Deutsch-HA

RPG-AndreanumAbi07
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    Re: Deutsch-HA

    harlekin - 25.02.2007, 21:26

    Deutsch-HA
    Meine "Kurz"geschichte für Deutsch. Sollte sich jemals jemand zu Call of Cthulu durchringen können (, Daniel...), sowas könnte euch auch passieren^^
    Natürlich nicht GANZ so, aber ich hab mich ein wenig von der Kerkerwelten inspirieren lassen...


    Es war einer jener langen Winterabende, an denen ein normaler Mensch zuhause blieb, den Kamin anheizte und ein Buch las.
    Zu behaupten, dass K. nicht zu ihnen gehöre, wäre eine unvorstellbar große Lüge gewesen. Im Gegenteil, jedes Jahr ihm Herbst deckte er sich mit Büchern ein in seiner kleinen, karg eingerichteten Dachwohnung, so vielen Büchern, dass sie sich manchmal bis unter die Decke stapelten.
    "Was soll ein Mensch in diesen Tagen denn anderes machen?", fragte er die Buchhändler und Lieferanten, die seinem Lesehunger mit Kopfschütteln begegneten. In den Sommertagen ging er nach der Arbeit für gewöhnlich in ein Café, um dort bei Zeitungen den Tag ausgehen zu lassen, doch im Winter ging K. stets direkt von der Kanzlei nach Hause.
    Nachdem er den Kamin entzündet hatte, rückte er tagtäglich den Stuhl zurecht, endete tagtäglich wieder an genau dem gleichen Punkt wie sonst und griff wahllos ein Buch von dem Stapel, der ihm am nächsten war.
    K. las wahllos alle möglichen Bücher, was auch immer er gekauft hatte und in welcher Reihenfolge es auch lag. War es heute ein mathematisches Werk, konnte es morgen ein phantastischer Roman sein, oder genauso gut auch ein religiöses Traktat oder eine historische Erzählung. Das Lesen an sich war es, worum es K. ging, nicht der Inhalt.
    Es war nun einer der angesprochenen Winterabende, als K. nach Hause kam und zufällig eben jenes Buch griff, was sich als das realistischste seiner Lesergeschichte herausstellen sollte. Es begann wie ein gewöhnliches Schauermärchen, wie er sie zu hunderten schon gelesen hatte. Und es ging auch weiter wie sie. Das war der Grund, warum er irgendwann einfach einnickte über seiner Lektüre.
    Doch als er wieder aufwachte, befand er sich nicht mehr in seiner kleinen Wohnung unterm Dach, auf seinem hölzernen Stuhl am Tisch neben dem Kamin, vielmehr erwachte er in einem Ledersessel an einem offensichtlich teuren Tisch in einer großen Halle.
    Die Wände waren, ebenso wie Tisch und Fußboden, mit dunklem Holz ausgelegt, der Geruch von Harz, teurem Tabak und viel Zeit tränkt die Luft dieses opulenten Zimmers.
    K. erhob sich, um diese neue Umgebung zu erkunden. Der Blick nach oben zeigte ihm keine Decke, der Raum musste wohl sehr hoch sein. Doch davon einmal abgesehen war das einzig ungewöhnliche der komplette Mangel an Einrichtung: Neben dem Tisch und dem Sessel, in dem er aufwachte, befand sich kein weiterer Gegenstand im Raum. Er begab sich also zu der großen zweiflügeligen Tür, welche in jener dem Kamin gegenüberliegenden Wand eingelassen war. An der Tür angekommen stellte er zu seiner positiven Überraschung fest, dass sie unverschlossen war und sich problemlos nach außen hin öffnete.
