Die Botschaft der Tiere

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    Re: Die Botschaft der Tiere

    Klementine - 24.03.2007, 19:53

    Die Botschaft der Tiere
    Hab gerade ein Buch gelesen, das stellenweise sehr schön ist. Eine Stelle daraus wollte ich euch mal vorstellen, da hat meine tägliche Tippübung gleichzeitig noch einen Sinn ;)

    Das ist übrigens eine wahre Geschichte.

    --------

    Ich verließ Rom im Herbst 1985. Ich wollte in den Voralpen eine verschneite Hütte suchen, um dort allein meine freien Tage zu verbringen, mit Schneewanderungen und einem richtigen Kamin, fern von Lärm und Chaos der Stadt.
    Ich nahm die Abruzzenautobahn bis zu den Serpentinen des Gran Sasso. Nach der Ausfahrt Aquila Ovest wurde mein Blick von einem kleinen Dorf angezogen, das an der Südseite des Berges lag. Vor meinen Augen sah ich das Bild meiner Träume. Genau dort wollte ich bleiben. Auf einem mit Eis überzogenen Schild stand: Assergi. Ein paar von hohen, zerfallenen Mauern umgebene Häuser, ein hübscher Platz, eine riesige Kirche aus dem 13. Jahrhundert.
    Ich betrat die Kirche. Der Geruch von kaltem Weihrauch und Wachs umfing mich sanft. Im Licht der Altarkerzen wirkten die Gewölbebögen besonders rund. Nachdem ich mich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, entdeckte ich im linken Seitenflügel hinter einer Säule eine große Staute des heiligen Franziskus, dem Paten des Dorfes. Seine schmale Hand lag auf dem Kopf eines zärtlich blickenden Wolfes, der ein Zeichen von ihm zu erwarten schien.
    Ich blieb lange dort. Ich fühlte mich wohl so allein mit jenem seltenen und flüchtigen Gefühl, gefunden zu haben, was ich suchte: dieses Dörfchen, dessen Häuser und Ställe zwischen den breiten Mauern aus dem Mittelalter verstreut waren. Die Luft roch nach Wachs und frischer Erde , die Sonne neigte sich in kaltem Glanz.
    Eine alte Dame, die über ihrer schwarzen Kleidung ein farbiges Schultertuch trug, ging langsam die Straße hinauf. Ich sprach sie an: „Ich suche ein Haus zum Mieten.“
    Wortlos, wie in einem Traum – einem Traum, den man nicht vergisst -, zog sie einen schweren Schlüsselbund aus ihrer Schürze.
    „Meine Nachbarin Domenica musste fortreisen. Sie will, dass ich ihr Haus für sie vermiete.“
    Ich war nicht erstaunt, ich glaube an das Schicksal und an das Zusammentreffen von Ereignissen, Gedanken und Orten. Dankbar lächelte ich.
    Die alte Dame erklärte mir die Lage des Häuschens in der via Capo la Case, am Fuße des Aquädukts. Als sie mein Interesse bemerkte, führte sie mich dorthin und sagte mir im typischen Dialekt der Abruzzen, dass ich es gut getroffen hätte. Der abgelegene Ort befand sich zwischen dem Dorf und einer Quelle, die man auf ein paar Steinen überqueren konnte. Dort begann ein Weg in den Wald. Am Fuße des Gran Sasso waren wir beide vom Winterlicht dieses ungewöhnlich milden Tages umflutet.
    Ich wollte den Kamin im Haus sehen. Ich wünschte mir einen gemauerten Kamin, mehr nicht. Schon fragte ich mich, wie ich es anstellen würde, Holz zu organisieren, um ihn am nächsten Wochenende zu füttern.
    Als ich nach Rom zurückkehrte, schwebte ich im siebten Himmel. Alles war wie ein Zauber. Das Märchenhaus begeisterte mich.
    Als ich am folgenden Freitag wieder ins Dorf kam entdeckte ich überrascht, dass mich schon ein Kaminfeuer erwartete. Draußen war alles gefroren, aber dieses Feuer, das die alte Dame vorbereitet hatte, gab mir das Gefühl, an diesem verlassenen Ort willkommen zu sein.
    An diesem Abend legte ich nach Sitte der Norditaliener ein paar Essensreste auf die Schwelle, um die Hausgeister zu besänftigen und ihren Schutz zu erhalten. Dann ging ich zu Bett. In diesen Breiten war der Winter bereits weit fortgeschritten, und die Tage waren kurz. Der Himmel funkelte, wie ich es mir nicht hätte träumen lassen.
    In der Nacht erwachte ich von Geräuschen, die von draußen kamen. Zwar spitzte ich die Ohren, aber der Schnee erstickte rasch alle Töne. Ich dachte sofort an ein kleines hungriges Tier. Deshalb nahm ich mir vor, am nächsten Tag noch mehr Nahrung hinzulegen, und schlief wieder ein.
    An einem Dezemberabend in jenem Jahr 1985 saß ich in der Dämmerung auf einem Felsen neben der Quelle und schaute auf den Berg. Plötzlich nach ich ein kurzes Blitzen wahr: zwei funkelnde gelbe Augen hatten mich gleichsam fotografiert. Einen Augenblick darauf tauchte das Tier vor mir auf. Lange, intelligente Schnauze, zwei gespitzte Ohren, dichtes rotbraunes Fell: es war ein Wolf oder ein Schäferhund. Er hatte mich von weitem beobachtet. Ich wusste nicht, weshalb er da war. Er kam, ging wieder davon und drehte sich mehrmals zu mir um, ehre er auf dem Weg unter den Tannen im Schnee verschwand.
    Jeden Abend in der Dämmerung erwartete ich von nun an das Auftauchen meines Wolfes, und jeden Tag verringerte er den Abstand zwischen uns um ein paar Meter. Wenn die Nacht hereingebrochen war, ließ ich etwas Essen für ihn auf der Schwelle des Hauses liegen.
