HÖRE O ISRAEL - HÖRE O PALÄSTINA

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    Re: HÖRE O ISRAEL - HÖRE O PALÄSTINA

    Anonymous - 06.11.2007, 10:58

    HÖRE O ISRAEL - HÖRE O PALÄSTINA
    90. Jahrestag der Balfour-Deklaration

    Die israelische Regierung hat auf ihrer wöchentlichen Kabinettssitzung am vorigen Sonntag, den 04.11.2007 der Erklärung gedacht, mit der der damalige britische Außenminister Lord Arthur James Balfour 1917 der zionistischen Bewegung die Unterstützung Großbritanniens bei ihrem Bestreben zusagte, eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina zu errichten. Aus diesem Anlass verteilen wir einen Artikel von Tarafa Baghajati über die Nahostthematik (im Absatz „Rückblick“ auch zur Balfour-Deklaration). Dieser Artikel wurde bereits (etwa kürzer) in der Zeitschrift „ZUKUNFT“ veröffentlicht und ist in einem zuletzt erschienenen Buch zum Nahen Osten publiziert worden.

    EUROPA UND DER NAHE OSTEN:
    Wo ist die Verantwortung Europas, Israels und der arabischen Welt?



    Der vermeinliche „Sieg“ der Hamas


    Die übereilte Pose des Stolzes, die die Hamasführung nach ihrer totalen Machtübernahme im Gazastreifen an den Tag legte, ist nicht nachzuvollziehen. Hier ging es ja nicht um einen Sieg, sondern um die Folge einer Bankrotterklärung der politischen Führung der Hauptfraktionen Hamas und Fatah. Was sich mit dem Tod von Yasser Arafat allmählich abzeichnete, ist nun endgültig: Die PLO ist im letzten Kapitel ihrer facettenreichen Geschichte angelangt. Einerseits ist die gepriesene und in den Dokumenten der arabischen Liga festgehaltene „alleinige und rechtsmäßige Vertretung des palästinensischen Volkes“ Geschichte, andererseits kann die de facto Hauptfraktion – die Fatah Bewegung - seit ihrer unqualifizierten Führung der Autonomiebehörde für sich in keiner Weise eine übergeordnete Vertretung der palästinensischen Interessen behaupten.



    Dieser vermeintliche „Sieg“ der Hamas ist am ehesten mit einer gelungenen Revolte in einem großen Gefängnis zu vergleichen - nicht um Forderungen gegenüber dem „Gefängnisbetreiber“ aufzustellen, sondern um eine skurrile Machtverschiebung innerhalb der „Gefangenenführung“ zu erreichen.



    Traurig und zugleich beschämend ist, wie gezielte Tötungen nun gar unter Palästinensern stattfinden. Eine derartige Vorgangsweise galt bisher als absolutes Tabu. Das viel bemühte Wort von der „Gewaltspirale“ genügt nicht mehr, einen Sog bisher ungeahnter Dimension darzustellen. Problematisch ist das Ausmaß der Verfahrenheit, so dass vorgezogene Neuwahlen hier überhaupt keine Lösung darstellen würden. Keine der zerstrittenen Fraktionen würde selbst bei einem halbwegs eindeutigen Ergebnis bereit sein, die Legitimität der anderen anzuerkennen, geschweige sie zu respektieren.



