Amish

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  • Alle Beiträge und Antworten zu "Amish"

    Re: Amish

    tosa34 - 22.10.2007, 22:25

    Amish
    Ich finde es interessant, wie lange sich alte Sprachformen erhalten können, wenn eine Gruppe nur abgeschieden genug lebt. So z.B. in den hintersten Tälern der Apalachen, wo bis tief ins letzte Jahrhundert noch Shakespeare's Englisch gesprochen wurde. Mit dem Fernsehen hat sich das dann geändert.

    Eine Gruppe, die sich bewusst dem Rest der Welt fernhält, ist die Sekte der Amish, die vor allem in Pennsylvania stark ist. Sie sprechen ein Gemsich von Deutsch und Englisch, genannt Pennsylvania Dutch. Dort schnappte im Dorf Nickel Mines vor einem Jahr ein Mann über und erschoss in einer Grundschule 5 kleine Mädchen und verwundete etliche andere. Vielleicht wurde ja darüber auch bei Euch berichtet. Jetzt wurden Anfang Oktober, als sich die Sache verjährte, einige der Eltern gefragt, wie sie mit all dem fertig werden. Die Vergebung, deren diese Leute fähig sind, ist erstaunlich. Was mich aber bewegte war das Wort, mit dem sie den Schmerz der Eltern über den Verlust eines Kindes bezeichnen: Zeitlang. Das hat ja nun mit dem deutschen Sinn des Wortes nichts gemeinsam, aber vom Deutschen her kann man sich in diese Bedeutung des Wortes hineinfühlen. Und den Schmerz und die Sehnsucht fühlen, die da drin stecken.

    Lieben Gruß
    Tosa.



    Re: Amish

    Hospes - 23.10.2007, 06:56

    Sprachen, alt
    Liebe tosa34,

    da hast Du etwas angesprochen, das auch mich bewegt.

    Viele Sprachen und Dialekte sind auf der Welt vom Aussterben bedroht.
    Auch das Bairische ist teilweise gefährdet. Bei uns gibt es nebeneinander liegende Dörfer, deren Bewohner schon unterschiedlich gefärbt sprechen. Eben durch das Fernsehen und wohl einige andere Gründe ist hier manches dem Vergessen anheim gegeben.

    Manche Jugendliche, gerade vom Land, sehen diese Sprache nur noch als Möglichkeit, besonders gscheert (hier: ordinär, pöbelhaft) reden zu dürfen und halten das dann noch für heimisches Brauchtum.

    Hospes



    Re: Amish

    tobias - 23.10.2007, 07:45

    Re: Amish
    Liebe Tosa,

    angeregt durch Deinen Beitrag habe ich mir einen recht ausführlichen Beitrag durchgelesen, sehr interessant und sehr zu empfehlen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Amish
    So grob bekannt sind mir die Amish natürlich auch, vor allem durch ihre Kleidung und Lebensweise. Mehr wußte ich bisher nicht, was sich durch den Artikel jetzt allerdings verbessert hat... :wink:
    Interessant ist wirklich auch der Artikel über die Sprache, auch im Rahmen der ganzen Webseite zu lesen:
    in Penna.dt.: Die englisch Sproch hen Amische ebbmols juscht ge’just far mit die outside Welt zu kommunikäte. Dieweil sie nau immer mehr mit die outside Welt verbunne sin, ischt der Use vun die englisch Sproch ge’wochse, was een Deel Leit critical sehne.

