Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

Gesellschaft Schweiz - GSIW - Islamische Welt
Verfügbare Informationen zu "Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME"

  • Qualität des Beitrags: 0 Sterne
  • Beteiligte Poster: M.M.Hanel - Anonymous
  • Forum: Gesellschaft Schweiz - GSIW - Islamische Welt
  • Forenbeschreibung: Öffentliches Kommunikations- und Informationsforum von GSIW
  • aus dem Unterforum: WAS SONST NOCH ANLIEGT - VERSCHIEDENSTES
  • Antworten: 6
  • Forum gestartet am: Samstag 24.09.2005
  • Sprache: deutsch
  • Link zum Originaltopic: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME
  • Letzte Antwort: vor 16 Jahren, 6 Monaten, 9 Tagen, 13 Stunden, 37 Minuten
  • Alle Beiträge und Antworten zu "Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME"

    Re: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

    M.M.Hanel - 22.06.2007, 08:41

    Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME
    Donnerstag, 24.05.2007

    Profilierung auf Kosten der Muslime - Deutschland

    Stellungnahme des Koordinierungsrates der Muslime (KRM) zur Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
    http://www.ekd.de/islam/handreichungen.html
    http://www.ekd.de/download/ekd_texte_86.pdf

    Die aktuelle Handreichung „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD ist die erste Publikation zu der Thematik, die vom amtierenden Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber verantwortet wird. Dabei wird der vorliegende EKD-Text Nr. 86 in die Nachfolge der im Jahre 2000 veröffentlichten Handreichung „Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland. Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen” gestellt. Die neu erschienene Handreichung soll, so Huber, Menschen Klarheit und Orientierung verschaffen sowie einen Beitrag zum Gespräch mit Muslimen darstellen.


    I. Unzulässige Verallgemeinerungen

    Bereits im Vorwort Bischof Hubers lässt sich jedoch der Duktus und die Vorgehensweise der Handreichung erahnen. So führt der EKD-Ratspräsident einerseits aus, Respekt für den Glauben und die Überzeugung von Muslimen zu haben, um gleich darauf hinzuzufügen, dass eben dieser Glaube nicht rechtfertigen könne, den Respekt gegenüber anderen zu versagen, grundlegende Menschenrechte in Frage zu stellen und sich Achtung durch Einschüchterung und Androhung von Gewalt zu verschaffen (S. 9). Implizit wird damit behauptet, dass es der Glaube der Muslime ist, der sie zur Intoleranz, Verachtung der Menschenrechte und Gewaltandrohung verleitet (S. 9). Dabei wäre jedoch eine konkrete und differenzierende Herangehensweise geboten, zumal sich Muslime und der Islam in der Öffentlichkeit immer wieder solch pauschalen Vorwürfen ausgesetzt sehen. Dem Dialog sind solche Vorwürfe jedenfalls nicht förderlich. Von einer Gewaltandrohung eines sich zum Islam bekennenden Menschen auf ein im Wesen des Islams verankertes vermeintliches Gewaltpotential zu schließen, kann weder eine Grundlage für ein friedliches Zusammenleben noch „ein Beitrag zum Gespräch mit Muslimen in Deutschland“ (S. 7) sein. Immer wieder macht der EKD-Präsident Anspielungen dieser Art, wobei er sich auf Einzelfälle beziehungsweise von Einzelpersonen vertretene Positionen bezieht, ohne zu berücksichtigen, dass diese von muslimischen Verbänden immer wieder verurteilt wurden. Es werden permanent bestehende Vorurteile und Klischees gegenüber den Muslimen ausgenutzt, um dann die evangelische Kirche in ein positiveres Licht zu rücken. Darüber kann auch der stellenweise angestellte Versuch, eine vermeintliche Objektivität an den Tag zu legen, nicht hinwegtäuschen. Vor allem nicht, wenn die betreffende Aussage oftmals schon im selben Absatz relativiert wird. „Es sollte nicht die eigene „bessere“ Theorie mit der „schlechten“ Praxis des anderen verglichen werden“ (S. 113), heißt es gegen Ende der Handreichung. Der aufmerksame Leser wird jedoch sehen, dass die evangelische Amtskirche hier immer wieder die eigene Glaubensgewissheit über die Abgrenzung und hierarchische Überordnung zur vermeintlich schlechten Glaubenspraxis des Gegenübers formuliert. Der Umgang mit Klischees und Vorurteilen, bei denen gewiss ist, dass schon aufgrund ihrer medialen Verbreitung die bloße Nennung bestimmte Assoziationen hervorrufen. So wird nach der einführenden Erwähnung, dass im Koran auch von der Güte und Barmherzigkeit Gottes die Rede ist, gleich im Anschluss auf vermeintlich zum Kampf aufrufende Koranverse Bezug nehmend von Muslimen verlangt, sich gemeinsam für den weltweiten Frieden einzusetzen (S.19f.). Im gleichen Atemzug wird klargestellt, dass Christen die Vorstellung von „muslimischen“ Selbstmordattentätern ablehnen. Zuerst also ein angeblich objektiv berichtender Text, der aber sogleich durch einen fein platzierten Hinweis die vermeintliche Gewalttätigkeit im Glauben aufzeigt, um sodann von erhabener Position zum Frieden einzuladen.


    II Angebliches islamisches Eheverständnis

    Eine ähnliche Herangehensweise tritt bei dem Vergleich zwischen dem evangelischen und islamischen Eheverständnis hervor (S. 56ff.). Das Letztere wird in der Handreichung als ein rein formaler, fast schon geschäftlicher Akt dargestellt. So soll bei der islamischen Eheschließung nicht um den Segen Gottes gebeten werden. Sie wird auf die Unterzeichnung eines Schriftstücks reduziert, bei dem es dann auch nur um materielle Angelegenheiten wie die „Höhe und den Zahlungsmodus der Brautgabe“, um „Geld, Möbel, Kleidung oder Schmuck“ geht (S. 56). Die islamische Ehe wird somit auf einen rein materiellen, geistlosen Akt reduziert, über der „die mit Dank-, Bitt- und Segensgottesdiensten begleitete“, mit den Gelöbnissen der aufopfernden Liebe und lebenslangen Treue geschlossene christliche Ehe gestellt wird. Der Eindruck, die islamische Ehe kenne weder aufopfernde Liebe noch Treue oder gar den Segen Gottes liegt hier nicht fern. Gerade in diesem Abschnitt werden die Autoren der eigenen Forderung, die eigene „bessere“ Theorie, mit der „schlechteren“ Praxis der anderen nicht zu vergleichen, nicht gerecht. Insbesondere dann nicht, wenn hier die andere „schlechte“ Praxis auch noch verkürzt und mangelhaft wiedergegeben wird und gerade die Elemente aus der Darstellung der islamischen Ehe herausfallen, die später bei der christlichen Ehe in den Vordergrund gestellt werden.
    Aber schon ein kurzer Blick in die Sura Ar-Rum hätte den Autoren offenbart, dass die muslimische Ehe nicht einfach nur aus einem kalten Vertragswerk besteht: „Zu Seinen Zeichen gehört auch, dass Er euch Gatten aus euch selbst schuf, damit ihr bei ihnen ruht. Und Er hat zwischen euch Liebe und Barmherzigkeit gesetzt. Darin sind fürwahr Zeichen für nachdenkliche Leute.“ (Ar-Rum 30, 21). Dass es bei der Schließung einer Ehe unter Muslimen um einen zivilrechtlichen Akt geht zielt darauf ab, dass beide Seiten als gleichberechtigte Individuen dieser Vereinigung zustimmen müssen. Da der Islam jedoch keine Trennung zwischen einem sakralen und einem weltlichen Raum kennt, ist auch dieser zivilrechtliche Akt eine Art Gottesdienst.


    III Dialogverständnis der EKD

    Probleme bereitet auch das Dialogverständnis der EKD. Schon dass eine Handreichung zum Dialog mit einem Hohelied auf die Mission beginnt, führt zu Irritationen. Es ist nichts daran auszusetzen, dass die evangelische Kirche Mission betreiben und diese Ambitionen in Zukunft auch verstärken will. Für den eigenen Glauben einzutreten, für diesen zu „werben“ ist das Recht einer jeden Religion und elementarer Teil der Religionsfreiheit.

    Mission stellt aber dort ein Problem dar, wo sie mit Dialog gleichgesetzt wird. Aber gerade dies macht die neue EKD-Handreichung quasi zur Voraussetzung des Dialogs. Es sei „für die evangelische Kirche ausgeschlossen, dieses Zeugnis zu verschweigen oder es Angehörigen anderer Religionen schuldig zu bleiben“ (S. 15). Die Glaubensgewissheit an den dreieinigen Gott leite die evangelische Kirche auch, wenn sie die Begegnung mit Muslimen suche (S. 17). Und schließlich heißt es: „Dialog und Mission schließen sich nicht aus“ (S. 113).

    Diese Argumentation der EKD überrascht insofern, als dieselbe EKD in anderen Publikationen bezüglich der Judenmission darauf hinweist, dass Zeugnis nicht gleich Mission bedeuten muss, ja dass sogar Dialog erst da anfangen kann, wo Mission aufhört. In der EKD-Denkschrift Nr. 144, 2000 „Christen und Juden III“ heißt es dazu: „Die Begriffe "Zeugnis", "Begegnung" und "Dialog" traten statt dessen in den Vordergrund, freilich ohne dass es zu einer hinreichenden Klärung hinsichtlich ihrer Inhalte und ihrer Tragfähigkeit gekommen wäre.“(Kapitel 3.1.4) Zeugnis muss demnach gerade nach evangelischem Verständnis nicht Mission heißen, in der Frage der Judenmission hätte man sich sogar „unumkehrbar“ (aaO.) davon wegbewegt. Denn wie das EKD-Papier aus dem Jahr 2000 richtig feststellt, „ist historisch jeder Versuch, jüdische Menschen zum Glauben an Jesus als Messias zu führen, von vornherein durch die Hypothek der im Laufe der zweitausendjährigen Kirchengeschichte aufgetretenen Judenfeindschaft unerträglich belastet“, (aaO., 3.1.3). Basierend auf dieser Erkenntnis wird einem Wandel weg von der Mission hin zu einer partnerschaftlichen Begegnung und einem gleichberechtigten Dialog. (aaO. 3.4.) der Vorzug gegeben. Selbst der an sich als positiv betrachtete Begriff „Zeugnis“ wird sogar unter einen Vorbehalt gestellt. Die Partner würden sich dabei zwar „als Zeugen in der Weise, dass sie jeweils ihre Glaubenserfahrung und Lebensform einbringen“ (aaO. 3.4.1.) begegnen. Dieser Begriff berge aber die Gefahr, dass er nur auf seine in der kirchlichen Umgangssprache abgeflachte Form beschränkt werden würde und nur als „monologische Verkündigung, für eine einseitige, auf andere ausgerichtete, auf das bloß Verbale beschränkte Proklamation“ verstanden werden würde. Ein solch eingeengtes christliches Zeugnis liefe im Umgang mit Anderen darauf hinaus, „diesen gleichberechtigte Partnerschaft zu verweigern und sie lediglich als Objekte von Verfügungs- bzw. Betreuungsabsicht wahrzunehmen“ (aaO.) Angesichts dieser deutlichen Formulierungen die quasi einem Missionsverbot gegenüber Juden gleichkommen, erscheint die Überbetonung des Missionsaspektes im Bezug auf den Dialog mit Muslimen noch unverständlicher. Müssen demnach nun Muslime, die am Dialog teilnehmen, befürchten, dass sie bestenfalls nur Gegenstand christlicher Betreuung sind, nicht jedoch als in ihrer Eigenständigkeit ernst genommene mündige Partner wahrgenommen werden?


    IV Eigener Glaubensanspruch

    Niemand kann die Forderung stellen, dass für den Dialog der eigene Glaubensanspruch zurückgestellt, der eigene Wahrheitsanspruch relativiert werden muss. Für den Dialog bedarf es aber Partner, die sowohl bereit sind mit dem anderen zu sprechen, als auch diesem zuzuhören. Die Bereitschaft zuzuhören fehlt gerade dann, wenn einer der Partner nur mit der Absicht an diesem Gespräch teilnimmt, dem Anderen „der von der Wahrheit nicht berührt“ (S. 16) ist, die eigene Wahrheit zu verkünden.

    Ziel des Dialogs kann es jedoch nicht sein, sich gegenseitig Glaubenswahrheiten entgegenzuhalten. Ziel des Dialogs muss es sein, gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie ein friedliches Miteinander und eine aktive Partizipation an der Gestaltung der offenen Gesellschaft aussehen können. Natürlich wird jeder Teilnehmer dieses Dialogs Lösungsansätze einbringen, die von seinem jeweiligen religiösen und kulturellen Hintergrund gespeist werden, ohne aber die Bereitschaft zu verlieren, die Lösungen des Anderen auf gleicher Augenhöhe wahrzunehmen und diesen sein Ohr und seinen offenen Geist zu geben.

    Es ist dieser Ansatz, der einen Dialog zwischen religiösen aber auch areligiösen Menschen erst ermöglicht, nicht der missionierende „Dialog“ der evangelischen Kirche. Denn mit dieser Haltung verkennt die EKD den Sinn des Dialogs. Dies ist auch der Grund dafür, dass sie in den „wesenhaften Missions- bzw. Ausbreitungstendenzen“ des Islams und des Christentums „keine guten Voraussetzungen für den Dialog zwischen diesen beiden Religionen und für das Zusammenleben von Christen und Muslimen in dieser Gesellschaft“ (S. 12) sieht. Diese schlechte Voraussetzung stellt sich jedoch nur dann ein, wenn der Dialog als Missionsplattform missbraucht wird.