    Das Motto „Alles oder Nichts“ scheint sich im Moment innerpalästinensisch zu verfestigen. Bei einer solchen Einstellung angesichts der Faktenlage darf das Ergebnis - meistens „nichts“ – kaum wundern. Hamas wie auch Fatah flüchten sich in dieser Situation in plumpen Populismus. Dazu kommt, dass die politische Führung beider Fraktionen auch in den eigenen Reihen bis zur Handlungsunfähigkeit geschwächt ist. Die Hamas hat ihren Anhängern über Jahrzehnte ein Programm der großen, aber simplifizierenden Lösungen verkauft. Alles lief auf die Kernbotschaft hinaus eine „totale Befreiung des gesamten historischen Palästinas vom zionistischen Feind“ erreichen zu wollen. Als die Hamas sich reichlich spät, aber doch noch dazu entschloss an den Wahlen teilzunehmen und an der faktischen politischen Gestaltung mitzuwirken, geriet sie in ein unvermeidliches Dilemma: Wie soll die Partei ihren Anhängern, aber auch ihrem militanten Flügel, den Brigaden von Ezz El-Din Al Qassam, die Realität vor Augen führen und zugeben, dass in der Vergangenheit lediglich die Sehnsüchte der Menschen in ein „Programm“ projiziert wurden? Zusätzlich erschwerend wirkt hier, wie man sich immer wieder auf die Religion Islam berief. Verkompliziert wurde die Lage auch dadurch, dass der pragmatische Teil der Hamas unter dem von Präsident Abbas abgesetzten Ministerpräsident Ismail Hanijah fast nur reagieren, und nie richtig agieren konnte. Die tatsächlichen Aktionen wurden von den nach außen unsichtbaren, meist militanten Gruppen und von der Führung im Ausland um Khaled Mashaal in Damaskus gestaltet. Es spricht vieles dafür, dass die Übernahme Gazas alles andere als eine Entscheidung von Hanijah war. Er wurde hineingezwungen und appelliert nun mit unverkennbarer Verzweifelung an die arabischen Staaten, auf die Fatah vermittelnd einzuwirken. Dass er einseitig den gewählten Präsident Abbas bezüglich Verhandlungen mit Israel für nicht zuständig und eventuelle Ergebnisse für „illegitim“ erklärte, ist ein weiteres Ausrutschen auf dem politischen Glatteis in Palästina. Versäumt haben er und die Hamas in der Stunde des Wahlsieges im Jänner 2006 die saudi-arabische Initiative samt Erklärung der Mitglieder der Arabischen Liga vom 29. 03. 2002 in Beirut als eine verhandelbare Grundlage zu akzeptieren.



    Die ganze Welt, damals auch Österreich in der Rolle der EU Präsidentschaft, hatte nach der Nacht vom 25. Januar 2006, als die Hamas die absolute Mehrheit im palästinensischen Legislativrat errang, auf irgendein Zeichen seitens der Hamas gewartet, das sie als „berechenbarer“ Partner ausweisen könnte, der von Parolen zu Politik findet. Sogar eine Anerkennung der UNO Resolution um die Teilung Palästina vom November 1947 hätte etwas geholfen. Obwohl die Führung der Hamas sich längst mit der politischen Realität abgefunden hat, war die Angst um einen Gesichtsverlust in den eigenen Reihen zu groß. Österreich hat es im Übrigen kläglich verabsäumt, in dieser heiklen Phase seine politische Rolle im Geiste Kreiskys wahrzunehmen, zur Verantwortung Europas kommen wir aber kurz später.



    Bemerkenswert ist die Wortklauberei der Hamas bezüglich eines Friedens mit Israel. Um das Wort „Frieden“ zu vermeiden, wird hier von „langem Waffenstillstand“ auf Arabisch „Hudna“, gelegentlich sogar von „unbefristetem Waffenstillstand“ gesprochen. Dabei sollte allmählich auch von der Hamas anerkannt werden, dass man mit Freunden in der Regel keinen Friedensvertrag schließt, und dass eigentlich jeder Friedensvertrag nichts anderes als eine Waffenstillstandvereinbarung ist, bis eine echte Normalisierung der Beziehungen eintritt.



