[Henry]

Paris bei Nacht
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  • Forum: Paris bei Nacht
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  • Forum gestartet am: Mittwoch 18.05.2005
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    Re: [Henry]

    Henry - 11.07.2005, 01:48

    [Henry]
    Die Scherben lagen noch auf dem Boden, als er zunächst einmal das Arbeitszimmer verließ, nachdem er den Rechner heruntergefahren hatte. Dennoch - er konnte dieses Zimmer nicht so schnell verlassen, wie er es vorhatte, sondern drehte sich um, warf einen Blick auf den Fußboden. Das Weinglas zu ersetzen, das war kein Problem, mit Sicherheit nicht. Aber es war auch nicht das Wichtigste, an das er gerade dachte. Er hatte es zerschmettert, mit einer Geste, wie er sie allnächtlich machte. Und es schmerzte ihn. "Why?" Schrie er - sich wieder umdrehend - seine Pein in den leeren Flur hinaus, und es war ihm egal, ob der Ghoul, der sich schon schlafen gelegt hatte, noch einmal wach wurde. Es tat so weh, und die Person, die vermutlich wußte, wie er sich fühlte, war nicht da. Niemand hatte ihn bis jetzt wütend gesehen, abgesehen von seinem treuen Ghoul, wohl aber deprimiert, traurig und sogar freundlich, lachend vor Freude.

    Nein, diese Nacht war nicht das, was er sich unter einer angenehmen Nacht vorstellen würde und konnte, wenn man ihn danach befragte. Er gehörte weder dem Pack an, das er haßte, noch war er ein dummer Neonatus, der anfing seine ersten Schritte in der Geselllschaft der Nacht zu machen, nachdem er freigesprochen war. "Welches Spiel spielen Sie, Monsieur de Mortimer?" Und dann der Nachsatz. "Sagen Sie jetzt nicht Schach." Das edelste aller Spiele, und er wußte, warum er es liebte. Aber dieser Athanasius hatte vermutlich genau gewußt, daß er ihn - Henry - damit treffen konnte. Schließlich war es es nicht nur der Clan der Nacht, der dafür berühmt war. Es hatte ihm jedenfalls die Lust verdorben, noch einmal den Schachclub, den er sich gesucht hatte, heute nacht aufzusuchen. Aber dafür hätte er wohl mehr Antrieb haben müssen.

    "Why?" Und mit einem Krachen donnerte er die Tür des Zimmers ins Schloß, ging dann ohne diese noch eines Blickes zu würdigen in Richtung der Treppe, nach unten. In den Salon? Nein. Oben rührte sich etwas, und er konnte Schritte hören. Thomas war wohl aufgewacht, aber es war ihm egal. Der Anruf der Brujah war das Letzte, was ihm in dieser Nacht noch gefehlt hatte. Woher wußte sie, daß Ellen und er sich nahegestanden hatten? Der Einzige, der es gewußt hatte, war der Ahn des Clans der Gelehrten gewesen. Aber auch die Furieux. Daß der Seneschall seinen Brief gehabt hatte, bewies ihm, daß der Ahn wieder in der Stadt war, wie hätte er sonst daran kommen sollen? Aber keine Nachricht? Was da wohl wieder Sache war; er wollte es gar nicht wissen. Es reichte ihm, daß man wußte, was er geschrieben hatte. Andererseits, vielleicht würde man nun endlich diesen 'Latino-Lover' hoffentlich finden.

    Jetzt ging eine weitere Tür, und er beschloß, sich doch in den Salon zu setzen. Es galt, Haltung zu bewahren. Schließlich war er Ventrue und kein Zelot. 'What about how I feel? Can you tell me how I feel?'(1) Schon wieder diese zwei Zeilen eines Songs, den er vor einiger Zeit gehört hatte und der das beschrieb, wie es in ihm aussah, Wut und die Disziplin, die er gerade gar nicht so fühlen konnte. Fast schon teuflisch. Wäre er noch sterblich gewesen, hätte er wohl jetzt zur Flasche gegriffen, um sich einfach einen - wie sagten die Sethskinder in Deutschland - 'hinter die Binde zu kippen.' Aber das ziemte sich nicht, auch wenn er wußte, wie man den Rausch auch für ein Kainskind erreichen konnte. Verdammt, er hatte vor einiger Zeit auch erst seine Sterbenacht gefeiert, auch wenn das nicht so gewesen war, wie er es sich gewünscht hätte, und er sah wieder das Gesicht seines Ahnen vor sich, in der nächsten Nacht, die er in London verbracht hatte. Und er hatte eine gewisse Spur Enttäuschung gesehen, auch wenn der Ahn das wohl niemals zugeben würde, die Geschenke, die er von ihm erhalten hatte, nein, er wollte nicht darüber nachdenken.

