Stille

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    Re: Stille

    Frederic Grenouille - 31.10.2007, 21:32

    Stille
    Sie waren gekommen. Sie waren hier. Kein Zweifel möglich. Sein Atem ging schnell, als er nach draußen sah. Die Straße war nur schwach beleuchtet, einige schwache Inseln aus Neonlicht, die sich in einem endlosen Korridor aus der typischen Schwärze eines verlorenen Dorfes bei Nacht verloren. Von seinem Fenster aus konnte er direkt auf die Haustür sehen, die ebenfalls von einem schwachen Licht erleuchtet war. Und dort standen sie.
    Alle Leute nannten sie nur die „Maskierten“ und es gab keine treffendere Bezeichnung für sie. Sie alle waren in dunkele, einteilige Mäntel gehüllt, die nichts zu sehen freigaben, keine Hände, noch nicht einmal Füße, so weit reichten die Mäntel hinab. Ihr Gesicht war von Masken verdeckt, die den Maskierten auch ihren Namen gegeben hatten. Die Masken zeigten keine menschlichen oder tierischen Gesichter, sondern waren einfach nur weiß. Weiß mit einer kleinen, haarfeinen schwarzen Spirale. Das war alles.
    Was genau die Maskierten wollten oder wer sie schickte, das war ein Rätsel. Man wusste nur, dass sie immer zu jemandem kamen, dessen Tod kurz bevor stand und das sie mit ihm sprachen. Manchmal stundenlang ,manchmal nur wenige Worte, einige Male sogar nur einen Satz. Niemand wusste, warum sie das taten oder woher sie wussten, wer sterben würde. Wenn derjenige, mit dem sie geredet hatten dann starb, kamen sie noch einmal und nahmen ihn mit. Und wohin sie das taten, das war kein Geheimnis: Zum Krämatorium. Wie ein rauchender Vulkan mit endlosen spitzen Kegeln ragte es in einiger Entfernung als Silhouette über dem Dorf auf, unaufhörlich Qualm und Rauch von Toten erbrechend. Niemals seitdem es gebaut worden war und die Maskierten auftauchten, stand das Krämatorium still. Man konnte den Rauch riechen, ihn an manchen Tagen, wenn besonders viele Leichen brannten, sogar schmecken und man konnte die tosenden Feuer sehen, die unaufhörlich materten. Seitdem sein Großvater gestorben war, hatte er beinahe unaufhörlich an die Maskierten gedacht. Und er hatte den Satz gehört, den sie zu seinem Großvater gesagt hatten. Nur ein einziger Satz war es gewesen, aber Großvater schien davon sehr stark betroffen gewesen zu sein: „Die Blumen die du damals geplückt hast.. Sie hat sie weggeworfen.“. Was genau damit gemeint war, hatte Großvater nie erzählt und als er wenig später an einem Herzanfall gestorben war, hatte er eine Rose in der Hand gehabt. Er war auf dem Weg zum Altenheim gewesen, in dem seine Frau, Großmutter, gelebt hatte. Die beiden hatten sich kurz vorher gestritten und nie wieder versöhnt. Die Maskierten hatten Großvater noch auf dem Bürgersteig aufgelesen und weggebracht, einer war in Richtung des Altenheims gegangen. Großmutter wurde wenig später tot in der Badewanne aufgefunden, ihr Fön schwamm wie ein toter Fisch neben ihr im Wasser.
    Er war den Maskierten, die Großvater getragen hatten, gefolgt um herauszufinden, was sie mit ihm vorhatten. Er wusste, dass sie ihn verbrennen würden, aber nun wollte er wissen wozu. Welchen Sinn hatte es, die Toten so akribisch zu verbrennen? Und warum hatte noch nie jemand, obwohl die Leichenberge vor dem Krämatorium so gut zu sehen waren, dort eine maskierte Leiche oder auch nur einen Unbekannten gesehen, der eventuell unter einer solchen Maske hätte stecken können? Das ganze Unternehmen war von einer Aura des Geheimnisvollen umhüllt gewesen und er hatte sich vorgenommen, es zu lüften.
    Lange war er ihnen gefolgt, durch einsame verlassene Straßenzüge, durch die Vororte die schon seit langem tot waren, durch den sumpfigen Morast. Es führte keine asphaltierte Straße zum Krämatorium, sodass es nur von weitem zu sehen war. Einige, zum Beispiel Johannes, hatten ein Fernrohr gehabt und das Krämatorium auszuspionieren, aber nur wenige erzählten etwas darüber. Johannes hatte einmal gesagt, die Maskierten hätten an jeder Leiche geschnuppert, bevor sie sie hereintrugen. Seine Mutter hatte später gesagt, die Maskierten hätten nur ein Wort zu ihm gesagt: „Leise.“.
    Seine Schritte quatschten leise, seine Schuhe hatten sich mit Morastwasser gefüllt. Die Maskierten bewegten sich zielsicher und lautlos, ein Wunder, das sie ihn nicht zu bemerken schienen. Andererseits konnte es gut sein, dass die Maskierten taub waren, denn niemals reagierten sie, wenn man sie ansprach. Dann gerade, als er sich Hoffnungen zu machen begann, drehte sich einer von ihnen um. Lange blickte er ihn an... Er war wie gelähmt, der unsichtbare Blick des Maskierten schien schwer auf ihm zu lasten. Dann, ganz langsam, schälte sich eine Hand aus seinem Umhang... Sie war unglaublich dürr, man konnte jeden Knochen sehen und auch die Farbe der eigenartig brüchigen Haut erinnerte an Knochen. Er hob seine skelettartige Hand zu seiner Maske, rüttelte daran, zog sie hoch...
    Mit einem Schrei fuhr er aus seinen Erinnerungen hoch. Es war zu lange her gewesen, dass er sich daran erinnert hatte, darum traf der Schrecken ihn jetzt doppelt ins Herz. Im Stillen wartete er darauf, das jemand den Maskierten auf ihr Klingeln aufmachte, damit sie jemanden sprechen konnten... Vermutlich seinen Vater. Vater war schon seit Monaten krank gewesen und hatte selbst immer wieder ängstlich auf die Straße gestarrt, ob er nicht einen der Maskierten entdecken konnten. Auch Vater hatte Angst vor ihnen, selbst wenn er das nicht offen zugab. Jeder hatte Angst vor den Maskierten.
    Wieder ein Klingen. Normalerweise machte Mutter immer sofort die Tür auf. Vielleicht hatte sie auch gesehen, dass es die Maskierten waren und wollte sie nicht ins Haus lassen. Ja, das war möglich. Sie liebte Vater und würde alles tun, damit die Maskierten ihn nicht sprachen. Wieder ein Klingen. Langsam wurde er unruhig...
    Sein Blick glitt wie instinktiv zur Einfahrt, wo das Auto stand... Aber es war nicht da. Kurz überlegte er, dann fiel es ihm wieder ein: Vaters Blutwäsche! Er hatte seine Dialyse für heute angesetzt bekommen, damit die Giftstoffe aus seinem Körper gepumpt wurden und Mutter fuhr Vater immer dorthin. Erst jetzt begriff er es. Er war allein im Haus.


    In diesem Sinne: Frohes Halloween wünsche ich.



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