    Ein kaum bekanntes Problem der Hamas besteht darin, dass sie zwar für sich die „islamische Vertretung“ in Palästina beansprucht, gleichzeitig aber keinerlei theologische Kompetenz aufzuweisen hat. Und jene, die halbwegs eine theologische Autorität besaßen, wie Scheich Ahmad Jassin, wurden durch israelische Todeskommandos gezielt getötet. Nebenbei kann hier angemerkt werden, dass der gleiche Mangel an theologischen Zugängen zu aktuellen Fragestellungen auch ein Hauptproblem der muslimischen Bevölkerung mit israelischer Staatsbürgerschaft darstellt. Scheinbar banale Angelegenheiten wie die Teilnahme an den israelischen Parlamentswahlen oder das Thema des interreligiösen Dialogs mit den Juden werden mit überholten, mehr als fünfzig Jahre alten Positionen aus einer anderen Ausgangslage behandelt. Der Mangel zeigt sich am offensichtlichsten beim Thema der so genannten „Märtyrer-Operationen“, bzw. Selbstmordattentaten, die der Hamas und eigentlich auch allen anderen Fraktionen (Im Westen wird oft vergessen, dass auch „säkulare“ Gruppen dies praktizieren) entglitten sind. Diese Kampfform ist nicht nur aus humanistischer Sicht, sondern auch theologisch mehr als nur fragwürdig und hat bedauerlicher Weise zu einem regelrechten Todeskult geführt, der dem Islam völlig fremd ist. Es schaut danach aus, als ob selbst der militärische Flügel der Hamas darüber keine Kontrolle mehr habe. In Palästina ist das zu einem Art „Selbstläufer“ geworden. Über die Geltung als „Schahid“, also „Märtyrer“, hat es in Palästina bis heute keine nennenswerte theologische Diskussion gegeben.



    Mahmud Abbas, der Präsident!



    Aber auch Abu Mazen - Mahmud Abbas, handelte alles andere als wie der unangefochtene Präsident aller Palästinenser. Seine schweren politischen Fehler bestehen aus drei Komponenten. a) Er hat es versäumt, seinen Parteigängern aus der Fatahbewegung offen zu sagen, dass demokratische Wahlen anzuerkennen sind, auch wenn der Gewinner nicht der politische Freund ist, was in allen Demokratien der Welt als konsensuale Haltung gilt. b) Er hat sich nie ernsthaft darum bemüht, die auch nach strikten westlichen Maßstäben demokratisch gewählte und von ihm beauftragte Hamasregierung zu unterstützen, wie es eigentlich seine Pflicht als gewählter Präsident gewesen wäre. c) Er hat es nicht geschafft korrupte Personen um ihn, allen voran den früheren Sicherheitschef Muhammad Dahlan, der als Lieblingskind der Amerikaner und der Israelis gilt, politisch zu entsorgen. Dahlan gilt in Palästina auch innerhalb der Fatah als skrupelloser Machtmensch. Sein Ruf als Folterknecht und gewissenloser Selbstbereicherer eilt ihm voraus. Jeder weitere Tag mit solchen Leuten an der Spitze macht Abbas unglaubwürdiger. Nicht von ungefähr wird ein sofortig stattfindender Gerichtsprozess für solche Leute selbst von Teilen der Fatah öffentlich verlangt. Die Miliz Dahlans erkannte zu keinem Zeitpunkt irgendeine Autorität an und hat sich in Gaza bis kurz vor der Machtübernahme durch die Hamas unmöglich verhalten. Nicht von ungefähr wird der Wechsel in Gaza von vielen in Palästina als Akt der „Selbstverteidigung“ gesehen, eben als eine unausweichliche Antwort auf die laufenden rücksichtslosen Provokationen von Dahlans Milizen und auf die um sich greifende Anarchie.



    Rückblick!



    Auch wenn sich die Ereignisse in Palästina wöchentlich, täglich und manchmal sogar stündlich überschlagen, bleibt eine nüchterne geschichtliche Betrachtung notwendig, um diesen komplexen Konflikt umfassend und erschließend zu betrachten. In kaum einem anderen internationalen Konflikt ist die Situation auch dadurch so scheinbar ausweglos, weil jede Seite jegliche Verantwortung von sich abweist, wobei die verantwortlichen Seiten wohlgemerkt nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa und in den USA zu suchen sind.