    V Dialog nach islamischem Verständnis

    Der Islam lehrt die Einheit der gesamten Menschheit und betrachtet die Menschen als Geschöpfe des Einen Schöpfers und Kinder einer gemeinsamen Mutter und eines gemeinsamen Vaters, Adam und Eva. Die Muslime sehen sich nicht als eine besondere Gesellschaft unter den Menschen mit Vorrechten, sondern sind verpflichtet, Gerechtigkeit und Güte allen Menschen gegenüber entgegenzubringen.

    Die Verschiedenartigkeit und bunte Vielfalt der Menschen ist ein Zeichen Gottes und von Gott gewollt: „Oh ihr Menschen, Wir haben euch von einem männlichen und weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Verbänden und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Der Angesehenste von euch bei Gott, das ist der Gottesfürchtigste von euch.“ (Al-Hudschurat 49:13).

    Maßstab und Bewertung aller Menschen ist nicht ihre Volkszugehörigkeit, sondern die Gottesfürchtigkeit, d.h. die Taten und die Rechtschaffenheit eines Menschen machen ihn zu einem besseren oder schlechteren Menschen.

    Eine Grundlage für einen zivilisierten Umgang miteinander stellen unsere Religionen dar. Es sind die Gemeinsamkeiten, die bei den drei Weltreligionen – Judentum, Christentum und Islam - überwiegen. Dies wird in aufgeregten Zeiten schnell vergessen. Gerade bei den vielen sehr erfolgreichen Dialoginitiativen und Veranstaltungen in unserem Land, in denen oft kontroverser und engagierter diskutiert und argumentiert wird, als die Allgemeinheit annimmt, gilt es das Trennende in den Religionen nicht zu tabuisieren, gleichzeitig aber gemeinsame Werte und Ursprünge nicht unter den Tisch zu kehren.

    Die Lehren der Offenbarungsreligionen gehen vom Geist der Barmherzigkeit und der Liebe aus. So stehen wir als gläubige Menschen in gemeinsamer Verantwortung vor Gott und den Menschen für eine bessere Welt.

    Der KRM ist der Ansicht, dass die abrahamitischen Religionen, Muslime, Juden und Christen, als Träger der göttlichen Offenbarungen und als „Leute der Schrift“ sich gegenseitig respektieren und anerkennen müssen.

    Der Koran spricht von allen Propheten und vor allem von Moses und Jesus mit großem Respekt. Jesus wird von den Muslimen als großartigen Propheten verehrt: „Und Wir haben Jesus, dem Sohn Marias, die deutlichen Zeichen zukommen lassen und ihn mit dem Geist der Heiligkeit gestärkt.“ (Al-Bakara 2:253). Besonders die Wesensstärke Moses, seine Standhaftigkeit sowie seine Geduld im Umgang mit der eigenen Gemeinschaft werden in vielen langen Passagen im Koran hervorgehoben.

    Der Koran verpflichtet die Muslime, mit den Andersgläubigen den Dialog auf beste Art und Weise zu führen. „Und streitet mit ihnen auf die beste Art.“ (Al-Ankebut 29:46) Hier ist „streiten“ im Sinne einer Kultur des Diskurses und des gegenseitigen Lernens gemeint. Durch die Erlaubnis einer Tisch- und Ehegemeinschaft mit Christen und Juden wird den Muslimen die gesellschaftliche Praktizierung des Gemeinsamen gerade ermöglicht.



    VI Integration

    Im zweiten Kapitel der Handreichung, „Muslime in der Demokratie – Spannungsbereiche gesellschaftlicher Integration“ (S. 22), wird auf theoretische Grundlagen des Verhältnisses der Evangelischen Kirche zum Staat eingegangen und entsprechend auch von muslimischen Organisationen verlangt, zu einem ähnlichen Verhältnis zu gelangen. Ohne konkret zu werden – dies entspricht der allgemeinen Vorgehensweise –, wird von Muslimen gefordert, „ihre Gewaltbereitschaft und ihre Schuld selbstkritisch zu prüfen und glaubhaft zu überwinden.“ (S. 24), womit ihnen eine potenzielle Gewaltbereitschaft unterstellt wird. Worin diese Schuld der Muslime liegt, wird jedoch nicht aufgezeigt.

    Mit Bezug auf die Diskussion um die Propheten-Karikaturen und die Idomeneo-Oper, werden die Muslime darauf hingewiesen, dass weder Karikaturen, noch die Opern-Aufführung Drohungen oder Angriffe rechtfertigen (S. 31). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass keine einzige muslimische Gemeinschaft in Deutschland die Karikaturen oder die Idomeneo-Aufführung zum Anlass nahm, zu Gewalt aufzurufen, erscheint diese Bemerkung fehl am Platz. Sie erfüllt aber ihren Zweck, indem sie wieder eine grundlegende Nähe zwischen Gewalt und Islam herstellt. Anmaßend wird es dann, wenn es heißt, der „evangelischen Kirche wäre es willkommen, wenn der Islam als eine Religion mit über drei Millionen Anhängern in Deutschland als humanisierende Kraft in dieser Gesellschaft wirksam…“ werden würde (S. 23). Die EKD konnte demnach bisher keine humanisierende Wirkung des Islams erkennen, sodass ihr ein solches Verhalten zumindest für die Zukunft „willkommen“ wäre.

    Es ist allgemein bekannt, dass es im Christentum und im Islam einen gemeinsamen Glauben an den einen Gott gibt, sich die jeweiligen Gottesverständnisse jedoch nicht decken, da die Muslime weder Trinitätslehre noch Christusbekenntnis akzeptieren. Mit der Betonung der unterschiedlichen Auffassungen wird in der Handreichung aber eine Grundlage, nämlich der monotheistische Glaube an den einen Gott und die daraus resultierende Verantwortung vor Gott, auf der die jahrelangen Dialogbestrebungen bisher aufbauten, relativiert und in den Hintergrund gedrängt (S.18f.). Dieser Einheit stiftende Ausgangspunkt wurde und wird von Christen und Muslimen akzeptiert, auch wenn die Gottesverständnisse heute nicht die Gleichen sind. Auch der EKD schien bisher diesen Weg zu gehen. Das Augenmerk wurde dabei auf das aus dem Glauben an einen Gott wachsende Pflichtgefühl gegenüber der Gesellschaft gelegt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die EKD nun die offensichtlichen Unterschiede in den Vordergrund stellt und lieber auf das Trennende als auf das Gemeinsame setzt. Hinzu kommt aber auch, dass es kaum Unterschiede im Gottesverständnis des Korans und dem Gottesverständnis des Alten Testaments gibt. Beide gehen von dem einen, allmächtigen, alles erschaffenden Gott aus, der sich uns über Propheten offenbart hat und dessen Zeichen wir in der gesamten Schöpfung sehen. Wie kommt dann die EKD zu der Meinung, dass Christen schwerlich ihr Herz an den Gott der Muslime hängen können, wo doch das Gottesverständnis im Alten Testament nicht wesentlich von dem des Korans abweicht?


    VII Scharia und Grundgesetz

    In der Handreichung werden die Scharia und das Grundgesetz immer wieder als entgegengesetzt dargestellt und Vergleiche zwischen der an sich abstrakten Scharia und dem als Text konkretisierten Grundgesetz gezogen – ungeachtet ihrer wesensmäßigen Unterschiede. Die Handreichung weißt darauf hin, dass „der religiöse Teil der Scharia“ (S. 33) (Gebete, Speisevorschriften, usw.) nicht im Widerspruch zum Grundgesetz steht, was jedoch für das Straf-, Ehe- und Familienrecht nicht gelte. Dies dürfte jedoch nicht verwunderlich sein, da unter dem doch sehr weiten Begriff der Scharia ohne weiteres auch sich widersprechende Ansichten zu finden sind. Die Handreichung weist insbesondere nicht daraufhin, dass Muslime in Deutschland islamisches Strafrecht oder ein eigene Ehe- und Familienrecht nicht einfordern. Muslime haben nicht das Anliegen, „Züchtigungsstrafen“ in Deutschland einzuführen. Sie müssen sich vielmehr mit Diskriminierungen auseinander setzen, denen sie tagtäglich begegnen, mit den Problemen, keine geeigneten Gebäude für Moscheen finden zu können, am Arbeitsplatz keine Gelegenheit zum Beten zu haben, kein geschächtetes Fleisch kaufen zu können oder keine Arbeit zu finden, wenn sie ihren religiösen Geboten folgend als Frau ein Kopftuch tragen. Diese wesentlichen Bestandteile der Scharia stehen gerade nicht im Konflikt mit dem Grundgesetz. Vor diesem Hintergrund ist die Befürchtung, dass islamisches Recht oder sogar islamische Gerichte eingeführt oder zumindest geduldet werden könnten, unberechtigt. Hierbei handelt es sich um reine Angstmacherei, die von der EKD betrieben wird.



    VIII Konversion und Religionsfreiheit

    Widersprüchlich ist es auch, wenn einmal Muslimen unterstellt wird, keine einheitliche Meinung zum Thema Konversion beziehungsweise Austritt aus der Religion zu haben, um gleich darauf einem „erheblichen Teil der Muslime“ (S. 32) zu attestieren, diese Freiheit „praktisch“ akzeptiert zu haben. Dieses Zugeständnis impliziert aber auch, dass der Islam auf der theoretischen Ebene insoweit ein Problem mit der Konversion hat, dass er es ist, der verantwortlich für Sanktionen in einigen Ländern ist (S. 31).

    Der arabische Begriff für die Konversion, der im Koran an zwei Stellen (Al-Bakara 2,217 und al-Maida 5,54) wörtlich vorkommt, ist „Irtidâd“, wobei dieses Wort speziell für diejenigen Menschen benutzt wird, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Texte aller Art in ihrem Gesamtzusammenhang gelesen und verstanden werden müssen, um eine richtige Beurteilung vornehmen zu können. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, bei der Lektüre der Verse zur Konversion auch solche Verse mit einzubeziehen, die von der Glaubensfreiheit handeln. Dazu gehören beispielsweise folgende Verse: „Und wenn dein Herr es gewollt hätte, wären alle auf Erden allesamt gläubig geworden. Willst du etwa die Leute zwingen, gläubig zu werden?“ (Sure 10, Vers 99) und „Kein Zwang im Glauben! Klar ist nunmehr das Rechte vom Irrtum unterschieden. Wer die falschen Götter verwirft und an Allah glaubt, der hat den festesten Halt erfasst, der nicht reißen wird. Und Allah ist hörend und wissend.“ (Al-Bakara 2, 256)

    Diese beiden Verse sind allgemein gültig und besagen, dass die Prüfung des Lebens darin besteht, den richtigen Weg zu finden, wobei es jedem Einzelnen überlassen ist, sich für den Islam oder einen anderen Weg zu entscheiden.

    Daneben gibt es auch Verse, die eine „schwere Strafe“ für den Abfall vom Glauben androhen, doch wird diese Strafe von Gott für das Jenseits angedroht (An-Nahl 16, 106). Daraus eine weltliche Strafe für die Konversion herzuleiten ist schlichtweg falsch. Auffallend ist ebenfalls, dass die Autoren keinen Bedarf sehen, für die gewichtigen Zitate auf Seite 37 Belegstellen zu nennen. Der Hinweis, auch der Prophet „soll“ bei der Einnahme von Mekka Apostaten getötet haben, ist schlichtweg falsch. Gerade die prophetischen Äußerungen und Praxis zeigen, dass der Koran die Glaubensfreiheit unter allen Umständen befürwortet und der Tötung von Konvertiten keine Erlaubnis erteilt. Die Strafe für dieses Vergehen, nämlich der Leugnung der Wahrheit des Islams, wird auf das Jenseits vertagt. Eine weltliche Bestrafung der Konversion war weder damals noch heute vorgesehen.

    Gott hat allen Menschen eine Würde verliehen und die Muslime sind verpflichtet, diese zu schützen. Im Koran heißt es: „Und wir haben den Kindern Adams Ehre erwiesen.“(Al-Isra 17, 70). Das heißt nicht nur den Muslimen, nicht nur den Gläubigen, sondern allgemein allen Kindern Adams hat Gott Ehre erwiesen und ihnen Würde gegeben. Der Islam garantiert die Freiheit der Religionsausübung, manifestiert im Koranvers: „Es gibt keinen Zwang im Glauben“ (Al-Bakara 2, 256) „Euch eure Religion und mir meine Religion“(Al-Kafirun 109, 6). Daraus steht der KRM für das Recht ein, die Religion zu wechseln, eine andere oder gar keine Religion zu haben.


