Sie sehen es (Saber Rider and teh Star Sheriffs Fanfic)

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    Re: Sie sehen es (Saber Rider and teh Star Sheriffs Fanfic)

    saskat - 06.03.2007, 19:35

    Sie sehen es (Saber Rider and teh Star Sheriffs Fanfic)
    Anmerkungen des Autors

    Ich brauche ein paar tage bis sie hochgeladen ist, und sie wird nebenher auch noch beta gelesen.



    Einfache Leute



    Jesse lächelte zufrieden. Unbekümmerte sah er sich auf der kleinen Lichtung um. Hier hatte er ein fantastisches Fleckchen entdeckt. Hier, auf dem kleinem Nebenplaneten im Gamma System, konnte er sich ohne weitere Belästigungen bewegen. Dieser kleiner Planet hatte sich vollkommen von den anderen vereinten Nationen abgegrenzt und seine Bewohner zählten sich zu den unabhängigen Unionen, die ihre eigenen Gesetzte machten. Natürlich hatte das gewisse Nachteile für die Bevölkerung, da sie keine Unterstützungen bekamen, wie beispielsweise Zuschüsse bei schlechten Ernten, aber sie waren in der Lage, Verträge zu schließen. Das KOK und seine Mitglieder hatten keine Befugnissgewalt und die Outrider wurden, nachdem sie finanzielle Zuschüsse zugesichert hatten, gern begrüßt.
    Allerdings war es nicht die Freundlichkeit und die Unbekümmertheit der Bevölkerung, die Jesse hier hin trieb, sondern die Berge. Schon vor Längerem hatte er die Info bekommen, das die Berge wichtige und Teils sehr schwer zu erstehende Mineralien aufweisen, die die Outrider gut gebrauchen konnten. Die Bevölkerung von Kunberam hatte keine Verwendung dafür. Die Bürgermeisterin war aber gerne bereit, den jungen Komandanten zu empfangen, um Verhandlungen über die Schürfrechte zu beginnen.
    Nun stand er hier im heran brechendem Morgengrauen, ließ seine Blicke über die weiten Wälder dieses Planeten schweifen und atmete die unbelastete Luft tief ein. Ein zartes Lüftchen strich ihm durch das Haar und kitzelte seine Wangen, die noch blaß vom Schlaf der letzten Nacht waren.
    Sein Hemd war zerknittert und er stand Barfuß auf noch taunassem, fast knöcheltiefem Gras.
    Hinter ihm standen drei Frachtschiffe, die mit Gerätschaften zur Einnehmung der Berge ausgestattet waren, außerdem beherbergten sie Material für provisorische Unterkünfte und, last but not least, Waffen zur eventuellen Verteidigung, obschon er nicht damit rechnete.
    Vor ihm breiteten sich hinter dem dichten Mischwald die Gebirgskette aus. Ihr trübes Band wurde teilweise von dichten Nebelschwaden verdeckt und Jesse konnte weiße Schneekuppeln ausmachen, die ihn aber nicht weiter störten. So hoch würde er nicht müssen.
    Um die Lichtung erstreckte sich dichter, beinahe undurchdringlicher Mischwald, der sich hoch und weit in den Himmel erstreckte.
    Fremde Geräusche von ebenso fremden Tieren drangen jetzt aus ihm heraus, schallten über die Lichtung und tauchten die Szenerie in eine ungewöhnlich romantische Atmosphäre.
    Jesse reckte sich, gähnte ausgiebig und fuhr sich durch das Haar.
    Schritte hinter ihm holten ihn ein wenig auf die Erde zurück..
    "Sir? Wir können damit beginnen, Hütten auf zu stellen, wenn sie es wünschen.", sagte ein Outrider mittleren Alters, der sich freiwillig für die Aktion gemeldet hatte. Im Gegensatz zu Jesse sah er es als praktisches Zubrot, Jesse mutete das ganze wie Urlaub an, den er, was das anging, auch dringend nötig hatte.
    "Ich muss erst mit der Bürgermeisterin reden. Ich werde dann Bescheid geben.", sagte er knapp, schaute auf die Uhr und sah, dass er noch über eine Stunde hatte, bis er den Termin mit ihr wahrnahm.
    Noch genug Zeit, um zu Frühstücken.


    Nikita Bringham schaute um kurz nach acht auf die Uhr, schnaubte und zuckte die Schultern. Auf ihrem Schreibtisch hatte sie einige Papiere zusammen gesucht, die ihr bei den Verhandlungen mit dem Kommandanten...wie hieß er noch gleich...ach ja...Blue, behilflich sein sollten.
    Sie drückte auf den Knopf ihrer Gegensprechanlage und bestellte ihre Sekretärin hinein, die gleichzeitig eine langjährige Freundin von ihr war.
    Mia trat mit einem Lächeln ein und biss sich auf die Unterlippe, als sie Kita so nervös sah.
    "Ist er immer noch nicht da?", fragte Kita, wie sie kurz genannt wurde und schaute wieder auf die Uhr. Es war nun schon zwei Minuten später als das letzte Mal.
    Mia schüttelte den Kopf. "Nein, immer noch nicht. Vielleicht ist das bei Outridern chic, wenn man zu spät kommt.", grinste sie.
    Kita lachte. "Vielleicht hat er sich auch verlaufen. oder wir haben ihn verpasst. Wir wissen ja nicht mal, wie der aussieht."
    Mia winkte ab. "Na, ich schätze mal wie ein Outrider. Wobei ich die nur aus den Nachrichten kenne. und du bist sicher, dass du mit ihnen was eingehen willst?" Sie klang nun doch ein bisschen besorgt. Und Sorge war nicht gut, gar nicht gut. "Von denen soll man ja üblicherweise nichts Gutes zu erwarten haben."
    Kita winkte ab. „Sollten sie uns tatsächlich Schwierigkeiten machen, können wir immer noch Hilfe anfordern. Ich habe da schon Schritte eingeleitet. Mach dir keine Gedanken. Wir gehören nicht zu ihrem Beuteschema, denn wir haben bis auf die Berge nichts, was sie interessieren könnte. Und wenn sie Geld mitbringen und Jobs, dann sind sie mir Willkommen.“
    Für Kita war die Sache eine willkommen Möglichkeit, die noch recht hohe Arbeitslosigkeit in ihrem Gebiet zu verringern. Die Outrider hatten in Vorverandlungen schon zugesagt, größtenteils Arbeitskräfte aus der Region zu nehmen und diese auch zu bezahlen. Dass würde einen kleinen Aufschwung geben, Straßen könnten durch neu fließendes Geld erneuert werden, der Export könnte besser organisiert werden und auch die Schulen brauchten dringend neue Materialien. Wenn die Outrider ihnen das alles ermöglichen konnten, dann waren ihnen die Konflikte zwischen
    den Siedlern des neuen Grenzlandes und den Outridern gleichgültig und wenn die Fremden Probleme machten, hatte sie dafür gesorgt, dass sie auf Abruf Hilfe bekam. Trotz allem hatte sie einen guten Draht zum KOK. Nicht umsonst lud sie hin und wieder Kommander Eagel zum Golfspielen und Essen ein.
    Beziehungen zahlten sich aus, auch wenn er sie immer wieder zu überreden versuchte, sich dem neuen Grenzländern anzuschließen.
    Bisher hatte sie immer abgelehnt, aber manchmal hatte er sie fast so weit. Die finanziellen Absicherungen waren einfach zu verlockend. Nun aber, mit den Aussichten auf neue Gelder und auf Arbeitsplätze konnte sie wieder ein wenig alleine durchhalten.
    Sicher hatte auch sie Angst, aber sie war zuversichtlich. Der Mann, mit dem sie geredet hatte, machte einen sehr netten Eindruck. Einen recht menschlichen Eindruck.
    Auch wenn er zu spät war.
    Wieder schaute sie auf die Uhr.
    „Verdammt, wo bleibt er denn?“



    Jesse blickte an dem bescheiden wirkendem Gebäude mit dem leicht femininem Touch hoch. Er hatte noch kaum erlebt dass ein Bürgerhaus so einen heimischen Eindruck machte.
    Vor den Scheiben der Fenster hingen Gardinen und einige Blumenkästen hatte man platziert, wobei gerade jetzt, in dieser voll tragenden Jahreszeit ein kleinen Blumenmeer daraus erwuchs.
    Die Straßen waren belebt und einige Bewohner blieben verwundert bei seinem Anblick stehen und tuschelten hinter vorgehaltener Hand.
    Der Mann passte so gar nicht in das Bild und natürlich wussten die Bewohner von den Neuankömmlingen.
    Sie warteten ja bereits.
    Ein kleiner Junge blieb neben ihn stehen und grinste ihn mit Marmelade verschmiertem Mund an..
    Jesse schätze ihn auf höchstens fünf, vielleicht sechs Jahre.
    Er hob seine rechte Hand und zeigte auf Jesses Schopf.
    „Du hast blaue Haare..“, bemerkte er und lachte.
    Jesse grinste zurück und zog eine Augenbrauen hoch.
    „Was du nicht sagst...“

    Das Innere des Gebäudes war ungewöhnlich kühl, wenn auch genau so weibisch eingerichtet, wie es von außen schon vermuten ließ. Er trat an den Empfangstresen und eine kleine, etwas rundliche Frau mit Brille und ziemlicher Hochsteckfrisur lächelte ihn freundlich an.
    „Oh, Mr. Blue, wie ich vermute.“, sagte sie und kam hinter dem Tresen hervor.
    „Miss Bringham wartet schon auf sie...seit etwa einer viertel Stunde.“, fügte sie etwas vorwurfsvoll hinzu, sah ihn aber gleich auch entschuldigenden Augen an.
    Jesse zuckte die Schultern und lächelte einnehmend und zuckersüß, was der strengen Lady gleich einen versöhnlichen Gesichtsausdruck schenkte.
    „Ich musste suchen.“, gab er zu.
    Sie nickte und führte ihn zu einem Fahrstuhl, der schon bessere Zeiten gesehen hatte. Nachdem er sich geöffnet hatte, drückte sie den Knopf für die zweite Etage.
    „Gehen sie einfach durch, das wird schon in Ordnung sein. Ich melde sie dann schon mal an.“
    Jesse tat, wie ihm aufgetragen.
    Im Fahrstuhl blickte er an sich herab. Er hatte für diesen Anlass einen nicht sehr offiziellen Aufzug gewählt. Die Leute machten einen einfachen Eindruck und er wollte sie nicht verschrecken wenn er im Aufzug eines Kriegsherren hier auftauchte.
    Er trug ein ordentliches Hemd, eine dunkle Hose und hatte sich einfache Schuhe über gezogen. Eine Jacke war nicht nötig, es war jetzt schon recht warm.
    Seine Haare waren mit einem Gummi in Nacken zusammen gebunden.
    Als sich schließlich die Türe zur Chefetage öffneten, hatte er als erstes einen angenehmen Kaffeegeruch in der Nase, der ihm ein heimisches Gefühl vermittelte.


    Mia schaute auf, als sich die Fahrstuhltür öffnete und blickte den jungen Mann verwundert an.
    War das ein Outriderkommandant? Sie stierte ihn verblüfft für wenige Sekunden an. Er war groß, in dem sehr fein geschnittenem Gesicht saßen zwei klug und wach dreinschauende Augen von einem hellen und klarem Blau, dass sie gleich fahrig machte. Er war höchstens 25...aller höchstens, wenn nicht um ein paar Jahre jünger.
    Seine Kleidung war leger. Nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte schon Angst sie müsste einem Mann gegenüber stehen, der das Jackett voll von erst kürzlich polierten Heldenorden oder so was hatte.
    Lächelnd trat sie auf ihn zu, streckte ihm die Hand zum Gruß entgegen und freute sich über seinen warmen, festen Händedruck.
    „Komandant Blue, schön, dass sie doch zu uns gefunden haben. Miss Bringham erwartet sie schon.“
    Jesse zwinkerte ihr zu. „Ich weiß, ich bin zu spät.“
    Mia lachte. Sie konnte sich vorstellen,dass Britta ihm unten wahrscheinlich schon die Leviten gelesen hatte. Sie war von der alten Schule, streng und duldete keine Verspätungen.
    „Das macht doch gar nichts, wahrscheinlich haben sie suchen müssen. Wo haben sie sich denn platziert?“, fragte sie neugierig, da ihr noch nicht zu Ohren gekommen war, dass vor der Stadt Schiffe gelandet waren.
    „Auf einer großen Lichtung in den Wäldern“, gab er zurück und hoffte, dass er damit nicht irgend welche Naturschutzgesetzte gebrochen hatte.
    „Ach so, ja dann.“, meinte sie und führte ihn zu einer angrenzenden Tür, die sie höflich öffnete und ihn mit einer Handbewegung einzutreten bat.
    Hinter ihm schloss sich die Tür wieder.
    Kita schaute von ihrem Schreibtisch auf und sah beinahe reflexartig zur Uhr, was Jesse ein helles Lachen entlockte.
    „Oh je, ich denke, ich werde nie wieder zu spät kommen,“, lachte er und gab ihr die Hand, die sie etwas verschämt lächelnd an nahm. Sie winkte ab.
    „Bitte, setzten sie sich.“
    Jesse setzte sich und blieb fast drei Stunden, indem er die Schürfrrechte sichern konnte, zusicherte, Arbeitskräfte aus der Region zu nehmen und einen für ihn spottbilligen Stundenlohn für diese aushandelte.
    Hätte er diese Region überfallen und unterworfen, hätte alleine die Nahrung, Unterbringung und Bewachung mehr Geld gekostet.
    Er war sehr zufrieden mit sich. Sehr zufrieden.
    Wer zuletzt lacht.

    Gesehen werden



    Charles Eagel hatte versucht, auf sie ein zu reden, aber seine langjährige Freundin Kita wollte nicht auf ihn hören.
    „Ich weiß, dass du nichts mit unseren Konflikten zu tun haben möchtest,“, hatte er ihr erklärt, „Aber Outrider sind gefährlich. Sie kommen nicht, schaffen Arbeitsplätze und gehen dann wieder friedlich, wenn sie haben, was sie wollen. Versteh das doch!“
    Doch sie verstand nicht, wollte es nicht oder tat das, was sie letztendlich immer tat. Ihren Kopf durch setzten.
    Immerhin hatte er sie dazu überreden können, die ganze Aktion von fachkundigen Leuten überwachen zu lassen.
    Und diese fachkundigen Leute standen nun in seinem Büro, starrten ihn fast verzweifelt an und schüttelten die Köpfte.
    „Bei allem Respekt, Komander.“, sagte Saber, nachdem er sich die Ausführungen angehört hatte.
    „Wir sollten gleich eine ganze Armader schicken.“
    Egal seufzte. „Dass können wir nicht. Wir können erst eingreifen, wenn was passiert. Sie wollte ja erst nicht mal, das ihr kommt. Sie glaubt, das wäre unhöflich. Deswegen müsst ihr euch auch völlig zurückhalten und erst agieren, wenn es nötig ist.“
    Colt, der sich auf den nicht allzu bequemen Schreibtisch gesetzt hatte, sprang nun auf und stampfte mit dem Fuß auf.
    „Das ist der helle Wahnsinn. Wir sollten sie gleich in ihre Schranken weisen! Die räuchern wir aus und gut ist!“
    April hielt ihn am Arm zurück, weil sie schon fast befürchtete, er könnte auf ihren Vater los gehen.
    „Colt, bitte.“ Sie sah ihren Vater an.
    „Aber wir können ohne Probleme hin? Oder werden wir gleich aus der Stadt gejagt?“
    Eagel zuckte die Schultern.
    „Die Sache ist die. Wir haben die „Erlaubnis“ bekommen, einzugreifen, wenn sich die vermeidlichen Geldgeber als unfreundlich erweisen. Solange sie allerdings keine Anstalten machen, können wir nur daneben stehen und zusehen, was passiert. So einfach ist die Sache. Und wenn sie sehen, dass ihr dort seid, wird es vermutlich so oder so schon Schwierigkeiten geben. Es ist zum aus der Haut fahren.“
    „Sollen wir uns verkleiden oder so was?“, fragte Fireball fast ängstlich. Er hasste das. Immer diese Umstände.
    „Das wird nicht nötig sein. Jeder kann sich dort bewegen, wie er will. Genauso wenig, wie wir den Outridern verbieten könne, dort zu sein, können sie euch verbieten, da....sagen wir mal, einen Urlaub zu verbringen.“ Er lächelte Fireball an.
    Colt verstand das Problem, war aber immer noch nicht wütend. „Super, dann werden wir ja im „Urlaub viel zu Arbeiten haben. Na, wenigstens mussten wir keinen Antrag einreichen..“, schnaubte er. April hatte immer noch eine Hand beruhigend auf seinen Oberarm liegen und er schüttelte sie nun unsanft ab.
    „Lass mich los, menno!“, murrte er.
    „Wenn du jetzt schon ausflipst, werden wir dich verstecken müssen.“, zischte ihn Saber an.
    „Dann kommst du in das Gurkenfass, das schon seid Wochen stinkend in Ramrod steht, Freundchen.“
    Colt atmete ein paar mal tief ein, versuchte sich zu entspannen und hatte sich nach ein paar Anläufen wieder im Griff.
    „Also wir fliegen in und schauen nur ein bisschen, machen aber nichts? Selbst wenn wir da Gattler oder Gott weiß wem über den Weg laufen? Wir dürfen niemanden verhaften? Habe ich das richtig verstanden? Keine Befugnisse?“
    Eagel nickte. „Keine Befugnisse, erst, wenn wirklich was passiert, vorher nicht.“
    „und es wird was passieren.“, ersuchte Saber ihn auf zu muntern. „Völlig unmöglich, dass was nicht passiert. Und dann darfst du auch wieder toben. Ist das ein Wort?“
    Ein bitteres Lächeln wuchs auf Colts Gesicht. „Ich freu mich jetzt schon wie ein Zugpferd.“, sagte er und schob seinen Hut tief in die Stirn.
    „Und ich setzt mich freiwillig ins Fass, wenn das gut geht. Und zwar für ne Woche.“




    „Da ist Kunberam!“, rief April drei Stunden später, als sie auf dem Panoramafenster Ramrods den wundervollen grünen Planeten ausmachen konnte.
    „Sieht schön aus, völlig bewaldet.“
    Saber hatte sich neben ihr gestellt und auch er war hingerissen von der Aussicht.
    „Es gibt dort nur eine Stadt und ein paar kleinere Siedlungen. Wenig Bevölkerung, sehr abgekapselt.“, erklärte er.
    „Da passt ja auch nicht viel hin. Bei so viel Wald.“ Fireball hatte sich auf April Armlehne gesetzt und nahm nebenher den Geruch ihres Haares wahr, der wie eine Aura um sie schwebte.
    „Ich werd mal sehen, ob wir Ramrod irgendwo landen können.“ April schnaubte. „Auf dieser tollen Lichtung in Stadtnähe haben sich schon unsere Freunde hin gesetzt. Dann landen wir vor der Stadt, in sicherer Entfernung.“
    Fireball setzte Ramrod sanft auf, scannte die Gegend und machte einen zufriedenen Eindruck. „Also, größere Waffen haben wir nicht zu befürchten. Sollen wir gleich mal in die Stadt und der Bürgermeisterin sagen, dass wir da sind?“
    Saber schüttelte den Kopf.
    „Nein, sie weiß, das wir auf Abruf zur Hilfe eilen werden, aber ich möchte sie nicht jetzt schon nervös machen. Wir können aber dennoch in die Stadt und uns mal umsehen. Dagegen ist ja nichts ein zu wenden, oder?“

    Die Stadt erinnerte Colt spontan an eine dieser Geisterstädte. Nur das hier wirklich Menschen lebten. Die Straßen waren teilweise ungepflastert, die Häuser und Geschäfte waren Holzbauten....nun ja, angesichts der Tatsache, dass es davon mehr als genug gab, war es nur vernünftig, diesen Rohstoff auch zu nutzen.
    Bäume gab es ja nun mal in Hülle und Fülle hier.
    Die Kleidung der Leute war aus teilweise recht altertümlicher wirkender Art.
    „Ein bisschen wie in alten Zeiten hier, wa?“, hatte er Saber zugeflüstert der ehrfürchtig genickt hatte.
    April hatte ein anderes Bild vor Augen. Sie wurde spontan an eine eigenartige Volksgruppe erinnert, die sich schon seid Jahrhunderten dem modernem Leben entzogen.
    Die Bezeichnung der Leute wollte ihr nicht einfallen, aber sie hatte sie im fernsehen gesehen. Einfach Leute, die Frauen trugen Hauben und die Männer meist Bärte.

    April wollte das gerade sagen, als ihr das Wort im Hals stecken blieb.
    Hektisch zog sie Saber am Jackenärmel, der sich fragend zu ihr umdrehte.
    „Was denn?“
    „Ich glaub, ich bin farbenblind, oder seh ich Blau?“, fragte sie und deutete die Straße herunter.
    Acht Augen folgten ihrem Finger und ihre Schritte stoppten.
    Alle vier blieben mittig auf der Straße stehen und kniffen die Augen zusammen.