    Eines Morgens, große Schneeflocken bedeckten den Boden, ging ich hinaus, um ein paar Holzscheite zu holen. Er schien mich zu erwarten, nur ein paar Meter vom Weg entfernt, dicht bei der Quelle. Ich sah ihm in die Augen. Er drehte sich um, als wollte er weggehen, dann wandte er sich wieder zu mir. Ich verstand, dass ich ihm folgen sollte. Ich überlegte nicht lange. Mit Stiefeln, in eine große Decke gewickelt, die ich mir übergeworfen hatte, um die beißende Kälte des Morgens zu ertragen, folgte ich ihm auf dem Weg, der in die Berge führte. Er versicherte sich regelmäßig, dass ich noch hinter ihm lief. Ich war nicht richtig wach und fragte mich, ob ich vielleicht träumte. Aber während wir gemeinsam weitergingen, wurde ich von Erregung erfasst. Wir bildeten das unglaublichste Paar, dass man sich nur vorstellen konnte. Der Wind pfiff und die Flocken fielen. Er lief vorneweg, streifte die Rosenhecken, sein Fell bewegte sich auf und ab, man sah deutlich den Atem vor seinem Maul.
    Er verringerte den Abstand noch mehr. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, und mein Blick, von seiner Anwesenheit erfüllt, war so ruhig wie nie zuvor. Dennoch fühlte ich, dass mich wieder das Fieber unserer ersten Begegnung überkam.
    Während wir unseren Weg fortsetzten, wurde mir bewusst, dass er mich zunächst beobachtet und dann gerufen hatte. Und nun folgte ich ihm, ohne zu wissen, wohin er mich führte. Das Rauschen des nahen Wasserfalls wurde lauter. Der Wolf setzte sich auf die weißen Kieselsteine, ich kniete mich neben ihn und lauschte seinem Atem Rhythmus des Wassers. Sein Fell verströmte den wilden Geruch von Wald, Erde, Heidekraut und Schweiß, der mich in der Seele ergriff. Sein Blick war wie hypnotisiert vom fließenden Wasser. Ich prägte mir den jungfräulichen Klang des Rauschens ein und verstand, dass er mich von allem reinigte, was ich jemals zuvor erlebt hatte. So näherte ich mich dem Wolf.
    Langsam hob ich die linke Hand bis zu seiner Schnauze. Er schnupperte lange an mir und berührte mein Gesicht mit seiner feuchten Nase. Dann berührte ich ihn. Sein Fell war voller Schnee, auf seinem Kopf war es vereist. Unerwartete Tränen flossen über meine Wangen. Wir hatten einen Pakt geschlossen.
    Wann immer ich etwas Zeit hatte, kam ich nach Assergi, um bei ihm zu sein. Ich floh aus Rom und meinem anderen Leben, um mit meinem Wolf zu sein. Es war mir egal, wohin wir gingen. Mit ihm hatte ich niemals Angst. Er schien zu verstehen, dass ich immer wieder fort musste, und mir zu verzeihen. Wir trafen uns wieder, als sei die Zeit seit dem letzten Mal stehen geblieben. Wir irrten durch die Wälder, ich ahmte sein Ritual nach; Er wählte einen alten Baum aus, wanderte mehrmals um den Tamm herum und rollte sich dann an seinem Fuß zusammen. Ich blieb stehen, umarmte den Stamm und legte die Stirn dagegen, um mich auszuruhen. Meine Energie stieg in die tiefsten Wurzeln hinab und kehrte voll neuer Kraft zu mir zurück. Ich vergaß nicht, ihnen zu danken, dem Stamm, meinem Wolf und dem Himmel.
    Bei jeder Begegnung durchdrang mich etwas mehr von seinem Wissen, seiner Kraft und seinem Instinkt. Er schien ganz tief in seinem Innern den unabwendbaren Ablauf allen Geschehens gespeichert zu haben. Ich wusste nicht, wie lange ich dieses Geschenk noch würde genießen können, diese außergewöhnliche Beziehung zu meinem Wolf. Oft betete ich, dass sie ewig fortdauern möge.
    In einer Sommernacht, als wir in jener magischen Atmosphäre aneinander geschmiegt unter Tausenden von Sternen lagen, beobachtet allein von dem großen Berg, wünschte ich mir von ganzem Herzen, ihm in meinem nächsten Leben wieder zu begegnen.
    Eine Eule mit riesigen Flügeln schwebte über uns wie ein großer weißer Schmetterling. Lupo und ich hatten in ehrerbietiger Erwartung die Köpfe zu ihr erhoben und lauschten, wie sich ihre Federn an der Nachtluft rieben. Sie glitt auf uns zu, umfing uns mit der mächtigen Bewegung ihres Flügelschlages. Ihre Schwingungen durchdrangen unsere Seelen und unsere Körper, dann stieß sie einen Schrei aus und stieg hoch in den Himmel auf.
    Für mich war dieses Zeichen die Zustimmung, derer ich bedurfte, eine Antwort auf meine Fragen. Ich verstand, dass der Weg, der vor mir lag, noch lang war, dass ich meine Angst vor dem Halbschatten und der Nacht bezwingen musste. Ich musste Berg, Wolf, Eule werden, musste Erde und Luft sein.
    Ich umfasse Lupos Maul mit beiden Händen. Er brummte freundlich. Ich sah ihm gerade in die Augen und flüsterte: „Ich werde es tun!“
    Daraufhin verspürte ich das unmögliche Bedürfnis, um ein nur in meiner Fantasie vorhandenes Feuer zu tanzen. Zustimmendes Kläffen bestärkte mich in meiner plötzlichen Verrücktheit. Schweißtropfen perlten über meine Stirn, fielen auf meinen leichten, bebenden Körper. Ich war in Transparenz gekleidet. Von Lupos Fell liebkost, lief ich neben ihm durch die Nacht.
    Zwei Jahre lebte ich mit meinem Wolf. Jede Woche kam ich aus Rom zu ihm, um seine Erfahrungen und unsere Liebe zu teilen.
    Dann änderte sich mein Leben. Ich brachte einen Sohn zur Welt. Immer seltener kam ich in die Berge, bis ich schließlich beschloss, die Hütte aufzugeben und mit ihr einen Teil meines Herzens. Ich erklärte Lupo alles, ehe ich ging. Er wedelte mit dem Schwanz und berührte mich mit seiner Schnauze. Mein Herz drohte zu zerreißen, als ich ihn letztes Mal in die Berge davongehen sah. Ohne mich. Wahrscheinlich war ich noch zu sehr Mensch.

