Wagner - Kontroverse

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  • Alle Beiträge und Antworten zu "Wagner - Kontroverse"

    Re: Wagner - Kontroverse

    Phoebe - 08.02.2007, 15:42

    Wagner - Kontroverse
    Hallo ihr Lieben

    Ich wurde gerade nach unserer Tannhäuser - Premiere hier in Hannover von meiner Freundin angesprochen, man dürfe Wagner - Werke heute eigentlich gar nicht mehr aufführen...heute bei steigendem Bewußtsein dürfe man einen Komponisten, der Ausländer - und Homosexuellenfeindliche Äußerungen getätigt hat, gar nicht mehr spielen.

    Seht ihr das genauso ? Sollte man eine Oper wegen der Musik an sich spielen oder immer auch die HIntergründe und Ansichten, unter denen der Komponist sie geschrieben hat, befragen, bevor man sich auf so ein Werk einläßt ?

    Ich hoffe auf eine anregende Diskusion ohne Streit - und auf eure Meinungen.

    Phoebe



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 08.02.2007, 16:04


    Liebe Phoebe,

    der große jüdische Dirigent und Komponist Leonard Bernstein hat es auf den Punkt gebracht : Ich verfluche ihn - auf Knien !
    Ob man ihn und seine Werke mag oder auch nicht : Wagner ist ein genialer Komponist ( und Librettist ! ), dessen Opern selbstverständlich aufgeführt werden müssen !

    Ciao. Gioachino :dafür:



    Re: Wagner - Kontroverse

    EmmyNoether - 08.02.2007, 16:15


    Hallo,

    hier

    gab es vor nicht allzulanger Zeit eine kurze Diskussion dazu.

    Gruß v. Emmy



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 08.02.2007, 18:52


    hallo, Emmy,

    ich kenne diese Diskussion auf dem anderen Thread noch sehr gut und habe es auch öffentlich bedauert, dass das so schnell beeindet war. Deshalb verwundert es mich auch, dass ein neuer aufgemacht wurde, obwohl es eine ähnliche Themenformulierung war.

    @alle: habt ihr es vergessen?

    Grüße
    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    LaCastafiore - 08.02.2007, 19:21


    Liebe Dola,

    ich habe auch bedauert, dass das Thema so rasch einschlief. So ist es doch schön, dass ein neuer Thread entsteht - interessanterweise ausgehend von fast der gleichen Grundfrage - vielleicht kann man sie dann zusammenführen.

    Ich werde am kommenden Samstag eine konzertante Aufführung des "Vaisseau Fantome" (so heisst der Holländer hier) anhören - und werde dann gerne berichten, über die Wahrnehmung "um mich herum".

    Liebe Grüsse von casta



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 08.02.2007, 19:52


    Wie wärs denn auf den alten Thread umzusatteln und die Leute, die noch etwas hinzufügen wollen, das dann dort zu tun?
    Ich fand das Thema auch toll; mag mich aber nciht wiederholen.
    Mich interssiert auch besonders noch dei Familiengeschichte der Wagner und die Frauen um Wagner herum, nebst seiner Philosophie vom "Weib als Erlôserin" Damit habe ich mich mal sehr befasst und etliche Bücher studiert. Parallelen zum Nazi-Frauen- Bild sind nciht von der Hand zu weisen!
    Steht aber ansatzweise eben schon im alten Thread....
    Canti :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 08.02.2007, 20:02


    Da ich das Thema damals angestoßen hatte, würden mich ein paar zusätzliche Meinungen natürlich auch interessieren?

    Frage an die Moderatoren: Kann man die beiden Threads zusammen führen ?

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 08.02.2007, 20:27


    zUsammenführen ist eine gute Idee, habe seinerzeit einen ziemlich ausführlichen Beitrag geschrieben, den ich nicht nochmal schreiben mag.

    Aber, um es weiterzuführen:

    Dezidiert schwulenfeindliche Traktate von ihm kenne ich jetzt nicht, aber es würde irgendwie ins Bild passen. Andererseits gab und gibt es ja genug Schrank -Homos, die sich da besonders "rühmlich" hervortun (oder zwar fürchterlich antisemitisch und rassistisch herumgeifern, aber hier plötzlich auffällig wenig zu sagen haben??!)

    Trotzdem: Ich persönlich trenne hier Werk und Person, vor allem, weil die Opern verschiedene Interpretationen des Sinngehalts zulassen und nicht zwangsläufig in die Fascho - Ecke führen. Solange das bei einem Werk möglich ist, gehört es in die Opernlandschaft. Es erfüllt mich mit sehr viel Respekt, dass sie sogar in Israel aufgeführt werden.