    Während in Israel im kommenden Mai 2008 das 60 jährige Jubiläum der Staatsgründung gefeiert wird, werden die arabischen Nachbarn und das Fünftel israelischer Staatsbürger arabischer Abstammung in Ohnmacht im Gedenken an die Ereignisse jenes Tages verfallen. Als „Al-Nakba“ ist dieser folgenschwere 14. Mai 1948 in die Geschichte eingegangen. Ein Blick ins Wörterbuch lässt die Dimension dieser kollektiven Erfahrung erahnen. Unter „Al-Nakba“ finden sich die Begriffe „Unheil, Unglück, Schicksalsschlag, Katastrophe, Elend“. Linguistisch wird „Al-Nakba“ inzwischen ausschließlich für jenen Tag im Mai gebraucht. In der ganzen arabischen Welt meint man damit einzig den Verlust Palästinas.



    Während Israel im gegenwärtigen Jahr 2007 den überwältigenden Sieg über die gesamte arabische Nachbarschaft - Ägypten, Syrien, Jordanien und die Palästinenser - vor genau 40 Jahren feiert, erinnern sich die Araber, insbesondere die Palästinenser, inklusive über eine Million israelische Staatsbürger palästinensischer Abstammung, mit großer Trauer an „Al-Naksa“, die totale Niederlage schlechthin. Dieser 5. Juni 1967 hat seine Spuren in der „arabischen Seele“ hinterlassen. Wörtlich übersetzt bedeutet Al Naksa in etwa „der Rückschlag, der kaum vertragen werden kann“ oder Unheil, Unglück, Schicksalsschlag. Dieser drastische Ausdruck spiegelt wider, dass es sich hierbei für die Araber nicht nur um eine schwere militärische Niederlage handelt, sondern um ein außerordentliches Ereignis mit für Generationen schwerwiegenden politischen Folgen. 19 Jahre nach der vorher erwähnten Staatsgründungs Israel 1948, haben sich die arabischen Führer in unsinniger „Siegesrhetorik“ geübt und ihre Völker mit Propaganda und der Verdrehung von Tatsachen, was die militärische Stärke der arabischen Staaten betrifft, irregeführt. Und dann kam Al Naksa, die aus israelischer Sicht vollendete Tatschen geschaffen hat. Hier fielen Entscheidungen, die nicht durch die Politik Israels zustande kamen, sondern die dessen Militär getroffen hat. Entscheidungen, die einen möglichen Frieden oder die Durchsetzung internationalen Rechts für die nächsten Jahrzehnte zur Utopie verkommen haben lassen. Die Tatsache, dass Israel seit 1967 keinen einzigen Krieg gewonnen hat, obwohl militärisch seinen Nachbarn weitaus überlegen, muss auch Israel zum Nachdenken bringen, ob hier nicht einiges offenbar schief läuft.



    Wie ist es zu alldem gekommen? Am 2. November 1917 hatte der damalige britische Außenminister Lord Balfour in einer Deklaration den Weg zur Nakba geebnet, indem dort formuliert wurde, dass „die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk mit Wohlwollen betrachtet“ werde. Dieser Teil des Papiers wurde mit dem UNO Teilungsplan im November 1947 auf 52% des historischen Palästinas realisiert. Der zweite Teil der Deklaration stellt fest: „… Wobei klar verstanden wird, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nicht jüdischer Gemeinschaften in Palästina ... infrage stellen könnte“. Diese Richtlinie wurde mit Bulldozern, Panzern und Militärstiefeln niedergewalzt. Die Folge war die Vertreibung von ca. 800.000 Palästinensern, die seither als Flüchtlinge leben. Systematisch wurde die komplette demografische Struktur hunderter Dörfer erzwungenermaßen verändert. Massaker wie in den Dörfern und Städten Dair Jassin, Yaffa, Lod, Dawayima, Abu Schuscha und Sahila beschleunigten die Flucht der in Angst versetzten Bevölkerung, ohne dass die Verantwortlichen dafür je zur Rechenschaft gezogen worden wären. Kulturelle Identitätsmerkmale, vor allem Moscheen und Kirchen, wurden zerstört.



    Verantwortung Europas!



    Die bisher kaum gestellte Frage lautet nun: Trägt Großbritannien nicht durch seine koloniale Vergangenheit eine politische Verantwortung gegenüber Palästina? Kann eine „Protektoratsmacht“ sich von ihrer völkerrechtlich übernommenen Verpflichtung lossagen? Erstens ist die oben erwähnte Balfour Deklaration an sich völkerrechtswidrig, zumal Palästina zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch ein Teil des Osmanischen Reiches war und zweitens wurde dem Versprechen gegenüber der einheimischen arabischen Bevölkerung in keiner Weise Rechnung getragen.