    Jesse war vom Bürgerhaus direkt in eine Bäckerei gegangen, die ihm mit duftigem Geruch gelockt hatte. Obwohl er schon gefrühstückt hatte, konnte er nicht widerstehen. Nun kam er, mit einem Beutel bewaffnet, der mit einem süßem Teilchen gefüllt war, wieder in den Sonnenschein.
    Er wandte das Gesicht gen Himmel und ließ die warmen Strahlen seine Wangen wärmen.
    Als er seinen Weg wieder fortsetzten wollte, stockte er.
    Sein Blick verfinsterte sich, in seiner Magengrube entwickelte sich ein nicht unangehnemes Kribbeln und fast automatisch wanderte seine Hand auf den Griff seines Blasters.
    Sie standen sich gegenüber wie in einem alten Western, wo irgendwer, irgendwann einmal gesagt hat.
    >Mittag, wenn die Sonne des höchsten Punkt erreicht hat....Bleib Ruhig, Blue..Cool bleiben.<


    „Der kommt hier her!“, sagte Colt nicht ohne eine gewisse Anerkennung in seiner eigenen Stimme zu vernehmen.
    „Is ja ein Ding.“
    April schritt fast automatisch einen kleinen Schritt zurück, ohne das sie es wollte, hatte sie sich damit halb hinter Saber verborgen.
    Jesse registrierte es mit Genugtuung.
    „Sie an, die Blechsterne. Was treibt euch denn in diese verlassen Region des weiten Alls. Oder sollte ich mich etwa geschmeichelt fühlen, dass ihr den weiten Weg hierher gemacht habt?“
    Jesse blieb auf sichern Abstand.
    Hatte Colt ihn etwa angeknurrt? Der Cowboy sah aus, als würde es nicht viel brauchen, um ihn zum platzen zu bringen.
    Um seine Hände unter Kontrolle zu halten, hatte Colt seine Arme vor der Brust verschränkt.
    „Nicht doch, Blue. Wir machen ein bisschen Urlaub. Ist doch schön hier...zumindest war es das noch vor dreißig Sekunden.“, fügte er hinzu.
    „Hm, ja schön hier. Sogar noch viel schöner wie noch vor dreißig Sekunden, wenn du mich fragst.“, erwiderte der blauhaarige junge Mann mit einem Blick auf April..
    „Aber wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich habe keinen Urlaub und noch zu tun.“
    Jesse machte Anstalten sich zwischen Fireball und Saber hindurch zu arbeiten. Sie gingen jeweils einen Schritt zur Seite, um ihm Platz zu machen.
    „Wir behalten dich im Auge, Jesse.“, raunte ihm Saber zu.
    „Egal was du auch tust oder wo du dich aufhältst. Wir sind immer einen Schritt hinter dir.“
    Jesse sah ihn in die Augen, die zu kleinen Schlitzen wurden.
    „Dann bedeutet das wohl, dass ich euch immer einen Schritt voraus sein werde, oder?“
    Saber sagte nichts.
    „Dass habe ich mir gedacht.“, grinste Jesse und hatte ein herrliches Hochgefühl im Bauch..


    April beobachtete, wie Jesse um die Ecke eines Hause verschwand und merkte, wie ihr schlecht wurde. Sie hatte ihm schon lange nicht mehr so nah von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden und schon fast vergessen, was er für eine beinahe grausame Wirkung er auf sie hatte.
    Sie wurde schlichtweg körperlich krank, wenn sie ihn sah.
    „Was für ein Arschloch.“, entfuhr es Colt.
    Fireball nickte. „Aber echt, und muss wohl immer das letzte Wort haben.“
    Saber zuckte die Schultern.
    „Ihr wisst ja, wie es heißt. Wer zuletzt Lacht, lacht am besten. Vom letztem Wort ist da nicht die Rede.“
    „und ich lach mich zuletzt echt tot.“, fügte Colt hinzu.
    Adrenalin hatte sich in seinem Körper ausgebreitet. Seine Hände zitterten und er fühlte sich, als könnte er Bäume ausreißen. Ganze Wälder, hier würde er damit keine Schwierigkeiten haben.„So nah und doch so fern.“, jammerte er.
    Saber klopfte ihn auf die Schulter..
    „Den kriegen wir. Früher oder später geht er uns ins Netz.“



    Hätte Colt ihm erzählt, wie es ihm nun ging, Jesse hätte es ungelesen unterschrieben. Auch sein Körper bebte vor Adrenalin. Er hatte mal gehört, dass es gutes und schlechtes Adrenalin gab und dieses hier war von bester Qualität.
    Sein Herzschlag hatte sich verdoppelt, seine Handinnenflächen schwitzen und sein Kopf schien einen Blutstau zu haben Er wusste nicht, ob er vor Vorfreude tanzen, oder vor Wut schreien sollte. Seine Zunge fühlte sich aber so oder so taub an.
    Er blieb stehen, atmete tief ein und schloss die erstaunlichen Augen, wischte die Hände an der Hose ab und versuchte sich zu beruhigen.
    Ein kleines Mädchen, dass auf der Verander eines Hauses saß und mit einer schmutzigen Stoffpuppe spielte, sah ihn aus kleinen, fast trüben Augen an.
    Ihr Rock war am Saum zerrissen und ihre nackten Füße schwarz vor Dreck.
    Blonde, strähnige Haare waren zu Zöpfen geflochten, die nun rechts und links über ihre Schultern fielen.
    Auf ihrer Oberlippe hatte sie einen beachtlichen Herpes, über den sie wieder und wieder mit der Zunge fuhr..
    „was glotzt du so, hm?“, fuhr Jesse sie an.
    Dass Mädchen lächelte und entblößte dabei ein schlechtes Gebiss. Eines ihrer Schneidezähne fehlte.
    „Ich kann es sehen.“, sagte sie leise, wobei sie die Lippen betont bewegte und Jesse bekam eine Gänsehaut.
    Sein Magen verkrampfte sich. Das Kind legte den Kopf schief, deutet auf ihn mit einem schmutzigen Zeigefinger. Jesse sah sogar den Dreck unter dem Fingernagel.
    „Ich seh es.“, flüsterte sie wieder.
    Der junge Outriderkomandant, der von den Menschen gefürchtet wurde und sich seinen Respekt unter dem Phantomwesen erarbeitet hatte, der als hart und ungnädig galt, der Männer in dunklen Verhörzimmern zum weinen gebracht hatte, schritt mit wackligen Beinen zurück und erschrak, als er auf ein Hindernis hinter sich stieß.
    Ein rothaariger, vielleicht 14 Jähriger Junge stand hinter ihm.
    Jesse bemerkte, dass diese beiden Kinder außer ihm die einzigen lebenden Wesen zu sein schienen. Es war kein Geräusch zu hören, kein Vogel sang, selbst der Wind hatte sich nicht in diese Gasse getraut, die ihm auf einmal so viel dunkler als der Rest der Stadt vor kam.
    Der Junge lächelte nicht. Er sah ihn ernst an.
    Seine Kleidung war sauberer und nicht zerrissen, aber sein Blick.
    In seiner Hand hielt er eine Schleuder, wie Kinder sie oft bastelten. Seine Hosentasche war ausgebeult und Jesse vermutete, dass sich Steine darin befanden.
    Seine dunklen Schuhe waren vom Staub der Straße bedeckt.
    „Wir sehen es.“, murmelte er, hob den Zeigefinger, der sich wie ein Mahnmal auf Jesse richtete.
    Jesse blinzelte.
    Für Sekunden wurde die Welt um ihn herum schwarz, drehte sich, wollte ihn von sich schleudern.
    Tapfer hielt er sich, kämpfte gegen den Strom, versuchte die Schatten hinter seiner Stirn zu verbannen und musste sich darauf konzentrieren, mit beiden Füßen auf der staubigen Erde zu bleiben.
    Er wollte weg, nur noch weg. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er schnellen Schrittes, ja rannte fast, den Weg bis zum provisorischem Lager.


    Mort sah seinen Komandanten zwischen den Bäumen hervor kommen und wollte aus seinem Gesicht herauslesen, wie es um die Lage stand.
    Er wedelte ihn mit den Armen zu, wollte ein freundliches Lächeln auf seinem Gesicht wachsen lassen, fror es aber ein, als er die Miene des ungewöhnlichen Menschen sah.
    Jesse war blaß, hatte aber hektisch rote Flecken auf den Wangen und seine Augen waren groß.
    Besorgt ging Mort ihm entgegen.
    „Alles ok, Sir?“
    Jesse sah ihn aus Augen an, die Mort kaum wieder zu erkennen glaube, doch dann, nur Sekundenbruchteile später, schlich sich der alte, etwas verschlagene Ausdruck in sie.
    „Wir können aufbauen, alles ok. Ach ja, und die Star Sheriffs sind hier.“
    Mort klappte er Kiefer runter..
    „Aber ich dachte...“, begann er, aber Jesse unterbrach ihn.
    „Keine Sorge, sie können uns nichts, sie wollen sich nur wichtig machen und solange wir keinen Fehler machen, wird alles seinen Weg gehen. Morgen werden schon die ersten Leute ankommen, die für uns arbeiten werden. Ich möchte, dass sie äußerst freundlich und zuvorkommend behandelt werden. Ist das klar?“
    Mort nickte. Er persönlich hatte kein Problem mit Menschen. Nun ja, ihren Geruch mochte er nicht besonders und außerdem waren sie ihm zu geschwätzig, aber andere Länder, andere Sitten.

    Der Aufbau des Lagers ging zügiger voran, als Jesse es gedacht hatte. In wenigen Stunden hatten sie vier Hütten stehen, die zwar spartanisch eingerichtet waren, aber für den Zweck ausreichten. Jesses Hütte war mit einem eigenem Generator versehen, der es ihm sogar ermöglichte, an seinem Rechner zu arbeiten, einen Kühlschrank auf zu stellen und, was nicht unwichtig war, einen kleinen Fernseher zu verwenden, der nicht viele Programme empfing, aber zumindest für Abwechslung sorgte. Ursprünglich hatte er nicht lange zu bleiben geplant und wäre nach ein paar tagen wieder abgereist. Diese Dinge konnten auch ohne ihn laufen, aber nachdem nun die Blechsterne hier waren, konnte er nicht so schnell wieder weg. Nun, könnte schon, nur mit dem Wollen schien es nicht so sehr zu klappen.
    Er hatte sich sogar überlegt, ob er Lühr herbestellen sollte. Er kam sich ohne sie so oder so schon einsam vor. Eine kleine, unbedeutende Tatsache, die er ihr gegenüber nicht zu erwähnen plante, aber sie wusste das.
    In seiner Welt, die darauf eingerichtet war, Leistungen zu erbringen, wo er kaum noch welche zu finden glaube, war sie sein Halt. Seine rechte und seine linke Hand, sein Trost, sein Kindermädchen, wenn er sich schlecht fühlte und sein Gewissen, wenn er seines mal wieder irgendwo verbummelt hatte.
    Wahrschienlich machte sie sich schon Sorgen. Er hatte sich seid seiner Ankunft auf Kunberam nicht bei ihr gemeldet.
    Schnell suchte er seinen Com aus der Tasche und schickte ihr eine kurze, aber zuversichtliche Nachricht.
    > Kunberam ist sehr kooperativ. Ich werde länger bleiben. PS. Soll ich die Star Sheriffs von dir grüßen?<
    Grinsend steckte er das kleine, graue Gerät wieder in die Tasche. Er würde zu gern ihr Gesicht sehen, wenn sie das las. So wie er sie kannte, wäre sie dann vermutlich schneller hier, als er „Willkommen Lühr“, sagen konnte.
    Gut so, so brauchte er sie nicht zu bitten zu kommen.




    April hatte es als erstes entdeckt. Ein kleines, sehr unauffälliges Lokal, das sich durch urige Gemütlichkeit auszeichnete. Sie hatte sich gleich darin verliebt, als sie hinein traten.
    Durch kleine, aber saubere Fenster tanzten goldige Sonnenstrahlen auf weiße, fein gehäkelten Tischdecken.
    April nahm entzückt wahr, dass auf jedem Tisch eine kleine Topfpflanze stand.
    An der dunklen und klobigen Holzteke saßen drei Männer mittleren Alters, die sie beim hereinkommen freundlich anlächelten.
    „Wisst ihr was, die Leute hier haben echt kein Misstrauen.“, stellte Colt fest, der es gar nicht gewohnt war in abgelegenden Gebieten so begrüßt zu werden.
    Der Schankwart winkte ihnen zu und hielt fragend ein Bierglas hoch.
    „Gerne, wir nehmen alle eines.“, rief Colt ihm zu.
    Saber hatte schon einen Tisch für sie auserkoren, setzte sich und musste sich unter der tief hängenden Lampe darüber ducken.
    „Nun ja, sie haben wohl noch nicht wirklich schlechte Erfahrungen mit Fremden machen müssen, schätze ich.“
    Fireball, der sich ihm gegenüber setzt, nickte zustimmend.
    „Trotzdem ist es komisch. Alle sind so supernett und freundlich. Das ist ja schon fast unheimlich.“
    Gerade als er das ausgesprochen hatte, stellte der Schankwart vor jeden ein riesiges, schäumendes Bier.
    „Lasst es euch schmecken Jungs. Macht fünf.fünßig für jeden von euch.“
    Colt beugte sich vor. „Sag mal, geht das auf KOK-Rechnung.“ Der Preis war schon nicht schlecht.
    Saber grinste und nickte. Er holte seine Brieftasche heraus, legte das Geld auf den Tisch und dazu ein kleines Trinkgeld, dass allerdings auf seine Rechnung ging.
    Der Mann nahm es dankbar an sich und verschwand wieder hinter seinem Tresen.
    „Ich glaube, ich verstehe schon, warum sie alle so freundlich sind. Sie sind auf die Gelder von Touristen angewiesen und brauchen schlichtweg jeden Conti für die Stadt. Mit Sicherheit verirren sich nicht viele „Geldbörsen“ hier her. Deswegen sind sie auch so scharf auf die Verhandlungen mit den Outridern.
    April verstand. „Ich wünschte nur, sie hätten mit jemand anderen ihre Verhandlungen gemacht. Wir sollten die Lichtung in jedem Fall im Auge behalten. Aber unauffällig.“
    „Wieso unauffällig. Wir können auch völlig auffällig einen Spaziergang durch die Wälder machen, kein Problem, oder?“, wollte Colt wissen. Er hatte bereits einen großen Schluck Bier getrunken und es schmeckte großartig. Er konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte mal so wunderbares Bier getrunken hatte.
    Es war mild, frisch und würzig.
    Saber prostete ihn zu.
    „Wir sollte Jesse nicht zu sehr reizen. Für den Fall der Fälle. Ich meine, die Leute haben das Geld bitter nötig und solange alles glattläuft, will ich ihn und sein Geld nicht vertreiben.“
    „Blutgeld.“, sagte Colt trocken.
    Er hatte sein Blick aus dem Fenster schweifen lassen und beobachtete zwei Kinder, die auf der staubigen Straße mit Murmeln spielten. Der Junge hatte ein kleines, etwa faustgroßes Loch in die Erde gebohrt und malte nun Linien mit einem Stock in den Staub, von wo aus die Murmeln starten sollten.
    Immer wieder kratze er seinen blonden Haarschopf und Colt hatte eine leise Ahnung, dass der Junge Läuse hatte.
    Er machte einen wenig intelligenten Eindruck.
    „Meinetwegen sollen sie das Geld haben. Besser die bekommen es und machen was draus.“
    Er nahm einen weiteren Schluck und bemerkte nicht, wie der Junge ihm sein Gesicht zuwandte, die großen, dunklen Augen stetig auf ihn gerichtet.
    Er konnte es sehen.
    Das Flüstern der Wälder

    Lühr trug die Wäsche wie beinahe jeden Morgen in seinen Wohnbereich, legte sie auf das Bett und öffnete seinen Schrank.
    Mit einem verächtlichen Pfeifen schloss sie ihn wieder. Sie kannte keinen Menschen und keinen Outrider der so viele Klamotten besaß wie Jesse und sie hatte keine Lust, den ganzen Kram ein zu räumen.
    „Unmöglich.“, schnaufte sie und ging in die kleine, sehr ordentliche Küche.
    Solange Jesse nicht da war, hatte sie die Herrschaft über sein kleines Reich übernommen. Zum einen, weil sie sich hier nicht so alleine ohne ihn fühlte, zum anderen wollte sie sicher gehen, dass sich niemand hier her verirrte, der hier nicht hingehörte.
    Sie hatte gerade eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank genommen, als ihr Com piepste.
    Erst schaute sie genervt auf die Nummer, dann erhellte sich ihr Gesicht auf. Jesse!
    Sie klappte den Com auf und während sie die Nachricht las, wurde ihre leicht bläuliche, aber ebenmäßige Gesichtsfarbe blasser.
    „Star Sheriffs?“, fragte sie in den zumindest menschenleeren Raum. Ihr Herz machte einen kleinen Hopser, ihre Hände begannen reflexartig zu schwitzen und ein heißer Knoten hatte sich in ihrem Hals gebildet.
    Nun, sie selbst hatte nichts gegen die Star Sheriffs. Nein, nicht wirklich. Sie waren ein witziges Völkchen, mit denen man auskommen konnte, sofern man es wollte und musste. Aber Jesse....nun, Jesse war eindeutig in Schwierigkeiten.
    Solange er die Füße still hielt, konnten sie ihm gar nichts, aber wann hielt er schon mal die Füße still. Sie kannte ihn. In dem Augenblick, wo seine Augen die der Star Sheriffs trafen, hatte sein Hirn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angefangen, etwas aus zu brüten, das ihn Probleme bereiten würden.
    Und wenn er Probleme hatte und sie nicht da war...
    Lühr schluckte trocken.
    Vor ihrem innerem Auge sah sie ihren Komandanten schon eine heftige Auseinandersetzung mit dem hitzköpfigen Cowboy anfangen, der auch aus irgendeinem Grund Hummeln im Hintern zu haben schien.
    Sie stellte die Flasche wieder in den Kühlschrank, achtete darauf, dass die genau so stand, wie vorher und machte sich auf dem Weg nach Nemesis.
    Sie brauchte Urlaub, ganz dringend Urlaub.
    Und den würde sie auf Kunberam verbringen. Ohne Jesse war sie nur halb und das schlimmste...es war nicht ihre Schokoladenseite, die übrig blieb.



    Vier Stunden später war sie in einem kleinen Gleiter auf dem Weg nach Kunberam. Sie hatte Sachen für einige Tage gepackt, ein Lächeln auf den Lippen und Freude im Herzen, die sich als Glitzern in ihren wunderschönen, aber immer irgendwie wahnsinnig dreinblickenden Augen manifestierte.
    Und als sie später nach den Landekoordinaten fragte, war Jesse keineswegs überrascht.
    Wie hätte er sich auch nur einfallen lassen können, ohne sie irgendwo hin zu gehen.



    Lühr landete auf der Lichtung und war erstaunt, wie viel in so kurzer Zeit aufgebaut werden konnte. Jesse erwartete sie bereits und als sie das Verdeck öffnete, reichte er ihr eine helfende Hand.
    „Du mutest mir auch gar nichts zu, hm?“, fragte er sie und drückte sie an sich.
    Sie genoß das warme und herzliche Gefühl. Im Gegensatz zu Mort liebte sie den Geruch der Menschen, und den ihres Menschen ganz besonders.
    Herb und frisch, oft nach einer Zigarette, meistens nach ihm selbst. Nach seinem Blut, seinem Herzschlag und seinem Leben.
    Sie konnte es in ihm und um ihn herum pulsieren spüren.
    Dann löste sie sich von ihm und sah ihm vorwurfsvoll an.
    „Was hast du angestellt, dass sich gleich wieder die Star Sheriffs hier einfinden?“
    Jesse zuckte die Schultern.
    „Gar nichts. Die Bürgermeisterin wollte wohl nur auf Nummer sicher gehen, das ist alles. Und ich war auch ganz brav, als wir uns über den Weg gelaufen sind.“
    Lühr packte ihn an seinem Hemdskragen und zog ihn etwas zu sich runter.
    Umherlaufende Outrider hielten den Atem an. In so einer Situation ihren Komandanten zu sehen, war eigenartig, und hatte normalerweise wenn nicht den Tot dann doch die Folter des Anderen zur Folge.
    „Jetzt pass ich auf dich auf, dass du mir ja keinen Mist verzapft, mein Freund.“, hauchte sie und ließ ihn wieder los.
    Jesse grinste..
    „Ja, M´am!“, sagte er steif und tat, als würde er vor ihr salutieren.
    Die anderen Outrider entspannten sich wieder.
    Jesse beugte sich runter und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.
    „Du hättest mich aber ruhig ein paar Tage alleine lassen können.“
    Lühr lächelte ihn von unten sonnig an.
    „Weißt du denn nicht? Gute Freunde küsst man täglich, Jesse. Täglich.“

    ***


    Fireball hatte den Sprung auf seinen Instrumententafeln registriert. Neugierig schaute er nach, ob die Kennung des Schiffes schon verzeichnet war.
    „Ach, guck mal einer an. Jesses Schatten ist auch da. Ich hatte mich schon gewundert.“
    Saber gesellte sich zu ihm.
    Er war nach dem Bier ziemlich guter Laune.
    „Lühr?“, fragte er nicht ohne Interesse. In seinen Augen war Lühr eine interessante Persönlichkeit, mit der sie zu dem auch schon einiges mitgemacht hatten. Im allgemeinen war sie wie ein weißes Schaf im blauem Wolfspelz , mit dem man gut und gerne Zeit verbringen konnte, solange man Jesse dabei nicht zu nahe trat, sah sie ihn allerdings in Gefahr, wurde sie zu einem tollwütigen Dobermann, einer blutrünstigen Bestie. Die kleine, grünhaarige Lady hatte immer ein unbeschreibliches Funkeln in den Augen, von dem man sich gefangen nehmen lassen konnte.
    Sie war wie ein Konflikt in sich selbst. Und sie war hübsch. Zumindest in seinen Augen. Ihre leicht schräge und etwas unkonvenzionelle Art reizte ihn.
    Colt tippte auf den Monitor vor sich, der die Kennung ihres Gleiters wiedergab.
    „Dann kanns ja endlich lustig werden. Wenn unsere kleine Nachwuchsirre da ist, fühl ich mich doch schon gleich besser.“
    Saber klopfte ihn freundschaftlich auf die Schulter.
    „Vergiss nicht, sie hält ihn vermutlich besser im Zaum als wir das könnten. Sie wird hier keinen Konflikt zulassen und ihn ins Gewissen reden, wenn der gute Jesse mal wieder komische Pläne hat.“
    Colt grinste. „Du stehst doch bloß auf sie. Sag ehrlich, ist doch ne schräge Braut, oder?“
    Fröhlich klatschte er in die Hände und Saber konnte kaum verhindern, dass sich eine leichte Röte in seine Wangen stiel.
    Das stimmte den Cowboy nur noch fröhlicher und er gaggerte ausgelassen.
    „Mensch, ich krieg mich nicht mehr ein.“
    April kam ihrem Chef schnell zur Hilfe. „Ach, halt den Mund du Idiot.“, fauchte sie.
    Fireball sah nachdenklich auf die Kennung, die sich stetig wiederholte.
    „Wenigstens sind wir jetzt ja wohl vollzählig, oder?“ Ein Gefühl der Vorahnung beschlich ihn. Er sah Schatten auf sich zukommen. Dunkle, lange Schatten.