    LG

    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    musencusmuc - 08.02.2007, 20:40


    Liebe Dola!
    Wat sind denn bitte "Schrank-Homos"???
    Im übrigen habe ich zum Thema Wagner nix zu sagen, weil ich weder Lebenslauf noch Werk besonders gut kenne. Meinen Musikgeschmack trifft er jedenfalls nicht, aber deswegen muss er ja nicht gleich vom Spielplan. Schwulenfeindliche Äußerungen tun im übrigen auch andere - ich finde den UMGANG mit solchen Menschen uninteressant. Aber die politischen Meinungen eines Komponisten muss man ja a. aus seiner Zeit heraus sehen und b. prüfen, ob sie sich auch in seinem Werk spielen. Dann würde ich es persönlich ablehnen, mich hinein zu setzen und mir das anzutun.
    Gruß und Kuss, der liberale musencus



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 08.02.2007, 21:10


    Ein "Schrank-Homo" ist für mich z.B.einer wie Thomas Mann, der nach aussen sein grossbürgerliches Leben gespielt hat, die burgerlcihe "Moral" hochielt, sechs Kinder hatte und in einem Tagebuch-Doppelleben und in seinem Werk sich dann schliesslcih doch um mehrere Ecken herum als homosexuell erwies. Angesichts der bürgerlichen Moral seiner Zeit muss man ihm das nachsehen, finde ich, obschon es mir immer ein Dorn im Auge war und ist. Oscar Wilde ist dafür zur selben Zeit ins Zuchthaus gewandert!

    Ob Dola dasselbe mit Schrank-Homo meint, weiss ich nciht?
    Von den Nazischergen, die Homosexuelle ins KZ haben sperren lassen, waren auch etliche selber heimlich schwul und sowas ist für mcih dann die kriminelle und unverzeihlcihe Steigerung dieses "Schrank-Homos".
    Von Wagner kenne ich aber keine ausdrücklichen schwulen/lesbenfeindlcihes Äusserungen. Antisemitische dafür umso mehr.
    Wenn man aber sein Bild einer Mann/Frau -Beziehung betrachtet und seine Briefe an Mathilde Wesendonck oder Cosima liest, ist es eindeutig, dass fûr ihn eine gleichgechlechtliche Beziehung ausserhalb jeder Vorstellungskraft gelegen haben muss.
    Öffentlcihe Hetze ist aber nochmal was anderes. Und Hetze im Werk sehe ich da nun auch nciht(kenne aber nciht alles!).
    Dei Funktionalisierung die wagner postum erlebte und vor allem die unsäglcihe Verstrickung seiner Familie, allen voran Dame Cosima und Schwiegertochter Winifred sind für mciuh viel schlimmer als das, was Wagner selbst fabriziert hat.
    Ich würde mir daher viel eher seine Musik anhören(wenn sie mir wirklcih gefiele) als einen Fuss nach Bayreuth setzen. Denn dort im Festspielhaus und auf dem grünen Hügel in Wahnfried waberte der Wahn nun wirklich am wahnsinnigsten. Und Onkel Wolf( so mussten die Wagnerkinder Hitler) nennen) ging ein und aus und hofierte sogar Dame Winifred mit ernsten Absichten! Und noch heute werden unliebsame Familienmitgleider, die zuviel im braunen Sumpf gewühlt haben, von dort verstossen. Solche Orte haben für mich keinen guten Geist!!!!!! :n68:



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 09.02.2007, 00:09


    cantilene hat folgendes geschrieben: Ob Dola dasselbe mit Schrank-Homo meint, weiss ich nciht?

    So in etwa meine ich das auch. Das Wort kursierte zuerst als "Schrank - Lesbe" unter den Sisters der Szene - da habs ich jedenfalls gehört und genauso verduzt nachgefragt :lol: - , jedoch denke ich, dass es durchaus auch auf die entsprechenden Männer erweitert werden kann. Werten will ich das keinesfalls und ich bin auch strikt dagegen, Leute zwangs - zu - outen. Schlimm finde ich allerdings die, die es sich nicht eingestehen, sondern sich dabei sogar übelst schwulenfeindlich aufführen. Leute, die sich unter einer Diktatur verstecken müssen, sind damit nicht gemeint.

    cantilene hat folgendes geschrieben: Denn dort im Festspielhaus und auf dem grünen Hügel in Wahnfried waberte der Wahn nun wirklich am wahnsinnigsten.

    Klasse!!!! :n109: :lach
    Eigentlich hat er "Wahnfried" als des Wähnes Frieden definiert, aber ich habe auch schallend gelacht, als ich das das erste Mal hörte (wenn der sein Haus selber schon so bezeichnet...). Die Villa Wahnfried liegt allerdings nicht beim Festspielhaus auf dem Hügel, sondern ca. 2 km davon weg in der Stadt (ich bin es abgelaufen) und ist ein Museum.

