BEKEHRUNG - KONVERSION - RÜCKKEHR

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    Re: BEKEHRUNG - KONVERSION - RÜCKKEHR

    Anonymous - 05.03.2007, 13:08

    BEKEHRUNG - KONVERSION - RÜCKKEHR
    5.2.4. Schriftliche Konversionserzählungen
    5.2.4.1 Zum Beispiel Isabelle Eberhardt

    Quelle: "Frauenwege zum Islam"
    Maria Elisabeth Baumann
    Analyse religiöser Lebensgeschichten deutscher Muslimas
    Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät I; (Philosophie, Sport, Kunstwissenschaften) der Universität Regensburg 2003
    http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=968918387&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=968918387.pdf


    „Autobiographische Verfahren scheinen mir ein geeigneter empirischer Zugang zu sein,
    wenn es um die Erforschung des Wandels der Person in der Geschichte geht,“227 stellt
    Lehmann fest und fordert, zwischen spontanen Autobiographien und solchen, die auf
    wissenschaftliche Anregung hin zustande gekommen sind, zu unterscheiden. Als Probleme
    werden bei schriftlichen Zeugnissen die Schwierigkeiten der Motivation für ein
    Schreibbedürfnis ebenso thematisiert wie die wenig vorhandenen Voraussetzungen, sich mit
    der eigenen Person und Umwelt schriftlich auseinander zu setzen. Da sich die
    Untersuchungen dieser Arbeit ausschließlich auf mündliche Konversionsberichte beziehen,
    möchte ich kurz als Vergleichsgrundlage beispielhaft auch auf schriftliche biographische
    Aufzeichnungen von Konvertiten eingehen.
    224 Auch bei den Untersuchungen von Monika Wohlrab-Sahr (1999) findet sich immer wieder die Bezugnahme auf
    einen Krisenprozess als Wegbereiter für den Umbruch im Leben des Konvertiten.
    225 Luther, S. 75. Dagegen sieht Volkhard Krech die Möglichkeit, den Individuationsaspekt von Konversion
    weiterzuentwickeln, indem man auf Forschungen zum Thema institutionalisierter Formen der Selbst-
    Thematisierung zurückgreift, „in deren Folge sich Konversion als Selbstvergewisserung verstehen lässt“. (S. 36)
    226 ebd., S. 76.
    227 Lehmann 1980, S. 53.
    75
    Koran, Sure 6, Vers 125: „Und wenn Gott einen rechtleiten will, weitet er ihm die Brust für
    den Islam. (...)“ So empfand es scheinbar Isabelle Eberhardt, eine leidenschaftliche,
    unkonventionelle Schriftstellerin, die um die Jahrhundertwende in arabischer Männerkleidung
    Nordafrika durchstreifte und im Islam ihre religiöse Heimat fand. Isabelle Eberhardt, geboren
    1877, wuchs mit einer von wissenschaftlichem Atheismus geprägten Erziehung am Genfer
    See auf. Als Zwölfjährige soll sie begonnen haben, Arabisch zu lernen. Im Alter von 14
    beschließt sie, zum Islam überzutreten, eine Konversion, die sie endgültig erst mit zwanzig
    vollzieht. „Dahinter steht, ähnlich wie hinter dem Entschluss, Männerkleidung zu tragen,
    mehr als nur der Wunsch, die biederen Schweizer Bürger zu schockieren und den
    Nonkonformismus ihrer Eltern an Radikalität noch zu übertreffen. Der Übergang vom
    anarchistischen Nihilismus zu dem auf Disziplin und Gehorsam basierenden
    Fundamentalismus des Islam war zugleich ein Protest gegen den libertären Zeitgeist der
    Belle Epoque.“228 Zwei Jahre vor ihrer Konversion drückt Isabelle Eberhardt ihre Gefühle in