    ***


    Lühr hatte ihn tatsächlich zu einem Lagerfeuer überredet. Er saß auf einer Decke im Gras und hatte die Beine an den Körper gezogen. Verträumt sah er in die lodernen Flammen. Kleine, schnell verglimmende Fünkchen stoben hoch in den dunklen Nachthimmel, vollführten einen wilden Tanz, ehe sie wieder verglühten und als leichten Ascheregen auf sie hernieder regnete.
    Hin und wieder klopfte er sich die Asche aus der Kleidung, aber im Grunde störte sie ihn nicht. Die meisten der insegesamt 12 Helfer, die er mitgenommen hatte, hatten sich in die Hütten verkrochen, nur vier von ihnen saßen mit am Feuer, erzählten sich im Flüsterton etwas und schauten hin und wieder in den angrenzenden Wald, der sich wie eine Amme schützend um sie legte.
    Die Geräusche aus dem Wald hatten sich im Laufe der Tageszeit verändert, der Gesang der fremden Vögel waren nun gurrende und manchmal laute, schreiende Geräusche gewichen, die Jesse spontan mit Affen in Verbindung brachte.
    Lühr, die noch nie Affen gesehen hatte, zuckte nur mit den Schultern.
    Die Tierwelt der Menschen war ihr, bis auf wenige Ausnahmen, wie Nutz und Haustiere, fremd.
    Nun lauschte sie den Rufen der Nacht, hatte ihren Kopf auf Jesses Schulter gebettet. Sie hatte ihre Entscheidung zu kommen nicht bereut.
    „Sagen die Menschen nicht, so etwas sei romantisch?“, fragte sie.
    Jesse grinste. „In romantischen Sachen habe ich offensichtlich nie so viel draufgehabt. Aber ja, so was ist im allgemeinen Romantisch. Jetzt noch einen guten Wein und alles ist perfekt.“
    Lühr lächelte.
    „Naja, dazu braucht man noch einen Gefährten. Wir sind keine Gefährten.“
    „Hm, ja, das ist allerdings wahr.“, gab er zu. Er dachte darüber nach. Lühr war immer für ihn da, doch Gefährten, wie es so schön hieß, würden sie niemals sein.
    Lühr hatte eine besorgte, fast mütterliche Art an sich, die oft durch ihren, sich immer mal wieder steigernden Wahnsinn durchbrochen wurde.
    Er konnte sich ein Leben ohne sie unter den Outridern nicht vorstellen, aber in seinen Augen war sie geschlechtslos.. Wie man es so oft bei Freunden empfindet.
    Er wußte, dass sie genauso dachte, dass sie ihn nicht als Gefährten wollte.
    Tief in seinen Gedanken versunken, wurde er von Lühr wachgerüttet.
    Sie sah ihn aus eigenartigen Augen an.
    „Alles ist leise.“, flüsterte sie.
    Jesse sah sie an, lauschte in die Nacht und es stimmte. Alles war ruhig. Die noch vor wenigen Minuten durch die Dunkelheit gellenden Rufe der Nachtwesen waren verstummt.
    Jesse legte die Stirn in Falten. Das Knistern des Feuers schien der einzige Laut zu sein, der noch zu hören war.
    Angestrengt versuchte Jesse einen Blick in den Wald zu erhaschen. Wirkte er noch vor kurzem wie eine romantische Kulisse, so hatte er nun einen bedrohlichen Touch bekommen. Wie dürre Arme ragten die vielen Äste weit auf die Lichtung.
    Die vier Outrider, die sich zu ihnen an das Feuer gesellt hatten, waren aufgestanden. Verwirrt lagen ihre Hände an den Griffen ihrer Blaster. Sie spürten die Bedrohung, hatten aber keine Ahnung, woher sie kam und wie sie aussah.
    Hilfesuchend blickten sie ihren Komandanten an.
    Jesse hatte sich ebenfalls aufgerafft, zog seinen Blaster und ging einige Schritte auf die dunkle, bedrohliche Mauer aus Bäumen zu, die weit in den beinahe schwarzen Nachthimmel ragte.
    Es waren nicht nur die Gräusche, mehr hatte sich verändert. Selbst der Geruch war ein anderer. Schwer brach er aus dem Gewirr von Holz auf sie zu, ummantelte sie und trug einen fahlen Beigeschmack mit sich.
    Lühr hatte eine Hand auf seinen Unterarm gelegt als wollte sie ihn zurückhalten, wollte ihn zurück zum Feuer ziehen, das für sie der einzige konstante Punkt zu sein schien, wie eine Insel.
    Jesse bemerkte aus den Augenwinklen, wie die anderen vier nervöser wurden, wie sie sich in einem schützenden Kreis aneinander stellten. Fast meinte er, sie würden sich gleich an den Händen nehmen.
    Ängstlich blickten sie sich um, suchten etwas, dass sie nicht ausmachen konnten.
    Hin und wieder zuckten sie zusammen, selbst Lühr, die ihren Griff verstärkt hatte, zuckte zusammen, schrak zurück, blickte sich zitternd um.
    „Was? Was ist denn? Lühr, was ist los?“, fragte er sie. Sie hörten etwas, dass für das menschliche Ohr noch nicht wahrnehmbar war. Ihr Gehör war um so vieles feiner als das der Menschen, ihre Sinne schärfer.
    Lühr sah ihn aus großen, wässrigen Augen an.
    „Kannst du es nicht hören? Hörst du es?“
    Jesse schloss die Augen, konzentrierte sich, strengte sich an und.....und.....
    Er hörte es! Hörte es endlich.
    Flüstern.
    Ein leises Flüstern wie aus duzenden Mündern drang aus dem Wald. Erst war es leise, schwoll dann langsam an, wurde auseinander gezogen. Er konnte nicht verstehen, was sie sagten, ahnte aber, dass es viele waren. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen, seinen Rücken und seinem Hintern aus.
    Jesse trat wieder vor, holte tief Luft und rief: „Hallo?! Sie sollten wissen, das wir bewaffnet sind und in wenigen Sekunden einfach mal in den Wald schießen. Wenn das ein blöder Witz ist, endet er gleich weniger komisch.“
    Ein gellender Schrei zerschnitt das nun fast laute Wispern, hinter Jesse stiegen aus dem Wald eine Schar Vögel auf, die sich tosend in die Luft erhoben und erbost ihrem Schreck Luft machten.
    Jesse fuhr zusammen, richtete den Lauf seiner Waffe in die Richtung, aus der er den Schrei vermutete.
    Die vier bis dato noch mutigen zogen sich erst langsam zurück, liefen dann, ohne sich noch einmal um zudrehen zu den Hütten.
    Ihre Waffen ließen sie unterwegs einfach fallen, von einer löste sich ein Schuss, zerschnitt die Szene und entlockte Lühr einen Schrei, der ihn in Mark und Bein fuhr..
    „Jesse, laß uns gehen, lass und rein gehen.“, jammerte sie und zog ihn zurück, schleifte ihn fast.
    Jesse rüttelte sich los. „Was sagen sie, was sagen sie denn?“, brüllte er, weil es nicht verstehen konnte.
    Lührs Lippen bebten.
    „Sie sagen, sie können es sehen, sie können es sehen, Jesse!“, rief sie und riß ihn mit Schwung mit sich in die Hütte.





    April, die fortlaufend die Scanns der Lichtung fortführte, und es sich auf ihrer Satteleinheit gemütlich gemacht hatte, lachte, als Colt sie ihn die Seite knuffte und ihr spielerisch seinen Hut auf den blonden Schopf setzte. Fireball und Saber hatten sich längst zurück gezogen und nun saßen die Beiden entspannt alleine im Cockpit und nippten an ihren Getränken. Colt hatte sich ein Bier aus dem Kühlschrank genommen, dass ihm nun, nachdem er das köstliche Bier aus der Schanke getrunken hatte, nicht mehr so recht schmecken wollte.
    April trank einen süßen Rotwein. Um nicht ständig in die Küche zu laufen, hatte sie die Flasche gleich mitgebracht und sie zwischen ihre schlanken Schenkel platziert, was Colt gleich einen zweideutigen Spruch entlockte, für den er sich sofort entschuldigte.
    Jetzt war es schon fast halb zwei und April merkte, dass sie leicht angetrunken war. Der Tag, vor allem die Begegnung mit Jesse steckte ihr in den Knochen.
    Colt hatte ihr seinen Hut tief in die Stirn gezogen und klopfte von oben fest drauf. Aprils Ohren standen nun rechts und links, vom Hut in eine eigenartige Position gedrückt, vom Kopf ab.
    „Ich glaub, du brauchst Ramrod nicht, um nach Hause zu fliegen,“, lachte er. „Das kannst du ganz alleine.“
    Sie zupfte den Hut wieder hoch, wollte gerade etwas erwidern, als sich die Anzeigen auf dem Monitor änderten.
    „Ui, guck mal da.“, gab sie von sich und zeigte auf die seltsamen Daten.
    Colt beugte sich vor, hätte beinahe sein Bier über die Armatur verschüttet und rümpfte die Nase. „Da ist eine ungewöhnliche Energieanzeige. Könnte ein Schuss gewesen sein.“
    April ließ ihre Finger über die Tastatur jagen. „Es war ein Schuss, Cowboy. Allerdings wirklich nur einer.“ Sie dachte einen Moment nach. „Vielleicht haben sie nur auf ein Tier geschossen oder so.“
    Colt juckte es in den Fingern. Er war angetrunken, hatten den Bauch nicht nur voller Bier sondern auch voller Wut.
    „Sollen wir mal Nachsehen?“
    April schüttelte den Kopf. „Wir sind angetrunken und solange wir nichts anderes sehen als einen einzigen Schuss, werden wir schön bleiben. Wir bringen uns nur in Schwierigkeiten. Sobald es mehr wird, wecken wir die anderen.“
    April lehnte sich vor, änderte die Art der Anzeige und schreckte dann zurück.
    „Was ist denn das?“, wollte sie wissen und stand nun auf. „Spielen hier die Anzeigen verrückt, oder was?“
    Colt sah auf den Monitor und machte große Augen.
    „Sind das...sind das Tiere?“

    Das bläuliche, flackernde Licht des Monitor zeigte den gewöhnlichen Umgebungsscann. Die kleine Lichtung war wie ein leicht rosiger Punkt darin auszumachen, wobei mittig ein feuriges Blau-rot erstrahlte, dass dann farblich in den Nuancen abschwächte. April hatte es als ein Feuer identifiziert. „Sie sitzen an einem Lagerfeuer.“, hatte sie Colt erklärt.
    Angrenzend war der Wald wie eine Mauer als dunkles Element um die Lichtung verzeichnet, in dem vereinzelte, rot-blaue Punkte kleineren bis mittelgroßen Tieren zeugten, die sich teilweise recht nah an das Lager der Outrider trauten.
    Manche streiften zu zwei, oder auch zu viert um das Lager, um sich dann wieder rasch zu verdrücken und aus dem Bereich des Scanners zu verschwinden.
    Doch das, was sie jetzt sah, jagte April leichte Schauer über den Rücken und die Oberarme.
    Im Wald, an der Grenze zur Lichtung waren nun dutzende, nein mehr, viel mehr kleine helle Punkte verzeichnet.
    Sie waren nicht in dem gewöhnlichen rot-blau, die auf Körpertemperatur und dichte hinwiesen, sondern erstrahlten in einem hellem, beinahe grellem weiß-gelb auf dem Monitor..
    Sie bewegten sich, manche sehr schnell, andere recht langsam um die Lichtung, immer verborgen im dichtem Wald, zogen sich manchmal zurück, stießen dann wieder vor, sammelten sich und stoben dann wieder auseinander.
    „Was zum Teufel ist das? Sind das Tiere?“, wollte Colt wissen. Er konnte nicht sagen, warum, aber er wollte jetzt nicht auf dieser Lichtung sein. Sie wurde gerade nahezu heimgesucht. Es waren so viele, dass er versucht war, seine Augen vor dem grellem Licht ab zu schirmen. Das flackernde Licht des Monitor tauchte sein Gesicht abwechselnd in Licht und Schatten, ließen seine Augen wie diese Murmeln der eigenartigen Kinder anmuten um sie dann wieder in Schatten zu versenken.
    April schüttelte den Kopf. „Das, das sind keine Tiere. Das ist was anderes. Weck die anderen, Colt, da ist was im Busch...im wahrsten Sinne des Wortes.“
    Die rot-bläulichen Punkte, die die Tierwelt des Waldes anzeigten, waren nun völlig verschwunden. Die Tiere des Waldes hatten sich zurückgezogen. Was immer dort war, es hatte sie vertrieben.
    Colt sprang auf, rückte sich seinen Halfter zurecht und wollte gerade von der Brücke verschwinden, als April ihn zurück rief.
    „Warte! Warte, es geht weg.“
    Der Cowboy drehte sich zu ihr um. „Was?“
    April ließ wieder ihre schlanken Finger über die Tastatur fliegen. „Es, es geht weg. Einfach so. Sieh nur.“
    Colt musste sich die Augen reiben.
    „Wie zum Teufel....“
    Nach und nach erloschen die Lichter. Es war nicht so, dass sie sich aus dem Bereich des Scanners verzogen, wie es Tier machen würde, sondern sie erloschen, als würde man eine Kerze aus pusten. Vereinzelte Lichter irrten noch durch den Wand, schienen sich zu treffen um dann an Kraft zu verlieren und letztendlich ganz zu verglimmen.
    Colt starrte auf den Monitor.
    „Was war denn das? Verdammt noch mal. April, was war das?“
    April lehnte sich zurück. Kleine Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gesammelt. Ihr Herz raste. Sie war wieder nüchtern, so viel war klar.
    „Ich hab keine Ahnung. Nicht die geringste.“, gab sie zu.
    „Keine Ahnung, Cowboy.“





    Als Lühr am nächsten Morgen erwachte, fand sie sich halb auf Jesse liegend vor. Sie hatte ein Bein um seine Hüfte geschlungen, immer noch umklammerte sie ihren Blaster und konnte kaum glauben, dass sie tatsächlich eingeschlafen war.
    Sie richtete sich vorsichtig etwas auf und sah Jesse ins Gesicht. Liebevoll strich sie ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Er schlief noch tief und fest, hatte aber einen unruhigen Schlaf und sicherlich einen schlimmen Traum. Unter seinen Lidern bewegten sich seine Augen schnell und hin und wieder gab er ein Stöhnen von sich.
    Lühr krabbelte vorsichtig von der Liege, öffnete beinahe lautlos die Tür und starrte misstrauisch nach Draußen.
    Die Lichtung war wieder zu der romantischen und friedlichen Kulisse geworden. Das Lagerfeuer war verglimmt, rauchte noch etwas und eine dünne Rauchwolke kringelte sich im leichtem Wind, wurde zerrissen und fand sich wieder zusammen. Aus dem Wald klagen die Morgenlieder der Vögel, manche gellten lediglich einen hellen Laut in einen gleichmäßigen Rythmus, andere sangen wundervolle Melodien.
    Auf dem Gras glitzerten Tautropfen im ersten Sonnenschein, der so langsam aber sicher an Kraft gewann und die Lichtung wärmte.
    Keine Seele war auf dem Platz zu sehen, allerdings hörte sie, wie in den Hütten langsam das Leben erwachte.
    Jemand fluchte laut in der Phantomsprache und ein anderer lachte spöttisch.
    Es war gewöhnlich, viel zu gewöhnlich..
    Ihr Blick suchte die Wandgrenze ab, suchte nach etwas, das anders war. Aber der Wald verhöhnte sie mit dem leichten Wiegen der Baumwipfeln im Wind, der sie sanft schaukelte.
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

    Sie hatte Angst. Sie klebte immer noch an ihr wie der Gestank einer schlechten Mahlzeit, und sie schmeckte auch so.

    Hinter sich hörte sie, wie Jesse die kleine, metallische Treppe seiner Hütte herunterkam. Seine Stiefel klackten dabei bei jedem Schritt. Er legte von hinten seine Arme um sie und legte sein Kinn auf ihren wüsten Haarschopf. Gemeinsam starrten sie in den Wald.
    „Sie sind fort.“, flüsterte Lühr.
    Sie spürte, wie Jesse auf ihrem Kopf nickte.
    Um sie herum wurden Türen geöffnet. Outrider kamen, viele noch verschlafen, aus ihren Hütten, sammelten sich gähnend um das verglimmte Holz und rieben sich die Augen.
    Jesse winkte einen zu sich heran.
    Ein junger, etwa 30 Jähriger blauhäutiger Mann mit längerem Haar, das die spitzen Ohren kaum verbergen konnte, kam auf sie zu, salutierte noch sehr müde und träge vor seinem Komandanten und sah ihn fragend an. Jesse erkannte ihn als einer der, die gestern Nacht am Lagerfeuer ausgeharrt hatten
    „Sir?“
    „In Anbetracht der gestrigen Ereignisse müssen wir das Lager sichern. Wir werden Wachposten aufstellen und ich möchte, dass eine Patrouille den Wald durchkämmt und mich über alles, was irgendwie so vorkommt, als ob es da nicht hingehört, informiert.“
    Der junge Outrider warf einen skeptischen Blick in den Wald und legte die Stirn in Falten, wobei er einen seltsamen, ängstlichen Ausdruck in den Augen bekam. Er seufzte.
    „Ja, Sir.“, seine Stimme klang dünn und zittrig.
    Jesse sah ihn streng an. „Aber nicht wieder weglaufen, ok? Hier kann nichts sein, was uns ernsthaft gefährlich werden könnte. Ihr seid bewaffnet, verdammt.“
    Der Outrider, sein Name war Tallus, ließ den Kopf hängen. Nun, bei Tageslicht betrachtet, war es schon recht peinlich.
    Sie hatten sich aufgeführt wie ein paar Hasen, doch selbst jetzt saß ihm noch der Schreck in den Knochen. Immer noch hatte er das unheimliche Wispern im Ohr.
    Tallus salutierte noch einmal und lief, leise vor sich hin fluchend, zu seinen Kameraden. Zumindest würde er nicht alleine leiden müssen. Seine Patrouille würdest mindestens aus denen bestehen, dich sich ängstlich mit ihm zurück gezogen hatten.

    Lühr sah ihm nach, hörte dann, wie Jesse der Magen knurrte und löste sich von ihm. „Wir sollten ein Frühstück besorgen. Wenn es möglich ist, würde ich gerne in der Stadt frühstücken. Sei mir nicht böse, aber ich brauche erst mal Abstand von der ganzen Romantik hier.“
    Jesse hatte nichts dagegen. Sie würden in die Stadt fahren, selbst irgendwo frühstücken und dann ihren Leuten einfach etwas mitbringen, um sie versöhnlicher zu stimmen.
    Er sah auf die Uhr..
    Die ersten Arbeiter würden erst gegen zehn Uhr hier sein. Das war mehr Zeit, als sie brauchten.





    Zur gleichen Zeit, als sich Jesse dafür entschied, in der Stadt essen zu gehen, hatten sich Colt und April schon in der Stadt eingefunden. April hatte sich leger eingekleidet. Sie trug eine Jeans, hatte sich einen Rolli übergezogen und sehr bequeme Turnschuhe.
    Durch die flachen Schuhe wirkte sie im Gegensatz zu sonst recht klein, und Colt zog sie damit auf.
    Es war noch nicht mal neun, aber die Sonne hatte schon unglaublich an Kraft bekommen. Die Menschen auf den Straßen trugen ärmellose Oberteile und kurze Hosen oder Röcke. Kinder hatten sich schon jetzt ihre Shirts ausgezogen und saßen in schattigen Plätzen auf Veranden oder unter Bäumen.
    „Haben die denn keine Schule?“, fragte April, als sie an einem kleinen Mädchen vorbei liefen, das sie fröhlich anlächelte und eine kleine Blechtasse mit einem sicherlich kühlem Getränk bei sich trug. Sie war vielleicht sechs, vielleicht sieben Jahre alt und hatte ihr Oberteil wie einen Turban um den dunklen Schopf gewickelt.
    Colt folgte Aprils Blick und zuckte die Schultern. „Vielleicht haben die hier Ferien oder so was. Hey, da ist so `n kleines Bistro oder so ähnlich. Wollen wir rein?“
    April lächelte. Es war genau so entzückend wie die kleine Schanke, in der sie schon am Abend zuvor waren.
    „Hier ist alles so niedlich.“, rief sie fröhlich aus.
    „Ich versteh gar nicht, wieso nicht viel mehr Leute da sind?“
    Vor dem kleinen Kaffee standen vier Tische, die schon vorgedeckt waren. Kleine, weiße Zuckertassen und Milchkännchen standen darauf, zwischen Serviettenhaltern steckten Menükarten, die nur wenige Gerichte und Getränke aufwiesen, die aber allesamt sehr lecker klangen.
    Colt setzte sich verwundert auf einen der gemütlichen Stühle, rutschte darauf rum und strahlte April an. „Hier können wir ne Weile bleiben.“
    Eine junge Frau kam mit einem einnehmenden Lächeln auf sie zu, nahm aus ihrer Schürze einen Block und wartete mit leuchtenden Augen auf eine Bestellung.
    „Also, dann nehmen wir schon mal jeder einen Kaffee, oder?“, schlug April vor und Colt nickte.
    „Und Eier und Speck will ich auch,“, fügte er hinzu und die junge Frau lachte herzhaft.
    Sie schrieb alles auf ihren Block und verschwand wieder im Innern des Cafe`s.
    April lehnte sich in dem Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und beobachtete die wenigen Menschen, die wenig hektisch die Straße vor dem Cafe entlang gingen.
    Einige trugen Taschen mit Einkäufen mit sich, andere liefen zu zweit oder zu dritt, unterhielten sich lachend und viele sahen sich nach den Beiden um, nickten ihnen freundlich zu und tuschelten dann miteinander.
    April erwiderte ihr Nicken, sah über die Frauen hinweg und dann gefror ihr Lächeln, das sich dann schon wieder ausbreitete.
    „Sieh an, da kommt unser Dreamteam ja.“
    Colt wirbelte herum, sah Lühr und Jesse die Straße herunterkommen und zog seinen Hut in die Stirn.
    „Na wunderbar. Ich freu mir echt`n Schnitzel an die Backe.“
    April wurde ernst.
    „Wir können sie fragen, was los war. Einfach fragen. Lühr ist geschwätzig, sie würde uns sogar erzählen, wenn sie eine Großmutter mit den Händen vergraben hätte.“
    April winkte, versuchte dabei so locker wie Möglich zu bleiben.
    Jesse sah nicht gut aus, unausgeschlafen und blaß.