    Auch Deutschland und Österreich können ihre Verstrickung nicht leugnen. Das offensichtliche Unrecht - die koloniale Landnahme durch die zionistische Bewegung und die damit einhergehende Vertreibung der Palästinenser - wäre ohne den Schock über die Schoah von der Weltöffentlichkeit wohl nicht so widerspruchslos hingenommen worden.



    All dies spricht dafür, dass Europa sich in Sachen Nahost und für eine gerechte Lösung für die Palästinenser stärker einbringen sollte. Sich verstecken ist die allerschlechteste Lösung. Durchaus soll Europa, auch innerhalb der UNO eine Rolle übernehmen. Eine Statistenrolle wie bisher im „Road Map“ Quartett trägt zu einer vernünftigen Lösung nicht im geringsten bei. Es geht hier nicht darum, eine Wiedergutmachung für die Palästinenser zu verlangen, sondern vielmehr um ein europäisches Engagement zur Durchsetzung internationalen Rechts. Dazu zählt zuerst die Ausrufung eines unabhängigen Staates Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt, die Aufgabe aller israelischen Siedlungen, die nach dem Sechstagekrieg 1967 entstanden sind und die daher alle völkerrechtswidrig und somit illegal sind und eine offene Diskussion über das Rückkehrrecht der Palästinenser laut UNO Resolution Nr. 194, die von Israel nicht einmal durch eine symbolische Geste Anerkennung findet.



    Wo bleibt der Geist Kreiskys?



    Sich mit zögerlichen Positionen des Mainstream eher treiben zu lassen, ist bekanntlich keine Stärke in der Nahostpolitik. Der Nahe Osten braucht Mut zu Visionen. Genau hier liegt der Unterschied zwischen Bruno Kreisky und jetzigen österreichischen Politikern. Leider verabsäumte es Bundeskanzler Alfred Gusenbauer bei seinem Israel/Palästina Besuch Anfang September dieses Jahres im Geiste Kreiskys offen über heikle Themen zu reden. Auf den Schulter von Olmert, Peres und Abbas ist nicht unbedingt ein kreativer Ansatz in Richtung Problemlösung zu erreichen. Als Kreisky Arafat zu Gesprächen einlud, galt Abu Ammar (revolutionärer Name Arafats) als Topterrorist, mit dem man einfach nicht reden dürfe! Heute ist es bequem für Fatah und gegen Hamas zu sein, zu angepasst einfallslos um eine politische Rolle spielen zu können.



    Die Verantwortung Europas geht nicht nur zurück auf die Staatsgründung Israels bis 1948, sondern begleitet die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist bis heute aktuell. Aber auch in einer Zeit der US Übermacht ist diese historisch erwachsene Verpflichtung dringender denn je. England und Frankreich waren Verbündete Israels im Oktober/November 1956 während des Suezkriegs gegen Ägypten, der wegen der Verstaatlichung des Suez-Kanals ausgelöst worden war, damals sogar zum Missfallen des amerikanischen Präsidenten Eisenhower aber auch des sowjetischen Ministerpräsidenten Bulganin. Nach 1967 wurden mehrere UNO Resolutionen, die unter anderem das Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten und vor allem die Annexion Jerusalems verurteilen und die mit Waffengewalt und Häuserzerstörung durchgesetzte demografische Änderung als völkerrechtswidrig bezeichnen, mit Stimmen der Europäer beschlossen. Alle diese UNO Resolutionen waren für Israel höchstens eine Lachnummer. Europa hat sich um keinen Deut um die Durchsetzung geschert. Gemessen an der peniblen Genauigkeit wie heute die Länder der „Achse des Bösen“ behandelt werden, scheint hier die Rede von „double standards“ als nicht übertrieben. Aber auch der Umgang mit der palästinensischen Regierung nach dem Wahlerfolg der Hamas und dessen Boykott verleiht angesichts der Geschichte und Gegenwart der gesamten europäischen Nahostpolitik eine Portion Unglaubwürdigkeit. Die Ernennung von dem auch in Israel als gefährlichen Rassisten und rechtsextrem geltenden Avigdor Liebermans zum Minister für Strategische Bedrohung und zum stellvertretenden Ministerpräsidenten Israels wurde von der EU stillschweigend zur Kenntnis genommen. Niemand geringer als der EU-Vertreter für Allgemeine Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, hat ihn unmittelbar nach seiner Ernennung getroffen.



