Antinazi – je nach Saison

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    Re: Antinazi – je nach Saison

    T.H. - 08.02.2007, 20:11

    Antinazi – je nach Saison
    Zitat: Der Fall Strache – ein österreichisches Paradebeispiel.

    Die beste Rede zum Thema hielt in der vorwöchigen Nationalratssitzung eindeutig Wolfgang Schüssel. Es sei nicht schwer, sich von den Gräueltaten der Nationalsozialisten zu distanzieren, hielt der ÖVP-Klubobmann seinem blauen Visavis Heinz-Christian Strache entgegen. Scharfsinnig schwenkte er von der Geschichte zur Gegenwart, vom Rassenhass von damals zu den Feindbildern von heute, und kritisierte in logischer Ableitung den Ausländerwahlkampf der FPÖ. Deshalb, so Schüssels Schluss, sei ihm Straches vordergründige Distanzierung von NS-Gedankengut einfach zu wenig.

    Die meisten sozialdemokratischen Abgeordneten fielen in den Applaus der ÖVP ein. Zuvor hatte ihr eigener Klub-obmann Josef Cap in dürren Worten angemerkt, er habe zu dieser Causa schon alles gesagt und dem nichts mehr hinzuzufügen.

    Wie bitte? War das derselbe Cap, der in den vergangenen Jahren penibel den Finger auf jeden Posten gelegt, der blau-schwarzen Regierung keinen rechten Rülpser erlaubt hatte? Erteilte da just jener Josef Cap, der seine gesamte Karriere hindurch vor der Gefahr von rechts gewarnt hatte, dem wehrsportlichen FPÖ-Obmann Strache so beflissen die Absolution? Jener Josef Cap, der im Februar 2000 bei der großen Protestkundgebung am Heldenplatz ganz vorne stand, weil Straches Partei zu Regierungsehren gekommen war?

    Oder der nun so klug und schlüssig argumentierende Wolfgang Schüssel: Warum war ihm das alles nicht eingefallen, als sein frischgebackener Koalitionspartner Jörg Haider im Wiener Landtagswahlkampf von 2001 zum brüllenden Gaudium seines einschlägigen Publikums über den SPÖ-Wahlkampfberater („Der Herr Greeeenberg von der Ostküste …“) antisemitisch gewitzelt hatte? Warum hatte er überhaupt mit einer Partei koaliert, in der die Herren Jörg Haider, Heinz-Christian Strache und Ewald Stadler hohe und höchste Ämter bekleideten? Konnte er tatsächlich nicht verhindern, dass FPÖ und später BZÖ zwar stramme, aber leider oft unfähige Burschenschaftsrecken in wichtige Positionen brachten?
    Und erst der jetzt in drolliger, aber ungelenker Antifa-Pose einherkommende BZÖ-Chef Peter Westenthaler, der so tollkühn sein blankes Entsetzen über die rechte Vergangenheit Heinz-Christian Straches vor sich her trägt! Es ist noch nicht lange her, dass er mit den Straches und Stadlers in einer Partei gesessen ist und im Chor mit ihnen alle verbellte, welche die Wehrsportler und Vergangenheitsverklärer schon damals zum Kotzen fanden.

    Travestie der Geschichte, wenngleich urösterreichisch. Den Antinazi holt man heraus, wenn man ihn braucht. Wird er lästig, muss er zurück in die Kiste.

    Josef Cap braucht ihn im Moment gar nicht. Seine Partei – oder besser: deren engere Führung – fürchtet eine mögliche Wiedervereinigung von FPÖ und BZÖ und in der Folge einen fliegenden Partnertausch der ÖVP. Dann wäre die rote Kanzlerschaft perdu. Die Spitzen der Sozialdemokraten halten Heinz-Christian Strache für den Garanten der Spaltung des dritten Lagers. Also muss man ihn schönreden (wobei Alfred Gusenbauers Jugendsünden-Sager zugegebenermaßen etwas verkürzt dargestellt wurde – das Originalzitat klang anders).

    Wolfgang Schüssel war der Antinazi nach dem Pakt mit der FPÖ logischerweise ebenso unangenehm. Schüssel wusste, auf welch wackeligen Beinen seine Regierung stand, also musste er alles unterlassen, was Jörg Haider verärgert hätte. Stumm wie ein Fisch ging der heute so erfreulich Wortgewaltige über alles Widerwärtige hinweg. Jetzt freilich, wo er der SPÖ so lästig ist, darf der Antinazi ein paar Ehrenrunden drehen. Dass dabei auch Peter Westenthaler und seine Spießgesellen mithopsen, komplettiert die Farce.

    Aber so ist er halt, der Umgang mit der Vergangenheit in Österreich. Antinazismus und Antifaschismus sind selbst für die Staatsparteien SPÖ und ÖVP kein Absolutum, sondern Tauschobjekte am innenpolitischen Krämermarkt. Eine der Grundlagen dieser Zweiten Republik – taktisches Spielmaterial, mehr nicht.

    Es gab einmal einen Bundeskanzler, der sich damit nicht abfinden mochte. Viele werfen ihm das noch immer vor: Franz Vranitzky hat sich durch seine bedingungslose Absage an Ewiggestriges und Ewiggestrige sogar in seiner eigenen Partei nicht nur Freunde gemacht. Die „Ausgrenzung“ Jörg Haiders habe diesen doch erst groß gemacht, wird bis heute genörgelt. Eine Koalition mit Haider wäre damit im Umkehrschluss quasi antifaschistische Bürgerpflicht gewesen …
    Aber selbst wenn die These stimmte, dass die konsequente Ablehnung von NS-Gedankengut und von zeitgemäßeren Formen der Verhetzung und des Rassenhasses nicht immer auf offene Ohren stößt – darf anständige Politik deshalb darauf verzichten?
    Die Macht hat ihren Preis. In zivilisierten Demokratien ist er nach oben hin begrenzt. (Herbert Lackner http://www.profil.at)



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