    Lühr sah die Beiden in dem Cafe`sitzen, hob die Hand und winkte ihnen zu. Sie stubste Jesse in die Seite. „Da sind April und Colt.“
    Jesse, der in seinen Gedanken versunken war, blickte auf, fing Colts Augen und senkte wieder den Kopf.
    „Das ist wie ein Alptraum, aus dem man nicht erwacht. Wahrscheinlich bin ich gestorben und mittlerweile in der Hölle.“
    Lühr grinste. „Da gehörst du auch hin, und ich auch. Also, da könnte was dran sein.“
    April war aufgestanden und ging ein paar vorsichtige Schritte auf sie zu..
    „Wir haben dich gestern ankommen sehen, Lühr. Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst. Jesse sah ohne seinen Schatten schon ganz unvollständig aus.“
    Lühr funkelte sie aus klugen Augen an. Sie fasste das als Kompliment auf, unabhängig davon, ob es eines war oder nicht.
    „Was soll ich sagen? Ich hab mich gelangweilt. Und als ich gehört hab, dass ihr hier seid, na, da konnte ich doch nicht anders.“
    Schweigend sahen sie sich für Sekunden an, blickten sich in die Augen und jeder umher stehende konnte die knisternde Spannung spüren, die die Luft auflud.
    Eine falsche Bewegung, und etwas würde sich entladen, und zwar mit einem lautem Knall.
    Es war Colt, der es schließlich nicht mehr ertragen konnte.
    Genau wie Jesse blickte er von einer zur anderen und rieb sich die Hände an der Hose.
    Kurz fing er Jesses Blick, der auch in seinen Augen müde und ohne Energie wirkte.
    Colt hielt nichts von Smaltalk, er kam lieber gleich zur Sache.
    „Was war bei euch gestern Nacht los?“, fragte er ohne Umschweife.
    Jesse wurde stocksteif, machte große Augen und dann verfinsterte sich seine Miene.
    „Ihr ward das? Habt ihr was damit zu tun gehabt?“
    Colt schnaubte abfällig.
    „Alter, glaubst du nicht, dass wir was besseres zu tun haben. Aber wir haben doch gesagt, wir behalten euch im Auge, Blue.“
    April mischte sich ein.
    „Wir haben eigenartige Scanns bei euch eingefangen. Etwas war im Wald.“
    Sie sah Lühr dabei an. Sie hatte nicht vor, eine Unterhaltung mit Jesse zu führen.“
    Colt konnte es in Jesses Gesicht arbeiten sehen. Blue verarbeitet die Info, wiegte Nutzen und Nichtnutzen eines Gespräches ab und entschied sich dann dafür, dass diese Informationen wertvoll sein konnten.
    „Was für Scanns?“
    Jedem seine Angst

    Kapitel 4


    Dragger kickte wütend einen losen Ast, der ihm vor den Füßen lag, in das Unterholz.
    „Was machen wir eigentlich hier, verdammt noch mal?“
    Tallus, der schon zum drittem Mal auf die Uhr schaute, zischte ihn wütend an.
    „Wir machen genau das, was unser Komandant von uns erwartet. Also halt den Mund zu, die Ohren und Augen auf und mecker nicht rum. Ich bin auch nicht gerne hier.“
    Und er meinte das ganz ehrlich. Seid etwa einer halben Stunde stoben sie durch den dichten Wald, blieben eng beieinander und versuchten, nicht nervös zu werden. Tallus hatte angeordnet, die Waffen von Betäubung auf volle Leistung zu drehen und auf alles zu ballern, was irgendwie komisch war. Bis jetzt hatte lediglich ein unvorsichtiger Hirsch dran glauben müssen, der von Tallus aufgeschreckt, hinter einem Busch hervor gesprungen war. Ihm war das Herz in die Hose gerutscht und es hätte nicht viel dazu gefehlt, dass sich seine Blase entleerte.
    Jetzt lag der tote Hirsch zwischen ein paar Bäumen und einige Fliegen hatten sich auf seine starren, geöffneten Augen gesetzt.
    Dragger stöhnte.
    „Ja, wir machen genau das, was Jesse will und soll ich dir mal was sagen? Mich kotzt es an. Wieso muss ich mir eigentlich von einem Menschen sagen lassen, was ich zu tun habe?“
    Er schlug sich auf die Wange, auf der sich ein kleiner Blutsauger gesetzt hatte. Mit angewidertem Gesicht wischte er das tote Tier an einer Baumrinde ab.
    Tallus rollte entnervt mit den Augen..
    „Weißt du was? Wieso gehst du nicht da lang und ich hier lang und dann treffen wir uns auf der anderen Seite wieder. Jeder durchsucht einen Halbkreis.“
    Dragger starrte ihn entgeistert an.
    „Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Hier hockt irgendwas in den Wäldern das uns fressen könnte und du willst Sologänge machen?“
    „Wir sind Phantomwesen, du Idiot, wenn dich was zu fressen versucht, landest du eh nur wieder zu Hause.“
    Dragger dachte darüber nach, dann nickte er.
    Sie waren zu viert losgegagen und Tallus hatte sie in zwei Gruppen eingeteilt. Laverta und Kyrie sollten den östlichen Bereich durchsuchen, er und Dragger den westlichen Bereich.
    Nun marschierte Dragger los, duckte sich unter vorwitzigen Ästen und wedelte sich die Mücken aus dem Gesicht.
    Er war schon übersät mit Mückenstichen und er hasste sie. Die Vorstellung, dass ein kleines Tier mit einem Rüssel in seinen Körper, in seinen Blutgefäßen stach und dann saugte, verursachte Brechreiz bei ihm.
    Fluchend schüttelte er sich, kratze sich an einer neuen, juckenden Stelle und wünschte sich nichts sehnlicher als endlich von hier weg zu können.
    Sobald diese Sache hier am Laufen war, würde er um seine Versetzung bitten. Er würde dann erst mal ne Woche Urlaub brauchen und dann....Dragger blieb stehen und stutzte.
    Er hob die Waffe.
    „Stehen bleiben, keine Bewegung.“
    Der blonde, lockenköpfige Junge schaute ihn aus großen, kreisrunden Augen an. Zwischen seinen weich geschwungenen Lippen schaute der Stil eines Lollis raus.
    Die Kleidung des Jungen war sauber, aber die Hosenbeine zu kurz und es sah aus, als wäre es schon von vielen Kindern getragen worden und dann von Geschwister zu Geschwister weitergereicht zu werden.
    Dragger grinste bitter, sah sich um, um sicher zu sein, dass kein Erwachsener in der Nähe war.
    „Sag mal, bist du ganz alleine hier?“, fragte er. Er beugte sich vor, knuffte ihn mit der Spitze seines Blasters auf dem Brustkorb, so, dass der Junge leicht zurück taumelte.
    Er verzog keine Miene. Blinzelte nicht einmal, statt dessen hob er einen Arm, streckte einen Finger raus und zeigte damit auf Dragger.
    Dragger sah, wie die Augen des Kindes sich veränderten. Wie sich seine Pupillen erweiterten, so, dass sie schließlich die gesamte Iris aus zu füllen schienen.
    Der Outrider wich zurück. Instinktiv richtete er seine Waffe auf das Kind.
    Wie Nebenher bemerkte er, dass das Rascheln der Bäume verstummt war. Die zwischenzeitlich aufgebrachten Rufe der von ihnen verschreckten Waldtiere waren verstummt. Dragger sah auf einen der Bäume eine Art Eichhörnchen sitzen, dass sich nicht bewegte. Mit wippenden Barthaaren hatte es sich an die Rinde des Baumes geklammert und sah ihn mit schwarzen Knopfaugen an.
    Der Junge öffnete die Lippen, der Lolli löste sich, fiel herunter und landete auf dem mit Laub übersäten Boden. Die geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und Dragger konnte die Ansätze der Zähne des Jungen sehen und wich wieder zurück.
    Das waren keine Menschenzähne, das waren nicht mal Raubtierzähne. Gelbe, spitze Blöcke erwuchsen aus dem blutrotem Zahnfleisch, lagen übereinander wie Holzscheite und es schienen viel zu viele zu sein. Zu viele Zähne für den Mund, dessen Mundwinkeln sich aber nur noch weiter zu den Ohren zogen.
    Dragger wollte schreien, wollte seine Freunde zu Hilfe rufen, doch seine Kehle war so trocken und rau wie die Wüste.
    „Nein.“flüsterte er. „Nein, nein , nein.“
    Der Mund des Kleinen wollte kein Ende nehmen, brach nun und riß an den Mundwinkeln ein. Dragger konnte gelbliche, spitze Backenzähne sehen, während die Augen des Kindes sich weiteten, noch weiter verdunkelten.
    Die nun pechschwarze Iris jagte in den Augen hin und her. Ruckartig und schnell rollten sie nach rechts, nach links, nach rechts, nach links.
    „Ich sehe es.“, krächzte das Ding, das alle Ähnlichkeit mit einem menschlichem Wesen verloren hatte.
    „Ich sehe es.“
    Dann war es soweit. Die Mundwinkeln des Jungen hatten sich so weit blutig zu einem unnatürlichem schreiendem Grinsen auseinander gerissen, dass der Oberkiefer haltlos nach hinten klappte. Zuckend und wie an einem seidigen Faden lag der Bereich oberhalb des Unterkiefers auf seinen Nacken und wippte dort wie ein Pendel hin und her.
    Dragger pisste sich in die Hose, nahm wahr, dass sich der Stoff seiner Hose an seinen Beinen haftete und fand endlich seine Stimme wieder.
    Als ein gewaltiges Summen aus der aufgerissenen Kehle des Kindes dröhnte, anschwoll und zusammen mit einem dichten, schwarzen Schwarm riesiger Mücken daraus entlassen wurde, brüllte Dragger endlich.
    Brüllte, bis er keine Luft mehr hatte.
    Der riesige Schwarm stob in die Luft, zog einen halben Kreis, verdunkelte für Sekunden den Himmeln und jagte dann auf ihn zu.
    Panisch schoss Dragger einige Salven in die lebende Wolke, die auseinander Stob, sich dann wieder wie ein Mann schloss und auf ihn zu jagte.
    Schreiend schlug er danach, schlug sich auf die Arme und das Gesicht.
    Sie drangen in ihn ein, nicht nur mit ihren kleinen, verseuchten Rüsseln. Ihre gesamten Körper schoben sich unter seine Haut, bohrten sich in seine Adern und verse



    Re: Sie sehen es (Saber Rider and teh Star Sheriffs Fanfic)

    saskat - 06.03.2007, 19:36


    versetzten ihn in Flammen.
    Einige hatte sich unter seine Augenlider gebohrt. Sie gruben sich in das weiche Fleisch der Augäpfel und verursachten dort quälende Schmerzen.
    Dragger grub mit seinen Fingern danach, bohrte sie in seine Augen und weinte aus matschigen, leeren Höhlen. Endlich, als er seine Finger triefend aus seinen Augenhöhlen zog, hatte seine eigene Natur ein Erbarmen mit ihm. Mit einem grünen, funkelnden Leuchten löste er sich auf, seine Kleidung sackte zusammen und blieb zusammen mit seiner Waffe auf dem feuchten Boden zurück.
    Der Mückenschwarm schwirrte verwirrt auseinander. Die, die sich in sein Fleisch gebohrt hatten, lagen als klebrige, zuckende Masse auf dem Boden.

    Der Junge sah ihm verwundert nach. Seine nun wieder leuchtend blauen Augen blickten unschuldig auf die Reste von Draggers Kleidung.
    Verwirrung war in seinem nun hübschem Gesicht zu lesen, so etwas hatte er noch nie gesehen.
    Langsam bückte er sich, nahm seinen Lolli auf, wischte ihn sorgfältig mit schmutzigen Fingern ab und steckte ihn wieder zwischen die weichen, vollen Lippen.
    Er sang einen Kinderreim, als er tiefer in den Wald ging.

    ***

    Tallus hörte Draggers Schreie, versuchte sich panisch zu orientieren und rannte schließlich in die Richtung, aus der er die Rufe vermutete.
    Kleine Äste schlugen ihm ins Gesicht und er versuchte sich unter ihnen her zu bücken. Überall war Wald, überall diese verfluchten Bäume.
    Irgendwann war es ruhig. Tallus blieb stehen, sah dann zwischen den Bäumen aus einiger Entfernung das ihm bekannte grünliche Leuchten und ging mit gezogener Waffe darauf zu.
    Zwischen den Bäumen fand er Draggers Überreste.
    Tallus bückte sich danach, berührte den Stoff der Uniform mit seinen Händen und bemerkte die teilweise geleeartige Masse auf dem Ärmeln. Immer noch lagen zuckende Mückenleiber auf und zwischen seinen Kleidern.
    Tallus stand auf, zückte seinen Com und rief Laverta und Kyrie zurück zum Lager.
    „Unverzüglich!“, brüllte er in den Com, nahm Draggers Waffe und machte sich zügigen Schrittes auf den Weg zurück.
    Er hatte Angst.
    Wirklich Angst.

    ***


    Colt rührte in seinen Kaffee, den er mittlerweile vor sich stehen hatte und erzählte Jesse von den ungewöhnlichen Scanns. Jesse und Lühr wechselten immer wieder vielsagende Blicke und April fiel auf, dass nun auch Lühr an Farbe verloren hatte.
    Sie zog einen Stuhl vom Nebentisch zu ihren Tisch und bat Lühr, sich zu setzten.
    Ohne ein Wort tat sie es und auch Jesse suchte sich einen Stuhl und stellte ihn zwischen Lühr und Colt.
    „Also, was war bei euch los, Blue?“, beendete Colt seine Erzählung.
    Jesse dachte sekundenlang darüber nach, dann erzählte er. Erst von den Kindern aus der Gasse, dann von den Ereignissen auf ihrer Lichtung.
    Lühr, die von den Gassenkindern noch nichts wusste, legte bestürzt die Hand vor dem Mund.
    Colt und April sahen sich an und Jesse dachte, dass sie beiden gleich einen Zeigefinger an ihrer Schläfe kreisen lassen würden.
    „Ich weiß, wie sich das anhört, aber genau so war es.“, verteidigte er sich und bereute schon, dass er es überhaupt erzählt hatte.
    Die freundliche Bedienung von gerade brach die zwischen ihnen entstandene Stille und brachte ohne dass sie es bestellt hätten, noch zwei Kännchen mit Kaffee. Jesse sah sie dankbar an.
    „Das....das klingt, naja, gruselig.“, meinte April nachdenklich.
    Sie war sich nicht sicher, ob sich ihre „Freunde“ da nicht in etwas reingesteigert hatte, aber angesichts der Tatsache, dass sie in der Nacht ja die Scanns hatten, glaubte sie fast nicht daran.
    „Wenn du da gewesen wärst, dann hättest du dir bestimmt in die Hose gepisst.“, zischte Lühr.
    Jesse warf ihr einen mahnenden Blick zu, den sie erfolgreich ignorierte.
    „Ich habe angeordnet, dass der Wald durchkämmt wird. Wenn was da war, werden sie es finden.“
    Colt legte den Kopf schief.
    „Vielleicht waren es die Bewohner. Vielleicht wollen sie euch nur los werden.“
    Der blauhaarige schüttelte den Kopf.
    „Sie sind froh, dass sie Gelder und Arbeit zu erwarten haben. Für sie ist das ein kleiner Aufschwung, der mehr als Willkommen ist. Sie würden sich das nicht vermiesen. Außerdem sind alle so freundlich. Man kommt sich ja schon fast wie bei Muttern vor.“
    Colt, der Jesse noch nie mit einer Familie, geschweige denn mit einer Mutter in Verbindung gebracht hatte, musste ihm gedanklich zustimmen. Alle waren wirklich wahnsinnig freundlich.
    Jesses Com piepste und buhlte nach Aufmerksamkeit. Er zog ihn aus der Tasche, las die Nachricht und sah dann Lühr an, als hätte er einen Geist gesehen. Einen weiteren, quasi.
    Er sagte etwas in der Pahntomsprache und Lühr klappte er Unterkiefer runter.
    „Das gibt es doch nicht!“, rief sie aus.
    „Was? Was denn?“, wollte Colt wissen und nahm frech Jesse den Com aus der Hand.
    Dann sah er April an.
    „Sie verlieren schon ihre Leute.“, erklärte er und reichte den Com an seine Kollegin weiter, als Jesse ihn sich gerade wieder greifen wollte.
    April sah die Nachricht. Sie hatte natürlich auch Mitgefühl mit den Phantomwesen. Zu verschiedenen Gelegenheiten war es immer mal wieder in ihr hochgekrochen, aber normalerweise konnte sie ihre Gefühlswelt zumindest dienstlich gut abstellen.
    Aber das hier war nicht wirklich dienstlich. Noch nicht. Er würde erst dann dienstlich werden, wenn die Bevölkerung Hilfe brauchte, und nun sah es so aus, als ob Jesse und seine Leute Hilfe benötigten..
    Sie reichte Jesse das kleine, graue Gerät.
    „Was habt ihr hier vor, Jesse?“ Das lag ihr die ganze Zeit auf der Zunge und sie meinte nicht die eigenartigen Ereignisse. Sie wollte wissen, wieso sie wirklich hier waren.
    Jesse sah sie erst verständnislos an, dann verstand er.
    Wütend zog er die Augenbrauen zusammen.
    „Ob du es glaubst oder nicht, wir wollen tatsächlich nur in die Berge, Prinzessin. Wollten wir was anderes, würden wir es schon deutlich machen. Oder haben wir das je mal nicht getan?“
    Er stand auf, zog Lühr vom Stuhl, die sehnsüchtig ihren Kaffee nachsah und stapfte einige Schritte die Straße hinunter.
    „Nun warte mal.“, rief Colt ihnen hinterher.
    „Wir können doch die Gegend scannen und untersuchen. Wir haben schließlich Ramrod da.“
    Er biss sich fast selbst auf die Zunge, als er das ausgesprochen hatte. Hatte er gerade Jesse Hilfe angeboten?
    Jesse drehte sich um und Colt wich vor seinem Blick zurück. Ein heißes Band legte sich um seine Brust.
    „Wir kommen schon alleine klar, ihr seid hier überflüssig.“, fauchte er.


    Colt und April sahen ihnen nach, bis sie um eine Ecke verschwunden waren.
    April schob ihre Tasse von sich. Ihr war die Lust auf einen Kaffee deutlich vergangen.
    „Lass uns zurück, wir sollten den anderen das erzählen.“
    Sie legte einen Geldschein auf den Tisch unter dem Zuckerstreuer. Aufgebracht stellte sie fest, dass sie außerdem auch Jesses und Lührs Kaffee bezahlen musste. Ärgerlich.
    „Wenn er nicht will, dann eben nicht.“
    Colt sah noch lange auf die Ecke, um der die beiden verschwunden waren.
    Er war durcheinander. Alles in ihm schrie danach, der Sache auf den Grund zu gehen. Nicht nur, weil die panische Nachricht des unbekannten Outriders ihn getroffen hatte, sondern auch, weil er die Angst in Jesses sonst so furchtlosen und erstaunlichen Augen gesehen hatte. Dieselben furchtlosen, alles durchdringenden Augen, die ihm tatsächlich schon schlaflose Nächte bereitet hatten.
    Eher würde er sich selbst auf den höchsten Punkt des Universums stellen und springen, ehe er nur ein Wort darüber sagen würde, aber er hatte sie schon im Traum gesehen.
    In langen, heißen Träumen.