    Israel und die Araber!


    Aber auch die Israeli und Araber sind bestens beraten endlich ein Stück Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. In den israelischen Schulbüchern sind die Schattenseiten in Geschichte und Gegenwart des Staates Israel sorgsam ausgeblendet worden. Die Araber wiederum schweigen darüber, dass den jüdischen Minderheit in vielen arabischen Ländern - vor allem Irak, Syrien, Jemen und Marokko - nach der Staatsgründung Israel, ein krasses Unrecht widerfuhr, teilweise auch in staatlich organisierter Form. Loyale Bürger, die übrigens gerade im Irak (wo am meisten Repressalien gegen Juden passierten) überdies oftmals linke Antizionisten waren. In meiner Geburtsstadt Damaskus wurde die legendäre Judengasse, in der ich als Kind mit einem Uronkel einige Male bei einem jüdischen Textilhändler war, in „Amins Straße“ umgetauft. Die Synagogen wurden zwar nicht zerstört, aber geschlossen, angeblich auch weil es kaum noch Juden gibt, die sie besuchen würden, was wiederum nur zum Teil stimmt. Eine allgemeine Stimmung der „Sippenhaftung“ gegenüber Juden würde jegliches normale jüdische Leben ohnehin fast unmöglich machen.



    Die arabischen Länder und auch die arabische Öffentlichkeit müssen sich den Spiegel vors Gesicht halten und viele virulente Fragen ehrlich behandeln. War etwa das Beharren auf der Nichtausrufung des Staates Palästina 1948 nicht ein fataler Fehler? Die Behandlung dieser Frage sollte nicht nur erlaubt sein, sondern stellt eine unausweichliche Notwendigkeit dar, um sich überhaupt der Herausforderung einer gerechten und politisch realisierbaren Lösung zu stellen.



    Ein Fünftel der israelischen Bevölkerung sind Araber und werden in institutionalisierter Form benachteiligt und diskriminiert. Chancen auf eine Karriere in staatlichen Institutionen sind kaum vorhanden, auch hier muss in einer ehrlichen Diskussion angesetzt werden. Keine Diktatur zu sein ist zu wenig, um den Anspruch zu erheben, „die einzige Demokratie im Nahen Osten“ zu sein. Die Hauptsäule einer Demokratie und zwar die Gleichbehandlung und Gleichstellung aller Bürger ist in Israel faktisch nicht vorhanden.



    Diese oftmals aufgestellte Behauptung, Israel sei die einzige Demokratie im Nahen Osten, ist nur dann aufrecht zu erhalten, wenn man

    a) die Tatsache ignoriert, dass arabische Israeli bis 1967 unter Militärherrschaft lebten und auch nach 1967 systematisch, institutionell und per Gesetz diskriminiert werden.

    b) davon ausgeht, dass die Besatzung zu Ende ist und die palästinensischen Gebiete autonom regiert werden. Davon kann allerdings nicht die Rede sein. Die Besatzung hält seit vierzig Jahren an, und es ist in keinster Weise ein Ende in Sicht. Der israelische Diskurs versucht einerseits die Frage der besetzten Gebiete in kolonialer Manier zum äußeren Problem zu erklären und andererseits den non-permanenten Status der Okkupation zu betonen. Beides spiegelt sich in der Realität der Beherrschung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens nicht wider. Die Formen der Herrschaft verändern sich immer wieder, aber das israelische Management der völligen Entrechtung der Palästinenser ist geblieben und die israelische Führung zeigt keinerlei Anzeichen die Situation verändern zu wollen.