    Viele Jahre später, im Frühjahr 1999 kehrte ich nach Assergi zurück, um Lupo wiederzusehen. Ich parkte mein Auto neben der Hütte, mit der alles angefangen hatte. Als ich den Weg hinaufstieg, der uns fast fünfzehn Jahre zuvor zusammengeführt hatte, fühlte ich einen Stich im Herzen, der mir sagte, dass ich ihm ein letztes Mal begegnen würde. Ich ging die alten Waldwege entlang und rief ihn. Plötzlich sah ich ihn unter einem mächtigen Baum liegen, am Fuß unseres Berges. Er erhob sich schwerfällig, um mir entgegenzukommen. Mein Herz setzte aus.
    Als ich ihn so schwach vor mir sah, erkannte ich, dass er sterben würde. Ich kniete mich neben ihn, presste ihn weinend an mich, verbarg mein Gesicht in seinem vertrauten Fell. Ich legte die flache Hand auf seine Schnauze. Mit seinem freudigen Brummen und dem wedelnden Schwanz suchte er meinen Schmerz zu mildern. Seine funkelnden Augen sagten mir: Das ist nur eine Verwandlung. Ich setzte meinen Weg fort. Ich muss gehen, das musst Du verstehen.
    Dann küsste ich den hellen Fleck auf seiner Brust und ging davon. Ich drehte mich noch mal um, wie es die Wölfe tun, die immer ein letztes Mal zurückschauen. Er war nicht mehr da. Ich weiß, dass er in mir ist. Und in dieser Nacht und in allen folgenden hätte ich gern den Mond angeheult.



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