    Allerdings ist mir ihre Lebenseinstellung und -weise sehr fremd. Mir kamen da verschiedene Gedanken. Ich finde es zwar gut, wenn sich Menschen oder Menschengruppen auf ihre (guten?) Werte beziehen, aber eine Offenheit allem anderen gegenüber finde ich sehr wichtig, um nicht so eingstirnig zu bleiben. Man kann "dem Bösen dieser Welt" nicht ausweichen, indem man es nicht ignoriert oder erst gar nicht an sich heran läßt. Man muß sich damit auseinandersetzen. Bestes Beispiel ist der Amoklauf vor einem Jahr, den Du erwähnt hast. Natürlich ist auch hier darüber berichtet worden.
    Auch finde ich diese Abwehr gegen alles Technische nicht gut. Man kann alles, das Fernsehn, das Auto u. v. m. positiv und negativ nutzen. Auch hier geht es wieder darum, wie gehe ich persönlich damit um.
    Durch die Abgeschlossenheit besteht natürlich auch viel Inzucht und Degeneration.
    Was mir auch negativ aufgestoßen ist, aber das gilt nicht nur für die Amish, sondern auch für andere rigide Glaubensgruppen und Glaubensformen, daß sehr viel mit Verboten, Strafen, zig Regeln, Verzicht usw. gearbeitet wird. Der Islam wäre da auch ein gutes Beispiel.
    Aber so im großen und ganzen, aber ich habe da auch zu wenig Ahnung, um mir ein wirkliches Urteil zu erlauben, kenne ich keine Religion, die eine Religion der Freude ist.
    Wie es mit dem Hinduismus und Buddhismus ist, das weiß ich leider nicht oder mit der ein oder anderen Naturreligion...

    Tobias



    Re: Amish

    karin - 23.10.2007, 19:16

    Amish
    Hallo zusammen,

    Zu den Amish möchte ich auch noch ein paar Takte sagen. Vor mehr als zwanzig Jahren bin ich mit Freunden von Philadelphia aus in die Amish Region gefahren. Ich wusste zwar schon so einiges über die Menschen und deren Leben .... dennoch als wir nach 80 - 90 Meilen ankamen dachte ich, ich bin im Kino. Es war tatsächlich eine Zeitreise. Wir fuhren durch verschiedene Ortschaften, sahen nirgendwo ein Auto, dann besuchten wir eine amishe Familie, lernten die näher kennen, zeitweilig waren die sehr schwer zu verstehen aber wir kamen einigermassen damit zurecht.

    Was meine Freunde und mich ausserordentlich frappiert hat war die Tatsache, dass neben der Schlichtheit der Tracht, nirgendwo ein Knopf zu sehen war, (Knöpfe sind Schmuck, von daher nicht zugelassen) Ebenso werden Kleider nicht geschneidert, sondern nur mit Stecknadeln zusammengefügt. Wir waren in 2 Häusern, jeweils in den Wohnstuben die natürlich zugleich Küche und Versammlungsraum waren, beide Häuser waren fast identisch haben aber weder Fernseher, noch Radio gesehen, Elektrizität ebenfalls nicht. Telefone haben wir auch nicht entdeckt. Sie lebten wie vor 200 Jahren und so sprachen sie auch.

    In der Millionenstadt Philadelphia zurückgekehrt mussten wir uns erst einmal von den Eindrücken der Vergangenheit geistig an die Neuzeit gewöhnen.

    LG Karin : :)



    Re: Amish

    Luca - 24.10.2007, 10:04


    Per Zufall, aber passend zum Thema habe ich eine kleine Rezeptseite der "Küche der Amish" gefunden.
    http://www.gfra.de/usfood/cgi-bin/rezepte.cgi?TypNr=79

    Luca



    Re: Amish

    Rheinperle - 24.10.2007, 20:28


    Ich habe über die Amish auch schon gelesen und unlängst einen Beitrag im Fernsehen gesehen. Es hat mich schon etwas irritiert., diese Lebensweise, insbesondere weil sie in einem aufgeschlossen modernen Staat leben, wie kann man sich da so abschotten? Und wie sieht es mit der Weiterbildung z.B. an einer Uni oder einem College aus. Dürfen die jungen Menschen da hin? Karin, für Dich war dies ein ganz besonderes Erlebnis, das glaube ich Dir. Was mich noch interessieren würde, wie gehen Menschen mit Besuchern aus der etwas ganz anderen Welt um ? Die Rezeptesammlung die Luca gefunden hat, ist auch sehr interessant.

