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Nabokov, Vladimir - Durchsichtige Dinge




Nabokov, Vladimir - Durchsichtige Dinge

Beitragvon Katia » 16.03.2008, 11:33

[center]Vladimir Nabokov: Durchsichtige Dinge (Transparent Things)[/center]

Nabokovs kleiner Roman "Durchsichtige Dinge" erschien 1972, der Autor war weltberühmt, schon über 70 und lebte seit über 10 Jahren in Montreux in einem Hotelappartement. Vieles dieses Lebensumfelds spiegelt sich in diesem Werk wieder:

Hauptperson ist Hugh Person, eine farblose Gestalt, die von ihrer Umwelt so wenig wahrgenommen wird, wie sein Nachname befürchten lässt. Unsportlich, fast impotent, begabt, aber nicht erfolgreich: statt Dichter zu sein, arbeitet er als Lektor und korrigiert die Romane des (in der Schweiz lebenden) Schriftstellers R. Aus einer ungewöhnlichen Perspektive erzählt werden die vier Schweizreisen von Person, die er im Alter zwischen 22 und 40 machte: die erste, auf der sein Vater stirbt, die zweite, auf der er die kaltherzige Armande kennenlernt und sich verliebt, die dritte mit ihr zusammen, die vierte auf ihren Spuren. Doch die Suche nach der Vergangenheit schlägt ebenso fehl wie die Ehe mit Armande.

Etliche Motive ziehen sich durch die Kapitel, alle haben mit dem Tod zu tun: Hotelbrände, Stürze aus dem Fenster und die "durchsichtigen Dinge". Vielerlei Anspielungen auf die weitere Handlung erschließen sich teilweise wohl erst beim zweiten Lesen - bei mir wird dieser Reread auf Englisch stattfinden, auch um all die Wortspiele mit "Person" noch besser genießen zu können. (Im Deutschen unterscheidet sich "unsere Person" von "unser Person", während im Englischen beides "our person" ist).

Der Tod ist, wie bereits angedeutet, eines der Hauptmotive (tatsächlich überleben kaum welche der Figuren die letzte Seite), es geht um Vorbestimmung und Schicksal, auch um Träume und Sehnsüchte - Nabokov erweist sich hier einmal mehr als Verächter der Freudschen Theorien.

Es ist ein grauer, trauriger Roman, dabei aber doch voll sprachlicher Perlen - ich habe ihn wirklich gerne gelesen. Aufmerksamkeit ist notwenig, um die Ebenen, Anspielungen etc. zu erfassen und wie immer verpasse ich davon wahrscheinlich 90% und hole ein bisschen durch das Nachwort und die Beschreibung des Buchs in Boyd's wunderbarer Nabokov-Biographie nach.

Wer nach dem heiteren "Pnin" eine andere Seite Nabokovs kennenlernen will, dem sei dieser Roman ans Herz gelegt. Allen anderen natürlich auch!

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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Zuletzt geändert von Katia am 16.03.2008, 11:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Nerolaan » 16.03.2008, 11:48

Das klingt gut, Katia!
Ich will ja schon länger mal einen Nabokov lesen und ich sollte es wohl endlich mal tun...
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Beitragvon Katia » 16.03.2008, 11:55

Da würde ich Dir ganz klar "Pnin" empfehlen, war mein Einstieg in Nabokovs Werk und ich durch seinen liebenswert-skurrilen Hauptcharakter finde ich es dafür immer noch ideal.

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Beitragvon Krümel » 16.03.2008, 12:27

Katia hat geschrieben:Da würde ich Dir ganz klar "Pnin" empfehlen, war mein Einstieg in Nabokovs Werk und ich durch seinen liebenswert-skurrilen Hauptcharakter finde ich es dafür immer noch ideal.


Find ich auch :D Mit "Lolita" hatte ich meine Probleme :cry:
BildLiebe Grüße,
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Beitragvon Nerolaan » 16.03.2008, 17:21

Und "Lolita" wollte ich eigentlich lesen..... :grübel2:
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Beitragvon Katia » 16.03.2008, 17:30

Ich habe "Lolita" jetzt dreimal gelesen und schätze das Buch sehr. Aber es scheint wohl (des Themas halber) zu polarisieren. Ich empfehle es deswegen nicht als Einstieg zu Nabokov, weil ich es schade fände, wenn jemand vom Autor abgeschreckt ist, weil ihm das Thema nicht zusagt. Und weil ich es schade finde, dass Nabokov oft auf Lolita reduziert wird, obwohl er so viele andere lesenswerte Bücher geschrieben hat.

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Beitragvon Nerolaan » 16.03.2008, 19:38

Oh, ich wollte Nabokov nicht reduzieren! Keines wegs!
Ich neige nur eher dazu, erst die bekannteren Werke eines Autors zu lesen, wenn ich den Autor testen will.
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Beitragvon Katia » 16.03.2008, 20:24

Nerolaan, so hab' ich das nicht gemeint, ich habe gar nicht an Dich speziell gedacht, als ich das geschrieben habe. Sorry, dass das so rüberkam.
Natürlich liest man zuerst die bekanntesten Werke, das mach' ich nicht anders, ich wollte nur begründen, warum ich in Nabokovs Fall empfehle davon abzuweichen. Mein Lieblingsautor liegt mir halt am Herzen :oops: und ich glaube, viele legen die Lolita weg, mit dem Gefühl kein Buch lesen zu wollen das von Kindesmissbrauch handelt und haken damit den ganzen Nabokov mit ab. Und das finde ich schade, denn "Lolita" ist eben nur einer etwa 20 Romanen, die er geschrieben hat.

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Beitragvon Nerolaan » 16.03.2008, 21:21

Ach, schon ok :-)
Ich werde einfach schauen, was mir als erstes über den Weg läuft und das les ich dann :wink:
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