    Ein Gang, der keinen größeren Kontrast zum Raum, in den er mündete, hätte darstellen können, erstreckte sich vor K. Grob behauene Steine, zusammengehalten von langsam zerfallendem Mörtel, dazu der Geruch kalter, abgestandener Luft vermischt mit dem Gestank der Pechfackeln, die die Wände in flackernde Schatten tauchten. Einen Augenblick lang überlegte K., den Raum gar nicht erst zu verlassen, verwarf diesen Gedanken jedoch schnell wieder. Was sollte er auch in einem völlig leeren Raum anfangen? Die unerwartete Endgültigkeit seiner Entscheidung wurde ihm jedoch erst bewusst, als er nach wenigen Schritten ein lautes Krachen hinter sich vernahm: ohne sein zutun war die Tür ins Schloss gefallen, obwohl sie anfangs doch von selbst offen blieb. Mit einem Satz sprang K. zurück, um sie wieder zu öffnen, nur um den zweiten Schock in kürzester Zeit zu bekommen: Die Tür war verschwunden. Alles, was an sie erinnerte, waren einige farbige Linien auf der Wand, als wäre sie von Anfang an nur aufgemalt gewesen.
    Gefangen in diesem ungastlichen Gang, der sich vor ihm auftat, würde er wohl versuchen müssen, einen anderen Ausgang zu finden. Und da der Gang ziemlich bald eine erste Kurve zeigte, würde es wahrscheinlich eine ziemlich ungewisse Wanderung werden. Eine Wanderung, die durchaus einige Zeit völlig ereignislos verlief, einmal abgesehen von Schattenreflexen an den Wänden, verursacht durch das Flackern der Fackeln und die Formen der Steine.
    Je weiter K. ging, umso sandiger und feuchter wurde der Boden. Bestand er am Anfang noch aus Steinen, die denen des Mauerwerks ähnelten, so wurden diese Steine immer kleiner und schließlich bestand der Boden nur noch aus einer glatten Sandfläche, in der K.‘s Schuhe tiefe Abdrücke hinterließen. Die zunehmende Feuchte des Bodens fiel ihm im Gegensatz zur seiner Konsistenz lange Zeit nicht auf. Erst als seine Schritte von saugenden Geräuschen begleitet wurden, blickte er nach unten und stellte fest, dass eine dunkle, dickflüssige Masse den Sand tränkte. Woher sie in diesem Gang kommen sollte, war ihm lange noch ein Rätsel, bis nach einer weiteren Abzweigung Türen die ewig gleiche, verfallende Wand zu seiner Rechten unterbrachen. Unter einer dieser Türen quoll ein Strom eben dieser Flüssigkeit hindurch. Durch das vergitterte Loch bot sich K. ein Bild des Grauens:
    Eine kaum mehr entfernt menschenähnliche Figur hing, die schmalen Knöchel mit Eisenketten an der Decke befestigt, kopfüber von selbiger herab. Der reptilienartige Kopf hing nur noch an ein paar wenigen Fasern am Rumpf, der ebenso wie der Rest des schuppigen Körpers mit langen, tiefen Einschnitten überzogen war. Der Brustkorb des Geschöpfes war anscheinend mit einer Axt geöffnet und geleert worden und gab nun den Blick auf eine verschmierte Rückenplatte frei.
    Aus dem gesamten Körper der Kreatur troff jene Flüssigkeit, die den Boden tränkte und auch unter der Tür durchkam, letzeres wohl deshalb, weil der Behälter, der sie auffangen sollte, bereits überlief.
    Vollkommen schockiert von diesem Anblick stolperte K. zurück und hätte sich am liebsten die Schuhe, an denen das Blut der Kreatur klebte, von den Füßen gestreift. Im letzen Moment fiel ihm ein, dass er dann auf Socken diesen Gang hätte weitergehen müssen.
    Da K. der Rückweg vollkommen sinnlos erschien und er keinen Grund sah, warum die Tür inzwischen wieder vorhanden sein sollte, ging er weiter den Gang hinab. Dabei hielt er sich strikt an die linke Seite des Ganges, um ja keinen weiteren Blick in einer dieser grausamen Zellen werfen zu müssen. Dies Vorhaben gelang ihm auch, und er erreichte tatsächlich nach kurzer Zeit ein Ende des Ganges mitsamt einer Tür. Zu seiner Überraschung war auch diese unverschlossen, und nach seinem Weltverständnis mussten die Bewohner dieses Komplexes äußerst gewissenlos sein: Kein vernünftiger Mensch ließe Türen offen, wenn er nicht grade im Raum wäre.