    IX Ein Schritt vor, zwei zurück

    An verschiedenen Stellen ist ein vermeintliches Bemühen von Seiten der EKD zu erkennen, bei der Betrachtung eines Sachverhaltes objektiv zu verfahren um sogleich diese Objektivität mit einer subjektiv-anklagenden Darstellung zu relativieren. Diese „ein Schritt vor, zwei Schritte zurück“-Mentalität trägt dazu bei, dass die vermeintliche Objektivität umso befremdlicher wirkt. Obwohl in dem Abschnitt über die Stellung der Frau der scheinbare Versuch unternommen wird, objektiv zu bleiben, indem erklärt wird, „dass nicht alle Benachteiligungen von Frauen in Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung ursächlich dem Islam zuzurechnen sind“ (S. 39), wird dennoch von Genitalverstümmelungen, Zwangsheirat und der Unterdrückung und Abhängigkeit der Frau vom Mann im Zusammenhang mit dem Islam gesprochen. Die Handreichung geht sogar so weit, eine „unheilige“ Allianz zwischen Islam und Traditionen festzustellen. Damit wird der Anschein erweckt, diese Vorkommnisse gehörten zum Wesen des Islams. Unerwähnt bleibt, dass der Islam besonderen Wert in die Gleichbewertung der Geschlechter legt. „Und diejenigen, die Gutes tun, ob Mann oder Frau, und dabei gläubig sind, werden ins Paradies eingehen“ (Gafir 40, 40). Und in einem Ausspruch des Propheten heißt es: „Die Frauen sind die Zwillingsgeschwister der Männer.“


    X Eigenwillige Versuche den Koran zu deuten

    Prekär wird es, wenn falsche Aussagen mit dem Hinzufügen von Koran-Versen unterstützt werden sollen, die jedoch immer nur als Versnummern wiedergegeben werden. So werden auf Seite 40 als Belegstellen „Sure 2, 223; 2, 187“ angegeben, um aufzuzeigen, dass der muslimische Mann mit Abschluss des Ehevertrages und Beginn der Unterhaltszahlungen das (sexuelle) Verfügungsrecht über seine Frau erwirbt. Die wenigsten Leser werden jedoch die Zeit und die Möglichkeit haben, diese Aussage zu überprüfen. Denn wenn man den Inhalt dieser Verse überprüft, wird man sehen, dass sie einerseits vom Verbot des Geschlechtsverkehrs während des Fastens für beide Geschlechter und von möglichen sexuellen Praktiken handeln und gerade nicht von einem Verfügungsrecht der Männer.

    Von einer Objektivität bleibt schließlich keine Spur, wenn auf Seite 72 der Handreichung folgendes in den Raum gestellt wird: „In den Frauenhäusern und in Mutter-Kind-Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft sind Musliminnen stark vertreten. Die Konflikte, derentwegen sie Schutz brauchen, haben häufig das islamische Familienverständnis zum Hintergrund.“ Das Problem der religionsübergreifenden innerfamiliären Gewalt wird dabei als fast rein islamisches und islamverursachtes Problem dargestellt. Dabei müsste bekannt sein, dass dieses Problem weder ein rein muslimisches, noch ein gehäuft muslimisches Problem ist. Gewalt in der Ehe gibt es leider in allen sozialen Schichten und Gruppen.

    Streckenweise ähnelt die Argumentationslinie der Broschüre den Veröffentlichungen von erzkonservativen Publizisten. Dieser Linie wird beispielsweise beim Thema „Kopftuch im Schuldienst“ (S. 62f.) deutlich. Hierzu bekräftigt die Handreichung ausdrücklich die Stellungnahme in der vorgegangenen Handreichung „Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland. Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen” und erklärt, dass das Tragen eines Kopftuches im Unterricht aufgrund einer vermeintlichen politischen Aussage der Verfassung und „insbesondere dem elterlichen Erziehungsrecht“ (S. 63) widerspreche. Mit dieser Einschränkung grenzt jedoch die evangelische Kirche die Deutungshoheit der Muslime über ihre eigene Glaubenspraxis ein. Sie versucht den Muslimen ihre eigene Deutung aufzuerlegen und misst der Auslegung der Muslime kaum einen Wert bei. Das Tragen eines Kopftuches wird dabei als politisch motiviertes Verhalten abgestempelt und Musliminnen das Recht auf eine eigene religiöse Auslegung verwehrt. Den Aussagen der Handreichung ist leicht zu entnehmen, dass es ihr dabei nicht nur um das Kopftuch speziell in der Schule geht, sondern allgemein um die Kopftuch tragende muslimische Frau in der Gesellschaft (S. 64).

    Neben diesem autoritativem Auftreten entsprechen dann auch noch die Sprache einiger Abschnitte der Handreichung (besonders S. 91f) und auch Definitionen von Begriffen wie „Islamismus“ und „Dschihadismus“ denen der Verfassungsschutzberichte (S. 91). Anscheinend wurden diese ohne eine weitergehende Auseinandersetzung übernommen und wiedergegeben, stellenweise nur weiter ergänzt. So beklagen sich die Autoren darüber, „dass sich islamisch-politische Organisationen für eine verstärkte Anerkennung, parallele Etablierung und schließlich schrittweise Durchsetzung der Scharia in europäischen Ländern aussprechen und einsetzen“ (S. 34). Von wem solche Äußerungen und solch ein Einsatz ausgehen, wird jedoch offen gelassen, genauso fehlt die Erklärung, was die Anerkennung des Islams mit der Durchsetzung der Scharia zu tun hat. Gerade auf diese Formulierung stößt man so gut wie in jedem Verfassungsschutzbericht, mit dem Unterschied, dass diese statt von „parallelen Etablierungen“ von „Parallelgesellschaften“ sprechen.


    XI Gleichgestellte Religionsgemeinschaften?

    Viele Positionen, angefangen von der Stellungnahme bezüglich des Kopftuches im Schulunterricht (S. 62f.) bis zum Aufruf, Kirchengebäude nicht an Muslime zu verkaufen (S. 68f.), die die Evangelische Kirche einnimmt, lassen aber eher den Eindruck entstehen, als ob sie nicht nur die „Anwältin“ (S. 13), sondern auch die Wächterin und Beschützerin des „christlichen“ Abendlandes und seiner Werte wäre. Es ist gerade diese Haltung, die zum Vorschein kommt, wenn von den Muslimen gefordert wird, eine „mit der europäischen Verfassungswirklichkeit“ (S. 45) übereinstimmende Interpretation der Koranverse bezüglich Krieg und Frieden vorzunehmen. Dabei wird den Muslimen ein Mangel zugeschrieben, um dann klarzustellen, wie weit man als evangelische Kirche schon ist. Auffallend ist auch, wie sehr es die EKD anscheinend darauf anlegt, somit auch ein Stufenverhältnis zwischen den christlichen und muslimischen Religionsgemeinschaften herzustellen. So wird in den Ausführungen zu einem möglichen Körperschaftsstatus auf „ungeschriebene Voraussetzungen“ (S. 80) wie Verfassungstreue und der Achtung der Grundrechte verwiesen, detailliert auf die nicht mit kirchlichen Strukturen vergleichbaren Mitgliederstrukturen muslimischer Organisationen eingegangen und die Forderung aufgestellt, keine den Muslimen entgegenkommenden Veränderungen in „Gestalt und Bedeutung des Status“ (S. 80) vorzunehmen. Es stellt sich hier die Frage, inwieweit in dieser Sorge um den Staat nicht doch mehr die eigene Angst um den Verlust bestehender Privilegien bestimmend ist. So meinen die Autoren wieder mit Bezug auf den Körperschaftsstatus, dass der „Umfang und die Art der Mitgliedschaften“ (S. 81) Auskunft über die Repräsentativität einer Gemeinschaft geben können, möchte aber den von diesen Gemeinschaften angegebenen Zahlen keinen Glauben schenken. Da aber die Repräsentativität bei der Verleihung des Körperschaftsstaus eine herausragende Rolle spielt, befinden sich die muslimischen Organisationen damit in einer Sackgasse. Das Fazit ist, dass, solange es eine „schweigende Mehrheit“ unter den Muslimen gibt, es zu keiner Vertretung der Muslime in Deutschland kommen könne. Die Autoren müssten hierbei aber sicherlich auch untersuchen, inwieweit denn solch ein von ihnen überhöhter Maßstab in Zeiten der abnehmenden Hinwendung zur Kirche nicht der eigenen Sache schadet.

    Was mit der Forderung, „Förmlichkeiten, die im äußeren Erscheinungsbild oder auf sonstige Weise den Eindruck von Gleichartigkeit der Gesprächspartner erwecken könnten, sollten vermieden werden“ (S. 79) bezweckt wird, wird bei der Lektüre nicht ganz klar. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die evangelische Kirche damit sowohl den Dialog auf Augenhöhe, als auch eine Vertiefung der Beziehung der Dialogpartner hin zu einer Freundschaft ablehnt.


    XII Ausblick – Das Vertrauen leidet!

    Insgesamt muss sich die EKD nach der Publikation dieser Handreichung fragen lassen, was sie mit ihr nun wirklich bezweckt. Einen Beitrag zum Dialog mit Muslimen leistet sie damit kaum. Vielmehr scheint die EKD Wert darauf zu legen, bestehenden Vorurteilen gegenüber dem Islam eine kirchlich-offizielle Bestätigung zu geben und sogar Klischees, die in evangelikalen Kreisen über den Islam verbreitet werden, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sicherlich wird auch das bisher über den Dialog aufgebaute Vertrauen unter dieser Publikation leiden. Insoweit stellt sich dem muslimischen Leser weiterhin die Frage, inwieweit denn bei ihrer Erstellung überhaupt auf die Erfahrung der nun seit Jahren am Dialog beteiligten Vertreter der evangelischen Kirche zurückgegriffen wurde. Die EKD stellt insoweit auch die Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Vertreter - insbesondere der vielen Islambeauftragten, die in den 90er Jahren extra hierfür eingestellt worden sind - in Frage.

    Diese Publikation zerrüttet jedoch gerade auch das Vertrauen zwischen bisherigen Dialogpartnern. Bisher gab es von christlicher Seite kaum offene Kritik an dieser Publikation, wohl jedoch z.T. heftige und steigende Kritik, ja sogar Entrüstungen unserer Dialogpartner hinter vorgehaltener Hand. Es entsteht der Eindruck, dass selbst bisherige Dialogpartner die eigenen positiven Erfahrungen beiseite schieben müssen, um sich der Vorgabe der EKD-Leitung unterzuordnen. Die Folge wird früher oder später sein, dass auf christlicher Seite immer öfter die Teilnehmer für einen notwendigen praktischen Dialog fehlen werden. Dieser Menschen braucht es aber, um eine Solidarisierung der Gläubigen zu erreichen, die nur so den gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen gerecht werden und gemeinsam konstruktiv hin zu einem gesamtgesellschaftlichen Frieden arbeiten können.

    Gestärkt könnten aber durch den neuerlichen Schritt den Dialog zu diskreditieren die Scharfmacher auf beiden Seiten hervorgehen. Denn auch auf muslimischer Seite macht sich eine zwar kleine aber nicht unwesentliche Gruppe auf, ständig das Trennende zu formulieren, um so eigenes Profil zu entwickeln. Diese Tendenzen und Kräfte zielen letztlich darauf ab, sich aus dem Prozess gesamtgesellschaftlicher Verantwortung zu stehlen und das Scheitern der Integration und des Zusammenlebens verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und unterschiedlicher Religionen den jeweils anderen in die Schuhe zu schieben.

    Der Versuch, den Dialog auf eine rein theologische Ebene zu ziehen, gefährdet bestehende Errungenschaften aus einer nun Jahrzehnte andauernden praktischen Zusammenarbeit. Die Losung kann nicht sein, um der eigenen Profilierung wegen den Kreis der Beteiligten einzugrenzen, vielmehr muss dieser Dialog in Zukunft vertieft und hin zu einem Trialog mit Christen, Juden und Muslimen ausgebaut werden. Für diesen bedarf es einer Atmosphäre der partnerschaftlichen Begegnung und einer gleichberechtigten Teilnahme aller Partner an diesem. Nur so können wir zu einem Dialog gelangen, der nicht von der Abgrenzung zum Anderen, sondern von der gemeinsamen Verantwortung in der Gesellschaft getragen wird.


    Korrespondenzadresse des KRM
    Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.
    Venloer Straße 160
    50823 Köln

    Telefon: +49 221 579820
    Telefax: +49 221 515892
    E-Mail: info@diyanet.org

    Dem KRM gehören an:

    DITIB - Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.
    IRD – Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e.V.
    VIKZ – Verband der Islamischen Kulturzentren e.V.
    ZMD – Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.



    Re: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

    M.M.Hanel - 22.06.2007, 10:38


    Weltweite Verfolgung von Christen?

    http://hpd-online.de/node/2210


    Open Doors ist nicht – wie DIE ZEIT schreibt – eine „wohltätige Organisation, die sich für bedrängte christliche Gemeinden und Individuen einsetzt" sondern ein Missionswerk und Mitglied der Evangelischen Allianz, ein Zusammenschluss so genannter „bibeltreuer" evangelikaler Christen, die Mission und Evangelisation als ihre Hauptaufgabe betrachten.



    Re: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

    M.M.Hanel - 22.06.2007, 21:11


    Audhu billahi mina Shaytani rajim

    Pfarrer Thomas Wipf wünscht sich einen Dialog mit Muslimen – in Transparenz und Offenheit. Dieser Wunsch soll ihm erfüllt werden, denn es steht schon längst an, ein offenes Wort mit jenen auszutauschen, deren Wahrnehmung über den Islam von den Reflexionen eigener Religionsgeschichte und Geschichtserfahrung überlagert ist.
    Dass somit eine Wahrnehmung der Muslime, deren Werte und Gepflogenheiten – vor allem hier in der Schweiz - weit deren Selbstverständnis verfehlt, ist den Muslimen klar. Nun sollen in aller Transparenz diese angesprochenen Perzeptionsdefizite, nicht nur der protestantischen Führungselite in der Schweiz offen gelegt werden, damit dieser missliebige Tatbestand öffentlich, klar und deutlich wird.
    Allerdings mag bezweifelt werden, dass entsprechende Bereitschaft auf mancher Seite besteht, sich der Bemühung einer Selbst-Korrektur zu unterziehen. (Selbst im Wissen um Mathäus 7:4)

    Doch Gott weist Seinen Weg, wem immer Er will!