    Rheinperle :roll:

    ja Tosa, dieses Zeitlang, das kann ich verstehen, auch wenn man vergibt.



    Re: Amish

    tosa34 - 25.10.2007, 00:23


    Lieber Hospes, Tobias, Luca, Karin und Rheinperle,
    ich freue mich, dass Euch dieses Thema offenbar auch angesprochen hat.
    Wir haben vor vier Jahren auch von Philadelphia aus einen Abstecher in's Amish Country gemacht, allerdings nicht so weit wie Karin. Aber auch hier sah man nur die Pferdefuhrzeuge, ab und zu ein altmodisches Fahrrad. Es gab auch einen Farmers' Market, wo man viele Köstlichkeiten kaufen Konnte. Die Leute waren freundlich, aber zurückhaltend. Und es gab die wunderschönen Amish Quilts, also Patchwork-Decken, die mit bunten Farben auf schwarzem Grund bestechen. Aber die kosten! Und sollen das auch, in Anbetracht der vielen Arbeit, die drin steckt. Leider steckte in meinem Geldbeutel oder Scheckkonto nicht das entsprechende Geld.
    Ich fand die Rezepte auch sehr interessant, Luca, danke! Einige kannte ich schon. Besonders mag ich Apple Butter, was allerdings nicht Apfelmus ist, sondern fester, ehe Konsistenz von Pflaumenmus, und wunderbar würzig.
    Es ist bestimmt kein leichtes Leben, so enthaltsam, abgeschieden, und oft streng. Besonders die Meidung finde ich furchtbar, total unchristlich. Aber niemand wird gezwungen, so zu leben, und junge Leute die eine Uniausbildung wollen, geben halt dieses Leben auf. Die meisten, glaube ich, bleiben dennoch ihrer Familie verbunden.
    "Im großen und ganzen kenne ich keine Religion, die eine Religion der Freude ist." Ja, Tobias, ich habe das nur in der zum größten Teil schwarzen Gemeinde meiner Schwiegermutter erlebt. Da wurde gelacht, gesungen, getanzt, gelobt und gepriesen, was das Zeug hält. Und die zerbrechlich aussehende Achtzigerin, die als Kind glaubte, nur die deutsche Bibel und das deutsche Gesangbuch könnten zum Himmel führen, wurde von einer Umarmung zur nächsten gereicht und total umsorgt.
    Na, da hab' ich mich wiedermal ergangen!
    Lieben Gruß,
    Tosa.



    Re: Amish

    tosa34 - 25.10.2007, 01:52


    Hier sind ein paar Bilder von den Amish Quilts.



    Sie werden sich nicht vergrößer lassen, aber das ist auch nicht nötig.



    Re: Amish

    tobias - 25.10.2007, 09:20


    Das sind ja wunderschöne Arbeiten. Was müßte man denn da wohl für so eine Patchwork-Decke bezahlen?

    Zitat: Aber niemand wird gezwungen, so zu leben...
    Ich hatte immer gedacht, daß sie ähnlich in diese Strukturen gezwungen werden, wie es auch in Sekten üblich ist und dann keine Chance haben, da heraus zu kommen.
    Andererseits kann ich mir auch vorstellen, daß es schwierig ist, wenn man so engstirnig aufgewachsen ist, fern vom "richtigen" Leben, daß man dann den Mut aufbringt, sich von der gewohnten Sicherheit zu lösen.

    So einen Gottesdienst in einer schwarzen Gemeinde würde ich auch sehr, sehr gerne mal erleben! Ich kenne es nur aus dem Fernsehn, aus Filmen. Da weiß man natürlich nicht, was echt ist, aber es kam doch jede Menge Lebensfreude rüber.