    Ellen. Ellen. Ellen. Allein der Name reichte schon aus, daß er nicht nur wieder wütend wurde. Sie würde über ihn lachen, über seine Wut, die in ihm herrschte. Sie war eine Schauspielerin. Und genau dieser Gedanke versetzte ihn noch mehr in Wut, aber gleichzeitig beschlich ihn eine Angst, die er nie zuvor gefühlt hatte, unbeschreiblich und deshalb so schrecklich lähmend. Seine Gefühle für sie waren ehrlich gewesen, und er hatte sich eigentlich darauf gefreut, sie wieder zu sehen. Aber diese Angst schnürrte ihm den Hals zusammen, und er setzte sich auf dem Boden nieder, dort, wo er gestanden hatte. Sie hatte ihm den Kopf verdreht, und er hatte ihr damals noch in der Oper gesagt, daß sie die einzige sein würde, die er je lieben würde. Da hatte er ihr sein Wort gegeben, daß er auf sich acht geben wollte, während die Furieux und er diesen Auftrag von Von Stein erledigen sollten. Er hatte ihr das Wort gegeben, weil er sie liebte, allein deswegen.

    Er war allein. Dessen wurde er sich erst jetzt bewußt. Die Schritte, die eilig die Treppe herunterkamen, nahm er schon gar nicht mehr wahr, denn er dachte nicht einmal mehr bewußt, viel mehr wollte er gar nicht denken. Es tat ihm überall weh. Sie hatte ihm vorgeworfen, ein Zombie zu sein, das zu tun, was man ihm sagte. Sicherlich, es stimmte in gewisser Weise, aber noch war da sein Stolz. Ein unbändiger Stolz, der sich gerade auch noch zu den widerstreitenden Gefühlen mischte, die in ihm jetzt tobten. Dennoch konnte er sich nicht erheben, sondern nahm mit einer unwirschen Geste die Fliege vom Hemd, das er gerade immer noch trug, weil er noch so gekleidet war wie zu Beginn der Nacht und warf sie in den Raum hinein. Achtungslos. Fast wie ein Stück verknülltes Papier einer Zeitung, die sein Mitarbeiter benutzte, um den Kamin zu befeuern, wenn es kalt war.

    "Master?" Eine leise Frage, auch wenn es nur ein Wort gewesen war, und er sah sich um, die Augen flammend und funkelnd vor Zorn, Stolz und Angst. Eine Verbindung von Gefühlen, die er so niemals empfunden hatte. Dann auch noch die Liebe für Ellen, auch wenn er sich jetzt mehr Gedanken machte, als noch zu Beginn des Abends. "What do you want, Thomas?" Er mußte sich zwingen, ruhig zu bleiben, um dem Ghoul in die Augen sehen zu können. "I was worried about you, sir. I found the remains of the glass in your room, and I heard the door." Thomas wußte nichts. Gar nichts. Nicht einen Jota von dem, was gerade mit ihm los war, aber zumindest fragte er nicht, ob er - Henry - es gewesen war, der die Türe geworfen hatte. Es war ja auch offensichtlich und hätte er die Frage gestellt, so hätte er sich wohl die erste Ohrfeige eingefangen, die der Ventrue jemals hätte verteilen können. Aber das war etwas, was für ihn tatsächlich niemals in Frage kam. Denn Thomas hatte keinen Fehler begangen, sondern er verhielt sich so, wie der Viscount das erwartet hatte.

