Einsamkeit und Isolation

Nachtperle's Plauderecke
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    Re: Einsamkeit und Isolation

    Nachtperle - 19.01.2008, 01:21

    Einsamkeit und Isolation
    Die Begriffe Einsamkeit und Isolation sind nicht identisch. Unter Einsamkeit versteht man die subjektive Beurteilung der eigenen sozialen Situation (einsam ist, wer sagt, er sei es), unter Isolation die tatsächliche, objektiv faßbare Einschätzung der Sozialkontakte. Man spricht meist dann von Isolation, wenn die Sozialkontakte sich auf bloße Begrüßungsfloskeln beschränken und kein qualitativer Austausch stattfindet.

    Einflußfaktoren:

    -) Verwitwung (hier sind mehr Frauen als Männer betroffen)

    -) Familienbeziehungen (hier handelt es sich um die leichteste Form des Sozialkontaktes, 70% der alten Menschen leben in der Nähe der Kinder oder mit den Kindern zusammen, 90% werden von den Kindern versorgt, erwünscht wird hier in den meisten Fällen die sogenannte "Intimität auf Abstand")
    -) Heimunterbringung (der Wohnortwechsel, bzw. die Heimunterbringung wird meist als Belastung empfunden, dies muß nicht in allen Fällen zur Isolation führen. Wenn sich Gruppen von alten Menschen in Altenheimen zusammenschließen spricht man von "Insulation". Fakt ist, dass Personen in Heimen überrepräsentiert sind, denen ein familiäres Netzwerk fehlt.)

    Anpassung an Heimsituation wird beeinflußt durch:

    -) die Zufriedenheit mit dem bisherigen Schicksal

    -) den Zeigarnik-Effekt (unerledigte Aufgaben wollen vollendet werden)

    Persönlichkeitsvariablen:
    höhere Intelligenz, höhere Aktivität und ein besserer Gesundheitszustand erleichtern die Anpassung

    -) Kontaktfreudigkeit

    3-5% der Personen über 65 Jahre stellten sich in einer Befragung als sozial isoliert heraus.

    Typologie älterer Menschen nach ROSOW im Hinblick auf Sozialkontakte:

    -) Kosmopoliten (sozial interessiert, emotional unabhängig von engeren Beziehungen)

    -) Phlegmatiker (sozial weniger interessiert, eher gleichgültig)

    -) Gesellige (sozial aktiv, aber ohne Wunsch nach Ausweitung der Beziehungen)

    -) Untersättliche (sozial sehr aktiv, Wunsch nach weiterer Ausweitung derBeziehungen)

    -) Isolierte (Wunsch nach Sozialkontakten, ohne ihn realisieren zu können.)

    Ergebnisse bzgl. der Einsamkeit alter Menschen:

    1. Frauen klagen häufiger über Einsamkeitsgefühle als Männer

    2. Über 75jährige klagen häufiger als 65-74jährige

    3. Personen, denen es gesundheitlich schlechter geht klagen mehr als jene, denen es gut geht

    4.Je inaktiver, je "langweiliger" das Leben, desto größer die Einsamkeit im Alter

    5. Ein eingeschränkter Interessenradius begünstigt Einsamkeit im Alter

    6. Geringe Zielgerichtetheit begünstigt Einsamkeit im Alter

    7. Eingeschränkte Zukunftsorientierung begünstigt Einsamkeit im Alter

    8. Geringes Selbtvertrauen begünstigt Einsamkeit im Alter

    Einsamkeit korreliert mit:

    -) Langeweile als Folge fehlender Rhytmisierung des Tages- Wochen- und Jahresablaufs

    -) der Erwartungshaltung an Sozialkontakte und der Tagesgestaltung

    -) Abhängigkeit: Abhängigkeit bedeutet hier die Angewiesenheit auf andere Personen und verminderter Sozialkontakt. Abhängigkeit kann in vier Aspekten vorliegen:

    1. ökonomische Abhängigkeit (von der Generation im Generationenevertrag)

    2. physiologische Abhängigkeit (durch Bewegungsapparatdefizite)

    3. seelisch-geistge Abhängigkeit (durch Gedächtnis und Orientierungsdefizite)

    4. soziale Abhängigkeit (Rollenverlust, Isolation)

    Viele alte Menschen nehmen ihre eigentliche Situation oft als Stillstand wahr. Daraus folgt das Einstellen der Aktivitäten. Aktivität geht in Passivität und damit in Abhängigkeit über. Je mehr die soziale Umgebung als unfreundlich erlebt wird, desto weniger entwickelt man eigene Aktivitäten und begibt sich in eine Abhängigkeit.

    Alterseinsamkeit wird kaum selbst gewählt und ist eher direkt/indirekt aufgezwungen. TEWS bezeichnet Einsamkeit als einen "inneren Zustand der Individuen". Einsamkeit hat jeder schon einmal erlebt und ist daher ein klarer Begriff. Dennoch kann man nicht erwarten eine einheitliche Antwort auf die Frage der Einsamkeit zu bekommen, da sie von jedem Einzelnen unterschiedlich empfunden wird. Es kommt auf die Persönlichkeit und die Situation des Befragten an. Einsamkeit und Isolation zu untersuchen ist daher schwierig, da es keine eindeutigen Identifikationsfaktoren gibt und auch durch Befragungen nur schwer Vereinsamung festzustellen ist.