    Hier in Deutschland geht es mittlerweile oft auch nicht mehr so steif zu, es wird auch mal geklatscht, es werden lebhaftere Lieder gesungen, "es ist etwas los". Aber natürlich lange nicht vergleichbar mit den schwarzen Gemeinden und ihren Gospelchören.
    Was ich aber vor allem auch meinte, daß ich keine Religion kenne, die wirklich eine Religion der Freude ist, daß die Bibel, der Koran, die Thora oder was immer Grundlage irgendeiner Glaubensrichtung ist, daß dort im Endeffekt mit Bestrafung, Sünde, Angst, Verboten, Druck usw. gearbeitet wird.

    Tobias



    Re: Amish

    tosa34 - 25.10.2007, 23:52


    Für Christen tilgt ja das Neue Testament viele dieser Strafen und Vorschriften. Man muss nur glauben, dann wird alles gut. Und wenn man nicht glaubt, dann sind ja auch die alttestamentarischen Drohungen gleichgültig.

    Die meisten Religionen sind wohl im Grund eine Verstärkung der Pflicht, sich gegen seinen Nächsten anständig zu benehmen und nicht zu selbstsüchtig zu sein. (Von Auswüchsen wie den Kreuzzügen oder Jihad wollen wir absehen.) Und für die Vielen, für die das Leben schwer ist, das Versprechen eines besseren Lebens nach dem Tod, oder der Chance, es nochmal zu probieren.
    Könnte man wohl Hedonismus als "Religion der Freude" betrachten?

    Gruß,
    Tosa.

    So eine Decke würde wohl 300-500$ kosten.



    Re: Amish

    tobias - 26.10.2007, 05:42


    Ich mußte erst einmal schauen, was Hedonismus heißt... :wink: Erstrebenswert ist es allerdings nicht, egoistisch, zu einseitig orientiert, schließt das Gegenüber aus.

    Wenn Religionen (welche auch immer) helfen, sich dem nächsten gegenüber (mindestens) anständig zu benehmen, dann ist es sicher nicht verkehrt und für den ein oder anderen sicher eine Hilfe.

    Ich bin hier manches Mal in "Diskussion" mit meinen Freunden und Bekannten, ob die Grundwerte nun ein christliches (religiöses) Fundament haben oder nicht, da ich persönlich der Meinung bin, daß ein vernünftiges Miteinander, einander achten, helfen, eben alle Tugenden eine Grundsätzlichkeit sein sollten, unabhängig von irgendeinem Glauben.

    Die Decke ist allerdings sehr teuer... Haben sie wirklich Chancen verkauft zu werden?

    Du hast einen schönen neuen Spruch, er gefällt mir sehr gut! Oder ist es einfach nur die Übersetzung? Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich das jetzt gar nicht mehr sagen kann...

    Tobias



    Re: Amish

    la-piccola - 26.10.2007, 11:47


    ...da möchte ich mich anschließen,Tobias, dieser Spruch ist ganz merkenswert....
    Habe sehr interessiert eure Berichte gelesen.Man hat ja wohl mal was gehört. aber doch nicht so richtig und nun war dies eine tolle Bereicherung und mit euren Links sehr lehrreich, danke.
    Ich wollte euch eigentlich auch schon lange mal über unsere Urlaube in Italien berichten, hier passt das nun ganz gut rein.