    "Right. You were worried. Is this all you wanted to say and tell me?" Langsam stand er wieder auf, doch er fühlte sich nicht wirklich stabil, ging einige Schritte zu einem der Sessel am Kamin herüber, um sich dort festzuhalten. Als er sich dann wieder umdrehte, sah er das Besorgnis nun auch in den Augen des Ghouls, aber auch diese Liebe, die durch das Blut jeden Monat noch verstärkt wurde. "I will clean up, sir." "Expected that, yes." Ein kurzes Nicken in die Richtung des Ghouls, mehr aber auch nicht. Verdammt. Thomas war sein Vertrauter, auch wenn er ihm ab und an einmal eine Erinnerung nehmen mußte, um nicht angreifbar zu werden. Warum hatte er ihn eigentlich nie bekehrt? Auch nicht als er die Erlaubnis dazu bekommen hatte? Sie wären - nein. Thomas war ein Diener, nicht mehr und nicht weniger. Aber auch irgendwie Familie. Jemand, um den er sich kümmern mußte, ansonsten verlor er ihn. Und das konnte er wohl nicht riskieren.

    "Do you have any other orders for me, sir?" Hatte Thomas den Zettel nicht gefunden, den er geschrieben hatte? Seltsam. "Thought I had put them down?" Anscheinend tatsächlich nicht. So griff er in die rechte Jackettasche und zog zu seinem Unglauben, der von seinem Gesicht nicht gespiegelt wurde, das Stück Zettel heraus und entdeckte seine Anweisungen. "Ah, ok. Seems I took the scrap with me and didn't leave it back in the room when I had written it. Well, yes, Thomas, there is an order. An explicit order. You will wear a firearm during the day from now on. And you will tell everybody wishing to see me tomorrow during the day that I am ill, and that I do not wish to be disturbed. Is that understood? You will take the cars to a garage and have them checked. Checked for - well, you know. I do not have to tell you, do I? And you will return, as soon as possible."

    Auch ohne daß er etwas gesagt hatte, hatte Thomas die Fliege aufgenommen und sie auf dem Tisch bei der Sitzgruppe abgelegt. "Yes, I will do that, master." Irgendwie waren sie wieder in die gewohnte Routine gerutscht, die ihm etwas Sicherheit gab. Aber irgendwie auch nicht. 'I am vulnerable,' dachte er, 'and I am alone. Nobody cares for me. And I am angry. Who's to blame for all this mess? I do not know.' So setzte er sich nun auf den Sessel, schwieg zunächst erst einmal wieder. "Is there anything else I can do for you, sir?" Wieder fuhr er fast aus seinen Gedanken hoch, und er sah in die Richtung des Ghouls. "Prepare tea for me and bring me paper and my fountainpen. And don't forget the ink." Er würde viel zu schreiben haben, bis er sich zur Ruhe legen würde...

    to be continued...

    (1) Sunshine Blind, Cold from Fever



    Re: [Henry]

    Henry - 12.07.2005, 20:27


    [...]"The undiscovered country, from whose bourn/
    No traveller returns."[...]

    William Shakespeare, Hamlet, III.i.79-80

    Traumlos. Schwerelos in gewisser Weise. Aber ohne Träume. Ein Rütteln an seiner Schulter. Nichts fühlen. Tot. Erneut ein Rütteln, und er schlug langsam die Augen auf. Die Arme und Beine, so bleiern. So schwer. Ein Gesicht, das er erkannte. Thomas. "Master." Ein Lächeln auf den Lippen des Ghouls. "What are your orders for tonight?" Kurz schaute sich der Ventrue nun in dem Zimmer um, in dem er üblicherweise übertagte, sah den Hausmantel, der wie üblich auf einem Haken hing, um von ihm benutzt zu werden. "Prepare breakfast, Thomas. For us both." Langsam wurde sein Verstand wieder klar und auch wenn er es nicht zugeben wollte, aber ein wenig Gesellschaft beim Frühstück war ihm durchaus angenehm. "Any news from New York?" "No, sir, I'm afraid not." Ein bedauerndes Kopfschütteln des Mitarbeiters. "Ok, Thomas. Now see to your duties. I'll be down shortly." Jetzt verbeugte sich der Ghoul kurz, ganz so, wie er es erwartete und verließ den Raum.