    Alleinstehende stellen den höchsten Anteil an Vereinsamten dar. Frauen dominieren ebenfalls. BLUME stellte fest, dass doppelt soviel Frauen wie Männer unter Vereinsamung leiden. Meist sind es verwitwete Frauen, gefolgt von den Ledigen und einem geringen Prozentsatz Verheirateter. Vereinsamung war auch dort festzustellen, wo Kinder im Haushalt leben. Bei alten Menschen zeigte sich, dass Vereinsamte eher sagen, ihr Verhältnis zu den Kindern sie nicht gut und dass daraus der Wunsch alleine zu leben entsteht. Je besser das Verhältnis zu den Kindern ist, desto weniger tritt Vereinsamung auf.

    Vereinsamung steht in Wechselbeziehung mit einem schlechten Gesundheitszustand. Vereinsamte haben einen schlechteren Gesundheitszustand, sind häufiger bettlägerig und gehen öfter zum Arzt.

    Einsamkeit tritt v.a. bei kürzlich Verwitweten auf. Die Umstellung der Lebenssituation wird als Krise empfunden, auf die man häufig mit Vereinsamung reagiert. Dies gilt auch für den Tod anderer Nahestehender. Für Ältere ist der Verlust schwerer zu bewältigen, da es an "Ersetzbarkeit" eher mangelt. Etwa doppelt soviel Witwen als Ledige sind vereinsamt. "Desolation" bezeichnet die Vereinsamung, die aus dem emotional-psychischen Verlust von Personen resultiert. Sie ist um so mehr mit Vereinsamung verbunden, je stärker die Partnerverbindung war und je kürzer der Verlust zurückliegt.

    BLUME und TEWS fanden heraus, daß je höher das Einkommen ist, um so weniger tritt Vereinsamung auf. Dies gilt auch für die Schulbildung. Daraus ergibt sich auch ein Zusammenhang mit der Schichtzugehörigkeit. Je niedriger die Schicht, um so geringer der Kontakt, der besonders bei Alleinstehenden durch niedriges Einkommen bedingt wird. Vereinsamte haben nach BLUME den Wunsch nach mehr Freunden und Bekannten. Je größer die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität ist, um so stärker tritt Vereinsamung auf. Vereinsamte sind zudem weniger zufrieden mit ihrem Leben. Je vereinsamter die Individuen sind, um so eher wünschen sie sich eine Veränderung der Lebenssituation. Hinzu kommen Persönlichkeitsmerkmale: fühlt man sich alleine wohl, tritt seltener Vereinsamung auf.

    Vereinsamung läßt sich also erklären durch:

    1. Desolation (Zeitpunkt des Partnerverlustes, Stärke der Partnerverbindung)

    2. Das Verhältnis zu den Kindern oder/und anderen

    3. Gesundheitszustand

    4. Schichtzugehörigkeit

    Als vereinsamt galt "wer sagt, er sei es". Bei der Isolation ist dies anders. Personen mit wenigen Kontakten gelten als isoliert. Ab einer bestimmten Stufe der Kontakthäufigkeit gelten die Personen als "integriert". Isolation kann über fehlende Kontrolle zur "Normlosigkeit" führen und zu abweichendem Verhalten (affektive Störungen, Selbstmord).

    TOWNSEND & TUNSTALL führen 4 Formen der Manifestation von Isolation auf:

    1. Isolation von Individuen im Vergleich zu anderen (peer contrasted isolation): Gruppen von älteren Personen werden miteinander verglichen

    2. Isolation, die sich aus dem Vergleich von Jüngeren und Älteren ergibt (generation con-trastd isolation): Ältere haben weniger kulturellen Kontakt, dafür ist aber je nachdem die Familieneinbindung stärker.

    3. Isolation, der Individuen im Vergleich zu einem früheren Zeitpunkt ihres Lebens ausgesetzt sind (Jugend, altersspezifische Isolation und Desolation): Isolation ist auf den Lebenszyklus zu beziehen. Individuen, die ihr ganzes Leben isoliert waren (lebenslange Isolation) haben sich dem angepaßt. Es wurde zum Lebensstil, ohne daß daraus Probleme resultieren. Isolation kann eine vorübergehende Erscheinung sein (Tod des Partners). Isolation kann aus Disengagement resultieren, als selbstgewähltes Verhalten in der Lebensendphase (Altersisolation).

    4. Isolation, die sich aus den Vergleichen von verschiedenen Generationen älterer Leute ergibt: (Isolation im Verhältnis zu vorhergehenden Kohorten): Im Verhältnis zu den Alten früherer Generationen sind ältere Personen heute isolierter.