    Bevor er dazu kam, diese Tür zu öffnen, wurde sie von der anderen Seite bereits aufgestoßen. Hindurch kamen zwei Gestalten, die der belesene K. noch am ehesten mit Trollen in Verbindung bringen konnte. Bekleidet waren sie nur mit einem Lendenschurz, in dem lange Messer steckten, und einer Lederkappe, die fast das ganze Gesicht verdeckte, und sie trugen einen Kübel ähnlich dem, der unter der Kreatur in der Zelle, in die K. geblickt hatte, stand. Und tatsächlich stampften sie den Gang bis zur letzen Kammer hinab, öffneten die Tür und kamen nach kurzer Zeit mit dem gefüllten Kübel wieder hinaus. Angewidert von dem Anblick dieser Kreaturen und mehr noch ihrer Tätigkeit sah K. sich außerstande, auch nur einen Schritt zu tun. Zu seinem Glück jedoch schienen die Träger ihn nicht zu bemerken: Wie schon auf ihrem Weg hinein gingen sie auch auf dem Weg hinaus einfach an ihm vorbei. K. erkannte seine Chance und schlüpfte geistesgegenwärtig durch die Tür, bevor sie hinter den Gestalten zufallen konnte. Der Raum, den er jetzt betrat, war in dem gleichen Stil gebaut wie der Gang, aus dem er kam: Grob behauene Steine, zusammengehalten von bröckeligem Mörtel, formten die Wände, der Fußboden bestand aus Sand, der auch hier durchtränkt war von jener mysteriösen schwarzen Flüssigkeit, die anscheinend aus mehreren Gängen ähnlich dem, aus dem er gekommen war, stammt. K. schloss dies aus den gleichartigen Türen, die drei Seiten dieser Halle säumten. Die Einrichtung, so man denn von Einrichtung sprechen konnte, bestand aus schweren, vermutlich gusseisernen Maschinen, deren Funktion er nicht auf Anhieb erkennen konnte. Sie schienen jedoch der Weiterverarbeitung des Blutes der getöteten Kreaturen zu dienen, zumindest entleerten die Trolle, denen er gefolgt war, ihren Bottich in einen Trichter auf einer der Maschinen. Auf der anderen Seite lief eine ebenso schwarze Flüssigkeit in ein Glasbehältnis, das aussah wie ein riesiges Tintenfass. Angst ergriff K.: sollte hier etwa wirklich Tinte aus dem Blut lebender Wesen gemacht werden? Und waren die Messer der Gestalten nicht mit jener schwarzen Masse befleckt gewesen? Wo war er eigentlich gelandet?
    Seine Überlegungen fanden ein jähes Ende, als diese Henker, die sie zu sein schienen, wieder auf ihn zukamen, den leeren Kübel zwischen sich. So schnell er konnte versteckte er sich hinter einer Maschinen, in der Hoffnung keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und wie schon zuvor waren diese Befürchtungen unbegründet: Die Gestalten gingen einfach durch die Tür, ohne auch nur in eine andere Richtung zu blicken.
    Da er jetzt alleine war in dieser Halle, beschloss er, sich jene Maschine einmal näher anzusehen, obwohl ihn die Funktion mit Ekel erfüllte. Dies war schwerer als K. zuerst dachte, da es praktisch keine Möglichkeit gab, hineinzublicken. Doch er konnte die Funktion einigermaßen erahnen: Aus den Achsen, die an der Außenseite deutlich sichtbar waren, schloss er, dass es sich wohl um Walzen handeln müsse, die die Masse immer feiner vermahlten und so immer flüssiger machten. Er hatte einmal gelesen, dass eine Flüssigkeit umso zäher wurde, je mehr und je größere Teilchen sich darin befanden. Es wäre also logisch, die Masse durch Walzen zu verdünnen, auch wenn sich ihm der tiefere Sinn nicht erschloss.