    Wir haben Freunde in Villar Pellice-das liegt ca 70 km nordwestlich von Turin in der Piemont und ist ein kleines Paradies in den Waldenser-Tälern.Und da wären wir beim Thema:Albert ,ein französischer Waldenserpfarrer aus Paris, und Gisela,Musiklehrerin aus Erlangen, kamen 1958 in diese Gegend, mieteten ein Landgut und bauten dort ein Ferienhaus auf, dass nun von ihren Kindern weitergeführt wird.
    Es war nicht nur das gute Essen und die herrliche Landschaft, die uns immer wieder dahin zog, sondern auch diese Herzlichkeit und Toleranz, die wir dort fanden.Unsere Kinder,und auch die von unseren Freunden, zog es immer wieder dahin,obwohl es da weder Radio noch Fernsehen gab, einfach nur Natur und Freiheit und Kontakte mit netten Menschen.
    Auch jetzt haben sie immer noch Kontakt und fahren so einmal im Jahr mal schnell für 2-3 Tage dahin ,und Ina verbrachte mit 17 J. 5 Monate als Au-pair dort,-wir waren leider schon seit 2 Jahren nicht mehr dort, aber nächste Ostern haben wir uns fest vorgenommen.
    Auch diese Toleranz anderen Religionen und Nationalitäten gegenüber begeisterte mich so-es waren alle Glaubensrichtungen zu finden und alle wurden mit der selben Herzlichkeit aufgenommen und es entwickelten sich immer wieder sehr interessante Diskussionen und Gespräche.
    Mit Albert machten wir mehrmals Führungen durch die Waldensischen Orte mit und wir waren fasziniert von den Felsenkirchen, die wir im tiefsten Dickicht fanden,dorthin flüchteten sich die Waldenser, die, bis sie vor 100 Jahren von der römischen Kirche akzeptiert wurden, verfolgt wurden.Einmal waren wir in einer "Felsenkirche,in die man auf allen Vieren hineinklettern mussten und da waren einfach riesige Steine übereinander getürmt (nicht von Menschenhand gebaut !),und als wir da so in der Mitte standen, fielen Sonnenstrahlen durch die oberen Ritzen und bildeten fast ein Kreuz . Es lief uns eine Gänsehaut über den Rücken und ganz spontan fingen alle an zu singen: Großer Gott wir loben dich... es war so beeindruckend und das werden wir wohl nie vergessen.
    Wir besuchten auch kleine Orte und Siedlungen,die erst Mitte der 70 er Jahre an das Stromnetz angeschlossen wurden und sich bis dahin selbst verpflegt hatten.Nun hatten sie zum ersten Mal Kontakt überhaupt mit Geld- mussten sie doch nun ihre Stromrechnungen zahlen.So waren sie gezwungen, ihre Erzeugnisse (Milch, Käse, Honig,Marmelade aus Wildfrüchten,Wein u ä.) in größeren Mengen herzustellen und auf die Märkte ins Tal zu bringen.Sowas war fast unglaublich, vor allem für unsere Kinder.
    Ich stöbere mal in unseren Fotos,vielleicht finde ich was interessantes zum Anschauen.

    ...wenn es euch interessiert...
    http://de.wikipedia.org/wiki/Waldenser



    Re: Amish

    Hospes - 26.10.2007, 14:06

    bescheiden leben
    Nun auch eine kleine Reminiszenz meinerseits.

    Vor vielen, sehr vielen Jahren besuchte unsere Familie Verwandte in Franken. Durch die Realteilung bei der Erbfolge über Generationen hinweg waren aus großen Höfen kleine Nebenerwerbsbetriebe geworen.
    Ich kann mich noch erinnern, dass morgens die einzige Kuh im Stall vor den Leiterwagen gespannt wurde, etwas Gras gemäht wurde und dann fuhr man heim. Es war eine überwältigende Gastfreundschaft, wenngleich die äußeren Umstände euphemistisch als einfach oder bescheiden zu beschreiben waren.
    Mein Großvater stammte aus dieser Familie. Als kleiner Junge verlor er durch einen Häcksler 2 Finger der rechten Hand. Er konnte also nicht mehr in der Landwirtschaft tätig werden.
    Sein Großonkel war Kaiserlicher Rat in Österreich. Er wohnte in einer Villa in Braunau und stiftete (wie schon einmal erzählt) die beiden großen seitlichen Chorfenster und das Chorgestühl der dortigen Pfarrkirche.
    Dieser Onkel nun zahlte meinem Großvater Gymnasium und Studium. Er legte Wert auf sparsames Verhalten und mein Großvater musste regelmäßig Rechenschaft ablegen. Mein Großvater erzählte oft, dass er bei Vollmond am Fenster seine Aufgaben machen musste, um Kerzenlicht zu sparen.
    So halte ich meinen Ururgroßonkel stets in dankbarer Erinnerung, da ich im wohl verdanke, was ich jetzt bin.