    Der Ventrue indes streckte sich noch einmal, sah dann an die Decke, ehe er sich aufsetzte. Was war das gewesen? Er wußte es nicht. Aber das war auch egal. So stand er von seiner Ruhestätte auf, ging in Richtung des Hakens, um sich den Hausmantel zu nehmen. Ellen. Er sah ihr lachendes Gesicht vor sich, als sie ihm dieses Kleidungsstück geschenkt hatte. Und er hatte sich gefreut. "I love you, Ellen..." Sie konnte es nicht hören, dessen war er sich bewußt, aber er hatte es jetzt einmal sagen müssen. Die Finger griffen nach dem Mantel, und er hatte ihn wohl schneller angezogen, als es ihm bewußt war. Ging dann zum Badezimmer, um seine abendliche Toilette nach dem Aufwachen zu erledigen, während er auf dem Flur kurz dem Klappern zuhörte, das aus der Küche hier nach oben drang.

    Auch die Kleidung nach der Dusche und den üblichen Kleinigkeiten war für die heutige Nacht schnell gefunden, wenngleich wohl auch für ihn etwas ungewöhnllich. Aber dennoch akzeptabel und sauber, strahlte sie doch ein gewisses Understatement aus, das ihn in der Regel kennzeichnete. So konnte er - nachdem er wohl auch durch die Dusche noch etwas wacher geworden war - nach unten in den Salon gehen, um dort auf seinen Ghoul zu warten, mit dem er gedachte, zusammen zu frühstücken, auch wenn es für Thomas wohl eher das Abendessen war. Der Kaffeeduft erinnerte ihn an Ellen, denn Ellen war diejenige von ihnen beiden, die Kaffee trank. Er mochte den Geschmack von Tee, den Geruch, wenn das Wasser auf die Blätter traf, sie damit zum Aufquellen brachte, um somit den vollen Geschmack zu entwickeln.

    Das Essen beendete er auch rasch wieder, zog sich dann zunächst mit einer Zigarre auf einen der Sessel am Kamin zurück, um dort die bereitliegenden Zeitungen zu lesen. Die Anschläge in London, die ihn fast erschreckt hatten, heute nur noch weniger Schlagzeilen wert. Die Börse, wieder stabil, was ihn sicherlich in gewisser Weise beruhigte. Aber eigentlich war er ruhelos. Thomas kümmerte sich - wie er es aus den Augenwinkeln sah - um die Reste des Frühstücks, ganz so, wie es die Routine zwischen ihnen beiden vorsah. Er selbst rauchte sein Rauchwerk zu Ende, ließ dann das letzte Drittel in den bereitstehenden Aschenbecher fallen und erhob sich von seinem Platz auch wieder.

    Es gab noch einiges, was er - Henry - erledigen mußte und das keinen Aufschub duldete. Also verzog er sich recht rasch auch wieder in das Arbeitszimmer, um dort an seinem Laptop zu arbeiten. Was wohl diese Nacht noch geschehen würde?

    to be continued...

    #Anmerkung: Die Dinge, die hier in diesem Thread erscheinen, spielen sich vor dem Telefonat mit Smitty in der Nacht des 12.7.2005 ab.



    Re: [Henry]

    Henry - 21.08.2005, 13:28


    Ja, er war wieder da. Auch wenn sich in seiner Villa nicht viel verändert hatte, so war er anders geworden. Die Zeit in London war vergangen, und er hatte sie nicht aufhalten können. Wie überhaupt war das möglich? Vielleicht war es aber auch gut gewesen, denn anders hätte er es nicht haben wollen. Er hatte viele Abende mit seinem Erzeuger verbracht, war über Vieles, was in der englischen Kapitale passiert war, unterrichtet worden und hatte tatsächlich auch einige Male Schach mit ihm gespielt, sich ein dünnes Lächeln, das keinen Triumph zeigte, erlaubt, wenn er es geschafft hatte, eine Partie zu seinen Gunsten zu entscheiden. Und irgendwie wußte er im Innersten, daß er nicht mehr hierhin gehörte, auch wenn er zwischendurch die Hände von einigen Sethskindern geschüttelt hatte, die er kannte. Wenn er ab und an die Royal Albert Hall besucht hatte, so war es ganz anders als früher. Vielleicht lag es wohl daran, daß er Ellen hatte singen hören und gegen deren Stimme waren die meisten hier Amateure, die Gesangsunterricht genommen hatten.