    Während K. um die Maschine herum ging, um weitere Anhaltpunkte zu finden, wäre ihm beinahe ein furchbares Unglück passiert: Um Haaresbreite hätte er mitten in den Riemen gefasst, der den ganzen Apparat am laufen hielt. Aus der Kanzlei kannte er Arbeitsunfälle, bei denen Arbeiter in laufende Geräte gefasst haben, und er war sehr froh, die Gefahr rechtzeitig erkannt zu haben. Trotzdem gab ihm der Riemen Rätsel auf. Er suchte nach dem zentralen Antrieb der Anlage, doch nirgends war einer zu sehen. Und auch alle anderen Maschinen im Raum wiesen diesen Riemen auf, und bei allen verschwand er einfach im Fußboden.
    So sehr in seinen Gedanken versunken, bemerkte K. nicht, dass ein weiteres Paar Träger durch eine andere Tür den Raum betreten hatte. Sofort versteckte er sich so gut es ging, und wieder zeigte sich, dass seine Angst unbegründet war: Die Gestalten entleerten ihren Kübel und verließen den Raum. Ein Geräusch, dass ihre Schritte verursachte, zog K.‘s Aufmerksamkeit auf sich, ein Geräusch das entsteht, wenn auf massivem Boden jemand über eine Falltür läuft. Er suchte und fand die Quelle dieses Lautes, und es war tatsächlich eine Falltür im Boden. Mit Mühe gelang es K., dessen Neugier seine Zurückhaltung nun endgültig eingeholt hatte, die Luke anzuheben. Er bereute es sofort.
    Aus dem dunklen Loch im Boden schlug ihm ein Gestank von Fäulnis und Schweiß entgegen, schlimmer als alles, was er je gerochen hatte. Vereinzelte Kohlepfannen heizten die Luft und spendeten das wenige Licht, was nötig war, um Einzelheiten zu erkennen. Gewaltige Laufräder befanden sich unter jeder der Maschinen der Halle, jedes einzelne bemannt von kurzen, stämmigen und überaus kräftigen Kreaturen, die auf K. wie eine Mischung aus Mensch und Wildschwein wirkten. Die Haut dieser Abscheulichkeiten wies einen deutlichen Grünstich auf, soweit die Haut nicht unter dem dichten Haarwuchs verschwand. Die Köpfe wirkten, soweit er es sehen konnte, sehr massiv, mit breiten Nasen und einer fliehenden Stirn, gewaltige Hauer ragten zwischen den Lippen hervor. Mehr Details konnte er nicht erkennen, und nicht für alles in der Welt wäre er je freiwillig zu diesen Abscheulichkeiten herabgestiegen.