    ***


    Jesse stand mit Tallus, Mort und Lühr vor Draggers Überresten im Wald. Über ihnen rauschte das Blätterdach und hier und da knackte es im Unterholz. Lühr hatte schon ein duzend herrlich bunter Vögel ausgemacht, die sie allesamt neugierig betrachteten. Es war mild und der immer etwas feuchte, erdige Waldgeruch war nicht unangenehm. Leuchtend grüne Farne wuchsen an lichten Stellen wie kleine grüne Inseln, auf dem unzählige, farbenfrohe Schmetterlinge saßen und ihre Flügel öffneten und schlossen. Vereinzelt schaffte es die Sonne, einen besonders mutigen Srahl durch das Blätterdach zu schicken, der sich dann als heller Kreis triumphierend auf das am Boden liegende Laub legte., wo er in der Erde versteckte Samen dazu brachte, zu keimen.
    Wieder und wieder erklärte Tallus, warum sie sich getrennt hatten, und dass es nicht seine Schuld war und das, wenn man es genau betrachtet, es Jesse Schuld war, weil er sie in den Wald schickte.
    Jesse überhörte seine Erläuterungen. Die toten Mücken um der Kleidungs hatten ihn gefangen. Er bückte sich, hob einen der kleinen, filigranen Körper hoch und betrachtete ihn in seiner Hand, wo er verschwindend zerbrechlich wirkte.
    Mindestens hundert lagen hier herum, obwohl er schätze, dass es weit aus mehr waren. Man konnte sie auf diesem Boden nur schwer ausmachen.
    „Wieso Mücken?“, fragte er laut. „Und wieso sind die so verklebt?“
    Mort nahm ihm das zerbrechliche, tote Wesen aus der Hand, bewegte es in einem durch das Blätterdach hereinfallenden Sonnenstrahl und roch sogar daran.
    „Sie sind blutig...und da ist noch was anderes.“, sagte er. Das Phantomblut erkannte er sofort, die andere, weißlich-trübe Masse wußte er nicht ein zu ordnen.
    „Wenn wir etwas hätten, um es zu analysieren wären wir weiter.“
    Jesse, der Tallus beobachtete, wie er immer noch schwatzend und erklärend die Umgebung durchstabste, kamen Colts Worte wieder in den Sinn und als ob Lühr, wie so oft, seine Gedanken lesen könnte, sagten sie beide wie aus einem Mund: „Ramrod.“
    Mort blinzelte verwirrt.
    Sein dunkles Haar wurde durch genau denselben Sonnenstrahl angeschien, in dem er auch die Mücke untersucht hatte und eine träge, dicke Biene kreiste um seinen Kopf.
    „Wir sollten Ramrod in Anspruch nehmen, Jesse. Ich will wissen, was hier los ist.“ Lühr sah sich um, erwartete fast, dass aus dem dichtem Unterholz ein Monster springen müsste.
    „Du nicht?“
    Natürlich wollte er wissen was los war, nur stellte sich die Frage, ob es sich lohnen würde. In wenigen Tagen würde sich Dragger in der Phantomzone materialisiert haben und wenn er Glück hatte, konnte er ihn einfach fragen, was passiert war.
    Dragger war ein Idiot und es würde Jesse nicht überraschen, wenn er sich selbst erschossen hätte.
    >Aber die Mücken<
    Nach den Star Sheriffs zu gehen war, als würde man eine Niederlage hinnehmen, zumindest, nachdem er sich so aufgeführt hatte..
    Lühr zupfte an seinem Ärmel.
    „Ich geh auch alleine, wenn du willst. Die können mir ja hier nichts.“
    Jesse schnappte nach Luft. Hielt sie ihn für feige? Eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht.
    „Kommt gar nicht in Frage, wenn schon, dann gehe ich alleine.“, schnaubte er.
    Lühr legte den Kopf schief. „Das glaubst du doch wohl selber nicht und bevor das hier ausartet, würde ich sagen, wir gehen beide. Basta.“
    Der blauhaarige, junge Komandant nickte langsam. Hier, auf diesen Planeten könnte es zumindest nicht schaden, da die Star Sheriffs keine Befugnisse hatte. Sie waren außerhalb ihres Einflussbereiches.
    „Die Arbeiter kommen gleich. Bitte ordne sie an, während wir weg sein werden.“, sagte er zu Mort, der nickte.
    Jesse warf Tallus einen kleinen Ast an den Kopf und dieser wirbelte herum.
    „Sammle die Sachen und ein paar von den Viechern hier ein. Wir werden sie untersuchen lassen.“
    Tallus bückte sich jammernd.
    „Aber nicht wegehen....“, jaulte er. „Bitte nicht wegehen.“



    ***



    Ramrod stand wie ein Koloss vor der Stadt. Er war nicht unbemerkt geblieben. Einige Bewohner hatte sich, ehrfürchtig an ihm hochblickend, um ihn versammelt. Viele hatten sogar Decken und etwas zu Essen mitgebracht und schienen ein Familienpicknick zu machen.
    Sie lachten, erzählten und April musste schon ein duzend Mal die Rampe runter lassen, um Kuchen oder süße Getränke entgegen zu nehmen, die die Bewohner für sie gebacken hatten oder einfach nur mit ihnen teilen wollten.
    Fireball hatte schon Bauchweh von zu vielen Plätzchen, die allerdings köstlich schmeckten.
    Sich den Bauch reibend schaute er nach Draußen, winkte von oben der Rampe einer jungen Frau zu, die ihn einnehmend anlächelte und bemerkte dann, in einiger Entfernung, den blauen Haarschopf, der sich, zusammen mit einem grünen Haarschopf auf sie zubewegte.
    „Jesse!“, entfuhr es ihm lauter als er wollte und lief in die Küche, wo seine drei Freunde immer noch saßen. Es war noch keine Stunde her, als Colt und April ihnen von ihrer Begegnung mit den beiden erzählt hatten..
    Er ahnte schon, dass sie früher oder später hier auftauchen würde, aber er hatte mit später gerechnet. Viel, viel später.
    „Dann setzt mal nen Kaffee auf und schließt die Türen zu den unordentlichen Zimmern,“, grinste Fireball. „Wir bekommen Besuch..“
    Saber schluckte. „Jesse plus Schatten, oder ohne?“
    Colt musste lachen und haute sich auf den Oberschenkel.
    „Plus Schatten.“, erklärte Fireball.

    ***


    Der Schatten schaute sich neugierig in Ramrod um, berührte ein paar Knöpfe, die leuchteten und erntete einen weiteren bösen Blick von Colt..
    „Kannst du nur ein mal deine Finger bei dir lassen.“, knurrte er und zog sie unsanft von der Konsole weg, die ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.
    „Viele bunte Knöpfe,“, lachte sie und nahm schon wieder etwas neues ins Visier, das sich zu erkunden lohnte. Sie hatte Aprils Satteleinheit entdeckt und staunte über die weitläufige Anlage..
    Auch hier schob sie Regler und drückte Knöpfe.
    Jesse sah ihr grinsend zu..
    Colt, der schon wieder hinter Lühr her wollte, wurde von April zurück gezogen.
    „Lass sie nur, da kann sie nichts kaputt machen.“
    April hatte das tote, von Jesse angeschleppte Insekt unter einer Analysevorrichtung gelegt uns wartete nun auf die Ergebnisse.
    Schon bald darauf flackerten Zahlen, Worte und Molekülverbindungen über den Bildschirm.
    „Du hattest recht, das ist ne Mücke.“, sagte sie und Jesse schnaubte.
    „Das weiß ich auch.“
    April überhörte ihn.
    „Dein Vorarbeiter hatte auch recht, da ist auch Blut.“
    Dann schüttelte sie den Kopf. „Dass kann allerdings nicht stimmen hier. Das weißliche Zeug hier wird als eine bestimmte Substanz angezeigt, die man Glaskörper nennt.“
    Jesse und Colt sahen sich an und zuckten die Schultern.
    „Und was ist das, wenn ich fragen darf?“, sagte Colt.
    April drehte sich zu ihm um und zeigte auf ihr rechtes Auge. „Das ist das eklige Zeug, aus das Augen gemacht sind. Der komische Schleim darin.“
    Jesse bekam eine Gänsehaut.
    „Sie waren in seinen Augen? Die Mücken waren in seinen Augen drin?“
    Saber nahm das Tierchen aus dem Gerät und sah sich außerdem noch weitere an, die Jesse alle in ein Glas gesteckt hatte.
    „Sie mal genau hin. Die Tiere sind mit Blut übersät. Aber das kann nicht sein. Mücken stechen mit dem Rüssel, übrigens nur die weiblichen Tiere, entnehmen einen verschwindet geringen Tropfen Blut auf und machen sich dann wieder auf die Reise. Die hier sehen aus, als hätten sie darin gebadet. Das würden sie nicht tun, ihre Flügel verkleben und sie würden ersticken.“
    Lühr kam auf ihn zu und nahm ihm das Tier aus der Hand. Saber registrierte ihren Geruch. Sehr weich und schwer. Nicht unangenehm. Ihre Augen lachten in dem schönem Gesicht und wieder frage er sich kurz, ob sie und Jesse wohl mehr als nur Kollegen waren.
    Sie hielt das Tier zwischen Daumen und Zeigefinger..
    „Das ist doch nur ne Mücke, ein dummes Insekt. Guckt doch mal, in seinem winzigem Kopf kann doch kein Hirn drin sein. Wie sollte das kleine Tierchen einen gefährlich werden können. Mal davon abgesehen, das es eklig ist. Diese Tiere können ihm nichts getan haben, Jesse.“ Sie hielt ihm das Tier vor die Nase und er ging einen großzügigen Schritt zurück, stellte sich hinter Colt und machte ein angewidertes Gesicht.
    „Ausgerechnet Mücken. Dragger hatte tierische Panik vor den Viechern.“, sagte er.
    Saber, der Lühr betrachtete, fuhr herum.
    „Was? Was hast du gesagt?“
    Jesse blinzelte.
    „Ich sagte, er hatte Angst davor. Nachdem wir angekommen sind, hatte er seine Hütte fast hermetisch abgeriegelt, damit ja keine rein kam. Er hat sich schon in der ersten Stunde darüber beschwert, dass alles voller Mücken war. Er schmierte sich auch immer so ein Zeug auf die Haut, das sie angeblich abhalten würde.“ Jesse zuckte die Schultern. „Hat es aber nicht. Sie stachen ihn trotzdem.
    Saber überlegte.
    „Wusste das jemand?“
    „Außer mir und allen anderen, die davon genervt waren, wohl nicht. Niemand aus der Stadt, wenn du das meinst.“
    Saber bekam eine Gänsehaut..
    War es möglich, dass der ihm unbekannte Outrider von Mücken angefallen wurde. Von etwas, vor dem er am meisten Angst hatte.
    Jesse seufzte.
    „Wir werden unser Lager verlegen müssen. Erst die Kinder, dann die Nacht und jetzt das...Ich kann nicht ständig hinter allen herlaufen und aufpassen, dass keiner von irgendwas gestochen wird. Davon ab. Wenn Mücken das Problem wären, würde dann noch Menschen hier leben?“
    Colt bezweifelte das.
    „Wahrscheinlich mach ich mich jetzt zum Affen, aber ich habe das Gefühl,dass es richtig ist, wenn wir unsere Hilfe anbieten. Die Leute hier brauchen dringend das Geld. Und sofern euch nichts anderes in den Köpfen vorschwebt, werde ich dafür sorge, dass sie es auch bekommen“, meinte Saber. Ihm war nicht wirklich wohl dabei, aber er sah keine andere Möglichkeit.
    „Es bringt nichts, wenn wir aneinander vorbei arbeiten und im Auge behalten sollen wir euch sowieso. Oder hast du was zu verstecken, Jesse?“
    Jesse schüttelte den Kopf. Diesmal hatte er wirklich nichts zu verstecken. Diesmal nicht. Ein schelmisches Grinsen wuchs auf seinem Gesicht. „Wir können uns gegenseitig im Auge behalten. Ich fühl mich auch nicht wohl mit euch im Nacken.“
    „Ach?“, entfuhr es aus vier anderen Mündern.
    Vera

    Mort begrüßte die ankommenden Arbeiter. Sie hatten sich durch den Wald gearbeitet, viele hatten eigenes Werkzeug dabei, andere sahen aus, als hätten sie sich gerade Schuhe leisten können.
    Er stöhnte. Die Männer wirkten kräftig, aber er war sich nicht sicher, ob er sie an den Maschinen einarbeiten könnte. Sie sahen aus, als könnten sie nicht mal lesen.
    Mort teilte sie in zwei Gruppen ein, die lediglich seiner Schätzung nach aus denen bestanden, die was im Kopf hatten und denen, die offensichtlich struntsdumm waren.
    Dann überflog er sie grob. Es waren gut 50 Mann. Die Hälfte waren noch recht jung und kräftig. Das stimmte ihn zuversichtlich. Nur ihre dümmlichen Gesichter und die fragenden Augen machten ihm Sorgen.
    Außerdem sahen sie auch so aus, als wären ihnen die neuen Fremden doch unheimlich. Sie tuschelten hinter verdeckten Händen, sahen auf seine Ohren und zupften sich selbst in den Haaren, wenn sie miteinander redeten. Mort vermutete, sie diskutierten über seine Haarfarbe, die denen eines Menschen nicht wirklich gleichte.
    Mort stellte sich vor ihnen auf und versuchte, etwas Ruhe in die Menge zu bringen.
    „Bitte, bitte könnte ich kurz ihre Aufmerksamkeit haben?“
    Viele, zwar nicht alle, aber viele Gesichter drehten sich nach ihm um.
    „Ich weiß nicht, was sie alle über Outrider zu hören bekommen habe, aber ich kann ihnen versichern, das meiste sind Ammenmärchen. Wir fressen niemanden.“, sagte er laut und tatsächlich lichteten sich einige der bis dato finsteren Gesichter. Mort erinnerte die Menge an Schafe, dumme Schafe. Und er war der Schäfer. Na wunderbar, dafür hatte er also vier Jahre die Akademie der Kampfwissenschaften und Taktik besucht, für die seine Eltern so viel Geld ausgegeben hatten. Wieder etwas, was er ihnen nicht erzählen würde.
    „Wie sie sicher wissen, haben wir vor, bestimmte Mineralien aus ihren schönen Bergen zu schürfen. Die meiste Arbeit werden Maschinen machen, die allerdings bedient werden müssen.“
    Er zeigte auf einige sehr große und klobig aussehende Maschinen hinter sich.
    Ein Murmeln ging durch die Menge.
    „Keine Sorge, das sieht um einiges schwieriger aus, als es wirklich ist. Wer Links und Rechts voneinander unterscheiden kann, wird keine Probleme haben. Als erstes müssen wir jedoch eine Schneise durch den Wald schlagen und zwar bis zum Bergkam. Die Route ist schon vorgezeichnet.“
    Mort hielt ein Papier hoch, das alle Anwesenden stumm betrachteten.
    „Dann kanns also losgehen?“, rief er in die Menge und war nun doch erleichtern, als alle zustimmend nickten und auf ihn zubewegten. Vielleicht waren sie doch nicht alle so dumm, wie sie aussahen.


    ***


    Jesse und Lühr gingen die Rampe runter. Colt und Saber begleiteten sie. „Wie seid ihr denn gekommen?“, fragte Colt, der sich suchend nach einem Fahrzeug umschaute.
    Jesse sah ihn verständnislos an. „Na, zu Fuß. Wir stehen mitten im Wald. Da kommt man mit einem Fahrzeug nicht raus. Noch nicht, wir arbeiten daran.“
    Colt, dem jeder Weg zu viel war und der morgens am liebsten mit seinem Bronco ins Badezimmer fliegen würde, um sich die Zähne zu putzen, gab einen anerkennenden Laut von sich.
    Lühr lachte hell und klar. „Wann bist du das letzte Mal wohin gelaufen, hm?“
    Saber versetzte dieses Lachen einen kleinen Stromstoß. Um Ramrod waren immer noch Menschen versammelt, vor allen Frauen. Jesse sah auf die Uhr. Ihre Männer waren wohl bereits im Lager.
    Er sagte das zu Lühr in der Phantomsprache und Lühr nickte zufrieden.
    Bevor Jesse und sein Schatten auf den staubigen Platz, auf dem Ramrod stand, ihre Füße setzten konnten, drehte Jesse sich noch einmal zu Saber um.
    „Also wir verbleiben so? Ich erwarte euch heute Nachmittag auf der Lichtung mit allem, was eure Kiste zu bieten hat.“, sagte er und zeigte auf Ramrod.
    „Wenn wir nicht raus finden, was abgeht, kanns keiner.“, stellte Colt trocken fest und Jesse zog eine Augenbrauen hoch.
    Wären sie besser ausgestattet, wäre es auch für sie kein Problem, aber er war froh, dass er überhaupt die Genehmigung für dieses mehr oder weniger kostspielige Projekt bekommen hatte. Wenn es nach Nemesis gegangen wäre, hätte sie einfach diesen unbedeutenden Planeten überrollt. Jesse konnte ihn nur mit Mühe davon überzeugen, dass sie ihre Kräfte und Truppen im neuen Grenzland brauchten und für sein Projekt nur eine Handvoll Männer nötig war.
    „Sei nicht so überheblich, Colt. Wir haben einfach nicht damit gerechnet, dass uns hier was ...komisches Begegnen könnte. Inklusive euch.“
    Colt schmunzelte.
    „Wir sind nicht komisch, wir sind nur sehr exklusiv.“
    Lühr lachte wieder. Sie klopfte Colt auf die Schulter.
    Jesse zog sie mit sich. Er fühlte sich, als hätten sich Wolken gelichtet und als würde er nun wieder etwas blauen Himmel sehen.
    Automatisch sah er nach oben. Blau war der Himmel hier, das musste man diesem Planeten lassen.
    Saber ging die Rampe wieder hoch, blickte sich nach Colt um, der noch unten stand. „Kommst du hoch?“, fragte er.
    Colt schüttelte den Kopf. „Ich bleibe noch hier sitzen. Ich muss nachdenken.“
    Saber verstand das. Er selber war durcheinander. Als sie hergekommen waren, bestand kein Zweifel, dass etwas auf sie zukam. Nur das sie es sich anders vorgestellt hatten.


    ***

    April und Fireball begutachteten Aprils Satteleinheit. Im Grunde war nichts zu befürchten, aber April wollte ganz sicher gehen, das Lühr nicht doch irgendetwas verstellt hatte.
    „Sie ist merkwürdig, gar nicht wie ein richtiger Outrider.“, stellte Fireball fest.
    „Wir wissen gar nicht, wie Outrider wirklich sind.“ April war selbst überrascht, als sie es sich sagen hörte, aber im Grunde stimmte es. „Wir wissen nichts über ihre Lebensweise, ihre Kultur oder sonst was. Vielleicht ist das sogar eine Gelegenheit, etwas darüber zu erfahren.“ Die Forscherin in ihr war erwacht.
    „Wenn wir sie besser verstehen, können wir auch besser mit ihnen umgehen. Allein ihre Sprache klingt toll. So melodisch. Und wenn Jesse sie gelernt hat, dann kann sie ja nicht so schwer sein.“
    Fireball sah sie ernst an.
    „Ich glaube, du unterschätzt ihn. Er hat schon was im Köpfchen. Obwohl ich mittlerweile froh bin, dass er hier ist. Mit einem Outrider hätten wir vielleicht Probleme bekommen. Jesse ist da schon lockerer.“
    April stellte alle Regler wieder so ein, wie sie waren.
    „Lockerer? Ich weiß ja nicht, aber hast du gesehen, wie Saber Lühr angesehen hat. Ich glaub, er mag die schräge Nudel echt.“
    Der Japaner setzte sich neben April auf die Lehne. „Sie ist was besonderes, was anderes. Das alleine macht ihn schon neugierig. Und häßlich ist sie auch nicht. Ich frage mich, ob Jesse und sie nicht doch...“
    April schüttelte den Kopf. „Nie und nimmer. Sie ist eher so was wie....ich weiß nicht auch nicht, eben wie...“
    „Eine Freundin..“, tönte es von hinten und April schrak zusammen. Saber hatte sich angeschlichen und lehnte nun am Eingangsrahmen zur Brücke.
    April und Fireball sahen sich mit großen Augen an.
    „Wie lange stehst du denn schon da.“
    Saber grinste.
    „Offensichtlich nicht lange genug.“
    Die erschrockenen Gesichter seiner Freunde entlockte ihm ein Schmunzeln.
    „Colt ist unterwegs und heute Nachmittag werden wir auf der Lichtung erwartet. Ich glaube allerdings nicht wirklich, das wir Ramrod dort landen können. Irgendwelche Ideen?“
    April widmetet sich sofort ihrer Konsole.
    „Ich lass mir was einfallen, keine Sorge.“


    ***


    Colts Füße trugen ihn bis zum Stadtrand. Es war nun schon Mittag und die Sonne hatte unglaublich an Kraft gewonnen. Die sonst recht belebte Hauptstraße war bis auf wenige ganz Unverwüstliche leer. Ein kleiner, streunender Hund schaut ihn im Vorbeigehen skeptisch an, wedelte mit dem Schwanz und lief dann weiter.
    „Sogar die Hunde sind hier freundlich.“, knurrte Colt, dem das Getue der Leute schon auf die Nerven ging.
    Die meisten Geschäfte hatten geschlossen, auf den Stufen der Veranden saßen einige Männer, die sich aufgrund ihres Alters nicht auf der Lichtung eingefunden hatten. Sie hatten Bier in den Händen und kauten auf etwas rum, spuckten hin und wieder aus.
    Colt fasste grüßend an seinen Hut und erntete dafür anerkennende Nicken.
    Er schaute nach eine Stiefel. Sie waren völlig mir Staub bedeckt und wirkten wie gepudert.
    „Staub und Nettigkeit, das ist alles, was es hier gibt. Das und die Wälder.“ Er blickte wieder hoch. Von hier aus konnte er die Wipfel der Bäume gut erkennen, die sich um die Lichtung rankten. Irgendwo da waren nun Jesse und Lühr und kämpften mit den Tücken dieser Außenseiterwelt. Passte ja zu ihnen. Lühr war ein Aussenseiter. Selbst in ihrer eigenen Welt und Jesse...er war ein Außenseiter in jeder Welt. In seiner wie in der anderen. Wieder bildete sich ein heißer Knoten in Colts Brust. Fast automatisch führten ihn seine Füße zum angrenzenden Wandrand.