    Ich werde also im Folgenden nur auf die Spitzen der zu korrigierenden theologischen, sozialen und rationalen Missverständnisse hinweisen (Ist dies ja bereits ein viel zu umfangreiches Unterfangen - mein Kommentar in den "Quote Kästchen"). Eine umfassendere Darstellung sprengt ganz einfach meinen Rahmen der Möglichkeiten und Bereitschaft. Allerdings sollte durch die folgenden Darstellungen der Umriss der gesamten, komplexen Thematik und Problematik deutlicher sichtbar werden. Nur weitere GEMEINSAME Bemühungen können unser gesell¬schaftliches Boot, in dem wir schließlich alle sitzen, seinen titanischen Kollisionskurs ändern lassen.

    Muhammad Hanel
    Horn, 22.6.07


    Abgeordnetenversammlung
    17.-19. Juni 2007
    Basel

    Dialog mit den Muslimen
    Transparenz und Offenheit
    unverzichtbar

    Wort des Ratspräsidenten
    Pfr. Thomas Wipf
    Präsident des Rates SEK
    Basel, 17. Juni 2007 Es gilt das gesprochene Wort
    http://www.sek-feps.ch/media/pdf/av/sav_07/Wort-des-Ratspr-sidenten_SAV07.pdf



    Religionspolitische Herausforderungen

    Wenn man die Frage stellt, welches die wichtigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre sein werden, gehört das Thema Religion mit Bestimmtheit dazu. Wir befinden uns in einem Prozess der Veränderungen. Es gibt unter dem zu diskutierenden Schlagwort „Rückkehr der Religion“ ein wieder erwachtes oder auch neues Bewusstsein, dass Religion in ihren vielschichtigen Darstellungs- und Wirkungsformen ein prägender Faktor ist für das Leben und Zusammenleben der Menschen auch in einem säkularen und pluralen Staat.
    Ich äussere mich heute zu einem Aspekt, der als Folge der Veränderung der religiösen Landkarte in der Schweiz in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion sehr aktuell ist.

    Unter uns lebt mittlerweile eine grössere und ständige wachsende Zahl von Menschen, die der muslimischen Religionsgemeinschaft angehören. Viele von ihnen sind als unsere Nachbarn, Arbeitskollegen, Freundinnen ein Teil der vielfältigen Einwohnerschaft unserer Dörfer und Städte. Sie haben sich bei uns eingelebt, sich integriert, ohne dabei ihre religiöse Herkunft und Zugehörigkeit verlieren zu müssen. Für unser Land bedeutet die Anwesenheit von Menschen muslimischer Herkunft und ihr Beitrag in der Wirtschaft, der Kultur, aber auch im gemeinsamen Fragen nach dem, was im Glauben trägt, eine wichtige Bereicherung.

    Zitat: Es ist eingangs schon mal wesentlich zu wissen, dass Thomas Wipf keinen Gefallen daran findet, dass Muslime „keine Trennung zwischen Staat und Kirche“ kennen. Dennoch ist sein Thema als Kirchenvertreter nicht der theologische Unterschied zwischen Islam und reformiertem Christentum, sondern einzig und allein, angebliche politische, soziale, weltanschauliche, rechtliche Differenzen zwischen den Muslimen und anderen Schwiezer Bürgern.

    Nach einer gewissen Zeit der multikulturellen Romantik stellen sich nun aber auch einige grundsätzliche Fragen. Es leben Menschen neben und mit uns, die nicht von vornherein von
    denselben Grundwerten überzeugt und geprägt sind.

    Zitat: Erstens wäre mal zu hinterfragen, was Herr WIPF unter Grundwerten versteht und wie er zur Auffassung gelangt, dass seine, durch Altes und Neues Testament begründete Grundwerte sich maßgeblich oder grundsätzlich von jenen unterscheiden, die im Letzten Testament niedergelegt sind.
    Meint er denn gar die weiter unten angesprochene Gleichberechtigung von Mann und Frau?
    Meint er da das christlich theologische Verständnis (wobei wir uns fairer Weise auf die reformatorische Auffassung beschränken wollen und das katholische Selbstverständnis an dieser Stelle nicht weiter behandeln. Wer dennoch Interesse an einer Gegenüberstellung der Position der Frau in Jüdisch-Christlicher und in Islamischer Tradition hat, möge hier weiter lesen: http://www.fro.at/sendungen/islam/Woman.htm ). Meint er vielleicht die gesellschaftspolitische Position der Frau in der Schweiz aus politischer, arbeitsrechtlicher Sicht? (Auch dazu gibt es interessante Lektüre: http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BCD3621EF555C83C/Doc~EFCFC5926203C4C40854C971B38667DAD~ATpl~Ecommon~Scontent.html )

    Das Verständnis von Staat und Religion

    beispielsweise, von der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Bereitschaft, sich befragen und hinterfragen zu lassen auch als Angehörige einer Religion, sind zum Teil sehr unterschiedlich. In dieser neuen Situation sind wir als Kirchen und Christen vielleicht etwas unvorbereitet herausgefordert, darüber nachzudenken, welches die Grundwerte und Grundhaltungen sind, die unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft prägen und die wir nicht aufgeben können und wollen.

    Zitat: Um sich ein wenig besser vorbereiten zu können und beim Nachdenken zu helfen, warum westliche, christlich geprägte Menschen anderes Gehabe von Menschen aus anderen Kulturen nur aus ihrem eigenen Selbstverständnis beurteilen und deshalb womöglich gründlich falsch einschätzen, rate ich nun doch, oben erwähnte Gegenüberstellung sorgfältig zu lesen.

    In der Mitte unseres evangelischen Glaubens ist die Freiheit, die Gott durch Jesus Christus schenkt. Es ist die Freiheit für ein Leben in Verantwortung und Achtung von Andersdenkenden und Andersgläubigen.

    Zitat: Nun, wenn obiger Satz so gemeint ist, wie er verstanden werden kann, dann bedanken sich die Muslime sehr herzlich für diese Freiheit und ihre Resultierende und weisen sie entschieden zurück und erachten diese Zurückweisung als nicht verhandelbar.
    Was das heißen soll?
    Nun, Muslime bedanken sich dafür, dass sie als Andersdenkende Achtung verdienen. Entschieden lehnen sie es aber ab, dass Thomas Wipf und seine Weggefährten Verantwortung für die Muslime zu übernehmen zu gedenken. Muslime übernehmen, auch wenn zu manchen Zeiten mehr schlecht als recht, ausschließlich die Verantwortung für sich selbst SELBST wahr – im Diesseits wie im Jenseits!

    Die Religionsfreiheit ist aus dem Geist des christlichen Glaubens erwachsen, obwohl sie zu erheblichen Teilen auch in den christlichen Grosskirchen erstritten werden musste.

    Zitat: Über diesen Streit müssen wir uns ja nicht weiter unterhalten – erwächst er aus einer zutiefst menschlichen Untugend: rechthaberischer Egozentrik.
    Auch Muslime sind davon nicht verschont geblieben – doch, nie, ich betone, NIE in ihrer Geschichte, haben die Ausmaße selbstzerstörerischen Zerfleischens in ihren Reihen jene Dimensionen eingenommen, wie in den christlichen Gesellschaften .

    In letzter Zeit haben vor allem Fragen rund um den Islam verschiedene Politikbereiche beschäftigt: die Migrations- und Integrationspolitik, die Schul- und Bildungspolitik, die
    Sicherheits- und Infrastrukturpolitik. Stichworte wie Minarettverbotsinitiative, Karikaturenstreit, Tragen von religiösen Symbolen, Dispensationsgesuche an Schulen,
    Reaktionen auf das christlich geprägte Kalenderjahr beschäftigen die Menschen.

    Zitat: Das ist ja interessant – wieder sind wir bei der Politik gelandet – wo doch Trennung angesagt ist?
    Wenn man die oben angesprochenen Problematiken anspricht und genauer untersucht, sind sie im Kern weniger von den Muslimen und ihrer angeblich grundsätzlichen gesellschaftlichen oder eben religiösen „Inkompatibiltät“ verursacht, sondern in bodenständiger politischer und gesellschaftlicher Ignoranz begründet.

    Die Verunsicherung und die Fragen der Menschen ernst nehmen
    Wir spüren in der öffentlichen Diskussion, in der kirchlichen Arbeit, im Gespräch im Freundeskreis, dass viele Menschen, auch offene und dialogbereite, verunsichert sind. Wir
    sprechen nicht von Islamophobie oder Muslimfeindlichkeit. Aber die Menschen stellen Fragen: Was bedeutet die zunehmende sichtbare Präsenz des Islam für unser Land, für unsere Werte, für unsere demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Tradition?

    Zitat: Nun, wir hören:
    was bedeutet also die Sichtbarwerdung der Identität, vor der man ja ACHTUNG bekundet (siehe oben), von Menschen, die gerade mal 4% der Bevölkerung ausmachen? Machtanspruch? Totalitäre Übernahme? Ausrottung von was weiß man schon?
    Also, was bedeutet es, wenn man Muslime aufgrund ihrer Kleidung und eigenwilligem architektonischem Baustil und ihrer Verlässlichkeit in Beruf und Arbeit mehr und mehr wahrnimmt, be-achtet?
    Dass man sie umso mehr in der Öffentlichkeit, über die Medien, durch, aus dem Ausland herbei gezauberte und an die Wand gemalte Teufel zu diskriminieren hat? Oder was …?

    Was bedeutet die Integration einer Religion für unsere abendländischen, christlich-jüdischen und aufklärerischen Werte, wenn diese andere Religion eigenständige Werte- und Rechtstraditionen beinhaltet?

    Zitat: Also – ständig von einer christlich-jüdischen Werte Gesellschaft zu sprechen und diese in Gegensatz zur islamischen Gesellschaft zu stellen, ist ja schon ziemlich einäugig, wenn nicht sogar „bewusst irreführend“ zu nennen.

    Erstens:
    Wenn wir aus theologischer Sicht sprechen, dass sind die jüdischen Werte den islamischen Werten weit ähnlicher, als die christlichen Werte den jüdischen sind.
    Weiters sind bei Berücksichtigung aller theologischen Abweichungen und die Untersuchung ihrer Entstehung zwischen den drei abrahamitischen Religionen deren Werte einander weit näher, als die einzelnen Anhänger (im Unwissen über die wahren Werte der anderen – und ev. sogar der eigenen) anzunehmen gewillt sind.
    Die Juden begründen ihre Wertetradition auf dem Alten Testament – die Christen auf dessen Fortschreibung, dem Neuen Testament, und die Muslime auf dem letzten update dieses göttlichen für Mensch und Kreatur entwickelten Betriebssystems, dem Letzten Testament – dem Qur’an.
    Also für Theologen, die ihren Namen auch verdienen, sind die Werte dieser drei Gesellschaften eher kompatibel, denn einander entgegengesetzt. Ich empfehle – verbindlich - dazu unter anderem die Lektüre von: „CHRISTEN und MUSLIME – Was sie verbindet – Was sie unterscheidet“ von Andreas Renz & Stephan Leimgruber.

    Zweitens:
    Reden wir aber – erneut gegen die Regel – von gesellschaftspolitischer, Tradition, von der Grundlage, auf welcher unsere moderne Gesellschaft gründet, nämlich ihrem Rechtssystem (wir leben ja in einem säkularen Rechtsstaat, nicht vergessen!) – dann ist es eher angebracht, vom griechisch-römischen Kulturkreis und Erbe zu sprechen.
    Und, dass die Muslime einen ganz wesentlichen kulturpolitischen und wissenschaftlichen Beitrag geliefert haben, dieses Erbe in den Westen zu vermitteln, sollte in der Zwischenzeit auch jedem halbwegs gebildeten Menschen klar geworden sein. Siehe: RTLII:Wahrheit über den Islam, Europe und Kreuzfahrer (T1/5): http://www.youtube.com/watch?v=CUpGy7JQK9o
    Gepriesen sei die moderne Kommunikationstechnik! Doch über alles gepriesen sei der Allmächtige.

    Religionsfreiheit als zentraler Wert unseres Landes

    Das Grundrecht der Religionsfreiheit ist bei uns ein zentraler Wert. Die Menschen in unserem Land haben ein tiefes Verständnis für die Freiheit, und deshalb auch ein tiefes Verständnis für die Freiheit in religiösen Dingen. Wir sind ein Land mit vier Kulturen und Sprachen, hauptsächlich geprägt von zwei Konfessionen, wobei auch die jüdische Glaubensgemeinschaft schon seit vielen Jahrzehnten ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft ist.

    Zitat: Das ist ja nett. Da reden wir von der christlich-jüdischen westlichen Welt. Ja?
    Da ist das Judentum einige tausend Jahre älter als das Christentum – und da ist nun die Jüdische Glaubensgemeinschaft auch schon seit einigen Jahrzehnten! selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft.
    Als Muslim sage ich klar und deutlich, transparent und offen – an SOLCHEM Selbstverständnis mag ich nicht teilhaben – ich kann und will einfach nicht solange warten, bis es zur (selbstverständlichen) Anerkennung meiner (selbstverständlichen) Identität kommt und vereinnahmt möchte ich, selbst nach jahrtausenden nicht werden.