    So schnell, wie der weiche Sandboden es zuließ, machte sich K. auf zu jener Wand, in der keine Tür zu den Kammern führte, aus denen diese schwarze Masse zur Weiterverarbeitung stammte. In dieser Wand befand sich jedoch auch eine Tür, breiter als hoch und für K. eigentlich viel zu klein. Und nichtmals einer Tür, wie sich kurz darauf herausstellte. Denn während er noch die Tür betrachtete, bewegte sie sich nach oben in die Wand, und ein Eisenkarren mit großer Stellfläche, auf der leere Glasfässer gleich denen unter den Maschinen, kam daraus hervor. Geschoben wurde er von einem kleinen, verschrumpelten Wesen, kahl, krumm und zahnlos, in Hosen, die ihre besten Tage schon hinter sich hatten, und einer verschmierten Schürze. Ohne die kurze Pfeife aus dem Mund zu nehmen, schnauze es K. an, doch gefälligst aus dem Weg zu gehen, was dieser völlig überrumpelt von den ersten Worten, die man hier an ihn richtete, auch tat. Hinter dem Tor sah er, nachdem er in die Knie gegangen war, eine Halle ähnlich der, aus der er kam. Nur standen hier Maschinen, die er auch zuordnen konnte: Druckerpressen, dutzendweise, und an jeder standen mindestens fünf Menschen. Gewaltige Federn ließen die Pressen zufallen und gaben so den Takt vor, in dem die Arbeiter das Papier wechseln und Tinte auftragen mussten. Und dauerte es einmal zu lange, verwandelte sich der Stempel der Presse in eine brutale Falle für alles, was dazwischengeriet. Der Boden erzitterte bei jedem Schlag der Pressen, und zwischen dem Chaos rannten weitere Arbeiter hin und her, um frisches Papier oder frische Tinte zu bringen. K. näherte sich einer der Pressen, um die Arbeiter auf das Geschehen um ihn herum anzusprechen, als ihm gewahr wurde, dass es doch keine Menschen waren, die hier an den Pressen schufteten. Es waren Wesen ganz aus Papier, in Menschengestalt gefaltet wie Origami, und offensichtlich aus geschaffen aus Fehldrucken und beschmierten Bögen, beeindruckende Golems aus Papier.
    Noch während K. die kunstvolle Faltung der Arbeiter bewunderte, kam das verschrumpelte Männchen mit der frischen Tinte wieder herein, und diesmal warnte es ihn nicht, sondern fuhr ihn einfach über den Haufen.
    Er schaffte es zwar, noch im Sturz beiseite zu springen, doch rempelte er dabei einen der Arbeiter an, der dadurch in die Presse stürzte. Der Stempel stürzte herab und zerquetsche die Falten des Papiers, bis nur noch eine glatte Fläche wie bei einem frischen Bogen übrig war. Die anderen Arbeiter zogen ihn aus der Presse und warfen ihn beiseite, der nun nicht mehr nutzbare Druck hingegen landete auf einem kleinen Stapel ähnlicher Exemplare. Ein paar der herum eilenden Arbeiter griffen sich den Leichnam, soweit man diesen Begriff nutzen konnte, ein weiterer ergriff den Stapel mit den Fehldrucken.
    Völlig entgeistert kam K. auf die Beine, verwirrt, dass ihn trotz aller Vorkommnisse noch niemand in die Schranken verwiesen hatte. Immer noch betäubt vom Aufprall, entschloss er sich, den Arbeitern zu folgen. Sie führten ihn letztlich zur gegenüberliegenden Wand, wo sich eine verschlossene Durchreiche befand. Die Träger öffneten sie und schoben die gequetschten Reste ihres Kollegen hindurch, entgegen kam ihnen dabei ein Schwall heißen Wasserdampfes. Dies war für K. der Hinweis, dass hinter jener Wand das Papier für diese Fabrik gemacht wurde, und er war zutiefst froh, dass die Wand keine Türen besaß. Er wollte gar nicht wissen, woraus in dieser Hölle Papier gemacht wurde. Auf jeden Fall wurde es in großen Mengen gemacht, da durch vergleichbare Wanddurchbrüche, vor denen schwere Lederstücke hingen, permanent neue Stapel geschnittenen Papiers geschoben wurden, die dann zu den Pressen gebracht wurden.
    Die Fehldrücke hingegen kamen zu einem großen Tisch, an dem eine einzige, groß gewachsene und filigrane Gestalt mit ihren vier Armen permanent neue Körperteile faltete, zusammensetzte und mittels kleiner, in den Kopf gesteckter Zettel zum Leben erweckte. Sofort rannten diese neu geschaffenen Figuren zu ihrem Platz und erfüllten ihre Funktion, bis sie schließlich zerquetscht zurück in die Papiermühle kamen.