    Sobald er die kleine, unsichtbare Grenze zwischen Stadt und Waldboden überschritten hatte, wurde es kühler. Er strauchelte, als er die Grasnarbe überschritt, weil er plötzlich weichen Boden unter den Füßen hatte. Er blickte sich um. Hinter ihm lag eine schmale Gasse. Die Holzhäuser dort machten einen verlassenen Eindruck aber Colt hatte schon gesehen, dass sie es nicht waren. Die Gardinen vor den schmutzigen Fenstern hatten sich bewegt und eine Tür hatte sich einen Spaltbreit geöffnet. Aus dem dunklen des Hauses starrten ihn zwei große, runde Augen an.
    Colt blickte hoch. Die Blätter der Bäume wurden sanft vom Wind hin und her bewegt und rauschten ihm Dorfgeschichten zu.
    Blendete das Sonnenlicht auf den Straßen fast, so war es, je weiter er in den Wald ging, beinahe düster. Nur hin und wieder gelang es der Sonne, einen vereinzelten, hellen und magischen Strahl auf den Waldboden zu setzten.
    Um ihn herum war Leben. Er spürte es. Es kroch über Blätter, stapfte durch das Unterholz und beobachtete ihn von den Ästen der Bäume.
    Viele von den Tieren hatte er nie gesehen, andere waren ihm wohl bekannt.
    Er grinste, als er ein Eichhörnchen sah, das sich mit einer riesigen Nuss abmühte.
    Das zierliche Tierchen zuckte nervös mit dem Schwanz und als es ihn sah, gab es einen empörten Laut von sich, als ob es sagen wollte. „Ey! Was glotzt du so? Kannst du nicht helfen?“
    Colt wandte sich ab, bewegte sich zwischen mächtigen Baumstämmen hindurch, stolperte über so manchen Ast und als er sich umdrehte, konnte er zwischen den Bäumen die Stadt nicht mehr erkennen.
    Etwas knackte vor ihm, und er wirbelte herum, seine Hand auf den Griff seines Blasters liegen.
    „Hallo?“, rief er aus. Wieder ein Knacken. Colt folgte dem Geräusch, fand sich auf einer winzigen Lichtung wieder, auf der wohl Kinder eine Hütte gebaut hatten. Sie hatten sie mit viel Liebe mittig von drei Baumstämmen platziert. Sie reichte ihm nicht mal bis zur Brust, hatte ein Dach aus Ästen und Zweigen, die miteinander mit einem dicken und grob gewebten Seil verbunden waren.
    Ein mit einer Säge ausgeschnittenes Loch diente als Fenster und die Tür war aus einem dicken Pappschild, auf das eine freundlich lächelnde Dame für eine Kaffeemarke warb, die er nicht kannte.
    Er schob das Schild beiseite und schaute in die Hütte.
    „Na du? Hab ich dich erwischt..“, grinste er das kleine Mädchen zwinkernd an.
    Sie grinste zurück, kicherte dann und rollte mit den Augen.
    „Jaaaa, du hast mich erwischt.“, lachte sie hell. Dann klopfte sie neben sich auf den Boden, der liebevoll mit Heu ausgelegt war.
    „Du musst reinkommen, sonst sehen sie dich.“, flüsterte sie.
    Colt runzelte die Stirn, kam aber ihrer Aufforderung nach, was nicht einfach war. Er musste sich auf allen Vieren runter lassen und dann die Beine ganz an den Körper anziehen. In dieser Haltung blieb er sitzen, nahm seinen Hut ab und legte ihn neben sich, wo er gerade noch Platz fand..Eine Weile saßen sie so schweigend nebeneinander. Colt versuchte ihr Alter zu schätzen. Vielleicht zehn oder elf. Das rote, etwas strubelige Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und auf ihrer hellen Haut waren unzählige Sommersprossen. Kluge, braune Augen blickten unter dem schief geschnittenem Pony hervor und ihre Lippen waren zu einem unermüdlichen Lächeln verzogen.
    „Wie heißt du denn, sag mal?“, begann Colt ein Gespräch.
    „Dass darf ich dir erst sagen, wenn ich weiß wie du heißt weil...weil...“, sie stockte.
    „Weil ich ein Fremder bin?“, half ihr Colt auf die Sprünge.
    Das Mädchen sah ihn an. „Also, Fremde sind ok.“, sagte sie ernst.
    „Die haben Geld.“ , fügte sie hinzu und Colt lachte.
    „Das ist wahr. Meistens. Ich bin übrigens Colt. Ich bin mit ein paar Freunden hier.“
    das Mädchen nickte.
    „Das weiß ich schon, ich bin doch nicht doof.“ Das Mädchen grinste breiter.
    „Ich bin Vera.“
    Colt streckte ihr die Hand entgegen. „Hallo Vera, freut mich, dich kennen zu lernen. Hast du die Hütte gebaut? Die ist echt klasse!“
    Vera nickte und entblößte eine Reihe schön gewachsener Zähne. „Zusammen mit meinem Bruder. Sie beschützt uns.“
    Colt legte die Stirn in Falten.
    „Beschützen? Wovor denn?“
    Veras Lächeln erstarb.
    „Vor ihnen, sie können es dann nicht sehen.“
    Colt bekam eine Gänsehaut. „Wer kann dann was nicht sehen?“, bohrte er weiter.
    Das Mädchen beugte sich zu ihm rüber, legte verschwörerisch eine Hand vor dem Mund und flüsterte..
    „Die Angst. Sie können dann die Angst nicht sehen.“
    Der Cowboy schluckte. „Aber niemand kann deine Angst sehen wenn du sie nicht.....“
    „Pst!“, unterbrach sie ihn. Ihre Augen wurde groß. Sie legte einen Finger auf die Lippen und auf ihrer Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen.
    „Sie kommen.“, flüsterte sie.
    Colt zog sie an sich ran. „Ich beschütz dich, ich bin ein Star Sheriff.“ Er wollte das Pappschild beiseite schieben, aber Vera hielt ihn zurück, krabbelte zum Fenster und verdeckte es mit einem Tuch, langsam krabbelte sie wieder zurück, das Fenster immer im Auge behaltend.
    Sie legte sich wieder in seine Arme.
    „Pst, pst.“, sagte sie wieder und legte sich selbst die Hand auf den Mund.
    Colt gehorchte.
    Er lauschte. War er jetzt verrückt oder was? Kein verdammter Laut war zu hören. Noch vor Sekunden sangen Vögel und brüllten andere Tiere durch den Wald, jetzt war eine kalte Totenstille über sie gekommen.
    Colt konnte nicht einmal mehr das Rauschen der Blätter hören. Der Wald selbst hatte sich die Hand vor dem Mund gelegt und schien panisch abzuwarten.
    Colts Herz jagte in seiner Brust und er wusste nicht mal wieso.
    Jetzt hörte er etwas Rascheln und Vera zuckte in seinen Armen zusammen. Sie hatte ihr Gesicht auf seiner Brust gedrückt.
    Sie zitterte.
    Colt sah einen Schatten an dem Leinentuch vor dem Fenster vorbei huschen. Unter den Brettern, die auf den Boden standen, sah er weitere Schatten von Füßen. Jemand flüsterte. Es waren Kinderstimmen.
    >sehen...sehen...<
    Das Pappschild wurde bewegt und Vere schrie erstickt.
    Colt hatte seine Hand auf seinen Blaster.
    Es waren nur Kinder, verdammt. Nur Kinder, rief er sich zur Ruhe. Er musste dem ein Ende machen. Er konnte hier nicht sitzen und sich vor ein paar Kindern in die Hosen pissen.
    Er drückte Vera beiseite, die in mit unverholener Panik anstarrte und heftig den Kopf schüttelte.
    „Geh nicht.“, hauchte sie.
    Wieder rüttelte jemand an dem Schild. Colt atmete einmal tief ein, kroch dahin und riß es zur Seite.
    Er machte eine Rolle, zog seinen Blaster, mit dem er hoffte, die kleinen Störenfriede so richtig zu erschrecken und stand auf.
    Die Lichtung war leer.
    „Waaa? Das gibs doch nicht.“
    Er sah sich um, lief ein paar Schritte in jede Richtung, aber es war einfach niemand da. Sein Herzschlag hatte sich beruhigt und er steckte die Waffe wieder weg.
    Ein dünner Schweißfilm hatte sich auf seinen Nacken gelegt.
    Mit wackligen Beinen ging er auf wieder auf die Hütte zu, schaute hinein, doch auch Vera war nicht mehr da.
    „Vera! Vera!“, rief er und sah dann einen Schatten hinter der Hütte stehen.
    „Oh, Gott sei Dank,“, stöhnte er und kniete sich vor ihr.
    Er legte seine Hände auf ihre Hüfte und zog sie an sich ran.
    „Alles ok, Kleine. Ist niemand da.“
    Vera bewegte sich nicht in seinen Armen.
    „Ich kann es sehen....“, flüsterte sie.




    Colt schob sie von sich weg. Sein Herz fühlte sich kalt an. Sie löste sich aus seinen Armen und sah ihn aus großen, dunklen Augen an, die auf einmal schrecklich berechnent wirkten.
    Ihr Körper war steif, ihr Mund zu einer dünnen Linie verzogen.
    Immer noch war es ruhig im Wald. Colt sah sich um. Selbst die Schatten bewegten sich nicht mehr.
    „Vera?“, flüsterte er. „Was ist los, Kleines?“
    Ihre Pupillen veränderten sich, wurden breiter, bis sie alles aus zu füllen schienen.
    Colt hielt den Atem an. Jesses Geschichte über die Kinder in der Gasse kam ihn wieder in den Sinn.
    „Ihr seid es, oder? Ihr tut das alles?“
    Veras Lippen breiteten sich zu einem Lächeln aus. Ihre gerade noch so schönen Zähne wirkten wie die eines Hais. Wie viele kleine Messer lagen sie in ihrem Mund.
    Sie fuhr mit einer Zunge darüber, die wie gebrochenes, gegerbtes Leder aussah und unglaublich lang und dünn war.
    Colt stand auf, ging vorsichtig zurück.
    „Ich sehe es...“, sagte sie wieder . Ihre Augen veränderten sich erneut.
    Sie wurden blau. Colt kannte dieses blau, er kannte es zu gut.
    Sie hob einen Arm, streckte den Zeigefinger aus und lachte.
    „SEHE ES!!!“, kreischte sie und Colt wurde wie aus einer Trance gerissen. Er drehte sich um und rannte. Rannte in den Wald hinein, ohne auf die Äste und Zweige zu achten, die ihm blutige Striemen in das Gesicht schlugen.
    Sein Atem donnerte aus seiner Kehle und hinterließ einen metallischen Geschmack auf seiner Zunge.
    Nach einer Ewigkeit blieb er stehen, wirbelte Orientierungslos herum und musste mit Panik feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wo er sich befand.
    Er suchte einen Anhaltspunkt, schaute nach oben und ein lautes Heulen entfuhr ihm.
    Zitternd setzte er sich auf den feuchten Boden, schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen.
    Er wollte sich auf seinen Herzschlag konzentrieren. Versuchte, seine Atmung wieder in den Griff zu bekommen.
    Seine Lunge brannte.
    Minutenlang lag er so da...bis sich ein Schatten über ihn legte. Panisch riss er die Augen auf.
    Blaues Haar fiel sanft um das fein geschnittene Gesicht.
    „Jesse?“, fragte er flüsternd.
    Jesse schaute ihn aus seinen unglaublich blauen Augen an, legte eine Hand auf seine Wange und strich darüber.
    „Was tust du denn hier?“, fragte er.
    Colt wurde warm. Sein Atem beruhigte sich wieder, doch sein Herzschlag nahm noch einmal zu.
    „Es...es sind die Kinder.“, stotterte er.
    Er richtete sich auf und stützte sich mit den Händen auf den Boden ab.
    „Es sind die Kinder, etwas stimmt nicht mit ihnen. Erst war sie ganz normal aber dann....“, er fand nicht die richtigen Worte, konnte nicht beschreiben, was er sah. Ihre Augen, ihre Augen!
    Jesse blickte ihn liebevoll an.
    „Pscht, schon gut. Ich weiß schon.“ Er schloss ihn in die Arme. Colt blinzelte verwirrt, legte einen Arm um Jesses Nacken und vergrub sein schweissnasses Gesicht in Jesses Halsbeuge. Es tat so gut, dass jemand da war, dass er da war.
    Er spürte, wie Jesses Hände über seinen Rücken strichen, wie sie ihn erkundeten und ihn erforschten. Colt stöhnte wohlig auf. Ein unkontrolierbares Zittern kroch von seiner Körpermitte bis zu seinen Zähnen, die aufeinander schlugen.
    „Wir müssen von hier weg, schnell weg.“, gab Colt gedämpft aus der Halsbeuge von sich.
    Jesse Hände hatten sich unter seinem Hemd gegraben und er fühlte sie auf seiner nackten Haut. Zischend sog er die Luft ein. Abwartend bebete er unter den Händen. Er wurde unruhig. Hibbelig. Entsetzt musste er merken, wie seine Jeans enger wurde.
    „Jesse, bitte.“, flüsterte er. Er wollte, dass der andere aufhört, weitermacht, aufhört. Er war so durcheinander.
    Er hob sein Gesicht an, versuchte sich zu lösen und fiel dabei nach hinten auf den Rücken. Jesse krabbelte über ihn, legte eine Hand auf seinen Bauch, suchte einen Weg unter das Hemd.
    Colt wimmerte. „Nicht, was soll das?“
    Diese Hand war kalt. Sehr kalt.
    Jesses Gesicht kam seinen immer näher, Colt spürte seinen Atem auf seinen Lippen.
    Kalt...
    Der weiche, sanft geschwungenen Mund des blauhaarigen legte sich auf seinen.
    Kalt...
    viel zu kalt...
    Colt schloß die Augen. Für Bruchteilen von Sekunden war er gefangen im Moment, keuchte auf, als sich die Zunge einen Weg in seinen Mund suchte.
    Colt legte verzweifelt die Arme um den anderen, fuhr mit den Händen erforschend über den Rücken, der sich unter seinen tastenden Fingern gegen ihn bäumte.
    „Warte..warte mal.“, stöhnte Colt. „Ich will weg von hier. Sie sind noch hier, in den Wäldern.“
    „Ich weiß, ich sehe es..“, sagte Jesse rau. Es klang wie ein Knurren.
    ...sehe es...., wiederholte Colt in seinem Kopf und rieß die Augen auf.
    Mit einem Ruck war er wieder wach. Kräftig stieß er den Körper von sich, starrte ihn an und rappelte sich wieder auf. Auf schwankenden Boden versuchte er Halt zu finden.
    Jesse kniete im Gras, sein Gesicht blickte zu Boden und das blaue Haar hing ihm in die Stirn.
    Ein kaltes, knirschendes Kichern, das in ein wässriges Blubbern überging, schüttelte den Körper.
    Colt legte den Finger an den Abzug, als Jesse seinen Kopf hob. Helle, klare und unverfälschte Angst überkam den ehemaligen Kopfgeldjäger.
    Das Gesicht hatte sich völlig verändert. Es starrte ihn an, auf der gerade noch so wundervollen und hellen Haut hatten sich große, sich bewegende Blasen gebildet.
    Eine platze und Colt schrie, als eine eitrige, gelbe Masse daraus hervor strömte, die sich träge bis zu seinem Kinn arbeitete.
    Es öffnete den Mund, lachte und Colt sah dieselben Messerscharfen, eng aneinander gereiten Zähne wie schon zuvor bei Vera.
    "Sie wissen alles....ALLES!", kreischte das Ding.
    Die Lippen, die gerade noch so verführerisch waren, rissen an den Enden auf, Blut quoll hervor.
    Colt schoss zwei Mal. Einmal zwischen die wahnsinnigen Augen, einmal direkt in den Mund. Es starrte ihn an, verblüfft, verwirrt. Es stieß ein kehliges Gurgeln aus, griff mit der Hand und immer noch fragenden Augen an den Mund. Dickes Blut quoll zwischen den schlanken Fingern hervor.
    Es fauchte, fauchte ihn an.
    Colt wollte gerade wieder abdrücken, als es nach vorne auf das grauenvolle, mit Pusteln übersäte Gesicht fiel.
    Es zuckte, bäumte sich auf, wirbelte auf den Rücken und zitterte. Blätter und Dreck wurden aufgewirbelt, legten sich wie eine Wolke um den sich krümenden Körper und sammelten sich in dessen Haare.
    „Oh Gott, oh Gott...“
    Dann war es still. Es bewegte sich nicht mehr. Der Körper, der Jesse darstellen sollte, es aber nicht war, sackte kraftlos in sich zusammen. Unnatürlich fiel der Brustkorb ein und Colt sah, dass sich eine tiefe Kuhle darin bildete.
    Aller Atem war daraus entrissen.
    Der Wald um ihn herum erweckte wieder zum Leben. Ein erster Vogel begann vorsichtig eine eintönige Melodie, über ihn raschelte es im Geäst. Kleine Tiere hüpften wieder von Zweig zu Zweig, sahen auf ihn herab und zuckten mit den Schwänzen.
    Neuer Wind kam auf, erfasste Colts Hemd und kitzelte seinen Bauch, trocknete seine schweissnasse Stirn und seine Arme.
    Er ließ seinen Blaster sinken.
    Das Wesen auf dem Boden sah ihn aus leeren Augen an.
    Colt wandte sich nach Westen, wo er die kleine Stadt vermutete.
    Er lief zwei Stunden, eine Stunde davon weinend, als er die ersten Dächer der Häuser sah.
    Müde, erschöpft und mit brennenden Augen setzte er den ersten Fuß wieder von dem weichen, schwammigen Wandboden auf den hart getretenen Staubboden der kleinen Stadt, die für ihn jeden romantischen und freundschaftlichen Reiz verloren hatte. Sobald er unter den Schatten der Bäume weggetreten war, piepste sein Com. Er nahm ihn aus der Tasche und schaute darauf. Er hatte 21 Nachrichten und 18 nicht angenommene Verbindungen.
    Colt stöhnte. Irgendwie überraschte es ihn gar nicht, dass der Com im Wald nicht funktioniert hatte.
    Der Com jaulte wieder um Aufmerksamkeit und Colt zuckte zusammen. Mit zittriger Stimme nahm er die Verbindung an.
    Saber war am anderen Ende.
    „Mein Gott Colt! Wo bist du denn? Wir sind krank vor Sorge!“, brüllte er in das Gerät.
    Colt schloss die Augen.
    „Ich habe den Horror mitgemacht. Den absoluten Horror.“
    „Kein weiteres Wort, wir kommen sofort. Wo bist du?“
    Colt gab seine Position an.
    „Gut, bleib, wo du bist. Wir sind in zehn Minuten da!“
    Colt beendetet die Verbindung, sah sich etwa hilfesuchend um und entschied dann, sich in dem kleinen Bistro etwas zu trinken zu kaufen. Er war ausgedurstet.
    Und wenn Saber da war, was dann? Was sollte er ihm erzählen? Er konnte ihn alles über Vera erzählen, aber alles andere...dass mit Jesse...oder mit dem Ding, das Jesse hatte darstellen sollen? Er könnte ihn das nie erzählen! Niemals! Niemand durfte davon je erfahren.
    Er hatte das Bistro erreicht, setzte sich und gab Saber die Nachricht ein, dass er dort war. Die Bedienung kam sogleich schnellen Schrittes, wurde aber bei seinem Anblick langsamer und dann wieder schneller.
    „Sir? Ist alles in Ordnung. Meine Güte, soll ich sie zu einem Arzt bringen? Wollen sie sich hinlegen?“
    Er schüttelte den Kopf. „Hör mal, Mädel, bring mir nur etwas zu trinken, am liebsten ein Bier und ein Wasser.“
    Sie nickte. „Sicher.“
    Keine zwei Minuten später kam sie mit dem Gewünschten wieder, stellte es auf den Tisch und hatte noch ein köstlich und dick belegtes Brot dazu gelegt.
    „Das geht natürlich aufs Haus. Das alles.“, sagte sie eindringlich.
    Colt nahm seine Brieftasche, legte einen Zehner auf den Tisch und schaute sie grimmig an.
    „Nichts da. Ich bezahle.“
    Er hatte die Schnauze von dieser falschen Nettigkeit gestrichen voll.
    Komm mit mir

    Jesse war beeindruckt. Mort hatte eine Menge auf die Beine gebracht. Nicht nur, dass er die Arbeiter sehr gut führte, die Schneise im Wald zum Bergkamm war auch schon unglaublich fortgeschritten. Schwere Maschinen dröhnten, Baumstämme wurden abtransportiert und zur Weiterverarbeitung in die Stadt gebracht. Die Männer, die er selbst wahrscheinlich wieder nach Hause geschickt hätte, schuftete unter Morts Anweisungen im genau den richtigen Tempo und in genau der richtigen Weise.
    Der Lärm war ohrenbetäubend, aber er hatte sich schon fast daran gewöhnt. Seine Männer allerdings weniger. Ihre sehr viel feineren Sinne arbeiteten noch an dem Problem und er hatte schon den ein oder anderen gesehen, der sich etwas in die Ohren gestopft hatte.
    Lühr lief zwischen den Arbeitern hin und her, verteilte Getränke und reichte von ihr selbst gemachte Schnitten, die sie mit viel Liebe nach ihrem Aufenthalt in Ramrod fertig gemacht hatte.
    Er schaute hoch. Ramrod müsste eigendlich gleich hier auftauchen und mit viel Glück würde er, nachdem die Schneise schon so weit fortgeschritten war, auch auf die Lichtung passen. Wenn auch nur mit dem Hinterteil in der Schneise steckend.
    Bis jetzt war allerdings noch nichts von ihnen zu sehen und er hörte auch nicht ihre Triebwerke, wobei er bei dem Lärm hier eh nicht viel hörte.
    Mort kam auf ihn zu.
    „Die Arbeiter wollen noch vor Anbruch der Dunkelheit nach Hause.“, sagte er über den Lärm hinweg.
    Jesse nickte. Er konnte das weiß Gott verstehen. Ob die Arbeiter etwas über den Wald wussten, konnte er nicht sagen, aber es konnte nicht so viel sein. Sonst wäre sie ja gar nicht erst gekommen.
    „Ist gut. Sag ihnen, sie können um fünf Uhr gehen. Das ist mir ganz recht. Wir erwarten ja auch noch jemanden.“
    Mort nickte, wollte sich zum gehen wenden, aber Jesse hielt ihn zurück.
    „Du machst das übrigens großartig.“, sagte er.
    Mort lächelte dankbar. Das helle Blau seiner Wangen wurde etwas dunkler.
    Der Nachmittag hatte so wunderbar funktioniert, dass er sich schon fast einen Indioten schallte, denn, nun, in der Nachmittagssonne und während all den lebhaften Aktivitäten, war er sich nicht mehr sicher, was in der Nacht zuvor passiert war...und ob etwas passiert war. Wäre es nicht allzu deutlich, das Dragger fehlte, er würde alles als ein Hirngespinst abtun, die Star Sheriffs abbestellen und wieder zum Alltag über gehen.
    Aber Dragger war fort. Er war ganz klar nicht mehr da und obschon selbst Lühr viel entspannter war, sah er sie immer mal wieder skeptisch in den Wald hinein schauen.
    Auch sie war noch nervös und er versuchte, sich nicht von ihr anstecken zu lassen.
    „Sollen wir noch was trinken?“, rief er ihr zu.
    Lühr nickte. Sie hatte Lust auf was alkoholisches, etwas, dass sie schnell einschlafen lassen würde.