    Nur wenige Jahre nsch Kriegsende geboren, mussten meine Eltern auch ziemlich sparen. Meine Mutter stellte beim letzten Besuch fest, dass es kein Stopfgarn mehr zu kaufen gäbe. Unsere Strümpfe (natürlich von der Mutter gestrickt) wurden bis zum Zerfall immer wieder repariert.

    Und trotzdem ging es uns Kindern gut. Wir hatten noch klare Bäche zum Spielen, erfanden unsere Spiele selbst, bastelten Spiele, die wir uns nicht leisten konnten (z.B. Risiko) und verbrachten diese durchaus nicht immer goldenen Jahre der Kindheit doch behütet und geborgen.

    Unsere heutige Jugend tut mir gerade wegen der materiellen & medialen Überflutung leid.

    Hospes



    Re: Amish

    tosa34 - 27.10.2007, 02:09


    Danke, la-piccola und Hospes für diese wunderschönen Berichte. Beide versetzten mich an einen anderen Ort und eine andere Zeit. Ich fürchte auch, dass die Kinder jetzt soviel haben, das sie nichts mehr so begeistert wie uns die einfachsten Sachen. Mein erster Ball, blau war er, bekam einen Namen und schlief nachts neben mir.
    Tobias, heute kam mir der Gedanke, dass man wohl Angehöriger einer Religion sein muss, um die in ihr enthaltene Freude zu fühlen.
    Die Patchwork-Decken werden gekauft, allerdings eher als Kunstwerke, die man an die Wand hängt.
    Und der Spruch ist neu (für mich). Ich hörte ihn bei "Ich trage einen großen Namen", einer meiner Lieblingssendungen.
    Schönes Wochenende allesamt!
    Tosa.



    Re: Amish

    Luca - 27.10.2007, 08:35


    la-piccola,
    Deinen Bericht habe ich mit großem Interesse gelesen.
    So etwas zu erleben, finde ich ganz klasse.
    Auch Euer Erlebnis in der "Felsenkirche" kann ich mir lebhaft vorstellen, wie sehr das einen ergreifen kann. "Großer Gott wir loben dich" ist ein wunderschönes Lied. Ich fand es schon immer sehr schön und habe meiner Mutter mal gesagt, daß es auf meiner Beerdigung gesungen werden sollte. Da war sie allerdings etwas perplex, da man so ein Freudenlied am Grab ja auch irgendwie falsch verstehen könnte...

    Kaum vorstellbar, daß in unserer heutigen Welt einige Orte erst Mitte der 70er Jahre ans Stromnetz angeschlossen wurden. Wenn ich daran denke, wie uns ein, schon relativ kurzer Stromausfall ins schwimmen bringen kann. Mal abgesehen davon, daß unsere Kühlgeräte abtauen, kein Licht, kein Computer, Radio, Fernsehn, vielfach auch keine Heizung... Was sind wir doch hilflos geworden!