    einem Gedicht an ihren Bruder aus: „Mein Körper ist im Okzident, / aber meine Seele ist im
    Orient! / Mein Körper ist im Land der Ungläubigen, / aber meine Seele ist in Istanbul,/ und
    mein Herz ist in Oran!“ Im Mai 1897 schifft sie sich mit ihrer kranken Mutter nach Algier ein.
    Ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Sie studiert islamische Sitten und Gebräuche, tritt
    gemeinsam mit ihrer Mutter nun auch formell zum Islam über, dessen religiöse Vorschriften –
    rituelle Waschungen und Gebete – sie schon seit Jahren befolgt. Am 10.September 1897
    schreibt sie an einen Freund über einen Ausritt zu den Beduinen: „Und dort, Ali (A), ich
    schwöre es Ihnen, spüre ich endlich die wirkliche Anwesenheit des Ewigen, und ich verstehe
    sie so, wie sie im Koran beschrieben wird, leidenschaftslos und weit, ich, die ihn niemals so
    wahrnehmen konnte wie in der Bibel – missgünstig und arglistig – und wie im Evangelium –
    unnütz grausam und weinerlich.“229 In einem weiteren Brief vom Oktober 1897 erzählt sie
    von der Verzauberung des islamischen Lebens: es „ist genau dieser Anschein von
    Unbewegtheit, der Vertrauen in die Ewigkeit gibt und das Schwindelgefühl vor dem Nichts,
    das uns im Abendland quält, ein wenig mildert...“230 Doch auch Isabelle Eberhardt hat
    Schwierigkeiten mit ihrer Rolle als Frau in ihrer neuen Religion. So fragt sie ihren Freund in
    demselben Brief: „Sagen Sie mir auch, ob es Ihre Überzeugung ist, dass die Frau
    notwendigerweise sich dem Willen ihres Ehemannes oder Geliebten unterzuordnen hat, nur
    weil die Verbindung zwischen ihnen besteht. Ich verstehe das nicht und werde es nie
    zulassen. Das ist der einzige Punkt, in dem ich eine Ungläubige bin!“231
    Isabelles Mutter wird in der Küstenstadt Bone unweit der tunesischen Grenze auf einem
    muslimischen Friedhof nach den islamischen Riten beerdigt. Isabelle Eberhardt trauert, doch
    228 Buch, Hans Christoph. In: Eberhardt, Isabelle: Briefe an drei Männer, hrsg. v. Marie-Odile Delacour und Jean-
    René Huleu unter Mitarbeit von Faiza Abdul Wahab. Deutsch von Gerhard Döhler. Reinbek 1993, S. 8.
    229 ebd., S. 92.
    230 ebd., S. 97.
    231 ebd., S. 100.
    76
    gestützt auf ihren Glauben: „Was mich rettet, ist die islamische Ergebenheit (A), in die
    einzudringen ich die Zeit hatte...“232 Isabelle Eberhardt schreibt wieder. Unter dem
    Pseudonym „Si Mahmoud el Mouskouby“ schildert sie in ihrer ersten algerischen Novelle
    ihren Übertritt zum Islam. Sie führt ein aufregendes Leben, immer wieder niedergedrückt von
    Trauer und Enttäuschung, immer wieder wild entschlossen, ihre Freiheit zu leben. Nach
    einer kurzen Rückkehr nach Genf hält sie nichts mehr in Europa. Sie fährt nach Tunis, kauft
    sich ein Pferd und reitet mitten im Sommer allein durch die Wüste nach Algerien. Ein Jahr
    nach ihrem ersten Aufenthalt kommt Isabelle Eberhardt mit geheimem Auftrag nach El-Qued
    zurück. Sie will Nachforschungen über den Tod eines Forschungsreisenden anstellen. Es ist
    die Möglichkeit, ihre Rückkehr nach Algerien zu finanzieren. Der Sinn steht ihr jedoch mehr
    nach Stille und Schreiben denn nach Abenteuer. Nach kaum einer Woche wird ihr von den
    Scheichs bereits Zutritt zur religiösen Bruderschaft, der Quadriya, gewährt. Auch sie hatten
