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Bourdouxhe, Madeleine - Gilles Frau




Bourdouxhe, Madeleine - Gilles Frau

Beitragvon Salome » 10.01.2008, 14:28

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Madeleine Bourdouxhes Erstling La Femme de Gilles wurde 1937 vom Verlag Gallimard veröffentlicht und wurde von der Pariser Kulturszene begeistert aufgenommen. Leider verlöschte der Stern am Literaturhimmel, im Kreis von Simone de Beauvoir, Raymond Queneau und Jean-Paul Sartre, ebenso schnell wie er erschienen war. Madeleine Bourdouxhe geriet in Vergessenheit. Erst in den Achtziger Jahren wurde sie von der feministischen Literaturkritik in Belgien wiederentdeckt und neu verlegt. Der Autorin selbst war die Veröffentlichung ihrer Werke nie erste Priorität, das Schreiben an sich war ihr wichtig. Es war ein Bedürfnis, eine Art Therapie und Befreiung für sie. Ein Großteil ihres Werkes wird wohl niemals veröffentlicht werden, das ist mehr als schade, denn Madeleine Bourdouxhe ist eine der literarischen Entdeckungen der letzten Zeit ist für mich.
Protagonisten ihres Debutromans ist Elisa, sie ist Gilles` Frau. Sie ist es im wahrsten Sinne des Wortes mit Leib und Seele. Gilles ist der Fixstern um den sich alles dreht. Gilles und Elisa leben in einem Arbeiterviertel, in einem kleinen Häuschen. Er arbeitet in einer Fabrik, in seiner Freizeit bearbeitet er den kleinen Garten. Sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Die Idylle scheint perfekt, bis Gilles ein Verhältnis mit ihrer jüngeren, eiskalten Schwester Victorine beginnt. Die nach außen zwar stille, im Inneren jedoch sehr schlaue und auch emotionale Elisa, bemerkt es sehr schnell. Gilles verfällt Victorine, die wieder schwangere Elisa ist jedoch weiter seine Frau, was in diesem Fall wohl so etwas wie eine Mischung aus Mama und Kumpel darstellen soll. Trotz der unbeschreiblichen Qual in Ihrem Inneren bleibt Elisa besonnen und lässt ihre Emotionen nicht nach außen dringen. Die Angst ihren Mann zu verlieren ist allmächtig, auch über ihre eigene Schmerzgrenze hinweg. Sie leidet, kann sich aber niemandem anvertrauen. Auch bei der Beichte in der Kirche im Nachbardorf schenkt man ihr kaum Gehör, speist sie mit ein paar Bibelzitaten ab.
Als Gilles eines Tages seinen Kummer über die komplizierte Leidenschaft zu Victorine nicht mehr aushält, klagt er ausgerechnet Elisa sein Leid. Sie hört sich alles an, bemuttert und tröstet ihn. Sie sieht sich am Ziel Gilles für sich zurückzugewinnen, verstrickt sich allerdings damit in ihrem Unglück.

Ohne Gilles ist Elisa Nichts. Madeleine Bourdouxhes Werk ist eine eindringliche Warnung vor dem Selbstverlust und der Selbstaufgabe für einen anderen. Besonders für die Frauen der Zeit in der das Buch erschienen ist, ist dies eine enorm wichtige Botschaft. Allerdings denke ich, dass das Buch (leider) auch heute noch sehr aktuell ist. In vielem habe selbst ich mich, als Tochter einer Emanze, ertappt gefühlt. Oft vergisst man im Alltag mit der Familie sich selbst und seine Bedürfnisse, stellt sie hinten an, macht Kompromisse, wo eigentlich keine mehr möglich wären. Elisa ist innerlich nur von Liebe erfüllt, wie sie sagt, von Liebe für andere. Als diese Liebe ins Wanken gerät, gerät sie selbst ins Wanken und man kann sich denken, dass diese Geschichte kein Happy-End haben kann.

Madeleine Bourdouxhe ist eine außergewöhnlich gute Autorin, die ich sofort nach ein paar Zeilen in meine Herz geschlossen habe. Sie ist feinfühlig, intelligent und teils auch sehr hart und direkt, wenn es um die Übermittlung ihrer Botschaften geht. Sie führt den Leser mit einer verblüffenden Leichtigkeit und Selbstverständnis in die verborgensten Winkel der menschlichen Seele. Jedes Wort wird vom Leser mit Spannung förmlich absorbiert.
In Gilles Frau gibt es keine Traumwelten, nur den alltäglichen, normalen Wahnsinn. Ein Buch das etwas bewegt und wachrüttelt.

Ich würde dem an Madeleine Bourdouxhe interessierten Leser unbedingt dieses Buch als Einstiegswerk empfehlen. Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine ist dann eine schöne Ergänzung zum Leben der Autorin.
Wie gesagt eine tolle Autorin, eine wunderbare Entdeckung!!!
Salome
 

von Anzeige » 10.01.2008, 14:28

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