    Luca



    Re: Amish

    Rheinperle - 29.10.2007, 10:36


    Eu´re Berichte finde ich sehr beeindruckend, insbesondere der Beitrag von la piccola aus den Waldenser Bergen. Ich habe diese Erfahrungen des Abgeschottetseins von der Zivilisation sowohl in Lappland als auch im tiefen Anatholien gemacht. Hier sind die Menschen auf Grund der geografischen Lage größtenteils von der "Außenwelt" unfreiwillig abgeschottet. Aber die Freude und die Gastfreundschaft beim Besuch von "Außerirdischen" war überall überwältigend. So sind wir einmal zu einem schweren Autounfall in den Bergen in Anatholien gekommen. Wir haben außer den Verunglückten keinen Menschen vermutet. Doch im Nu kamen von den Bergen herunter viele Menschen mit Laternen, Stühlen, Tee und Decken und boten ihre Hilfe an. Ich habe mir schon oft Gedanken gemacht, wie es wohl wäre, wenn ich woanders auf dieser Welt unter ganz anderen Bedingungen geboren worden wäre und dort unter welchen Bedingungen wohl leben würde; diese Gedanken haben mich schon oft umgetrieben. Kein Mensch kann sich dies aussuchen. Ich meine jedoch, vielleicht liege ich auch fehl, ich habe nochmal etwas Glück gehabt und bin froh in einem halbwegs zivilisierten Land ohne Krieg zu leben.

    la-piccola, weißt Du, dass Karlsruhe-Neureut, wo Du mal gewohnt hast, eine Gemeinde war, die sehr vielen Waldensern Zuflucht gegeben hat. Es gibt dort auch eine Waldenserstraße.

    "Großer Gott wir loben Dich" war und ist für mich das schönste Kirchenlied. Es wird bei uns fast nur an hohen Feiertagen oder Festtagen gesungen und meistens am Ende des Gottesdienstes. Da habe ich als Kind immer ganz laut mitgesungen und es macht mich auch heute noch so richtig froh im Herzen, wenn es gesungen wird.

    Rheinperle



    Re: Amish

    tobias - 29.10.2007, 12:01


    Ich habe mir auch schon hin und wieder Gedanken darüber gemacht, warum ich gerade als der hier wohne mit eben der Vita die ich habe.
    Es ist zwar müßig darüber nachzudenken, aber irgendwie hat es auch etwas Interessantes.
    Ich hätte auch einer von Afrikas zahlreichen Armen und Aidskranken sein können, ich könnte in einem Kriegsgebiet leben müssen, ich hätte in einem kommunistischen Land groß werden können, ich hätte ein Berufsportler werden können oder ein anderer Mensch des öffentlichen Lebens...
    Aber so bin ich froh, daß ich hier aufgewachsen bin und lebe. Trotz aller Dinge, die nicht einfach sind in meinem Leben, geht es mir mit Sicherheit sehr viel besser als ganz vielen anderen Menschen auf dieser Welt. Und wir haben eines der höchsten Güter, die Freiheit.

    Eine wunderbare Erfahrung, daß selbst in einer entlegenden Berggegend sofort Retter und Helfer zur Stelle gewesen sind!
    Ich habe hier bzw. es war in der Schweiz genau das Gegenteil erlebt. Auch dort war es eine einsame Berggegend, wo ich einen schlimmen Autounfall hatte, da war ich allerdings auf mich alleine gestellt.

    Tobias



    Re: Amish

    tosa34 - 14.11.2007, 03:04


    Noch ein Nachtrag über die Amish, von einem Radioprogramm, das wir auf der Reise hörten:

    Die jungen Leute sind bis zum 18. Lebensjahr nicht an diese Sekte gebunden. Sie können frei entscheiden, ob sie gehen oder bleiben wollen. Viele Amish Familien machen in Florida Urlaub, zum Teil damit die jungen Leute sich dort austoben können (sie nennen das "romsprenge"), und andere junge Leute kennenlernen und sehen wie ihnen deren Lebensweise gefällt.

    Und die Patchworkdecken sind auch ein Grund, nach Florida zu fahren, sie werden dort für 3000 - 4000 $ verkauft, während sie z.B. hier in Wisconsin für "nur" 1200 $ zu haben sind. Habe mich also total verschätzt, bzw. an lang vergangene Preise gedacht.