    versucht, die Wahrheit um den Tod des Mannes aus Paris herauszufinden. Die geheime
    Moslembruderschaft hatte bis dahin noch nie einen Weißen, geschweige denn eine Frau in
    ihre Reihen aufgenommen.
    Isabelle verliebt sich in einen Leutnant und beschließt, nach islamischen Ritus zu heiraten.
    An ihrem Hochzeitstag soll Isabelle ausnahmsweise einmal Frauenkleider getragen haben.
    Sie will endgültig nicht nach Europa zurückkehren: „Wenn Gott will, setze ich nie wieder den
    Fuß ins Land des Exils. Ich möchte, dass man uns beide eines Tages, in das weiße Tuch der
    Mohammedaner gehüllt, in dieselbe Grube im Sand senkt, auf einem der poetischen
    Friedhöfe von El-Qued...“233 Von ihrem Selbstverständnis im Glauben spricht ein Brief an
    ihren Mann Slimène: „Ja, vor Gott und dem Islam bin ich gewiss Deine Frau. Aber ich bin
    keine gewöhnliche Fathma oder irgendeine Aischa. Ich bin außerdem Dein Bruder
    Mahmoud, und bevor ich Dienerin bin, was eine arabische Ehefrau für ihren Gatten ist, bin
    ich Diener Gottes und der Djilani.“234 Isabelle Eberhardt kommt 1904 bei einem Unwetter um.
    Bei ihrem Begräbnis auf dem islamischen Friedhof hält der befreundete General die
    Trauerrede: „Sie war das, was mich auf der Welt am meisten fasziniert: eine Außenseiterin.
    Was für ein Vergnügen, einem Menschen zu begegnen, der ganz er selbst ist, jenseits jeder
    Heuchelei, aller Vorurteile und Klischees, und der frei lebt wie ein Vogel in der Luft.“
    Isabelle Eberhardt war eine Feministin in Männerkleidern, die ihr Leben im Abendland als
    beengend empfand, den Eurozentrismus kritisierte und sich wünschte, beim Volk der Araber
    ihre Heimat und Identität zu finden. „Dass die doppelte Revolte gegen ihre bürgerliche
    Schweizer Umwelt und gegen ihr anarchistisches Elternhaus die Form einer religiösen
    Konversion annahm, ist nicht weiter überraschend, wenn man bedenkt, welche Rolle der
    Orient, und speziell der Islam, als Projektionsfläche unbewusster Wünsche und Ängste seit
    232 Eberhardt, S. 115.
    233 ebd., S. 223.
    234 ebd., S. 263.
    77
    jeher in Europa gespielt haben“, stellt Buch fest. Nach dem Weggang aus dem als
    bedrückend erlebten Elternhaus glaubt sie an ein heiliges Ziel im Leben, tritt sie konsequent
    für ihre neue Religion ein und findet in ihrem Gottvertrauen Geborgenheit. Kurz vor ihrem
    Tod hat Isabelle Eberhardt auf ihr Leben geblickt: „Gott hat einige fruchtbare Samenkörner in
    meine Seele gesenkt: ein extremes Desinteresse an allen weltlichen Dingen, den Glauben,
    die lebhafte, barmherzige, unendliche Liebe zu allem, was da leidet. Das Böse zu vergeben
    heißt, sich bedingungslos der islamischen Sache zu widmen, der schönsten von allen, weil
    sie die Wahrheit ist...“235 Der Leser begegnet einer selbstbestimmten Frau, die er auf ihrem
    Weg zum Islam begleiten kann. Dabei geht es weniger um eine spontane mystische
    Bekehrungserfahrung als um den Islam als einen gegenkulturellen Entwurf, dem Isabelle
    Eberhard aus intellektuellem und emotionalem Antrieb folgt. Ulmers Theorie vom passiven
    Objekt einer ihm unbekannten Macht lässt sich hier schwerlich festmachen.



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