    Letztendlich diskriminiert der Staat Israel seine nicht jüdische Bevölkerung, für die er der Souverän ist oder enthält ihnen sogar die fundamentalsten Rechte vor. Ohne Zweifel muss sich eine Demokratie an der Gleichbehandlung und Gleichstellung ihrer BürgerInnen messen. Eine ethnokratische Demokratie (Oren Yiftachel, Professor für Geographie an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva, Israel) führt ihre eigenen Werte ad absurdum. Stolz auf die Abschaffung der Todesstrafe kann Israel in der Region zweifelsohne sein, gezielte Tötungen jedoch auf militärischen Befehl durchzuführen und zwar ohne jeglichen Gerichtsbeschluss wirft Schatten auf dieses Demokratie- und Menschenrechtsverständnis.



    Um Frieden zu erreichen, darf Israel nicht nur die Fahne der Faktizität gegenüber den arabischen Nachbarn schwingen und von ihnen die bedingungslose Anerkennung des Status quo verlangen, sondern muss sich die Frage der Legitimität stellen. Die Debatte um die Anerkennung des Existenzrechts wurde weder mit Ägypten noch mit Jordanien angegangen. Beide Länder haben bekanntlich Friedensverträge mit Israel unterschrieben, somit Israel als Faktum in der Region akzeptiert, haben jedoch nie ein Hehl daraus gemacht, sowohl institutionell als auch intellektuell, dass die unterzeichneten Verträge nicht als „Blankoscheck“ gelten dürfen, oder freie Hand für Besatzung und durchgehende Verletzung des Völkerrechtes geben dürfen.



    Ein schwieriger Weg zu einem ehrlichen Frieden!



    Die von Condoleezza Rice und Tony Blair neuerlich festgehaltene Zwei Staaten Lösung wurde längst von den arabischen Ländern als gangbarer Weg akzeptiert. Sogar die Hamas deutete oft ihr Einverständnis an. Aber es wird schwierig sein, wenn Israel weiterhin Ostjerusalem als Hauptstadt eines neuen Palästinas ausschließt und die Siedlungen, die alle illegal und völkerrechtswidrig sind, als Bestandteil Israels ansieht.



    Sich mit dem Anspruch einer geradezu religiösen Mission ins Geschehen einzumischen, verspricht Popularität. Erste Anzeichen sind bereits da, dass bald weder die Hamas noch Al Jihad Al Islami die einzigen Gruppierungen sein werden, die die islamische Fahne schwingen. In den Wirren findet sich genau jener Nährboden für Einzelne, die auf nichts anderes als den richtigen Zeitpunkt zum Handeln zu warten scheinen, um in Al-Kaida Manier Hamas zu Kollaborateuren des Satans zu deklarieren. Damit wird sich nicht nur die Hamas selbst beschäftigen müssen, die bisher so auftraten als dürfe niemand anderer ihnen den Anspruch auf den „islamischen Weg“ streitig machen, womit sie aber nur solange erfolgreich waren, als sie in Opposition zu Arafat und Abbas standen. Wenn die aussichtlose Situation andauert und eine Art Irakisierung Palästina stattfindet, dann tragen die USA, Europa und Israel dafür ein gerüttelt Maß Verantwortung, weil sie diese unter anderem mit der Nichtanerkennung der demokratisch gewählten Hamasregierung provoziert haben. Spätestens dann werden alle es bereuen, mit der Hamas nicht verhandelt zu haben.



    Zu einem ehrlichen Frieden gehört ein Spiegel, in dem sich jede Seite lange kritisch betrachtet. Das Ergebnis dieser Betrachtung sollte eine Portion Mut sein, über die eigenen Fehler laut nachzudenken. Europa darf sich in diesem notwendigen Prozess vor der eigenen Verantwortung nicht drücken.



    Tarafa Baghajati, Wien, August 2007

    Der Autor, geboren in Damaskus, seit 1986 in Österreich ist Mitbegründer der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen und Vizepräsident von ENAR European Network against Racism



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