    Trotz der Faszination, die die Gestalt des Falters und die gesamte Halle auf ihn ausübte, wollte er doch nur raus, raus dieser Hölle mit Druckertinte aus Blut und Arbeitern aus Papier, und so versuchte er eine der beiden Türen an der nächsten Wand zu seiner linken. Die erste führte ihn in einen Raum mit dutzenden Setzkästen, an denen gewaltige mechanische Apparaturen von Federn getrieben Lettern ergriffen und, so schien es K., auf gut Glück in die Druckplatten setzen. Die Platten wurden gesammelt und wohl nur an bestimmten Zeitpunkten in den Pressen gewechselt, auch wenn er nicht glaubte, dass die Golems in Schichten arbeiteten. Je länger er in dem Setzraum stand, umso stärker wurde ihm die große Hitze bewusst, die ein Schmelzofen in der Ecke ausstrahlte: Hier wurden wohl, vermutete er, die benutzen Platten eingeschmolzen, auf diese Weise gesäubert und zu neuen Lettern gegossen.
    K. verließ diesen Raum, auch wenn in ihm noch die wenigsten Grausamkeiten dieser Hallen lauerten. Die andere Tür führte ihn in eine gewaltige Binderwerkstatt: An einer Unzahl von Tischen wurden die Bögen der Druckerei geschnitten, geordnet, geleimt, vernäht und in Lederne Einbände verpackt. Anscheinend hatte jedes einzelne Buch die exakt gleiche Anzahl an Seiten, im gleichen Format mit der gleichen Zeichenzahl pro Seite, doch das fiel K. nur am Rande auf. Das, was seine Aufmerksamkeit wirklich aus sich zog, waren die Arbeiter. Zwar waren sie diesmal tatsächlich menschlich, doch je nach ihrem Aufgabengebiet waren Körperteile durch Werkzeuge und Hilfsmittel ersetzt worden. Tatsächlich bestanden sie alle nur aus Teilen ab der Hüfte aufwärts, montiert auf groben, eisernen Untersätzen, und keiner war ohne ausgetauschte Körperteile davongekommen, deren Liste von Okularen bis hin zu Klingen an Stelle der Finger reichte.
    Ekel und Abscheu durchfuhren K., und so schnell er konnte durchquerte er den Raum mit seinen abscheulichen Arbeitern. Sein Blick traf dabei den Fußboden und die Wände, und zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass der gesamte Bogen aus massiven Eisenplatten bestand, ebenso wie die Wände. Es war ein perfektes Gefängnis, aus dem nichts je verloren gehen konnte. Und auch hier hetzen Gestalten ähnlich der, die die Tinte in die Druckerei brachte, herum, brauchten frisch gedruckte Bögen und holten Bücher ab, hielten die Maschine am laufen. K. beschleunigte seine Schritte, sein einziges Ziel war jetzt, diesem Raum zu entkommen und allem, was sich an Abscheulichem darin befand. Doch diesmal wurde er erwartet.
    Am Ende dieser Halle stand ein kleiner, dicker Mensch, in Anzug mitsamt Zylinder und Gehstock, Gamaschen und goldenem Uhrkettchen. Er blickte K. direkt an.
    „Wieso können Menschen wie du nie warten, bis man sie hereinbittet? Wieso müsst ihr immer auf eigene Faust eure Nase in Dinge stecken, die euch nichts angeht, bis ihr Wahrheiten findet, die ihr nicht versteht? Antworte mir, K!“
    „Wer sind Sie? Und woher kennen Sie meinen Namen? Und was passiert hier eigentlich?“
    „Du wurdest hierher gerufen. Natürlich kenne ich deinen Namen. Was hier passiert geht dich nichts an, aber trotzdem werde ich es dir erklären. Aber nicht hier. Folge mir.“
    Der Mann führte K. in sein Büro, ein kleiner Raum mit einem großen Schreibtisch, hinter dem ein gewaltiger Sessel stand, die holzvertäfelten Wände waren größtenteils von Regalen verdeckt, die Bücher jeder Sorte beinhalteten. Sein Gastgeber setzte sich und forderte K. auf, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Er kam dieser Aufforderung gerne nach, besonders nach allem, was er bisher gesehen hatte. Dass es noch schlimmer kommen würde, ahnte er nicht.
