Schweißbad auf Tuchfühlung

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    Re: Schweißbad auf Tuchfühlung

    umananda - 26.03.2007, 16:08

    Schweißbad auf Tuchfühlung
    An anderen Orten fühlte ich meine eigene Verzweiflung, die ich damals an jenem Tag zu spüren bekam, als ich das Fernsehgerät im Hotelzimmer in einer französischen Großstadt mittels einer Fernbedienung in Gang setzte, um den aus dem Lautsprecher heraufsteigenden Stimmen die Möglichkeit zu geben, das Zimmer zu füllen, während ich meine linke Hand ausstreckte, um die Temperatur des Wasserstrahls aus der Dusche zu prüfen. Es war ein üblicher Morgen, der sich wie immer langsam und allmählich in meinem Umhertasten ausbreitete und die Stille vertrieb, als sich endlose Nachrichtenschleifen an mir heranschlichen und mich eigentlich nie so richtig trafen. Unbetroffenheit, während das Wasser sich wieder auf den Weg machte, meine Schutzhaut in Flusslandschaften zu verwandeln. Ich schaute nicht konzentriert ins Weltgeschehen. Alles was dort gesprochen und berichtet wurde, hat mich schon lange nicht mehr berührt. Nicht, dass ich irgendwie weltabgewandt lebte, nein, es war eher eine Art des Nichthinschauens. Die Gespräche mit Freunden über das politische Tagesgeschehen haben mich vor einiger Zeit angefangen zu langweilen. Die Fähigkeit des Konzentrierens in diesen Dingen hatte nachgelassen, plötzlich, ohne Vorankündigungen. Manchmal, wenn ich darüber einen Gedanken verschwendete, fing ich an über mich selber verwundert zu sein. Die Bilder, welche sich in den Tageszeitungen offenbarten, waren meistens fremde und ausdruckslose Gesichter oder Panoramen. Manchmal signalisierten Kriegsschauplätze verrenkte, blutverschmierte Körper, sie alle versuchten mir etwas mitzuteilen. Doch ich wollte nicht teilen. Selbstmordanschlag ist ein Wort geworden, das die Stimmen der Fernseh- und Rundfunkanstalten fast täglich aussprachen. Schon lange wuchs keine Erschütterung aus ihrer Stimme heraus. Auch die Kommentare in den Kaffeehäusern wurden mehr und mehr ohne die geringste Veränderung der Stimme wiedergegeben. Es war vollkommen gleich, ob ein Freund einen Großen Braunen bestellte oder von einigen Toten sprach, die irgendwo in Tel Aviv oder sonst an einem Ort blutverschmiert und verstümmelt unter einem wolkenlosen oder bewölken Himmel lagen. Nein, es war keine Resignation, keine zynische Gelassenheit, die mich gleichgültig erschienen ließ. Es war eher eine Art von Gewohnheit, die sich bei mir einstellte. Manchmal, wenn gerade keine Fotografie von Opfern die Zeitung alltäglich machte, ist mir etwas Vertrautes abhanden gekommen. Anfänglich wusste ich gar nicht, was ich vermisste. Erst als ich nach einigen Tagen wieder eine Fotografie von verstümmelten Opfern in einer Tageszeitung entdeckte, wurde mir bewusst, dass ich all die vergangenen Tage etwas gesucht hatte. Nicht aufdringlich, nicht begierig etwas Ähnliches zu finden. Nein, es war die fehlende Vertrautheit. Die Möglichkeiten mich in ein Gesicht einzufinden, liegen dem Gefühl nahe, dass ich Gesichter suchen wollte. Es hat sich in mir etwas verändert. Nicht spektakulär, aber immerhin ist mir die Leichtfüßigkeit nicht abhanden gekommen. Und wenn es nur die vergangene Nacht war, die in mir ein Schweißbad auf Tuchfühlung schenkte.

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