    ***


    Saber steuerte Steed geschickt über die Straßen hinweg und wurde von den Menschen nahezu angestarrt. Sie lachten, zeigten mit dem Finger auf ihn und er konnte gar nicht anders, als hin und wieder hinunter zu winken.
    Hinter ihm versuchte Fireball sich durch die Bewohner der Stadt hindurch zu arbeiten. Der Fury wirbelte Staub auf, der sich aber schnell wieder legte.
    Er parkte das Gefährt am Rand der Straße und sah Colt, der sich aufrichtete und ihm zuwinkte.
    Saber setzte Steed behutsam ab, mit Schwung stieg er ab und ging schnellen Schrittes auf den Cowboy zu.
    „Colt, du siehst furchtbar aus.“
    Colt lachte trocken.
    Er hatte dunkle Augenringe und auf den Wangen immer noch die Striemen der Äste durch die Flucht durch den Wald. Er war blass, müde und seine Knochen taten ihm weh.
    Fireball kam zu ihnen herüber gelaufen und blieb erschrocken stehen, als er Colt sah.
    „Ok, was ist passiert? Den mach ich fertig!“, schimpfte er.
    „Setzt euch, ich muss euch viel erzählen.“
    Beide kamen der Aufforderung nach und als Colt zu erzählen begann, wurden auch sie blasser.
    Er erzählte beinahe alles. Das er das Mädchen in der Hütte entdeckt hatte, das sie erst ganz normal war und sich dann veränderte, das er dann geflüchtet sei und Jesse begegnet sei und dann veränderte er seine Version leicht.
    Er erzählte, Jesse habe ihn erst helfen wollen und ihn dann angefallen und berichtete erst wieder wahrheitsgemäß, nachdem der erste Schuss gefallen war.
    Fireball hatte sich die Hand vor dem Mund gehalten, starrte ihn an und seine ohnehin schon sehr großen Augen nahmen fast das ganze Gesicht ein. Saber war sich so oft nervös mit den Händen durch das blonde Haar gefahren, dass es nun von allen Seiten vom Kopf abstand.
    Er war der erste, der seine Sprache wieder fand.
    „Aber es war nicht Jesse, nur das ich das verstehe?“
    Colt schüttelte den Kopf. „Es war nicht Jesse, es war ein....ein...Ding. Ich kann es nicht anders beschreiben. Das ganze Gesicht war ihm aufgeplatzt und diese Zähne....“, er schwieg.
    Saber legte eine Hand auf Colts Schulter, um ihn zu beruhigen.
    „Ich glaube, es sind die Kinder.“, fuhr Colt fort. „Irgendetwas stimmt nicht mit ihnen. Es ist, als....naja. Als seien sie besessen oder so.“
    Fireball schaute sich um. Einige Kinder hatten sich um Steed versammelt, streichelten ihn und machten Anstalten, auf ihm rauf zu klettern. Sie waren schmutzig, viele hatten Läuse aber bedrohlich sahen sie nicht gerade aus.
    Steed ließ alles geduldig über sich ergehen.
    Colt sah den Kindern auch zu, aber er bekam eine Gänsehaut, als er sie sah.
    „Dieser Dagget oder so...“, begann Fireball.
    „Dragger.“, verbesserte ihn Saber.
    „Dieser Dragger hatte panische Angst vor Mücken. Und so, wie es aussieht, wurde er von Mücken getötet.“
    Colt hob sein Glas. „Vera sagt, sie würden die Angst nicht sehen, wenn man in der Hütte blieb. Die Angst sehen....“, wiederholte er.
    Fireball sah ihn an. „Aber du hast doch keine Angst vor Jesse. Ich meine, ihr habt doch den größten Spaß dabei euch ständig zu beweisen, wer der Bessere von euch ist.“
    Saber kam eine Idee. „Ist das deine Angst? Das er dich eines Tages besiegen könnte? Das er der Bessere von euch ist?“
    Colt starrte ihn an. „Er ist nicht besser als ich.“ Dann rollte er mit den Augen. „Vielleicht, kann schon sein.“, murmelte er leise.
    Seine wirkliche Angst konnte er ihm unmöglich eingestehen. Die Angst davor, sich eines Tages doch zu verlieren in diese magischen Augen. Das er sich so etwas eingestehen musste. Die Angst, dass der andere lediglich abfällig lachen würde, spotten würde und der ganzen Welt davon berichten. Das seine Freunde vor ihm auf den Boden spucken würden. Colts Hände zitterten. Saber hatte so wenigstens eine Theorie, die er mit Jesse verbinden könnte. Dafür konnte er dankbar sein.
    „Schon ok Colt,“, sagte sein blonder Freund. „Ihr seid euch absolut ebenbürtig. Ich versteh deine Angst.“
    Colt sagte nichts.
    Fireball fasste zusammen.
    „Also könnte es sein, das, was auch immer, die Angst der Menschen benutzt? Aber wofür? Und von allen? Ich meine, die Leute hier sind total zufrieden mit allem. Niemand hat hier offensichtlich vor etwas Angst. Alle sind nett und feundlich und so...“
    „Was?“, rief Saber aus. „Was hast du gesagt?“
    Fireball starrte ihn an.
    „Na ja, dass alle so nett sind und so und ...“
    „Nicht das,“, unterbrach ihn Saber, „Das mit der Angst. Niemand hat hier Angst.“
    Fireball sah sich um.
    Um ihn herum waren nur fröhliche, ausgeglichene Gesichter. Niemand sprach ein lautes Wort. Kein Kind weinte, keine Mutter schimpfte. Saber hatte recht. Obwohl es eine so ärmliche Stadt war, obwohl es mehr gab, sich zu beschweren als man hätte aufzählen können, schienen alle absolut glücklich zu sein. Niemand hatte Angst.“
    Ein kleiner Junge kam an seine rechte Seite, stubtste ihn froh an und gaggerte dann.
    „Auto fahn?“, fragte er und lächelte einnehmend. Er zeigte auf den Fury und seine Augen leuchteten.
    Fireball stand auf, nahm in an die Hand und stellte sich mitten auf die Straße..
    „Wer will noch mitfahrn?“, rief er und sofort hatten sich eine Schar Kinder um ihn versammelt.
    Er drehte sich um und sah, das Colt ihn geschockt anstarrte. Auch Saber stand der Mund offen.
    Fireball grinste.
    „Keine Angst, Leute. Ich habe auch keine.“, zwinkerte er ihnen zu und nahm den kleinen, vielleicht drei Jährigen Jungen auf den Arm.
    Saber beobachtete, wie Fireball ihn auf den Notsitzt setzte und gleich zwei weitere Kinder mit dazu.
    „Fireball hat recht, er macht es genau richtig. Wir müssen unsere Ängste heraus finden. Wenn wir sie kenne, können wir was dagegen tun.“
    Er sah auf die Uhr. April wird gleich bei Jesse sein. Ich möchte nicht, dass sie alleine dort ist. Ich habe Angst dass....“, er stockte, verbesserte sich. „Ich weiß, es wird ihr nichts passieren, aber wir haben noch zu tun dort. Wirst du klar kommen? Willst du mit oder in Ramrod bleiben?“
    Colt funkelte ihn an. „Ich werde mitkommen. Ich habe keine Angst!“, sagte er wütend..
    Saber nickte.
    „Sehr gut.“

    ***



    Ramrod dröhnte über die Lichtung, wendete im Flug, setzte sie Nase auf die Lichtung und den Hintern in die Schneise, wie Jesse es schon vermutet hatte. Es war völlige Millimeterarbeit. April konnte es gar nicht verhindern, dass sie ein paar Baumwipfel abknickte, die dann zu knirschend zu Boden krachten..
    „Ups....“, sagte sie hinter vorgehaltener Hand. „Na, das war ja so nicht geplant.“
    Romrods Füße bohrten sich in den Boden und Jesse staunte über seine Größe. Hier, auf dem recht begrenzten Raum wirkte er wahrlich unglaublich. Sein Schatten verdunkelte die Lichtung.
    Einige Outrider sahen staunend, aber doch skeptisch zu ihm rauf und als April die Rampe runter ließ, versuchten sie, so desinteressiert wie möglich zu wirken. Keiner wollte sich die Blöße geben und Jesse spürte einen gewissen Stolz auf sie in sich.
    Als April die Rampe herunter kam, lächelte sie entschuldigend.
    „Tut mir leid, ich wollte nicht euren ganzen Wald abholzen.“, rief sie ihm zu, während sie auf ihn zu ging.
    Jesse zuckte die Schultern. „Dann haben wir weniger Arbeit. Ist schon ok.“
    Er reichte ihr die Hand, die sie nach einigem Zögern nahm und kurz drückte.
    „Wo sind deine Kollegen?“, fragte er und sah sich suchend um.
    „Sie kommen gleich, sie holen nur Colt aus der Stadt ab. Er galt heute schon als vermisst.“
    Jesse sah sie ernst an.
    „Aber es ist alles ok?“
    Sie wusste es nicht, nickte aber.
    „Nett habt ihr es hier,“,sagte sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.
    „Nicht ganz unser Standard, aber wir kommen klar.“, meinte er nur.
    Eine eigenartige Stille herrschte zwischen ihnen und er räusperte sich verlegen.
    „Kann...kann ich dir was anbieten? Sofern Lühr nicht schon alles getrunken hat.“
    „Ich würde einfach gerne schon mal die Gegend abscannen und sehen, ob wir heute wieder die gleichen Werte bekommen wie gestern.“, sagte sie. Sie wollte bei Gott nichts mit ihm trinken.
    Er wirkte erleichtert. Zudem konnte er Triebwerke hören. Ihre Kollegen waren gleich da.
    „Na dann, an die Arbeit.“, grinste er.


    ***



    Als Colt sich von Steeds Rücken gleiten ließ, wusste er, warum er ein geschlossenes Gefährt bevorzugte. Es war saukalt auf dem Vieh und nicht nur Das. Er bekam sogar etwas Höhenangst. Fireball musste seinen Fury am Waldrand stehen lassen und Saber sagte ihn, er würde ihn abholen, sobald er Colt abgesetzt hatte.
    Jesse kam auf ihn zu und sah, dass Saber gleich wieder abhob.
    „Wohin will er denn?....Du lieber Himmel, wie siehst du denn aus?“
    Colt winkte ab. „Ich hatte eine Begegnung.“
    Jesse legte die Hand vor dem Mund. Er sah die Striemen in seinem Gesicht und fast automatisch hob er seine Hand , um sie auf die Wunden zu legen.
    Colt zuckte zurück und Jesse, dem bewust wurde, was er tat, trat zurück. Eine leichte Röte hatte sich in seine Wangen gestohlen, die von Colt nicht unbemerkt blieb.
    „Erzähl, was passiert ist.“, bat Jesse.
    „Gleich, wenn alle da sind. Warte noch. Wir haben eine Theorie.“
    Jesse nickte.
    „Gut, dann warte ich. Willst du denn was trinken?“
    Colt, der schon ein Bier auf hatte, nickte dankbar.
    „Gerne. Sehr gerne. Das brauch ich auch. Aber erst geh ich rein, dusch und zieh mich um, ok?“
    Jesse sah ihm nach, als Colt nach Ramrod ging, die Rampe raufschritt und dann im Innern des Kolosses verschwand.
    Über ihm hörte er wieder Saber, der nun Fireball mit sich trug. Ganz im Gegensatz zu Colt war Fireball breit am Grinsen. Überschwänglich winkte er.
    Jesse zog eine Augenbrauen hoch. Das konnte ja ein lustiger Abend werden.



    ***


    Colt stand unter der Dusche. Das heiße Wasser lief über seinen Nacken, seinen Rücken und seinen Po. Schnell fühlte er sich wohler.
    Seine Gedanken raubten ihm den letzten Nerv. Wenn er von seiner Begegnung erzählen sollte, dann würde er nicht drum herum kommen, von Jesse zu erzählen.
    Colt stöhnte.
    Er hörte wie sich Fireball und Saber unterhielten. Sie redeten über ihn. Hin und wieder fiel sein Name.
    Als er aus der Dusche kam, sich angezogen hatte und auf die Brücke kam, sah er schon den Scann laufen.
    „Und? Schon was zu sehen?“
    April schüttelte den Kopf. Sie sah ihn mitleidig an und Colt hätte kotzen können.
    ..>Sie wissen ...ALLES!<

    Saber sah auf den Schirm.
    „Was ist das da?“, fragte er und zeigte auf einen einzigen, hellen, leuchtenden Punkt.
    Colt war froh, tatsächlich froh , dass was zu sehen war.
    April war verunsichert. „Ich weiß nicht, dass ist nur ein einziger Punkt. Das kann Gott weiß was sein. Gestern waren es so viele und nun....das ist nichts.“, sagte sie.



    ***


    Lühr hatte schon die zweite Flasche Wein angebrochen, lag auf dem Gras und starrte an Ramrod hoch.
    „Das ist ein unglaublich großes Ding, sehr, sehr groß.“, sinnte sie.
    Jesse, der neben ihr lag und die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte, nickte nur.
    „Aber mit ihnen kann ja wohl nichts wirklich was passieren.“
    Lühr drehte sich zu ihm um.
    Colt kam ihr wieder in den Sinn.
    „Hast du den Cowboy gesehen? Er sah schrecklich aus. Völlig fertig. Ich bin gespannt auf das, was er zu erzählen hat.“
    Sie musste aufstoßen, hielt sich die Hand vor dem Mund und stand auf.
    „Ich muss pinkeln.“, sagte sie knapp.


    Lühr suchte sich die Toilette aus, die am saubersten war. Jesse hatte vier mobile Toilette auf die Lichtung mitbringen lassen, aber Lühr hasste diese Dinger. Sie stanken und Männer schienen sie nie breit genug zu sein. Lühr begutachtete die von ihr ausgesuchte Toilette gründlich, bis sie ihre Zustimmung fand und schloss die Tür hinter sich.
    Hätte sie noch einmal dahinter geschaut, hätte sie das Kind gesehen, dass sich hinter der Tür verborgen hatte.
    Seine weichen, fließenden Haare lagen um das runde Gesicht.
    Es lächelte.
    Es sah es.



    Re: Sie sehen es (Saber Rider and teh Star Sheriffs Fanfic)

    saskat - 06.03.2007, 19:41


    Lühr pinkelte eine Ewigkeit und als sie schon dachte, es würde nie ein Ende nehmen, stoppte endlich der Strahl und erleichtert suchte sie nach Papier.
    Es war keines da. Natürlich war keines da.
    Mit zusammen gekniffenden Augen zog sie ihre Hose wieder hoch.
    Das klamme Gefühl zwischen ihren Beinen wollte nicht verschwinden.
    Sie fluchte, wackelte mit dem Po und verzog das Gesicht.
    Als sie dir Tür wieder öffnete, wehte ihr ein kühler Hauch ins Gesicht. Die erste Abkühlung für den heutigen Tag. Es war den ganzen Tag so warm, so schwül mit dem Wald um sie herum, dass sie sich schon vorkam wie in einer Sauna. Wobei sie nur aus Jesses Erzählungen eine Sauna kannte. Sie selbst hatte noch nie eine gesehen, geschweige denn wäre in einer drin gewesen. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wieso Menschen sich das freiwillig antaten. Jesse übrigens auch nicht.
    Sie stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß zu, als sie einen gedämpften Laut hinter sich hörte.
    Ruckartig drehte sie sich um. Nichts als bohrende Dunkelheit, leicht durchdrungen von Ramrods Scheinwerfern.
    Sie drehte sich wieder ab, dachte schon, sie hätte sich verhört.
    >sehen es<
    und zuckte zusammen, als sie Jesse vor sich stehen sah.
    „Ach du, was soll der Mist denn? Ich hab fast nen Herzinfakt bekommen.“, murrte sie.
    Er lächelte. „Komm mit mir, Lüüührr. Komm.“
    Er ging an ihr vorbei, Richtung Wald. Sie folgte ihm zwei Schritte, blieb dann stehen.
    „Jesse?“
    Er drehte sich um.
    „Komm Lühr, dann wirst du alles verstehen. Wir haben die Lösung gefunden. Es war so leicht.“
    Seine Stimme klang weich wie Seide, umschmeichelte ihre Sinne.
    Er streckte ihr die Hand entgegen. Ohne das sie etwas dagegen tun konnte, nahm sie sie.
    Er führte sie in den Wald, bis die Dunkelheit sie verschlungen hatte.


    ***


    „Der Punkt hat sich bewegt.“ sagte April und deutete mit dem Finger darauf. „Schaut, der bewegt sich in den Wald hinein, aber nicht alleine. Da ist noch etwas anderes.“ April stand auf. „Mein Gott, da ist ein Outrider mit dabei.“
    Sie ließ ihre Finger über die Tastatur fliegen..
    „Ja, ein Outrider.“,bestätigte sie.
    Saber und Fireball sahen sich an, drehte sich nach Colt um, der mit immer noch nasssen Haaren da stand.
    „Los, runter!“, brüllte Saber, packte Fireball, der auf dem Absatz rumwirbelte und sich Colt schnappte.



    Jesse sah die drei die Rampe runterrenne und rappelte sich auf. „Was?! Was ist los?!
    Saber schnaufte.
    „Fehlt wer? Fehlt dir ein Outrider?“
    Jesse zuckte mit den Schultern.
    „Nein, alle sind in den Hütten und ich hätte sie gesehen, wenn sie rausgekommen wären. Hier draußen sind nur ich und.....LÜHR!!“ Rief er aus und drehte sich nach den Toiletten um.
    „Lühr ist nicht da. Sie wollte nur zur Toilette!“ Er hatte den Satz noch nicht beendet, da rannte er schon auf die kleinen Häuschen zu.
    „Lühr! Lühr!“, brüllte er.
    Die drei liefen ihm nach.
    „Jesse warte! Wir sollten zusammen bleiben!“, versuchte Saber ihn zurück zu halten, aber Jesse war nun schon an den Häuschen, rieß jede Tür auf und drehte sich um die eigene Achse, immer noch Lührs Namen rufen.
    Colt kam außer Atem als erstes bei ihm an. Er zückte seinen Com.
    „April, wo müssen wir lang?“ Er hatte gerade diese Frage gestellt, als ein gellender Schrei aus dem Wald drang.
    Jesse zuckte zusammen und sprintete kopflos durch die Baumwand.
    Colt versuchte ihn zu packen, schaffte es aber nicht. „Blieb stehen, verdammt noch mal!“
    Saber und Fireball traten hinter Colt und beide holten eine Taschenlampe hervor.
    Als Saber seine Taschenlampe anmachte, und der helle Strahl auf die Baumstämme fiel, war alles wieder still. Der Wald war wieder erstarrt.
    Er schien zu warten.



    Jesse hechtete in den Wald. Der Geruch war intensiv, schmeckte nach Erde und nach Regen, der aber schon lange nicht mehr gefallen war.
    Er war nicht Panik. Nicht wegen des Waldes, nicht wegen der Stille sondern weil sein Verstand ihm sagte, dass er ohne Lühr zurück musste.
    Sie war ein Outrider, würde sie also hier ihren Körper verliehren, würde sie sich wieder in der Phantomzone materialisieren.
    Aber würde sie das wirklich? Wie konnte er sich da sicher sein? Hier, wo nichts so war wie es sein sollte, wer sagte ihm, dass er sie wirklich wieder sehen würde?
    Wieder unterbrach ein Schrei die Stille.
    „NEIN!“, hörte er sie rufen. „BITTE NEIN...“
    Er lief schneller.



    Saber hörte sie und drehte sich in diese Richtung. Der Schein seiner Taschenlampe flutete in einem hellen Kreis den Boden, die Bäume und das Unterholz und wirbelte in Takt seiner Schritte hin und her. Hinter sich hörte er Fireballs und Colts Schritte, sah den Schein von Fireballs Taschenlampe vor ihm auf den Boden und spürte ihn zeitweise sogar auf seinen Rücken.
    „Jesse!“, rief er in den Wald. „Sag was, verdammt!“
    Er blieb stehen, Fireball lief ihn in den Rücken, Colt rammte Fireball. Gemeinsam trudelten sie ein paar Schritte vor.
    „Wo? Wo sollen wir lang? Scheiße, es ist so dunkel.“, fluchte der Japaner.
    Saber nahm seinen Com, hatte aber keine Verbindung mehr.
    „Der funktioniert nicht in den Wäldern.“, raunte Colt.
    „Ich kenn das schon.“
    „Ok,“, Saber versuchte Ruhe zu bewahren, aber angesichts der Dunkelheit und der Tatsache, dass etwas in den Wäldern Lühr hatte, war es gar nicht so einfach. „Fireball, wir werden alle in Rufweite bleiben, müssen uns aber etwas trennen, damit wir einen größeren Bereich absuchen können. Aber bleibt in Rufweite! Ich will, dass wir ständig miteinander reden. Ist das Klar?“
    Beide nickten und Colt, der keine Taschenlampe hatte, sah Saber hilflos an.
    „Ich hab kein Licht.“
    „Dann bleib bei Fireball,“, orderte er an. „Ihr geht zehn Meter in die Richtung und bleibt dann auf parallelen Kurs mit mir.“


    ***


    Saber hörte seine Freunde kaum zehn Meter neben ihm reden. Colt lachte sogar über etwas, aber es klang nervös, gezwungen.
    Es war schon zu lange still, zu lange hatte er nichts mehr gehört und er verlor den Mut. Wie lange waren sie jetzt unterwegs. Zehn Minuten? Zwei Stunden? Er konnte es nicht sagen. Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr. Mit grimmigem Gesichtsausdruck schob er einen Zweig zur Seite....
    ....und sah direkt in Lührs Augen.


    Saber zuckte zurück, ließ beinahe seine Taschenlampe fallen und konnte sie gerade noch halten.
    Er richtet den Schein auf ihr Gesicht.
    Sie blickte ihn aus endlos traurigen, verzweifelten Augen an.
    „Wieso?“, fragte sie leise, schluchzte und Saber sah, wie sich eine Träne aus ihrem Auge löste.
    „Lühr, komm, wir gehen zurück.“
    Er legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter. Sie zitterte.
    „Wieso?“, fragte sie wieder, doch diesmal schlich sich ein zorniger Unterton in ihre Stimme.
    „Was habt ihr getan?“, zischte sie.
    „Lühr. Was immer passiert ist, es ist eine Lüge. Nichts ist passiert Etwas spielt mit deiner Angst. Vertrau mir, komm mit mir, wir bringen dich hier raus.“
    Lühr schüttelte ihn ab. „Nein! Ich töte dich. Das zahl ich dir heim.“ sie jaulte. „Ich kann nicht Leben ohne ihn.“Sie legte die Hände vors Gesicht und weinte hemmungslos. Erst jetzt sah Saber, dass sie völlig Blutverschmiert war. Es klebte an ihr, als hätte sie darin gebadet. Ihre Hände waren völlig davon bedeckt, ihre Kleidung damit getränkt und nun, nachdem sie die Hände vor die Augen gelegt hatte, klebte es an ihrem Gesicht, um ihre Augen wie dicke Tränen.
    „Oh Gott, Lühr. Was ist passiert. Wo ist Jesse?“
    Er schob sie beiseite und ließ den Lichtstrahl über den Boden gleiten, solange, bis der Schein eine leblose Hand erfasste.
    Kinder des Waldes

    Sie hatten ihn getötet, hatten ihn ihr weggenommen. Sie hatten sie belogen und ihr alles geraubt. Ihr Leben, ihren Sinn. Sie hatten ihn in eine Falle gelockt mit ihren Gespensterwald Geschichten und dann ihre feige Gelegenheit genutzt.
    Er war alleine und hilflos.
    Aber sie gaben sich nicht damit zufrieden, ihn einfach nur zu töten, nein. Sie hatten ihn ausgeweidet.
    Sie hatte es gesehen. Sie standen über ihm, lachten und schlugen auf ihn ein. Sie spuckten auf ihn.
    Sie musste mit ansehen, wie Saber sein Schwert wieder und wieder in Jesses Rücken rammte, während sie von Fireball festgehalten wurde.
    Sie schrie, sie brüllte, sie weinte, sie bettelte, aber sie ließen nicht von ihm ab. Der Schmerz, der in ihr wütete, war stärker, als alles, was sie bissher erlebt hatte. Sie würde nicht mehr leben können.
    Aber das machte nun keinen Unterschied mehr. Nachdem sie sie lachend und spottend mit seinem totem Körper zurück gelassen hatten, und in den Wald verschwunden waren, kamen sie nun wieder.
    Sie waren wieder da...und Lühr würde es ihnen heimzahlen.
    Sie mussten dafür bezahlen.