    Wenn wir nun vor der Aufgabe stehen, Anliegen von Menschen islamischen Glaubens aufzunehmen und nach Lösungen zu suchen, so geschieht dies oft nach typisch schweizerischer Eigenart: es dauert etwas länger, wir suchen nach Kompromissen, pragmatisch nach Augenmass und mit gesundem Menschenverstand.

    Zitat: Ja, es dauert schon etwas lange, wenn man 50 Jahre braucht, um zu erkennen, dass im Lande Menschen leben, die das menschliche Bedürfnis haben, ihre Identität, Kultur und Religion als bereichernde gesellschaftliche Aspekte in die Gesellschaft einzubringen. Aber na, was wollen Muslime sich da groß aufregen, es dauerte schließlich hunderte, ja tausende von Jahren, bis man in der Schweiz begriff, dass auch die Jüdische Gemeinschaft gerechter Weise religiöse Grundrechte einzufordern hat (siehe weiter oben).

    Beispielsweise in der Bestattungsfrage: Das Friedhofwesen ist in der Schweiz nicht mehr religiös geprägt. Es liegt in der Zuständigkeit der politischen Gemeinde. Dennoch wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Anliegen der islamischen Religionsgemeinschaften aufzunehmen.
    An einigen Orten war es sogar möglich, islamische Friedhofabteile einzurichten und die Grabfelder nach Mekka auszurichten.

    Zitat: Also das ist ja wirklich eine Leistung.
    Dazu nur folgendes: ALLEN Kulturen und Menschen zu ALLEN Zeiten, ist es klar und selbstverständlich (gewesen), dass bei unterschiedlichem Ritus, dem Anderen, den man neben sich billigt oder duldet, eigene Begräbnisfelder ZUSTEHEN! Da muss man weder wissen, wie der andere seine Toten begräbt oder wie er sie für das Begräbnis vorbereitet – sondern die so arg und listig strapazierte Achtung gebietet es, dieses Recht zu gewähren, solange nicht gegen wesentliche, übergeordnete gesellschaftliche Gesetze verstoßen wird.
    Nun sei die Frage erlaubt – was sind dann diese übergeordneten Interessen, wenn einen letzten Ruheplatz zu gewähren, so ein besonder’s Ding ist?

    Oder in der Frage des Baus von Moscheen: Viele Menschen in unserem Land haben Verständnis dafür, dass die islamischen Kultur- und Moscheevereine aus der Unsichtbarkeit
    der Garagen, Hinterhöfe und Fabrikhallen in die Sichtbarkeit der Öffentlichkeit treten möchten. Konflikte können dort entstehen, wo man sich nicht kennt, wo an
    Maximalforderungen festgehalten oder die Kompromissbereitschaft allzu gering ist, sei es auf Seiten der Behörden, der lokalen Bevölkerung oder auf Seiten der Religionsgemeinschaften.

    Zitat: Nun – Wie viele Muslime leben in der Schweiz? 4% der Bevölkerung.
    Wie viele Kirchtürme gibt es? (tausende?)
    Wie viele Minarette gibt es? ZWEI! – Huch – das gibt Anlass zur Besorgnis – das ganze jüdisch-christliche, oder war es ein christlich-jüdisches, oder hellenistisch- römisches Staats- und Herrschaftsgefüge gerät ins Wanken, droht gar zu kollabieren vor lauter Aufregung. Stellt Euch vor, Muslime wollten 4% an Minaretten, gemessen an der Zahl der Kirchtürme!

    Die Schweiz steht zum Grundrecht der Religionsfreiheit.

    Zitat: Das wollen wir uns mal merken und die Schweiz darin bestärken.

    Für Christen gibt es zum Eintreten für die Religionsfreiheit keine Alternative.

    Zitat: Nun, für uns Muslime gilt absolut das Gleiche.

    Sie bildet die Kernsubstanz der Menschenrechte und gilt für alle Menschen in unserem Land. Als Christen in diesem Land stehen wir dafür ein, dass unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ihre religiöse Überzeugung sichtbar und in Gemeinschaft leben können. Die islamischen Verbände werden in den christlichen Kirchen und jüdischen Verbänden auch weiterhin verlässliche Partner finden, wenn es darum geht, dieses Grundrecht der Religionsfreiheit zu verteidigen, einen regelmässigen Dialog aufzubauen, Begegnungen zu ermöglichen oder auf politischer Ebene eine Botschafterrolle für religiöse Anliegen zu wahrzunehmen.

    Zitat: An dieser Stelle sei vermerkt, dass Herr WIPF für die reformierte Partei der Christenheit in der Schweiz spricht, also keineswegs für die Mehrheit der Christenheit an sich und dass der Vatikanstaat (Trennung von Staat und Kirche – oder nicht – das ist hier die Frage, siehe nächsten Abschnitt) der einzige Staat in Europa ist, der die Menschenrechtskonvention NICHT unterzeichnet hat, wenn ich richtig informiert bin!

    Unsere Wahrnehmungen und unsere Fragen

    Wir sind aber heute an einem sensiblen Punkt angelangt. In letzter Zeit nehmen wir Entwicklungen wahr, die wir im Dialog mit unseren muslimischen Partner ansprechen wollen und ansprechen werden. Ich nenne 4 Beispiele:

    1. Beispiel: Die Frage nach der Unterscheidung zwischen Politik und Religion

    Eine der wichtigen Fragen, die uns beschäftigt, ist die Unterscheidung zwischen Politik und Religion. Religionsfreiheit kann nur verwirklicht und gesichert werden, wenn die staatliche
    Ordnung einen säkularen, demokratischen Charakter trägt und eine Pluralität von Meinungen und Weltanschauungen zulässt.

    Zitat: Da sind wir einer Meinung – das wollen wir mal festhalten und uns merken. „Euch Euer Glaube – und uns der unsere“. Die Anliegen der Schweiz uns Beiden!

    Unsere islamischen Gesprächspartner versichern uns, der Islam sei durchaus mit einem freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Verständnis der Gesellschaft vereinbar. Ich kenne viele, vor allem auch junge, Muslime und Musliminnen der zweiten und dritten Generation in der Schweiz, welche die freiheitlichdemokratischen Werte schätzen und mittragen. Die Frage stellt sich, welche Bedeutung dann aber die Aussagen von wichtigen Personen oder Organen haben, welche klar in eine andere Richtung weisen? So meinte etwa der Imam der Moschee in Genf zum Thema der Steinigung von Ehebrecherinnen, er könne nicht dagegen sein, da die Steinigung Teil des islamischen Rechts sei. Ähnliche Fragen wirft auch die jüngste Stellungnahme des Koordinierungsrates der Muslime in Deutschland auf.

    Zitat: Dazu sollte man von christlicher Seite zur Kenntnis nehmen, dass:
    erstens der Steinigungsparagraph aus der Bibel, dem Buch der Juden und Christen stammt und dass Jesus Christus (Gottes Friede und Wohlgefallen mit ihm) dieses Gesetz ausdrück¬lich nicht abschaffte, sondern durch seine Sunna (sein Beispiel) – relativierte – und insofern zur Aussetzung bracht!
    Und zweitens der Steinigungsparagraph NICHT im Qur’an festgeschrieben ist, Prophet Muhammad (Gottes Friede und Wohlgefallen sein mit ihm) beschritt in seiner Sunna genau denselben Weg wie sein Vorgänger im Prophetenamt, Jesus Christus, das gesegnete Wort von Gott.
    Und drittens, der angesprochene Imam in keinster Weise die Umsetzung dieser alttestamentarischen Gesetzgebung (die so gesehen auch im Neuen Testament durch Jesu bestätigt wurde) in der Schweiz forderte, sondern sich letztlich einer theologischen Problematik stellte, welche ja auch in der Bibel thematisiert wurde (siehe: Stephanus vor dem Hohen Rat; Apg. 6, oder Lukas 24:44 (mit anderen Vorzeichen) und Mathäus 5:17.
    Vielmehr wurde eine theologische Reflexion des Imams aus dem Kontext gezerrt und instrumentalisiert, um gegen den Islam und die Muslime Stimmung zu machen.
    Aber aufgepasst! Glashäuser sind eine fragile Sache und Hochmut der Motor auf dem Weg in die Grube, die man für andere schaufelt!

    Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte vor rund einem Jahr unter dem Titel „Klarheit und gute Nachbarschaft“ Christen und Muslime in Deutschland. eine Handreichung für das christlich-muslimische Gespräch in den Gemeinden veröffentlicht. Darin werden Themen angesprochen, bei denen im Gespräch zwischen Christen und Muslimen noch keine gemeinsame Sicht zu Stande gekommen ist. Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland hat mit Empörung auf diesen Text reagiert und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass „der Islam keine Trennung zwischen sakralem und weltlichem Raum kennt“. Also sei z.B. der zivilrechtliche Akt der Eheschliessung gleichzeitig als gottesdienstlicher Akt zu verstehen. In Bezug auf die religiöse Neutralität des Staates bestehen also Fragen, die geklärt werden müssen.

    Zitat: Zuerst sollte geklärt werden, ob wir überhaupt die gleiche Sprache sprechen oder gleiches Sprachverständnis haben!

    Ich gehe noch ein Stück weiter: Im Islam ist sogar ein LÄCHELN ein GOTTESDIENSTLICHER AKT, eine ART Gottesdienst!
    Ja, da muss noch einiges geklärt werden – aber es liegt an den „Christen“ die Dinge sich endlich mal in Ruhe und mit Verständnis anzuhören und sich setzen zu lassen, sie zu verstehen, wie sie zu verstehen sind – und sie nicht ständig durcheinander zu bringen, unzulässig zu vermischen und keine Ruhe zu geben - weder sozial, noch rational, noch politisch oder emotional.

    Hier kann sowohl die Stellungnahme des EDK, wie auch die Entgegnung der Muslime nachgelesen werden: http://www.iphpbb.com/board/ftopic-43715060nx17898-141.html

    Nach unserer Auffassung hat der Staat gerade um der Religion willen „keine Religion“. Der Staat soll nicht Hüter der Wahrheit, er soll Hüter der Freiheit sein. Auch wenn dies für unsere muslimischen Gesprächspartner bemühend sein mag, wir werden immer wieder darauf hinweisen, dass gewisse Werte bei uns nicht verhandelbar sind: die Geltung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Freiheit des Individuums, die religiöse Neutralität des Staates, der Primat des säkularen Rechts.

    Zitat: Auch wenn es unserem protestantischem Gesprächspartner Protest abverlangt und gar nicht passen mag – wenn wir Muslime in diesen Fragen eher mit der anglikanischen Kirche (weniger mit ihren Rittern) und der katholischen Kirche übereinstimmen, dürfen auch wir darauf hinweisen, dass fundamentale oder more political correkt, grundlegende religiöse Lehren nicht verhandelbar sind.
    Auch verhandeln wir hier in der Schweiz nicht über: die Geltung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Freiheit des Individuums, die religiöse Neutralität des Staates, der Primat des säkularen Rechts, sondern bestärken all diese Bereiche zum Wohle aller Staatsbürger in diesem Land – und verstehen schon aus diesem Grunde gar nicht, warum Christen unter Thomas Wipf und anderen meinen, die religiöse Neutralität des Staates zu Gunsten ihrer eigenen, persönlichen Neigung und angeblichen historischen Vergangenheit korrumpieren zu müssen oder gar zu dürfen.

    Es gibt in unserer Gesellschaft keinen grundrechtsfreien Raum, auch nicht im privaten Bereich der Familie. Wer Rechte beansprucht, die im Rahmen unserer Bundesverfassung für alle gelten, der hat auch Pflichten.
    Das gilt für alle.

    Zitat: Natürlich – das gilt bis hin zum intimsten Bereich und Raum, ganz die Rede der Muslime!

    2. Beispiel: Religionsfreiheit als Konversionsfreiheit

    An der vorletzten Sitzung des Schweizerischen Rates der Religionen (SCR) haben wir auch die Frage der Konversionsfreiheit ein erstes Mal andiskutiert. In islamischen Medien wird regelmässig darüber berichtet, dass in Europa jedes Jahr Tausende junger Menschen zum Islam übertreten. Umgekehrt ist die Situation schwieriger. Junge Menschen, auch bei uns, welche vom Islam zum Christentum übertreten möchten, können dies zum Teil nur im Versteckten tun. Taufe und Kircheneintritt müssen im Geheimen stattfinden, weil diesen jungen Menschen sonst die Abschiebung in ihre Heimat oder der Ausschluss aus der Familie droht. Unsere muslimischen Gesprächspartner müssen verstehen, dass wir diese Situation nicht hinnehmen können. Wir erwarten von den Verantwortlichen eine kontinuierliche Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit in der islamischen Gemeinschaft. Das Recht, seine
    Religion frei zu wählen ist ebenfalls in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert und muss für alle Menschen in diesem Land gleichermassen gelten. Mit der Erklärung, dass die Einschränkung der Religionsfreiheit nicht im Islam, sondern in gewissen kulturellen Traditionen begründet sei, können wir uns nicht abfinden.

    Zitat: Dann finden sie sich diese Christen eben nicht damit ab – es ist ihre Entscheidung. Die Entscheidung der Muslime in der Schweiz allerdings ist, dass die freie Wahl der Religion ein von ihnen anerkanntes, vom Staat geschütztes Recht darstellt, welches es zu erhalten gilt.

    Die muslimische Frau, die ein Kopftuch trägt, muss in unserem Land auch die Freiheit haben, ihr Kopftuch abzulegen.