    Gruß,
    Tosa



    Re: Amish

    tobias - 14.11.2007, 06:47


    Also kann man die Amish doch als Sekte bezeichnen? Hier in Wikipedia steht "Religionsgemeinschaft" und erst, wenn ich weiter unter "Religionsgemeinschaft" schaue, ist eine von drei Interpretationen Eine Religion oder eine Abspaltung einer Religion die eine Irrlehre vertritt; siehe Sekte.
    Oder ist es abhängig von dem jeweiligen Land, ob etwas als Sekte bezeichnet wird oder nicht?
    Ich kann mir vorstellen, wenn man 18 Jahre in der Amish-Welt gelebt hat und dann gleich den "Kulturschock" Florida erlebt, dürfte das für die jungen Leute doch recht schwierig werden. Entweder sind sie sehr verschreckt und trauen sich nicht, die neue Welt zu entdecken oder sie wollen das neue in nur allen erdenklichen Zügen erleben. Es ist sicher nicht einfach, sich diesem Neuen langsam zu nähern..., vor allem, wenn man im Hintergrund seine Familie hat, die vielleicht sagt, "angucken darfst du, aber wir wären sehr froh, wenn du dann wieder mit uns zurück kommst", also so ein latenter, unbestimmter Druck gemacht wird.
    Eine direkte Übersetzung für "romsprenge" habe ich nicht gefunden, kann man das Wort auch 1:1 übersetzen (den Sinn habe ich ja durch Deine Erklärung verstanden).

    Der Preis für die Decken ist ja Wahnsinn! Daß sie die dafür überhaupt losbekommen...

    Erzähle doch ein wenig über Deine Woche in Kansas, falls Du magst. Bist Du da auch auf diese widerlichen Spinnen gestoßen?

    Tobias



    Re: Amish

    tosa34 - 17.11.2007, 00:42


    Da habe ich offenbar das falsche Wort gewählt, man kann den Amish durchaus nichts negatives anhängen oder nachsagen. Sie werden allgmein respektiert und auch bewundert, dass sie dieses schwierige, enthaltsame Leben auf sich nehmen und dabei vergnügt und freundlich sind.
    Kulturschock ist wohl auch nicht dabei, da die Kinder ja auch mit nach Florida kommen, schon von klein auf. Es ist aber schon wahrscheinlich dieser "latente unbestimmte Druck" da, wie wohl für jeden der dran denkt, einen andren Weg einzuschlagen als den in der Familie traditionellen.
    Romsprenge: da hast Du jetzt zuviel um die Ecke gedacht, Tobias. Das ist einfach "rumspringen" mit Dialekt. So wie die Grünen da unten.
    Gruß,
    Tosa. :jump:



    Re: Amish

    tobias - 17.11.2007, 06:48


    Danke, Tosa, für die weiteren Erklärungen.
    Zitat: Es ist aber schon wahrscheinlich dieser "latente unbestimmte Druck" da, wie wohl für jeden der dran denkt, einen anderen Weg einzuschlagen als den in der Familie traditionellen.
    Das stimmt, das gibt es überall.

    Romsprenge - kein Wunder, daß ich das in keinem dictionary gefunden habe....! :P

    Tobias



    Re: Amish

    tosa34 - 20.11.2007, 01:27


    Nochmal etwas dazugelernt.
    Am Wochenende besuchten uns Verwandte aus der Nähe von Phildadelphia, die oft mit den Amish zu tun haben. Zwischen 18 und 19 Jahren sind die jungen Leute total von den Regeln der Gemeinschaft entbunden, um frei ihre Einstellung prüfen und andere Lebensweisen kennenlernen zu können.

    Tosa.



    Re: Amish

    tobias - 12.05.2008, 06:07

    Sendung
    Heute kommt um 18:05 Uhr auf arte in der Reihe "Wunderwelten" eine Sendung über die Amish People.
    Amish People -
    Leben in einer anderen Welt
    http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=851301,day=3,week=20,year=2008.html

    Das wird sicher interessant!

    Tobias



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