    Lühr schaut nach vorne. Das kleine Mädchen sah sie so mitleidig und traurig an, als ob es all ihrem Schmerz fühlen könnte. Es hatte Tränen in den Augen, die unablässig über die runden, rosigen Wangen rollten.
    „Sie dürfen nicht davonkommen. All der Schmerz, die Einsamkeit.“, sagte es.
    Lühr schluchzte haltlos.
    Das Mädchen mit den großen, beinahe schwarzen Augen legte ihr eine Hand auf ihre bebende Faust.
    „Gib es ihnen wieder, gib ihnen den Schmerz.“, hauchte es und reichte Lühr ein langes, im Mondlicht glitzerndes Messer.
    Es lächelte sie aufmunternd an.



    ***

    April schaute verzweifelt auf den Monitor. Sie versuchte nun schon zum hundersten Mal eine Verbindung zu Saber aufzunehmen, aber der Funk war tot.
    Sie fuhr sich nervös durch die Haare. Was sollte sie nur tun.
    Auf dem Bildschirm flackerten nun duzende der hellen Lichter, und sie waren alle in Richtung ihrer Freunde unterwegs.
    Sie musste etwas tun.
    Sie stand auf, schmiss den Com auf den Boden und rannte die Rampe runter.
    Am Waldrand blieb sie stehen, legte die Hände vor dem Mund wie ein Megaphon und brüllte, so laut sie konnte.
    „SABER! SIE KOMMEN; SIE KOMMEN!!!!“


    ***

    Jesse hörte April schreien. Er blieb stehen und wandte sich nach ihrer Stimme. Es war nicht weit entfernt. Er hatte sich verlaufen und die Orientierung verloren und ihre Stimme war wie ein Rettungsanker.
    Erleichtert seufzte er auf, lief ein paar Schritte und sah den Schein einer Taschenlampe.
    „Hey?!“, rief er und der Schein bewegte sich in seine Richtung. Es waren Colt und Fireball.


    Colt stockte, als er die blauen Haare erkannte und legte seine Hand auf seinen Blaster.
    Seine Knie wurden weich, seine Kehle trocken.
    „Bleib mal da stehen, Freundchen.“, empfahl er, aber Jesse kam näher.
    „Was hast du für ein Problem, Kuhtreiber?“, fauchte er und Colt grinste.
    Das war auf jeden Fall Jesse.
    „Wo ist Saber, habt ihr Lühr gefunden?“
    Beide schüttelten den Kopf und Jesse merkte, wie sich ein heißer Knoten in seiner Brust bildete.
    Sie mussten sie finden...und Saber natürlich auch, wenn sie schon dabei waren. Zunächst einmal war er froh und dankbar, dass er nicht mehr alleine war. „Aber wir haben April gehört..“, sagte Fireball und zeigte in die Richtung, aus der sie gerufen hatte.
    „Ich auch, ich bin ja nicht taub. Kommt mit. Wenn „sie“ kommen, will ich woanders sein. Und zwar nicht ohne Lühr!“, fügte er hinzu.





    Saber kniete sich nieder und tastete nach dem Handgelenk. Es war kein Puls zu fühlen. Er schien in das Gesicht. Jesses Augen starrten blicklos in den Nachthimmel. Saber konnte seinen Brustkorb kaum erkennen. Alles war voller Blut. Sein Unterleib war wie aufgerissen und Saber sah rosa Eingeweide auf seinem Oberschenkeln liegen.
    Seine Gliedmaßen waren verdreht, der Kopf hing lose an wenigen Sehnen und wirkte jetzt deplatziert.
    Er würgte, hielt sich aber tapfer.
    Mit einer Hand schloss er die leeren Augen. Sein Magen drehte sich und er war kaum zu einem zusammen hängendem Gedanken fähig.
    Was war passiert? Was hatte sie getan?
    Saber zog seine Jacke aus. Er musste diesen furchtbar verstümmelten Körper bedecken. Nicht nur, weil er befürchtete, sich doch noch zu übergeben, sondern weil er nicht wollte, dass sich Fliegen darauf sammelten.
    Vorsichtig bedeckte er ihn vom Hals bis zu den Oberschenkeln und konnte so zumindest das schlimmste aus seinem Blickfeld verbannen.
    Erschöpft stand er auf....und der plötzlich brennende, ziehende Schmerz in seinem Schulterblatt zwang ihn erneut in die Knie. Er fiel nach vorne und seine Hände bohrten sich mit einem matschigem Geräusch in das tote Fleisch des Körpers vor ihm. Ein gurgelndes Geräusch kam aus Jesses Kehle, gefolgt von einem Schwall Blut.
    Er zog sie nach Atem ringend zurück, stolperte über seine eigenen Füße und blieb auf dem Hintern sitzten im Gras. Der Schein seiner Taschenlampe beleuchtete Lühr Gesicht.
    Ihre Augen waren schwarz vor Zorn und Schmerz.



    „Lühr...“, Saber keuchte. „Nicht, ich will dir helfen....“
    Lühr lachte trocken, hob ein Bein und trat ihm ins Gesicht. Er hörte Knochen in seiner Wange knacken. Weiße Blitze explodierten vor seinen Augen. Der Schmerz wollte ihm die Sinne rauben und er biss sich verzweifelt auf die Zunge, um das Bewusstsein zu behalten.
    „Ihr habt ihn getötet, ihr habt sein Blut vergossen.“, weinte sie. „Jetzt ist es in dieser BESCHISSENEN ERDE!“, brüllte
    sie. „Ich bekomm es nie mehr WIEDER!!!“
    Saber kroch rückwärts, klammerte sich an sein Bewusstsein.
    „Nein, nein Lühr, das würden wir nicht tun. Sie waren es. Es sind die Kinder.“
    Lühr zitterte und Saber sah den Schatten hinter ihr. Ein kleines Mädchen stand unter den Bäumen. Es lächelte und seine Augen leuchteten in der Dunkelheit.
    „Du kleines, widerliches...“, begann er, aber Lühr ließ ihn diesen Satz nicht zuende sprechen. Mit einem Satz war sie über ihn und krallte sich mit ihren Nägeln in das weiche Fleisch seiner Wangen.
    Saber brüllte seinen Schmerz hinaus..



    ***




    Fireball hörte seinen Schrei. Sofort beschleunigte er seinen Lauf. „Los, schnell! Es ist Saber!“
    Er hastete durch den Wald, dicht gefolgt von Colt und Jesse.
    Seine Taschenlampe jagte hin und her, erfasste Bäume und Buschwerk und hoppelte über den Boden.
    Fireballs Atmen brannte in der Lunge und er wünschte sich, er wäre noch besser in Form.
    Er hörte ihn nun schon näher, ganz nahe.
    „Wir kommen! Wir kommen!“, brüllte er und jagte auf ihn zu.


    Colt stolperte hinter Fireball her, trudelte ein paar Mal und schaffte es aber immer, sich auf den Beinen zu halten. Jesse hatte sich an ihn vorbeigearbeitet. Wie eine Schlange wand er sich zwischen die Bäume durch, als hätte er die was anderes getan.
    Bewundernd verfolgte Colt seine eleganten, geschmeidigen Bewegungen.
    Jesse drehte sich zu ihn um, wartete, bis der Cowboy aufgeholt hatte und grinste ihn an.
    „Du musst echt öfter mal zu Fuß gehen.“, spottete er. Colt schnaufte, er hatte keine Luft um etwas zu erwidern, legte aber noch einen Gang zu, weil er befürchtete, Fireball zu verlieren.
    Der Japaner stoppte, sah Lühr über Saber sitzen und brüllte haltlos.
    „Lass ihn los, sofort.“ Er zog seinen Blaster, hob ihn und schoss zwei Mal in die Luft.
    „KIND!“, heulte Saber und warf Lühr mit letzter Kraft von sich. Lühr hatte ihn auf den Rücken gedrückt und das Messer bohrte sich unablässig tiefer in seine Schulter.
    Lühr kreischte verzweifelt, wirbelte orientierungslos herum und schlug um sich.
    Fireball suchte die Gegend ab und sah, was Saber meinte. Aber es war kein Kind. Es war ein Ding. Und nicht nur das. Seine Taschenlampe erfasste ein weiteres und noch eines.
    „Oh Gott, es sind so viele.“, flüsterte er.




    ***


    Jesse, der Fireballs Schein der Lampe gefolgt war, rumpelte ihn an und wedelte mit den Armen. Sein erster Blick fiel auf Lühr, die sich um sich schlagend im Kreis drehte. Sie schrie und weinte und griff sich in die Haare. Büschelweise zog sie sie heraus. Jesse rannte auf sie und stolperte über etwas. Klatschend lag er im Gras und schaut wütend auf das, worüber er gefallen war.
    „Was zum .....“, gab er von sich und riß die Jacke von dem leblosen Körper. Er staunte.
    Hier im Gras lag in ausgeweideter Hirsch.
    Jesse schüttelte sich, rappelte sich auf und jagte auf Lühr zu.
    Er packte sie, schüttelte sie grob und schrie ihr ins Gesicht.
    „Lühr, Lühr, was ist denn? Gott, komm wieder zu dir!“


    In dem Moment, in dem Jesse auf ihn zustolperte, zog Saber seine Waffe. Das konnte nicht Jesse sein. Er zielte auf ihn, dann auf Fireball und schließlich kam auch Colt an.
    Was, wenn sie alle nicht die waren, für die sie sich ausgaben.
    Was dann.

    Das Mädchen, das zwischen den Bäumen stand, lachte kreischend, warf die Arme hoch und Saber sah, das sich weitere Kinder aus dem Dickicht auf die zubewegten.
    Sein Verstand war ausgeschaltet. Alles um ihn herum wurde bedeutungslos. Das kreischende Ding funkelte ihn an, lachte lauter und brüllte unnatürlich in die endlos erscheinende Nacht.
    Saber sah, wie Jesse sich um Lühr bemühte, wie er sie durch schüttelte, sie anschrie, sie sollte zu sich kommen.
    Er hievte sich auf die Knie, krabbelte zu dem Körper, den Jesse abgedeckt hatte und brüllte ihren Namen.
    „LÜHR! LÜHR! ES IST NUR EIN TIER!!“


    Fireball zähle mindestens zehn. Er schnappte sich Colt, zerrte ihn nah an sein Gesicht und hauchte nur zwei Worte.
    „Keine Angst!“
    Colt nickte, bannte das quälende Gefühl aus seinem Herzen, das seinen Körper von dort aus durchflutete.
    Er hatte keine Angst. Er konnte standhaft sein.
    Colt zog seinen Hut in die Stirn, zog seinen Blaster und richtete ihn auf einen etwa 14 jährigen Jungen, der ihn mit Augen anschaute, die denen einer Katze gleichten.
    „Ihr verpisst euch jetzt, oder ihr könnt was erleben, ihr kleinen Bastarde.“, fluchte er leise und gelassen.
    Der Junge machte große Augen, dann schlich sich ein Lächeln auf das sich verändernde Gesicht. Vom Haarabsatz löste sich langsam die Haut, unter der es zu brodeln begann. In großen, unregelmäßigen Fetzen fiel sie auf seine Schulter, blieb dort liegen und verströmte einen süßlichen Geruch.
    Das Gesicht wirklte wie geschählt. Bloßes Fleisch hatte sich freigelegt.
    Hinter den Augen des Wesen huschten Schatten, verdunkelten sie und pochten gegen die Netzhaut, die sich nach außen wölbte.
    Das Ding kicherte.
    Colt grinste.
    „Ganz blöder Plan,“, hauchte er und schoss.



    ***

    Es konnte nicht begreifen. Es taumelte rückwärts, krallte seine zierlichen Finger in die klaffende Wunde, die der Schuss hinterlassen hatte. Es konnte nichts schmeckten. Keine Angst, nur Wut.
    Wieso? Es war hungrig.
    Es fiel ins Gras, über sich sah es das Gesicht eines anderes Kindes, dass ihn angaffte.
    Aus seinem Eingeweiden quoll das dunkle Blut, das ihm nie Leben geschenkt hatte.
    Es hatte Angst.
    Es starb unwissend und hungrig, so hungrig.



    ***


    Jesse hörte Saber und wirbelte Lühr in seine Richtung. Sie fiel auf Händen und Füßen, wurde dann von Jesse an den Haaren weitergezogen. Er schleifte sie durch den Dreck, als würde er einen Koffer auf Rädern hinter sich herziehen. Ihre Knie hinterließen tiefe Furchen im Boden.
    Am Kadaver des Hirsches angekommen, nahm er alle Kraft zusammen und schleuderte sie auf das Tier. Er beugte sich über sie, packte fester in die Haare und drückte ihr Gesicht auf das blutige Fell des Tieres.
    „Es ist nur ein Tier, nur ein Tier. Verdammt, Lühr! Sieh hin, Sieh hin!!!“
    Lühr sah hin. Durch den Schleier ihrer Tränen erkannte sie das braune Fell, die schlanken Beine und sogar den buschigen Schwanz.
    Zaghaft berührte sie es, strich mit der Hand darüber.
    Dann sah sie hoch in Jesses Gesicht. Endlich erkannte sie ihn.
    „Nur ein Tier?“, fragte sie flüsternd. „Du bist da?“ Sie legte ihre Hand auf seine Wange. Er nahm sie und küsste ihre Handinnenfläche.
    „Alles ist gut, ich bin da. Es waren nur die Kinder, nur die Angst.“
    Saber keuchte hinter ihr und sie wirbelte herum.
    „Oh Götter,“, stöhnte sie. Sie wurde sich bewusst, was sie getan hatte.
    Langsam stand sie auf.
    Sie stand da wie ein Westernheld.
    „Ihr Monster..“, flüsterte sie.
    Nun, nachdem Jesse wieder da war, gab es nichts, vor dem sie noch Angst haben könnte.


    ***


    Fireball sah den Jungen taumeln und fallen und versuchte krampfhaft, seinen Schock darüber, dass sein Freund gerade zumindest so was ähnliches wie ein Kind erschossen hatte, zu bekämpfen.
    Er zwang sich zu einem Lachen, das von drei weiteren Kindern mit ungläubigen Augen quittiert wurde.
    Sie fauchten, gingen auf die Knie und krabbelten in unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu.
    Ihre Beine knickten an unmöglichen Stellen ein und bekamen Gelenke, wo keine sein durften.
    Er stockte, lief rückwärts und schüttelte den Kopf.
    Er hörte Colt hinter sich rufen.
    „Keine Angst, keine Angst.“
    Fireball blieb stehen, schloss die Augen und ging auf sie zu.
    „Keine Angst,“, flüsterte er und gab eine Salve an Schüssen ab.

    Zwei von ihnen brachen im Gras zusammen, zuckten wild und jaulten, der dritte stoppte, sprang auf und wirbelte herum.
    Seine Beine wurde wieder normal, es drehte ihm den Rücken zu und legte das Gesicht in die Hände.
    Als Fireball über ihm stand und seine Waffe auf ihn richtete, blickten ihn zwei Kinderaugen an.
    Nichts weiter als ein zittriges Bündel im Gras.
    Es weinte.
    Fireball zögerte.
    „Ich hab so Angst.“, schluchzte das Kind.
    „Gut,“, sagte Fireball und schoss.


    ***




    Eines der Kinder stapfte auf unnatürlich verdrehten Beinen auf Lühr zu, öffnete den Mund und etwas lebendiges darin bewegte sich hin und her.
    Die Augen des Wesens rollten in den Höhlen.
    Seine Arme waren lang und reichten ihm fast bis an die Knie.
    Es fauchte und Lühr zählte fast automatisch die nadelspitzen Zähne.
    Lühr grinste.
    „Ich wein gleich.“, hauchte sie und das Wesen schloss mit einem Plopp dem Mund.
    Entsetzt realisierte es, wie die junge Outrider einen Satz auf es zumachte und verbissen auf es einschlug. Sie lachte wirr.
    Lühr hatte keine Angst mehr, sie hatte Spaß.


    Jesse beobachtet sie und nicht zum erstem Mal fragte er sich, wie verdreht das Hirn seiner Freundin wohl sein mochte. Es konnte nicht mal genug Windungen haben, um all ihren Wahnsinn zu speichern.
    „Zieh es raus.“, sagte Saber unter ihm. Jesse hatte sich in seinen Rücken gehockt und seine Hand lag immer noch auf den Griff des Messers.
    „Ok, Blechstern, dann halt mal die Luft an.“
    Saber holte Luft, krallte sich ins Gras und brüllte Wortlos, als die Klinge aus seinem Fleisch glitt.
    Mit Tränen in den Augen setzte er sich auf, wankte und fand dann seine Mitte wieder.
    Er sah nach links und sah Lühr auf das Wesen einhämmern, das vergeblich und panisch versuchte, sie ab zu schütteln. Unwillkürlich wurde Saber an ein Rodeo erinnert.
    Er musste sich auf die Zunge beissen, um sie nicht an zu feuern.
    Aus seinen Augenwinkeln bemerkte er, dass es Wirkung zeigte. Die, die noch übrig geblieben waren, zogen sich verwirrt zurück, flüchteten tiefer in den Wald oder klammerten sich aneinander wie...nunja, wie Kinder eben.

    Fireball und Colt kamen auf ihn zu. Der Japaner hatte Tränen in den Augen. Colts Augen funkelten wie die Sterne über ihnen.
    „Sie gehen,“, sagte Fireball und schluckte hart.
    „Sie gehen wieder in den Wald.“
    Saber nickte, stand auf und hörte, wie April seinen Namen rief.
    Er hatte keine Stimme mehr, aber der Lärm, den Lühr machte, würde sie zu ihnen führen.
    Doch dann war es still. Schwer atmend stand Lühr über den leblosen Körper, hielt dann triumphierend etwas langes und noch zuckenden in die Höhe. Es war die Zunge. Sie schrie hell und lachte laut.


    Colt starrte sie an.
    „Die ist doch völlig irre, oder?“
    Saber nickte. „Ja, ist das nicht unglaublich klasse?“


    Jesse sah auf seine Hand. Ein schüchterner Sonnenstrahl hatte sich darauf verirrt. Rot und verstohlen lag er da und kündigte den neuen Tag an.
    Er war unglaublich müde, aber sein Geist schien hellwach zu sein.
    Ohne ein Wort zu sagen, ging er in die Richtung, aus der er schließlich Aprils Stimme gehört hatte.
    Colt schloss sich ihm an, dann Saber, der von Fireball gestützt wurde.
    Lühr schaut ihnen nach, sah das Ding in ihrer Hand an und steckte es in ihre Hosentasche.
    Beschwingten Schrittes lief sie ihnen hinterher.



    ***



    „Bist du ganz sicher, dass du hier bleiben willst?“, fragte Colt. Er beobachte Lühr, die kichernd um Saber schlich. Sie hatte ihn sein Schwert gemopst und zog ihn damit auf. Sabers Haar war noch ungekämmt. Sie hatten nach der Nacht fast bis Mittag geschlafen.
    Jesse nickte.
    „Wenn wir irgendwann mal eurer blödes Grenzland haben wollen, müssen wir das Zeug aus den Bergen haben.“, lächelte er.
    Colt rollte übertrieben mit den Augen.
    „Das wird doch eh nichts, Blue.“
    Der blauhaarige zuckte mit den Schultern.
    „Mag sein, aber ich hab sonst nichts zu tun.“
    Er deutete auf die Lichtung.
    Saber hatte zwischenzeitlich sein Schwert zurückerobert und versuchte es nun vor Lühr in Sicherheit zu bringen. Lachend kitzelte sie ihn, griff immer wieder danach und wurde aber erfolgreich von ihm zurückgedrängt.
    Saber lachte laut und krümmte sich über sein Schwert.
    „Ganz kommen wir eh nie voneinander los, Cowboy. Irgendwie werden wir immer verbunden sein. Siehts du?“
    Saber hielt sein Schert in die Höhe und Lühr hüpfte ausgelassen an ihm hoch. Sie war gut einen Kopf kleiner als er.
    Ein Funkspruch von April riss ihn aus der Szene.
    „Jungs? Wir können los. Ab auf eure Plätze.“
    Colt schob seinen Hut in den Nacken.
    „Na dann, Blue. Bis zum nächsten Mal.“
    Jesse sah ihm hinterher.
    „Bestimmt sogar.“


    Zehn Minuten später hoben sie ab, beschrieben einen Halbkreis über die Lichtung und ein gewaltiger Schub aus den Triebwerken wirbelte Blätter, Dreck und lose Gegenstände auf.
    Lühr stand am Boden und winkte unablässig.
    Jesse merkte seine Blase. Er stöhnte, ging zum den Toilettenhäuschen und genau wie Lühr zuvor, schaute er jedes skeptisch an.
    Er entschied sich für das letzte, öffnete die Tür und hörte ein Rascheln hinter dem Häuschen.
    Mit zusammen gezogenen Augenbrauen warf er einen Blick dahinter.
    Ein kleines braunhaariges Mädchen sah ihn aus großen, braunen Augen an. Es lächelte.
    Jesse hockte sich zu ihm runter und sah ihm streng in die Augen.
    „Verpiss dich, verstanden?“
    Sie verstand, stand auf und rückte sich den viel zu langen Rock zurecht.
    Hier gab es nichts zu holen.

    ....und der komische Mann mit den blauen Haaren machte ihr Angst






    Ende.



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