    Zitat: Nun – diese Freiheit, lieber Thomas, ob Sie’s glauben oder nicht, hat die muslimische Frau im Libanon, in Marokko, in Syrien, in Ägypten, in der Türkei usw. und SELBSTVERSTÄNDLICH in der Schweiz. Es ist den Muslimen nur auf eine Weise beschränkt erklärlich, warum SIE diese Thematik hier in der Schweiz, in Europa ständig auf ungute Art thematisieren.
    Und als Nachsatz: Was bekümmert SIE als Christ daran, wenn Frauen FREIWILLIG ihre sekundären Geschlechtsmerkmale bedecken? Wie ist Ihre Antwort auf diese Frage?

    3. Beispiel: Die Einflussmöglichkeiten islamischer Staaten auf die Ausrichtung islamischer Moscheevereine in der Schweiz

    Christen können in vielen islamischen Ländern nur in eingeschränkter Form ihren Glauben leben und kirchliches Leben entwickeln. Diese Situation erfüllt uns mit grosser Sorge.

    Zitat: Auch (wir) Muslime teilen diese Sorge. (Bitte Herrn Maizar dazu extra befragen, denn für ihn spreche ich nicht, er spricht nur für sich selbst!)

    Unsere islamischen Partner in der Schweiz versichern uns, dass sie leider keine Möglichkeit sehen, in ihren Herkunftsländern bei den Behörden zu Gunsten der christlichen Minderheiten Einfluss zu nehmen. Umgekehrt gibt es zunehmend Anzeichen dafür, dass ausländische Staaten in der Schweiz islamische Interessen vertreten, d.h. Einfluss auf die Ausrichtung der hiesigen islamischen Kultur- und Moscheevereine nehmen und sogar die Leitung der Moschee bestimmen.

    Zitat: „Wer zahlt, bestimmt“ – das sollte ihnen als Schweizer bekannt sein, oder?
    Und Sie können es wieder glauben oder nicht, wir Muslime hier in der Schweiz sind nicht nur aus diesem Grund in ebenfalls äußerst großer Sorge, wegen JEDWEDER fremder oder ausländischer Einflussnahme auf innerschweizerische, muslimische Angelegenheiten.

    So wurde z.B. vor einigen Wochen bekannt, dass in der Grossen Moschee in Genf auf Betreiben des saudischen Königshauses verschiedene langjährige und in der Genfer Gesellschaft integrierte Kaderpersonen aus der Moscheeleitung entlassen und durch konservative Persönlichkeiten ersetzt wurden.

    Zitat: Letztlich ist dies eine administrative Maßnahme, einer Vorstandsumbesetzung eines Konzerns vergleichbar, die man, je nach Position oder Einsicht eben gutheißt oder eben nicht.

    Fragen kommen bei uns z.B. auch dann auf, wenn der iranische Botschafter in der Schweiz bei einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Schweizerischen Rates der Religionen die Diskriminierung der Muslime in der Schweiz beklagt und die Schweiz einlädt, sich an der religiösen Toleranzpolitik des Iran ein Bespiel zu nehmen und schlussendlich noch die Erwartung ausspricht, dass sich der Schweizerische Rat der Religionen für den Bau des Islamischen Zentrums in Bern ausspricht.

    Zitat: Warum stellen Sie diese Fragen nicht gleich dem Iranischen Botschafter?
    Warum belasten Sie die iranischen und nicht iranischen Muslime in der Schweiz mit Ihrem unbefriedigten Wissensdurst?

    Es darf keine Symmetrie des Unrechtes geben. Aber weil die Religionsfreiheit als Menschenrecht universale Geltung beansprucht, gilt sie für alle und an allen Orten. Und das heisst: für Muslime in der Schweiz genauso wie für Christen in islamischen Ländern.

    Zitat: (Wir) Muslime hier in der Schweiz unterstützen diesen Anspruch, wo und wie wir können.

    4. Beispiel: Welche Bedeutung hat der interreligiöse Dialog für die islamischen Verbände?

    Zitat: Langsam fragen sich die Muslime, wie oft sie sich verbindlich zu äußern hätten, nur um immer und immer wieder festzustellen, dass ihre Aussagen ohnehin aus diesem oder jenem Grunde nicht verbindlich wären und letztlich auch nicht ernst genommen werden, sondern eher absichtlich missverstanden und verzerrt, missverständlich wiedergegeben werden.
    Unter diesem Gesichtspunkt lässt die Motivation zum Dialog ständig nach (ausgenommen sind die Nimmermüden, wie der Autor dieser Zeilen einer ist und einige der bezahlten, professionellen Dialogisten).

    Auch auf Initiative der christlichen Kirchen bestehen seit vielen Jahren auf lokaler und kantonaler Ebene Runde Tische der Religionen, interreligiöse Foren und ein reiches Netz von Begegnungsinitiativen.
    Ebenso ist der Schweizerische Rat der Religionen (SCR) auf nationaler Ebene auf Initiative von christlicher Seite entstanden. Die islamischen Vereine und Dachverbände, das haben wir mit grosser Anerkennung feststellen dürfen, konnten ihre Selbstorganisation innert kurzerZeit so weit entwickeln, dass sie in der Lage waren, ihre Delegierten für diese verschiedenen interreligiösen Foren zu benennen. So konnten die beiden islamischen Dachverbände der Schweiz, die Föderation islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS) und die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), je einen Vertreter für den Schweizerischen Rat der Religionen benennen.
    Nach einem Jahr darf die Bilanz des Rates der Religionen vorsichtig positiv beurteilt werden:

    Die Gespräche sind offen und von gegenseitigem Vertrauen geprägt; zudem kommen relevante Themen, wie z.B. die Frage der Religionskunde im Rahmen der Harmonisierung der kantonalen Lehrpläne (Projekt HarmoS der EDK), in den Blick. In diesem Zusammenhang ist nach den Sommerferien ein Treffen des Schweizerischen Rates der Religionen mit dem Präsidium der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz EDK geplant. Bundesrat Couchepin will sich im Auftrag der Landesregierung zwei Mal im Jahr mit dem SCR treffen.

    Die Frage, die uns aber zunehmend beschäftigt, und wir hören ähnliche Andeutungen aus unseren Mitgliedkirchen ist folgende: Haben die interreligiösen Gesprächsforen für unsere muslimischen Gesprächspartner auch dann eine Bedeutung, wenn sie nicht nur den eigenen Anliegen nützen? So hat der Rat der Religionen von den Plänen für ein grosses islamisches Zentrum Bern erstmals aus der Sonntagspresse erfahren.

    Zitat: Dieses Beispiel zu erwählen, scheint bezeichnend.
    Solch ein Projekt vorzubereiten braucht Professionalität und Zeit (was die Schweizer ja eh wissen, siehe oben). Keineswegs geschah diese Vorbereitung im Geheimen sondern in offenem Dialog und gegenseitiger Beratung mit den zuständigen behördlichen Stellen. Wann allerdings dieses, oder irgendein anderes Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt wird – ist IMMER noch Sache des Projektanten.
    Hier scheint es eher um die beleidigte Reaktion von „nicht mit eingebundenen Persönlichkeit(en)“ zu gehen (auch auf muslimischer Seite), denn um ein religiöses, politisches oder sozial relevantes Anliegen. Was indirekt dazu geführt hat, dass das Projekt bereits heute als gescheitert betrachtet werden muss. Transparenz und Offenheit gehören für uns unverzichtbar zum Dialog dazu.
    Wir haben Fragen; aber wir bleiben verlässlich im Dialog.

    Zitat: Nennt man Verlässlichkeit im Dialog, ständig die gleichen Fragen zu stellen und die ebenfalls stets gleich bleibenden Antworten nicht zu akzeptieren?

    Die islamischen Vereine und Dachverbände werden in den christlichen Kirchen auch in Zukunft verlässliche Partner finden.

    Zitat: Nur zu, ihr Vereine und Dachverbände, ihr Eliten des heiligen Abendlandes – macht bloss die Rechnung nicht ohne den Wirt?

    Gleichzeitig sind wir heute an einem sensiblen Punkt angelangt. Auf dem Hintergrund von Wahrnehmungen, die ich anhand von vier Beispielen aufzuzeigen versucht habe, müssen sich unsere muslimischen Gesprächspartner kritische Fragen gefallen lassen. Ich hoffe, dass wir dazu in ein ernsthaftes und klärendes Gespräch kommen.

    Zitat: Wie ist denn der Dialog, das Gespräch zu nennen, der bislang stattfand?
    Wurden doch die angeschnittenen Themen niemals ausgeklammert.
    Oder wollt ihr gar die Gesprächspartner auswechseln?
    Das schafft Ihr nie und wollt Ihr nimmer.

    Aufruf zum transparenten Dialog und zur gemeinsamen Arbeit an einer friedlichen Zukunft

    Die Religionen, insbesondere Christen, Juden und Muslime haben eine gemeinsame Grundlage. Der Glaube an Gott und die Sehnsucht nach Frieden. Dieses Gemeinsame sollten wir stärken. Das Gemeinsame ist stärker als das Trennende. Das Gemeinsame hält auch gegenseitige kritische Fragen aus.

    Zitat: Klar doch – aber werden auch die Antworten angenommen und ausgehalten, wenn sie NICHT unbedingt dem eigenen Geschmack entsprechen?

    Ich rufe deshalb heute Christen, Juden und Muslime gleichermassen dazu auf, das Gemeinsame im Blick zu behalten und gemeinsam einen Beitrag zu leisten zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft und zum friedlichen Zusammenleben zwischen verschiedenen Religionen und Kulturen.

    Zitat: Und wie bitte schön, soll sich das Konkret äußern, soll das Ganze nicht (wie so treffend von unserem reformierten Bruder aus Ghana gestern in Bern gesagt wurde,) zur „intellektuellen Gymnastik“ verkommen, denn anders als durch unvoreingenommene Kooperation an konkreten Projekten und Unterfangen mit Verbindlichkeitscharakter?

    Ich rufe heute die islamischen Vereine und Dachverbände dazu auf, am ernsthaften Gespräch und am Dialog mit den Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft verbindlich teilzunehmen.

    Zitat: Nochmals – wenn die islamischen, die muslimischen Vereine das bislang nicht ohnehin getan haben, haben sie das Recht als ernst zu nehmende Dialogpartner bezeichnet zu werden, schon längst verwirkt.
    Wenn sie aber doch am ernsthaften Gespräch verbindlich beteiligt waren, was soll dann dieser tönende Aufruf?

    Wir sind als Kirchen bereit, weiterhin ihre Anliegen und Bedürfnisse aufzunehmen und nach Lösungen zu suchen. Es sind manche Anliegen, die uns gemeinsam sind. Aber wir erwarten von den Vertretern islamischer Verbände, dass sie auch unsere Fragen hören und bereit sind, auch unsere Anliegen aufzunehmen. Wir sind bereit, den Islam und seine Kulturen kennen zu lernen. Aber wir erwarten auch von ihnen die Bereitschaft, die Christen, die Kirchen, die jüdische Glaubensgemeinschaft und die Kultur unseres Landes kennen zu lernen. Wir erwarten von ihnen einen Dialog auf Augenhöhe, geprägt von Transparenz, Offenheit und Kompromissbereitschaft.

    Zitat: Nichts dagegen! Mir scheint allerdings, dass für einen Dialog auf Augenhöhe, der eine oder andere von seinem hohen Ross herabzusteigen haben wird – ob er sich nun Muslim nennt oder Christ.
    Wenn Transparenz bedeutet, die Bücher offenzulegen und eine gegenseitige Überprüfung der Bücher zuzulassen – wohl an – so soll es sein.
    Wenn Kompromissbereitschaft bedeutet die Fundamente des Glaubens zu verlassen, dann liebe Leute, heißt die Antwort, transparent und deutlich - NEIN. Aber in dieser Frage sind wir uns ja ohnehin einig! :wink:

    Ich ermutige die islamischen Vereine und Dachverbände, die eingeleiteten Schritte der Selbstorganisation weiterzuführen. Wir brauchen für den verbindlichen Dialog auf allen Ebenen repräsentative Vertretungen und Ansprechpartner. Die Muslime in der Schweiz müssen sich deshalb als Religionsgemeinschaft verstehen und als solche organisieren. Die Kirchen sind gerne für einen entsprechenden Erfahrungsaustausch mit ihnen bereit.

    Zitat:
    Vielen Dank für diesen Hinweis und Ihr freundliches Angebot.
    Hier ein Hinweis zum Thema von unseren katholischen Brüdern:
    http://www.kath.net/detail.php?id=4287
    http://www.iphpbb.com/board/viewtopic.php?nxu=43715060nx17898&p=357#357



    Re: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

    M.M.Hanel - 23.06.2007, 14:51


    Ein wirklich lesenswerter Beitrag. Empfehlenswert für alle, die sich um den rechtsphilosophischen Aspekt der Problematik "Staat - Kirche" kümmern und an dessen Bearbeitung interessiert sind.
    Die Hervorhebungen stammen von mir; MMH


    http://www.nzz.ch/2007/06/23/li/articleF9F0L.html

    23. Juni 2007, Neue Zürcher Zeitung

    Wie können die Religionen friedlich und frei beisammen leben?

    Über den säkularen Staat, seine Neutralität und die Probleme, mit denen
    er im 21. Jahrhundert konfrontiert ist

    Ohne den säkularen Rechtsstaat gäbe es keine allgemeine
    Religionsfreiheit. Die weltanschauliche Neutralität, zu der der Staat
    sich im Namen der Freiheit und aus der Erfahrung der Religionskriege
    heraus verpflichtet hat, kann allerdings verschiedenerlei Gestalt annehmen.