    Dann zwischendurch die Nachricht von Thomas, den er in Paris zurückgelassen hatte, um auf die Villa achtzugeben. Fast ungläubig hatte er auf sein Handy gesehen und die Nummer entdeckt, die sein Ghoul ihm dort hinterlassen hatte. Aber wie sollte er Ellen begegnen? Von Smitty hatte er so gut wie überhaupt nichts erfahren, lediglich die Tatsache, daß dieser mit Michael geredet hatte. Nichts über Ellen. Und dann noch diese Unsicherheit. Er wußte nicht recht, was er daraus machen sollte. Eigentlich so sein wie immer, aber das konnte er nicht. Dennoch hatte er sich wohl noch in London vorgenommen, bei ihr anzurufen, wenn er wieder auf französischem Boden war. Schließlich gab es da sicherlich noch einige Dinge, die der Klärung harrten.

    Und dann das Treffen mit der Toreador selber, dem ein eigentlich erfreuliches Telefonat vorangegangen war, und er hatte sich ehrlich darüber gefreut, daß sie vorbeikommen wollte. "Der Wein ist gut." Wollte sie ihn wirklich beleidigen? Er wußte, daß er ausgezeichneten Wein besaß - nicht zuletzt die beiden Flaschen 2Ojährigem Bordeaux, die sie ihm geschenkt hatte. Aber anscheinend hatte sie es darauf angelegt, ihn zu vergnatzen, oder wollte sie ein Spielchen mit ihm treiben? Wie mit einem Spielzeug, das neu war und man bei Desinteresse einfach in die Ecke warf? So kam es ihm vor, als sie schließlich von Sophie begleitet gefahren war. Normalerweise hätte er ihr nachgesehen, aber er konnte es nicht. Schmerzen? Nein. Sie tat ihm leid. Nicht, weil sie gesagt hatte, daß sie einsam wäre, nein. Das war es sicherlich nicht. Sie tat ihm leid, weil sie niemanden hatte, mit dem sie ihr Spielchen treiben konnte, unschuldig erscheinen wollte. Wie oft hatte sie ihn nach Mailand nach Carsten von Stein gefragt? Er wollte es gar nicht zählen, denn letzlich war das auch egal.

    Wie sagte man in seiner Muttersprache? To come in handy. Das war es, was ihm zu diesem Treffen einfiel. Dennoch hatte sie mit Sicherheit nicht damit gerechnet, daß er sich gewehrt hatte. Die Liebe war noch immer da, und er wußte, daß er Ellen - egal, wie sie sich auch benahm - nicht vergessen würde können. Zumindest an gewissen Punkten hatte er sehen können, daß sie sich im gewissen Maße nicht verändert hatte - ein wenig von der alten Ellen, die nach New York geflogen war. Entscheidungen waren noch nie ihre Stärke gewesen, wenn er sich richtig erinnerte. Sie hatte sich dennoch verändert, wie er. Und er wollte nicht mehr leiden, kein Spielball für sie sein. Das war es, was er sich bei seiner Abreise aus London geschworen hatte, und die Gegenwehr war ein Schritt dahin.

    Sicherlich, er hatte ihr das Taschentuch gegeben, als er die Träne gesehen hatte, die sie in ihrem Augenwinkel gehabt hatte. Wollte sie ihn damit wieder unter Druck setzen, um ihm zu zeigen, daß sie die wichtigste Person war? Daß es nach ihr ging? Vermutlich. Frauen hatten so eine Tendenz, genau dann weinen zu können, wenn es ihren Zielen dienlich war und sie sich davon einen Erfolg versprachen, den Männern ein schlechtes Gewissen zu machen. Nachdenklich betrachtete er das Etui, das gerade vor ihm auf dem Beistelltischchen lag. Er hatte ihr etwas aus London mitgebracht, aber es hatte nicht sollen sein, daß er es ihr auch übergeben hatte. Vielleicht war das auch ganz gut so. Die Zeit würde zeigen, was das betraf. Und er hatte kein schlechtes Gewissen. Ganz im Gegenteil.



    Re: [Henry]

    Henry - 22.08.2005, 02:00


    So hatte sich ein Rätsel nun endlich gelöst, vor dem er gestanden hatte, seitdem er diese komische Frau im Back Up damals getroffen hatte. Sie hatte sich dabei so verhalten, als würde sie ihn kennen. Dazu noch der Vorname: Jeanette. Er hatte sich damals schon gefragt, ob da nicht mehr war. Und jetzt rief sie ihn an, um ihm ein Treffen vorzuschlagen. Er sollte seine 'wandelnde Waffenkammer' mitnehmen. Wie schön. Wollte sie ihm damit drohen? Anscheinend herrschte wieder einmal Frieden zwischen Ellen und Janne. Aber daß sich jetzt Janne wieder wie eine Glucke benahm? Er wußte, daß es noch etwas gab, was er mit Ellen klären mußte. Aber dafür benötigte er mit Sicherheit keine Brujah, die sich ungefragt in die Angelegenheit einmischte.