    Verwendete Literatur zu diesem Beitrag:
    Lehr, Ursula: Psychologie des Alterns. Wiesbaden 1996.
    Reimann, Horst; Reimann, Helga: Das Alter. Stuttgart 1994.
    Oswald, Wolf D.; Fleischmann, Ulrich M.: Gerontopsychologie. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1983.
    Voges, Wolfgang: Soziologie des höheren Lebensalters. Augsburg 1994.
    Baltes, Paul; Mittelstraß, Jürgen; Staudinger, Ursula: Alter und Altern. Ein interdisziplinärer Studientext zur Gerontologie. Berlin 1994.
    Voges, Wolfgang: Soziologie des höheren Lebensalters. Augsburg 1994.
    Tews, Hans Peter: Soziologie des Alterns. Kap. Heidelberg 1979.
    Stracke-Mertes, Ansgar: Soziologie. Hannover 1994.



    Re: Einsamkeit und Isolation

    Nachtperle - 19.01.2008, 01:23


    Krankmachende Isolation?

    Einsamkeit führt zu psychosomatischen Krankheiten - Stressbewältigung bestimmt unser Leben

    Menschen mit wenigen sozialen Kontakten leiden häufiger an Schlafstörungen und tragen daher ein höheres Risiko an verschiedenen Leiden zu erkranken. Dies belegt Maria Nordin von der Umea University in Schweden in ihrer Dissertation. Den Grund dafür sieht Nordin in der Schwierigkeit Stress ohne soziales Umfeld zu bewältigen. Psychotherapeuten und Psychologen aus Österreich und Deutschland bestätigen im Grunde diese Ergebnisse. Die Theorie erscheint jedoch einfacher als die Praxis tatsächlich ist.

    Fehlender Beistand
    Wenige Freunde zu haben kann einen Menschen anfälliger für Stress machen, zu Schlafstörungen führen und letztendlich das Risiko einer kardiovaskulären oder psychosomatischen Erkrankung steigern. Depression, Angstzustände oder chronische Müdigkeit können die Folge sein. Begründet wird der Zusammenhang von Nordin durch den fehlenden sozialen und emotionalen Beistand, durch den ein Mensch Stress katalysieren kann. Hier soll es aber je nach Stressbewältigungsmodell Unterschiede geben.

    Strategien im Umgang mit Stress
    Wie Nordin erklärt, gibt es mehrere Arten mit Stress umzugehen. Bei der 'Hidden Strategy' geht man beispielsweise Konflikten und Auseinandersetzungen absichtlich aus dem Weg. In Verbindung mit einem geringen sozialen Netzwerk kann diese Stressbewältigungsstrategie, vor allem bei Frauen, negative Effekte verursachen. Bei der 'Open Stress Management Strategy' hingegen greifen Menschen den Konflikt bewusst auf und bewältigen somit den Stress und kompensieren die sozialen Kontakte.

    Tilmann H. Müller, Psychotherapeut in Münster, bestätigt durch seine klinischen Erfahrungen diesen Zusammenhang. "Wenn mehr Menschen da sind, mit denen man über Probleme reden kann, dann baut man automatisch Stress ab", erklärt Müller. Durch diese Ventilfunktion würde das Risiko einer psychosomatischen Erkrankung verringert werden. Aber selbst im Fall eines Fehlens dieser sozialen Netzwerke würde eine Erkrankung nur sehr langsam voranschreiten.

    Qualität der Kontakte wichtig
    Josef Egger, Abteilungsleiter für Verhaltensmedizin, Gesundheitsmedizin und empirische Psychosomatik im LKH Graz, bestätigt ebenfalls die Ergebnisse von Nordin. "Die Nützlichkeit der sozialen Kontakte für die Umwelt- und Stressbewältigung hängt aber von der Qualität der Kontakte ab", bemerkt Egger. Qualitativ gute oder positive Kontakte würden für den Einzelnen eine 'Anti-Stress-Wirkung' darstellen, während negative Kontakte selbst zu Stressfaktoren werden. Darüber hinaus würde die Summe aller sozialen Kontakte, also der persönliche soziale Kontext, festlegen, was als generell positiv und was als negativ eingestuft wird. "Dies hat natürlich auch Auswirkungen, wie wir mit unserer Umwelt umgehen", so Egger.

    Ausgangssituation und Gewohnheiten ausschlaggebend
    Wie Müller bestätigt auch Egger, dass eine plötzliche und kurzfristige Isolation nicht sofort zu psychosomatischen Erkrankungen führen muss. "Bei einem Over-Crowding-Erlebnis beispielsweise zieht sich der Patient für einige Zeit bewusst zurück, um wieder zu sich zu kommen und die Erlebnisse zu verarbeiten", erklärt Egger. Für eine Erkrankung müsse auch ein Nährboden vorhanden und die persönliche Stressbewältigungsstrategie in dem Fall überfordert sein. "Darüber hinaus müssen die Ausgangssituation sowie die bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten berücksichtigt werden", erläutert Egger. So sei es für einen Mönch, der von Kindesalter an schon eher in sich gekehrt war, sogar befreiend, wenn er viel alleine und mit sich selbst beschäftigt ist. Ein Mensch der von Natur aus viel unter Menschen sein muss, um sich gut zu fühlen, wird mit einer derartigen Situation nur schwer zu Recht kommen.

    DER STANDARD



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