    In der folgenden Zeit, die K. nicht genauer einschätzen konnte, erfuhr er den Sinn der ganzen Anlage: Die Schaffung einer gewaltigen Bibliothek, bestehend aus Büchern mit je 300 Seiten, mit je 80 Zeilen pro Seite und 100 Zeichen in jeder Zeile, alle Bücher angeordnet nach einem bestimmten Prinzip, mit dem Ziel, jedes Werk jeder Zeit in jeder Sprache auffindbar zu machen. K.‘s Einwand, dass dies Vorhaben die gesamte Ewigkeit beanspruchen würde, stimmte der Mann ohne Widerspruch zu und bemerkte, dass sie auch seit Anbeginn der Zeit an dieser Aufgabe arbeiten.
    „Und warum bin ich hier?“, fragte K.
    Die Antwort war schockierend für ihn: Sein Blut sollte die Leineneinbände jener Bücher färben, mit denen ahnungslose Leser in diese Welt gerufen worden, sein Fleisch sollte zu Papier werden und sein Körper zu einem neuen Binder in jenem gewaltigen letzten Raum. Doch bevor er K. seiner Bestimmung überantwortete, wollte der Herr ihm noch zeigen, woran sie alle arbeiteten, und so führte er ihn durch einen kurzen Gang in eine gewaltige Halle, in der die Bibliothek entstand. Da wurde K. bewusst, dass er inmitten der Unendlichkeit stand, sollte sein Führer die Wahrheit gesagt haben. Und tatsächlich ließ sich in keiner Richtung ein Ende ausmachen, und hinter ihm erstreckte sich eine unendliche Reihe von Plattformen, von vorne näherte sich eine weitere, die mit der hier entstehenden verbunden wurde.
    Ja, es arbeiten noch unendlich viele Fabriken wie die seine an diesem Bau, antwortete der Herr auf K.‘s Nachfrage. Und immer wieder werde ein neuer Komplex aus einer zentralen Plattform, die drei weitere mit Regalen trug, fertiggestellt, bestückt und sich selbst überlassen. Unbegrenzt Zeit für die Fertigstellung blieb auch nicht, erklärte sein Gastgeber, da sich der gesamte Raum unter ihnen hinwegbewegte. Sprachlos vor der schieren Größe des Konstrukts, und der Grausamkeit, mit der es erbaut wurde, bemerkte K. die Baumeister der Ebenen: Große, breite und kräftige Geschöpfe mit keinerlei Ähnlichkeit zu irgendetwas, was er je gesehen hätte. Mit offenem Mund beobachtete er, wie sie aus Knochen die nächste Plattform zusammensetzen und mit Sehnen verbanden, als jener, der ihm die Aufgabe des Ortes erklärt hatte, bemerkte, es sei nun an der Zeit, ihn seiner Bestimmung zuzuführen.
    In diesem Moment bäumte sich etwas in K. auf, von dessen Existenz er noch nie zuvor etwas gewusst hatte. Er griff sich ein Messer der Arbeiter, welches zufällig in seiner Reichweite lag, und rammte es dem Direktor der Anlage in die Brust.

    In diesem Moment erwachte er. Er saß aufrecht auf seinem Stuhl vor seinem Tisch in seinem Zimmer, und hatte anscheinend eine Schere in das Buch gerammt. Kein Wunder nach solche einem verrückten Traum, dachte er. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es höchste Zeit war, in die Kanzlei zu gehen. K. wusch sich, zog sich um und wollte grade seine Wohnung verlassen, als sein Blick noch einmal auf das Buch fiel.
    Er erstarrte. Aus den Seiten zwischen dem roten Leineneinband quoll druckerschwarzes Blut.



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