    Er wußte, wie Janne kämpfte. Hatte gesehen, zu welchen Hieben die Zelotin fähig gewesen war, bevor sie in Starre gefallen war. Insofern hatte er - auch wenn er die Gabe seines Clans kannte und sie durchaus schätzte - wenig Lust, sich mit ihr zu prügeln. Ein Treffen war in Ordnung und durchaus akzeptabel. Allerdings in einem Elysium und nirgendwo anders. Aber es warf auch kein gutes Licht auf Ellen. Anscheinend besprach diese alles mit der Zelotin, und er wollte eigentlich Frieden haben. Frieden zwischen ihnen beiden. Vielleicht so etwas wie... nun ja, was überhaupt? Er empfand die Liebe. Aber sie erschien ihm fast wie ein Fluch, denn er erinnerte sich genau, was an dem Abend geschehen war, als er sie zuletzt gesehen hatte, bevor sie nach New York geflogen war.

    Er hatte sich soviel vorgenommen, was Ellen betraf. Denn er hatte immer wieder in London daran denken müssen, was sie zusammen vorgehabt hatten: an die Atlantikküste zu fahren, dann vielleicht auch zusammen einmal nach London ebenselbst. Warum war das alles so kompliziert? Ihn überkam eine kalte Wut, wenn er an das vergangene Telefonat zurückdachte. Was fiel dieser Zelotin eigentlich ein?! Es war verdammt noch mal nicht ihre Angelegenheit, in die sie sich einmischte. Also mußte er wohl doch früher oder später bei Ellen anrufen oder ihr zumindest eine SMS schicken. Denn das war etwas, was er mit Sicherheit nicht auf sich sitzenlassen würde. Auch wußte er genau, daß er die Toreador noch immer liebte. Sie war schließlich die Einzige gewesen, die ihm tatsächlich einmal zugehört hatte.



    Re: [Henry]

    Henry - 25.08.2005, 11:13


    Nicht einmal mehr eine SMS. Gar nichts. So, als hätte sie weder den Brief noch die SMS erhalten. Sie ignorierte ihn anscheinend. "No more pain. No more games." Das war es, was er sich geschworen hatte. Vorallem anderen. Sie wußte vermutlich nicht einmal, daß sich Janne aufführte wie ein Kindermädchen,wenn es um sie ging. Er wollte selber mit Ellen reden, um die Dinge zwischen ihnen zu klären, und dazu brauchte er den Umweg über die Zelotin nicht. Sicherlich waren die Songs, die er sorgfältig auf die CD gebrannt hatte, nicht zufällig gewesen. Dafür kannte sie ihn aber inzwischen auch recht gut, daß sie das würde erkennen können. Als er nach London und sie nach Mailand gefahren war, hatte er ständig diese Fassung des alten Police-Klassikers im Ohr gehabt.

    Eifersucht. Wie bei Othello. Es war Eifersucht gewesen, die in ihm getobt hatte, und er schätzte sich wirklich glücklich, daß er recht viel Selbstbeherrschung besaß, diese nicht unbedingt zu zeigen. Sein Erzeuger wußte längst, was bei ihm die Stunde geschlagen hatte, sprach es wohl aber wegen der clanseigenen Dignitas nicht aus. Hätte er es getan, hätte es wohl zur Folge gehabt, daß er dem Tier in sich freien Lauf gelassen hätte. Insofern hatte ihm die clansinterne Etikette einen gewissen Halt gegeben. Auch wenn sie seinen Clan dafür nicht verstand. Es war eben nicht irgendein Clan, dem er angehörte. Aber selbst das war für den Moment einfach eine Tatsache, die einfach so war, nicht mehr und nicht weniger.