    Von Ernst-Wolfgang Böckenförde

    Die Rede vom säkularisierten Staat ist heute weit verbreitet. Der
    säkularisierte Staat erscheint einerseits - ungeachtet einer erwarteten
    wachsenden Bedeutung des Religiösen - weithin als epochale politische
    Kulturleistung, denn er hat es möglich gemacht, dass Menschen
    verschiedener religiöser Überzeugung und Weltanschauung friedlich und in
    Freiheit in und unter einer gemeinsamen Ordnung leben können. Anderseits
    erhebt sich die Frage, ob dieser Staat von seinem Konzept her den neuen
    Herausforderungen, die mit einer Wiederkehr des Religiösen und dem
    Wachsen fundamentalistischer Strömungen einhergehen, hinreichend
    gewachsen ist, ob also nicht ein Umbau, vielleicht sogar eine
    Metamorphose zu einem postsäkularisierten Staat stattfinden müsse.

    ZWEI KONZEPTE

    Aber was ist eigentlich damit gemeint, wenn von einem säkularisierten
    Staat gesprochen wird? Der Charakter des säkularisierten Staates lässt
    sich zunächst so umschreiben, dass in ihm die Religion beziehungsweise
    eine bestimmte Religion nicht mehr verbindliche Grundlage und Ferment
    der staatlichen Ordnung ist. Staat und Religion sind vielmehr
    grundsätzlich voneinander getrennt, der Staat als solcher hat und
    vertritt keine Religion. Er hat sich von der Religion, welche für die
    politische Ordnung in Antike und Mittelalter lange Zeit bestimmend war,
    emanzipiert und insofern säkularisiert. Er verfolgt in der Gestaltung
    des Zusammenlebens der Menschen allein weltliche Zwecke und legitimiert
    sich aus ihnen; geistliche und religiöse Zwecke liegen «ausserhalb
    seines Befugniskreises». Er realisiert damit ein Prinzip, das schon
    1562, am Vorabend der Hugenottenkriege in Frankreich, die weitere
    Entwicklung antizipierend, Michel de L'Hôpital, der Kanzler des Königs
    von Frankreich, formuliert hatte. Nicht darauf komme es an, welches die
    wahre Religion sei, sagte er im Conseil des Königs, sondern wie man
    beisammen leben könne.

    Führt diese Trennung von Religion und Staat dann aber nicht zu einem
    gottlosen Staat, einem Staat ohne Gott?
    Das wäre voreilig. Zwar verliert
    der Staat die Eigenschaft einer «societas perfecta» im Sinne eines
    umfassenden, alle Lebensbereiche der Menschen in sich einbeziehenden
    Gemeinwesens, das sich selbst genügt, wie es in der politischen Theorie
    des Aristoteles vorgestellt wird. Aber die Religion wird vom
    säkularisierten Staat keineswegs negiert oder beiseite gestellt. Er
    findet sie vor und setzt sich in ein Verhältnis zu ihr. Dieses
    Verhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass zum einen die Religion vom
    Staat freigegeben, in Freiheit gesetzt wird. Ihre Zulassung,
    Organisation und Ausübung ist keine staatliche Angelegenheit mehr, wird
    auch vom Staat nicht gelenkt und dirigiert; der säkularisierte Staat
    verzichtet - dies war in der Entwicklung ein langwieriger Prozess - auf
    jedwede Form von Religionshoheit, er leiht auch seinen weltlichen Arm
    nicht mehr für die Durchsetzung der Religion oder religiöser Forderungen.

    Zum andern aber wird die Freiheit und Wirksamkeit der Religion vom Staat
    und von seiner Rechtsordnung unter dem Gesichtspunkt seiner weltlichen
    Aufgaben und Zwecke auch eingegrenzt. Insoweit haben sich zwei
    unterschiedliche Konzepte staatlicher Neutralität herausgebildet: zum
    einen das Konzept der distanzierenden Neutralität, exemplarisch
    verwirklicht in der französischen laïcité - nicht hingegen in der
    türkischen Laizität, die nichts anderes ist als ein staatlich-
    verwalteter Islam; zum anderen das Konzept der übergreifenden offenen
    Neutralität, wie es in der Bundesrepublik Deutschland, aber keineswegs
    nur dort gilt. Die distanzierende Neutralität verweist die Religion
    tendenziell in den privaten und privat-gesellschaftlichen Bereich und
    hält sie dort fest, die übergreifende, offene Neutralität gibt ihr
    darüber hinaus auch Entfaltungsraum im öffentlichen Bereich, wie
    beispielsweise Schule, Bildungseinrichtungen und dem, was
    zusammenfassend als öffentliche Ordnung bezeichnet wird; dies freilich
    ohne jede Form der Identifikation.

    Der Unterschied beider Konzepte ist nicht nur ein formaler, er wirkt
    sich vor allem in den Bereichen aus, die einen geistlich-religiösen und
    weltlich-politischen Aspekt zugleich haben (res mixtae). Diese gibt es
    überall dort, wo eine Religion sich nicht auf Gottesverehrung in Form
    von Liturgie und Kultus beschränkt, sondern auch das Leben in der Welt
    und Verhaltensgebote dafür in sich einbegreift, wie das bei der
    christlichen Religion, ebenso aber auch im Islam und im Judentum der
    Fall ist. Die distanzierende Neutralität gestaltet insoweit die
    Rechtsordnung rein weltlich, weist die religiösen Aspekte als irrelevant
    und privat ab; die offene Neutralität sucht hingegen einen Ausgleich
    herzustellen, indem das Bekenntnis und die Möglichkeit, das Leben gemäss
    der Religion zu führen, auch im öffentlichen Bereich, soweit mit den
    weltlichen Zwecken der staatlichen Ordnung vereinbar, durch die
    Rechtsordnung zugelassen und in sie hineingenommen werden.

    BRIEFWECHSEL MIT EINEM KARDINAL

    Hier zeigt sich ein Dilemma. Der säkularisierte Staat ist heute und in
    Zukunft zunehmend auf vorhandene und gelebte Kultur als die Kraft
    angewiesen, die eine relative Gemeinsamkeit vermittelt und ein die
    staatliche Ordnung tragendes Ethos hervorbringt. Nun hat sich aber diese
    Kultur nicht nur am Rande, sondern weithin aus bestimmten religiösen
    Wurzeln, aus davon geprägten Traditionen und Verhaltensweisen geformt.
    Diese sind ihr auch als säkularer Kultur, die sie heute ist, noch
    inhärent, sei es als Ablagerungen, sei es als gelebte
    Traditionsbestände. Wenn diese Kultur sich nun, mit veranlasst durch
    zunehmende Migrationsprozesse und wachsende internationale
    Freizügigkeit, in Richtung auf eine eher heterogene Vielfalt - ethisch,
    religiös, kulturell - umzubilden begonnen hat, kann dieser Staat dann
    volle Religionsfreiheit, Religionsneutralität und Gleichberechtigung
    aller Religionen gewährleisten, ohne dass der kulturelle Sockel, auf dem
    er aufruht, sich zunehmend parzelliert, aushöhlt und seine tragende
    Kraft einbüsst? Der unselige Kopftuchstreit, der nicht nur in
    Deutschland von einer Runde in die andere geht, ist ein Symptom für
    dieses Dilemma. Lässt sich eine Lösung finden?

    Zur Verdeutlichung des Problems möchte ich von einem Briefwechsel
    berichten, den ich vor zwei Jahren mit dem damaligen Präfekten der
    Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger, hatte. Zu meinem Plädoyer
    gegen ein generelles Kopftuchverbot für Lehrkräfte schrieb der Kardinal,
    dass er bei fast vollständiger Zustimmung in einem Punkt etwas anders
    denke. In einem weltanschaulich neutralen Staat müssten nicht alle
    öffentlich erscheinenden Symbole gleich behandelt werden, so dass
    entweder alle gleichmässig oder keines öffentlich erscheinen könne. Ein
    Staat habe doch seine eigenen kulturellen und religiösen Wurzeln, die
    auch dann für ihn in gewisser Hinsicht konstitutiv blieben, wenn er
    selbst sich den Religionen gegenüber zur Neutralität verpflichtet wisse.

    Andernfalls, so der Kardinal, müssten die Privilegien des Sonntags
    verschwinden, müsste die Gesetzgebung in Sachen Ehe und Familie
    gleichermassen der muslimischen wie der christlichen Tradition Rechnung
    tragen. Abschliessend heisst es: «Ein Staat kann sich nicht völlig von
    seinen eigenen Wurzeln abschneiden und sich sozusagen zum reinen
    Vernunftstaat erheben, der ohne eigene Kultur und ohne eigenes Profil
    alle für Ethos und Recht relevanten Traditionen gleich behandelt und
    alle öffentlichen Äusserungen der Religionen gleich einstuft. Was in der
    Diskussion der letzten Jahre ziemlich unzulänglich mit dem Wort
    "Leitkultur" angesprochen war, ist in der Sache fundiert.»

    In meiner Antwort darauf schrieb ich, der Vorbehalt, den er anmelde,
    weise auf ein wichtiges Problem hin, das in der Debatte leicht übersehen
    werde und auch von mir nicht aufgegriffen worden sei. «Sie haben recht,
    jede staatliche Ordnung hat ihre eigenen kulturellen und auch religiösen
    Wurzeln, und das prägt sich in ihren Institutionen und ihrer
    Rechtsordnung mehr oder minder aus, auch dann (noch), wenn der Staat ein
    säkularer, den Religionen und Weltanschauungen gegenüber neutraler Staat
    ist. Er muss sie um der Gleichbehandlung der Religionen willen nicht
    verleugnen und kann seinen davon geprägten "ordre public"
    aufrechterhalten.» Zu diesem ordre public gehöre aber angesichts der
    Anerkennung der Religionsfreiheit als Menschenrecht, das in der Würde
    der menschlichen Person begründet ist, dass andere Religionen und
    Bekenntnisse nicht von dieser Freiheit, ihren Glauben zu haben und ihn
    privat und öffentlich zu bekunden, ausgeschlossen oder darin wesentlich
    beschränkt würden; «insofern ist Religionsfreiheit nicht teilbar und
    muss eine Offenheit auch für religiöse Symbole anderer Bekenntnisse
    Platz greifen. Eine solche Offenheit muss auch die bestehende
    "Leitkultur" (der Begriff ist in der Tat nicht gut) in sich aufnehmen,
    ohne ihre Eigenart deshalb verleugnen zu müssen.» Ich wies noch auf zwei
    Beispiele hin, wie beides zu vereinbaren ist: Die Fordwerke in Köln
    sollen ihre Arbeitsabläufe so organisiert haben, dass die überwiegend
    muslimischen türkischen Arbeiter ihre Gebetszeiten einhalten können, und
    in den preussischen Gymnasien wurden samstags keine Klassenarbeiten
    geschrieben, damit die jüdischen Schüler Schulbesuch und Sabbatgebot
    miteinander vereinbaren konnten.

    Die Quintessenz dieser Diskussion liegt für mich darin, dass einerseits
    Religionsfreiheit als Menschenrecht nicht unter einem Kulturvorbehalt
    steht und stehen darf, anderseits aus der Religionsfreiheit und
    Gleichberechtigung der Religionen kein Anspruch auf die Einebnung
    religiös determinierter Prägung der Kultur und Lebensform als Teil des
    ordre public erwachsen kann. Im Blick auf solche Prägung leben die
    Angehörigen anderer Religionen (zumeist Minderheitsreligionen) in der
    Diaspora. Für solches Leben in der Diaspora geben übrigens der Islam und
    die jüdische Religion explizit die Anweisung, die Gesetze und
    Gewohnheiten des Landes zu achten.

    Angesichts zunehmender und eher heterogener religiös-kultureller
    Vielfalt könnte sich der Übergang zu einer strikt distanzierenden
    Neutralität des Staates nahelegen, gewissermassen als «zweite Wahl», um
    solche Vielfalt in den privaten Bereich abzudrängen und das öffentliche
    Zusammenleben davon zu entlasten. Dieser Weg müsste für seine allgemeine
    Akzeptanz auf eine Ideologie des Laizismus zusteuern, wie sie in
    Frankreich wirksam ist. Aber er bringt keine tragfähige Lösung. Die
    Menschen wollen nicht nur halb und privat, sondern zur Gänze aus ihren
    Wurzeln leben können, nicht davon abgeschnitten werden, und sie haben
    ein Anrecht darauf. Auch die erstrebte Integration hat das Ziel, die
    Menschen in die gemeinsame Ordnung einzubeziehen, ohne ihnen die Aufgabe
    ihrer Identität abzuverlangen. Sie unterscheidet sich gerade dadurch von
    purer Assimilation. Integration setzt ein Lebenkönnen aus den eigenen
    Wurzeln voraus. Es muss daher bei einer offenen, übergreifenden
    Neutralität bleiben, die der Verschiedenheit auch öffentlich Raum gibt,
    ohne deshalb die Grundgestalt der eigenen Ordnung aufzulösen.

