfend, hinter ihm her.
    Justus achtete darauf den sicheren Abstand nicht zu verringern. Endlich hatte er seinen verhassten Feind auf dem brüchigen Steg. Ein lautes Knacken alarmierte den Mann, doch bevor er sich auf sichereres Territorium retten konnte hatte sich der Kater nach kühnem Sprung mit Zähnen und Krallen im Gesicht des Müllers verbissen.
    Die Wucht des Aufpralls reichte um dem Alten jeglichen Halt zu nehmen. Er fiel rückwärts in den, inzwischen völlig gefüllten, Wassergraben, wo er vergeblich versuchte das knurrende, beißende Tier abzuschütteln.
    Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, dann war alles ruhig.

    Sich das Wasser aus dem Pelz schüttelnd und nach Luft ringend, blieb Justus erschöpft auf der Böschung des Grabens stehen. Gebannt blickte er auf den dunklen, ruhig treibenden Körper, der langsam in die Tiefe sank. Wenige Luftblasen stiegen noch auf, dann war friedliche Ruhe.
    Ohne sich noch einmal umzudrehen entfernte sich der graue Kater durch das unkrautbewachsene Dickicht, dem Licht des Mondes folgend.
    Ende

    (c)Rita Springer 2005

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