    Er erinnerte sich wieder an den Rosenstrauß, der nach Vitae gerochen hatte, an die Karte, die dabei gewesen war. Und eigentlich war ihm klar, daß er damals Ellen hatte schützen wollen, vor dem Pack. Jetzt hatte er vor einiger Zeit erfahren, wer Carsten von Stein wirklich war, ein Templer. Und es wurde ihm auch klar, was er noch für Ellen empfand: er hatte Angst um sie. Angst, daß sie die falsche Entscheidung treffen könnte und der falschen Sekte - in seinen Augen - beitrat. Ohne es zu wissen, oder um es direkt zu tun, wie um der Camarilla zu beweisen, daß man sie, Ellen Bangs, eben nicht halten konnte. Auch wenn er wußte, daß Entscheidungen sicherlich nicht ihre Sache waren. Auch als sie miteinander am letzten Donnerstag abend telefoniert hatten, war dieses Problem offenbar geworden.

    Aber auch er mußte sich entscheiden. Zwischen Zusehen oder Eingreifen. Und im Grunde, so stellte er fest, war er noch nie für das Zusehen gemacht gewesen. Weder als er noch sterblich gewesen war, noch jetzt, als er schon so lang in den Kreisen der Gesellschaft der Nacht sich bewegte. In den Märchen, die man ihm vorgelesen hatte - als er noch ganz klein gewesen war - hatte es immer von dem Prinzen oder Ritter gehandelt, der die Prinzessin errettete, vor einem Drachen, einer Monstrosität, die die Prinzessin gefangen hielt. In irgendeinem Turm. Lohnte es sich, diesen Kampf aufzunehmen? Auch wenn man heute sicherlich nicht mehr mit Lanzen umging, sondern mit modernen Handfeuerwaffen und anderen Dingen, die den Kampf in der ewigen Nacht bestimmten?

    Wollte er das wirklich? Zusehen konnte er nicht. Dafür liebte er Ellen einfach noch zu sehr. Wie hieß das alte Sprichwort? Acta, non verba. Sicherlich. Aber wie, wenn man erst einmal Worte gebrauchen mußte, um die Taten auszuführen? War dann nicht das Sprichwort ad absurdum geführt? Vermutlich und eigentlich nicht. Also doch der Kampf. Aber ohne Leiden. Und wieder schien es ihm ein wenig besser zu gehen, nachdem er die Entscheidung gefällt hatte. Es war weder aussichts- noch hoffnungslos. Der Preis? Nein, es gab keinen Preis, denn die Liebe hatte keinen Preis. Und jeder, der das Gegenteil behauptete, hatte schlichtweg keine Ahnung. Liebe durfte keinen Preis haben. Was war in den Ring eingraviert gewesen, den er ihr am Anfang ihrer Beziehung geschenkt hatte? "Armor omnia vincit." Genau das war es, was zählte. Nicht mehr und nicht weniger.



    Re: [Henry]

    Henry - 02.09.2005, 14:17


    Ja, Paris war definitiv die Domäne geworden, in der er sich wohlfühlte. Auch wenn er natürlich die Abende und Nächte genoß, die er in London verlebte. Aber irgendwie war es nicht dasselbe. Vielleicht weil in London Ellen nicht da war? Aber vielleicht auch, weil er sich an die Hektik in Paris gewöhnt hatte. Sicherlich, er schätzte seinen Ahnen, hatte einige Male wirklich fruchtbare Gespräche geführt. Immerhin unterließ Millar es jetzt, ihn jeden Abend zu dieser bestimmten Uhrzeit anrufen zu lassen. Er war sich immer wie ein Kleinkind vorgekommen, wenn er solch einen Anruf erhalten hatte. Und jetzt ging es. Millar würde seinen Bericht erhalten, sicherlich. Aber dann, wenn es ihm - Henry - paßte. Außerdem hatte dieses widerliche Zitieren aufgehört. Jetzt konnte der Viscount anrufen und ihm mitteilen lassen, daß er beabsichtigte, ihm einen Besuch abzustatten. Früher war das nicht möglich gewesen.