    Der Weg zur Lösung liegt demgegenüber in der Stabilisierung einer
    offenen säkularen Freiheitsordnung. Dazu bedarf es freiheitsbezogener,
    aber auch freiheitsbegrenzender Gesetze, deren Einhaltung und
    Beobachtung dann strikt durchgesetzt wird. Sie müssen klare, in sich
    begründete Wegmarken und Linien vorgeben, die auch begrenzte
    Toleranzräume enthalten, aber nicht in die Unübersichtlichkeit
    permanenter Abwägung auseinanderlaufen. Das ist in mehreren Bereichen
    angezeigt, zwei seien herausgehoben: die Unabdingbarkeit des allgemeinen
    Schulunterrichts, einschliesslich der schulischen, auch ko- edukativen
    Umgangs- und Erscheinungsformen, und der Schutz religiöser Überzeugungen
    in dem, was ihnen heilig ist, vor Diffamierung und Herabsetzung. Solche
    freiheitsbezogenen Gesetze, werden sie konsequent und unparteiisch
    angewandt, vermögen eine neue Art von einigendem Band in einer pluralen,
    teilweise auseinanderstrebenden kulturellen Wirklichkeit
    hervorzubringen: die Gemeinsamkeit des Lebens in und unter einer
    vernunftgetragenen gesetzlichen Ordnung, die unverbrüchlich ist. Der so
    wichtige Satz Montesquieus: «Freiheit heisst, alles tun zu dürfen, was
    die Gesetze erlauben», erhält auf diese Weise eine neue Bedeutung und
    legitimierende Kraft - das Gesetz, nicht die Beliebigkeit, ist das
    Panier der Freiheit, auch und gerade unter den Bedingungen partieller
    Heterogenität.

    ETHOS DER GESETZLICHKEIT

    Das führt wieder auf die Frage nach der notwendigen Gemeinsamkeit und
    dem tragenden Ethos im säkularisierten Staat zurück. Geht der Staat in
    dieser Weise vor, schafft er eine Art von Gemeinsamkeit, die Pluralität
    und partielle Heterogenität zu übergreifen vermag: das gemeinsame Leben
    unter freiheitsbezogenen Gesetzen, deren Grenzziehung von allen
    gleichermassen zu befolgen ist. Anstelle von ausgreifenden
    Wertbekenntnissen wird Gesetzesloyalität zur Grundlage des gemeinsamen
    Zusammenlebens. Das zugehörige Ethos der Gesetzlichkeit vermag eine
    solche Ordnung mitzutragen und zu stabilisieren.

    Ist aber ein solches Konzept auch durchführbar gegenüber Religionen und
    religiösen Überzeugungen, die ihrerseits eine grundsätzliche Trennung
    von Staat und Religion und damit den säkularen Staat nicht akzeptieren
    und meinen, dies aus theologischen Gründen nicht tun zu können? Diese
    Frage ist für das Verhältnis zum Islam und die Möglichkeit der
    Integration der dem Islam im Glauben verbundenen Menschen in den
    säkularisierten Staat wichtig - ganz jenseits von islamistischem
    Fundamentalismus und Terrorismus.

    Diese Frage betrifft nicht nur die Anerkennung und Befolgung der hier
    geltenden Gesetze einschliesslich ihrer Auswirkung auf die
    Bekenntnisfreiheit der Muslime. Sie betrifft darüber hinaus die
    grundsätzliche Einstellung zum Prinzip der Trennung von Religion und
    Staat, in dem der säkularisierte Staat seine Grundlage hat, und zu den
    sich daraus ergebenden Folgerungen.

    Der säkularisierte Staat macht dem Islam und seinen Anhängern ein
    Angebot, das zwei Seiten hat. Auf der einen Seite erwartet und verlangt
    er von ihnen Gesetzesloyalität und in diesem Sinn Rechtstreue, wobei er
    ihnen den «inneren Vorbehalt» belässt, dass sie nämlich möglicherweise
    seiner Ordnung distanziert und vom Grundsätzlichen her ablehnend
    gegenüberstehen. Indem er so den Status als gleichberechtigter Bürger
    nicht an ein Wertordnungsbekenntnis als seine Bedingung bindet, sondern
    sich mit der Achtung und Befolgung der Gesetze zufriedengibt, bestätigt
    er seine Freiheitlichkeit. Ein solches Konzept erscheint nicht von
    vornherein utopisch. Es hat unter anderen Vorzeichen seine
    Bewährungsprobe bestanden. Auf diese Weise konnten nämlich die
    Katholiken in den säkularisierten Staat integriert werden. Hatte die
    Kirche durch Verlautbarungen ihrer Päpste noch im 19. Jahrhundert und
    bis ins 20. Jahrhundert hinein Religionsfreiheit als äusseres Recht im
    Rahmen staatlicher Rechtsordnung strikt abgelehnt und später allenfalls
    als zu tolerierendes Übel erklärt, das in bestimmten Situationen um
    höherer Güter willen akzeptiert werden kann, so hat sie mit der
    Erklärung zur Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanischen Konzils
    (1962-1965) eine positive und nach ihrer Begründung endgültige Wendung
    genommen.

    Vor dem Konzil brauchten die Katholiken sich nicht zur Religionsfreiheit
    (als Prinzip) zu bekennen, durften sogar für den «katholischen Staat als
    These» eintreten, wie er in der Staatslehre Papst Leos XIII. grundgelegt
    war, und den religiös neutralen Staat der Neuzeit zur «nationalen
    Apostasie» erklären, wie Klaus Mörsdorf in seinem Lehrbuch des
    Kirchenrechts noch 1964; sie mussten nur die Religionsfreiheit als
    gesetzlich bestehend respektieren und sich entsprechend verhalten. Das
    haben sie getan und ihre Vorbehalte im Laufe der Zeit abgebaut.

    WAS TUN?

    Auf der anderen Seite kann und darf der säkularisierte Staat keiner
    religiösen Überzeugung, welchen Rückhalt bei den Menschen sie auch haben
    mag, die Chance einräumen, unter Inanspruchnahme der Religionsfreiheit
    und Ausnutzung demokratischer Möglichkeiten seine auf Offenheit
    angelegte Ordnung von innen her aufzurollen und schliesslich abzubauen.
    Darauf folgt: Wäre davon auszugehen, dass eine Religion, aktuell der
    Islam, sich gegenüber der Religionsfreiheit auf Dauer aktiv resistent
    verhält, sie also abzubauen suchte, sobald sich politische
    Möglichkeiten, etwa über Mehrheitsbildung, dazu bieten, so hätte der
    Staat dafür Sorge zu tragen, dass diese Religion beziehungsweise ihre
    Anhänger in einer Minderheitsposition verbleiben, mithin der
    Diasporavorbehalt weiter Bedeutung hat. Das würde gegebenenfalls
    entsprechende politische Gestaltungen im Bereich von Freizügigkeit,
    Migration und Einbürgerung notwendig machen.

    Mithin bleibt als Grundfrage, wieweit der Islam seiner Art nach auf eine
    grundsätzliche Trennung von Religion und Staat und die Anerkennung des
    säkularisierten Staates hin vermittelbar ist. Man muss hier genau auf
    die Auffassungen im Islam hinsehen und darf sie nicht vorschnell mit
    Äusserungen islamistischer Gruppen gleichsetzen. Eine solche Vermittlung
    ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Islam von der Wahrheit
    und universalen Gültigkeit seiner Botschaft ausgeht. Das tun die
    christlichen Kirchen auch, die katholische zumal, und doch haben sie
    sich - freilich nicht ohne innere Kämpfe - zur Anerkennung von
    Religionsfreiheit und säkularisiertem Staat verstanden.

    Die Frage ist also, ob für den Islam eine parallele Entwicklung, eine
    Art Nachvollzug der Entwicklung, wie sie namentlich in der katholischen
    Kirche stattgefunden hat, ohne Selbstaufgabe möglich erscheint. Alle
    Positionen gegen Religionsfreiheit und Trennung von Religion und Staat,
    die im Islam oder von Islamisten derzeit vorgetragen werden, hat ja die
    katholische Kirche in ihrer Geschichte ebenfalls vertreten. Es verdient
    daher besondere Aufmerksamkeit, wenn Papst Benedikt XVI., die Lehren und
    die Geschichte der eigenen Kirche reflektierend, darauf hinweist, dass
    die islamische Welt heute mit grosser Dringlichkeit sich vor einer ganz
    ähnlichen Aufgabe finde, wie sie den Christen seit der Aufklärung
    auferlegt sei und vom Zweiten Vatikanischen Konzil als Frucht eines
    langen Ringens für die katholische Kirche zu konkreten Lösungen geführt
    wurde; es gehe um die Stellung der Gemeinschaft der Glaubenden
    angesichts der Einsichten und Forderungen, die in der Aufklärung
    gewachsen sind.

    Die gestellte Frage ist damit freilich noch nicht beantwortet. Sie zu
    beantworten, überschreitet meine Kompetenz; es setzt eine genaue
    Kenntnis des Islams und seiner Strömungen voraus. Fällt die Antwort eher
    positiv aus, entsteht kein weiteres grundsätzliches Problem, allerdings
    bleiben weiterhin Aufmerksamkeit, Festigkeit und dialogbereite Geduld
    angezeigt, um die besagte Entwicklung zu unterfangen und zu fördern.
    Fällt sie eher skeptisch aus, ist der Staat ungeachtet seiner
    Freiheitlichkeit und Offenheit gehalten, Barrieren zu errichten, die die
    Anhänger des Islams daran hindern, direkt oder indirekt aus der
    Minderheitsposition innerhalb des Staates herauszutreten. Darin läge
    kein Selbstwiderspruch, sondern nur die eigene Selbstverteidigung des
    säkularisierten Staates. Und zugleich läge darin der Hinweis auf ein
    nicht aufgebbares Vernunftfundament oder, wenn man so will, «Naturrecht»
    des säkularisierten Staates, das womöglich an den
    antik-jüdisch-christlichen Kulturkreis im Reflexionshorizont der
    Aufklärung gebunden ist.

    Prof. Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde war von 1983 bis 1996 Richter am
    deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Letzte
    Buchpublikationen u. a.: «Recht, Staat, Freiheit. Studien zur
    Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte»
    (Suhrkamp-Verlag, 4., erweiterte Ausgabe 2006); «Kirche und christlicher
    Glaube in den Herausforderungen der Zeit. Beiträge zur
    politisch-theologischen Verfassungsgeschichte» (Lit-Verlag, 2.,
    veränderte Auflage 2007).

    Eine ausführliche Version des vorstehenden Textes wird demnächst in der
    Schriftenreihe der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung, München,
    erscheinen.



    Re: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

    M.M.Hanel - 22.07.2007, 19:36


    "Im Staat sind die Gedanken zollfrei"

    Hier ein weiterer hervorragender Artikel von Prof. BÖCKENFÖRDE

    http://www.tagesspiegel.de/politik/Deutschland-Integration-Migration-Migranten;art122,2340225

    http://www.newsware.de/Artikel/Integration_Staat_Gedanken_a1407556.html



    Re: Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME

    Anonymous - 09.10.2007, 16:24


    Integration von Muslimen
    Profs verreißen Kirchenschrift
    14 Religionswissenschaftler kritisieren evangelische Handreichung zum Zusammenleben von Christen und Muslimen VON HEIDE PLATEN

    Die EKD habe "einen Scherbenhaufen angerichtet". Foto: dpa
    FRANKFURT/MAIN taz Ganz "fürchterlich", schimpfte Jürgen Micksch, Chef des Interkulturellen Rates in Deutschland, seien die Auswirkungen der Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Zusammenleben von Christen und Muslimen.

    Weiterlesen:
    http://www.taz.de/index.php?id=start&art=5748&id=deutschland-artikel&src=SZ&cHash=6d7201a8bf



    Mit folgendem Code, können Sie den Beitrag ganz bequem auf ihrer Homepage verlinken



    Weitere Beiträge aus dem Forum Gesellschaft Schweiz - GSIW - Islamische Welt

    Zitate - Sprüche - Gedichte - gepostet von Muhammad am Samstag 20.05.2006
    Musik - gepostet von Anonymous am Mittwoch 24.05.2006
    BEKEHRUNG - KONVERSION - RÜCKKEHR - gepostet von Anonymous am Montag 05.03.2007
    Der MENSCH nach dem EBENBILD GOTTES geschaffen? - gepostet von M.M.Hanel am Montag 29.10.2007
    KREATIVITÄT und PAMPERS - gepostet von M.M.Hanel am Freitag 22.06.2007
    islam.ch hat ein neues «Gesicht»! - gepostet von Hamit am Dienstag 03.01.2006
    STELLUNGNAHME zu den WAHLEN 2007 - gepostet von M.M.Hanel am Sonntag 28.10.2007



    Ähnliche Beiträge wie "Die EVANGELISCHE KICHE und die MUSLIME"

    Papst beleidigt Muslime! - aphrodite (Freitag 15.09.2006)
    Die KATHOLISCHE KIRCHE und die MUSLIME - M.M.Hanel (Freitag 22.06.2007)
    Zentralrat der Ex-Muslime - Markus Giersch (Sonntag 26.08.2007)
    Evangelische Religion Hausaufgaben - masterbuster (Dienstag 20.02.2007)
    TDBYC video similarity in 'Falling In Love' film - Dutchy (Samstag 16.02.2013)
    Positionspapier d. CVP z. Thema "Muslime in der Schweiz - Fareeda (Mittwoch 22.02.2006)
    Evangelische Religon - masterbuster (Freitag 02.03.2007)
    Zentralrat der Ex-Muslime - HeikoG (Sonntag 11.02.2007)
    Profilierung auf Kosten der Muslime - Anonymous (Mittwoch 30.05.2007)
    Koordinationsrat der Muslime KRM vom 06.09.2007 - Ji'un Ken (Montag 10.09.2007)