    London. Das war so ein Stichwort. Am vorletzten Donnerstagabend hatte er Mr. Schmidsen in Paris getroffen, bei ihm ein Neonatus von HuC Tremere. Nicopol - ein ungewöhnlicher Name. War das nun der Vor- oder der Nachname? Noch dazu hatte die seltsamste Vorstellung stattgefunden, die sich der Ancilla im wahrsten Sinne des Wortes vorstellen konnte. Immerhin wußte dieser Neonatus jetzt über ihn, daß er aus England wieder da war. Und er - Henry - fand es ausgezeichnet, daß während dem Gespräch, das er mit dem Ahnen geführt hatte, nicht der Ortsname gefallen war. Als er noch sterblich gewesen war, hatte er Privatunterricht erhalten, der auch beinhaltet hatte, daß er eben nicht wie jemand aus Yorkshire sprach, sondern er hatte gelernt, das sogenannte King's English zu pflegen, was ihm relativ leicht gefallen war - hatte er doch schon immer eine gewisse Affinität zu Sprachen gehabt.

    HuC Tremere in Paris. Das konnte ja heiter werden. Immerhin war dem Ventrue bewußt, daß dieser Clan eben nicht den besten Ruf in seiner Heimatdomäne bei Queen Anne genoß. Auch Mithras war nicht besonders gut auf die Mitglieder dieses Clans zu sprechen gewesen, wenn er so reflektierte. Sicherlich hatte er nicht nachgefragt, warum dem so war, aber es war immer recht deutlich spürbar gewesen. Allerdings war es sicherlich etwas, was Millar in seinem Bericht finden würde. Ein weiteres Detail aus der Domäne Paris. Mehr aber auch nicht. Wie er sich dem Neonatus gegenüber zu verhalten hatte, nun, das wußte er. Ein gesundes Mißtrauen pflegen. "Sollte unser Clan dem ihren oder ihnen irgendwie dienlich seien können so würden wir uns freuen dies zu tun." Ja, sicher doch. Manchmal waren die Erwartungen eben doch das, was schlußendlich eintraf.

    Aber der Rest der Nacht war ziemlich spannend gewesen. Janne hatte angerufen und ihn gefragt, ob er das Gildehaus mitansehen wollte. Eigentlich fand er das jetzt seltsam. Immerhin ging doch HuC ziemlich geheimnisvoll damit um, wo diese Gebäude standen? Aber gut, warum eigentlich nicht? Das Telefonat war recht kurz gewesen, und man hatte sich am Obelisken getroffen. Tatsächlich wechselten sie nicht viel Worte miteinander, bevor sie gemeinsam zu dem Ort fuhren, aber es war in Ordnung so, wie es war. Irgendwie erinnerte ihn das an das, was geschehen war, als sie sich mit Mad Pierre hatten treffen wollen. Aber warum alte Wunden aufreißen? No more pain. Außerdem herrschte wohl gerade ein wenig Ruhe zwischen der Zelotin und ihm, und die war allemal besser als sich mit ihr anzulegen.

    Hier am diesem Ort fing es an. Eine Stimme, so geisterhaft, so jenseitig der Grenze, sprach etwas in Reimen, gerade als die anderen Kainskinder (Signora Giovanardi, Mr. Schmidsen, er selbst und Janne, sowie Nicopol der Tremere) und er diese Ruinen in Augenschein nahmen. Und als man dann im Marmorsaal ankam, von dem der erste Reim gesprochen hatte, nun ja, die Prophezeiungen? Rätsel? gelöst. Auf jeden Fall paßten diese geflüsterten Reime fast schon mit einer teuflischen Präzision. Aber damit fing es erst richtig an, nachdem man diesen Faun unter einem Haufen Steinen freigelegt hatte. Ein Bild. Ein wirklich prächtiges Bild, und dort, wo eine Tür erkennbar war, nun ja, diese Tür schien einen Schatten auf den Fußboden zu werfen. So etwas hatte er - Henry - noch nie gesehen. Aber es bestätigte seine Geisteshaltung gegenüber HuC und daß der Neonatus ablehnend auf seine Frage geantwortet hatte - wieder eine Erwartung mehr bestätigt.

    Sie hatten den blinden Faun entdeckt, das Bild, das diesen seltsamen Schatten warf und dann dieser - ja, wie nannte man das eigentlich? - Gedanke, der plötzlich in seinem Kopf erschienen war. Mehr als verwirrend. Warum ausgerechnet dieser Ausdruck? 'No More Pain.' Genau das, was er sich geschworen hatte. Und dann dieser Nachsatz. Verdammt. Als wenn man ihn in den Wahnsinn treiben wollte.

    #mehr folgt später.



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