    Der Wahnsinn wabert immer noch. Ich habe mir die ganze Sache mal gegeben durch eine Chorbewerbung und habe festgestellt, dass es wohl einer der schrägsten Theaterbetriebe überhaupt in Deutschland sein dürfte. Schon, dass man den ganzen Laden nur für einen Monat aufmacht, ist seltsam, obwohl ich die Begründung kenne.

    Irgendwie fasziniert es mich aber. Die Verkrachungen dieser Familie sind inzwischen so verzahnt, dass es nicht mehr auszumachen ist, wo die Frontlinien verlaufen. Es geht nicht nur um politische Dinge, aber es ist extremst aufgeladen und einige der Urenkel, wie z. B. Nike (sicher) und ich glaube auch Gottfried, der alles mögliche versucht, um sich von der Naziverstrickung seiner Altvorderen zu distanzieren, haben Hausverbot.

    Erstaunlich ist, dass es vereinzelte Sprösslinge gab, die sich aufgelehnt haben. Angefangen mit Enkelin Friedelind, eine inzwischen verstorbene Schwester des Festspielchefs, die sich als sehr junge Frau noch gegen Hitler ausgesprochen hat, nach einer Reise in die Schweiz nicht mehr zurückging und im Exil weiter gegen Hitler agitierte. Angesichts dessen, dass sie in einem solchen geistigen Umfeld aufgewachsen ist, eine reife Leistung, nachzulesen in ihrem Buch "Nacht über Bayreuth".

    LG

    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    musencusmuc - 09.02.2007, 00:28


    Ihr Lieben!
    Danke für die Aufklärung, ich kannte diesen Begriff nicht, solche Typen kenne ich als "Klemmschwuchtel" oder "Klemmschwester" ... ;-)
    Bayreuth habe ich von jeher als ein absolutes Unding empfunden und das, was ihr dazu schreibt, bestärkt mich ein weiteres Mal in der Meinung, dass das, was auf dem Hügel getrieben wird, weder viel mit Kunst, noch viel mit "Erbe weitertragen" zu tun hat.
    Bisher habe ich es immer noch nicht fertig gebracht, mich mit wagner eingehender zu befassen, weil mich schon die Musik nicht interessiert ... steinigt mich auch hierfür ... ;-)
    Gruß und Kuss, der musencus



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 00:45


    Schon wieder muss ich einen virtuellen Stein schleudern. Fang ihn bitte auf und gib ihn mir auf Mallorca zurück, ja ?

    Ciao. Gioachino :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    musencusmuc - 09.02.2007, 00:51


    pah!
    Erst haufenweise Steine werfen und dann soll ich sie auch noch zurückbringen?!?! Das ist ja die Höhe! ;-)
    Trptzdem liebe Grüße vom musencus



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 08:05


    Liebe Dola, "dass hier mein Wähnen Frieden finde"-ja, darüber habe ich mich auch erstmal gekringelt....... der wandelnde Wahn! :lol:
    Mir macht es Spass, diese Sprache nachzuformen...... :kaffee

    Was die ausgestossenen Familienmitglieder angeht: ich habe Gottfried Wagners Buch "Wer mit dem Wolf heult" (Onkel Wolf= Adolf Hitler) gelesen und das war wirklich nochmal ein Schock für mich!(obschon ich vorher bereits von Winifred und Cosima mehr als kuriert war)
    Er hat die Geschcihte ja nun hautnah miterlebt und beschreibt sehr einleuchtend, warum er sich als Erwachsener von dieser nazi-verstrickten Sippe loslösen musste, um noch guten Gewissens in den Spiegel sehen zu kônnen.
    Wenn die Familie und der Bayreuther Betireb nach dem Krieg Hausputz gehalten hätten und ihre Dreckwäsche ordentlcih gewaschen hätten, würde ich die Verirrungen ja noch mit eienm "gewissen" Verständnis betrachten. Und hätte sicher Respekt fûr nachträglcihe Erkenntnis und Wiedergutmachung. Aber leider ist das eben nur zu einem sehr geringen Teil(siehe eben die Abtrünnigen!) nachvollziehbar und glaubwürdig geschehen.
    Jeder kann sich irren und falsche Wege gehen, aber Einer, der das vertuscht und leugnet und diejenigen, die um Aufklârung und Reinigung bemûht sind, noch als Nestbeschmutzer verstösst, enterbt oder als Irre hinstellt, da hört meine Toleranz dann auf.
    Dei Hände in Unschuld zu waschen und Andere zm Schweigen zu bringen war schon immer probates Mittel.
    Umso strahlendner da dann Barenbioms Beispiel in Israel!
    Ich hoffe, dass vielleciht die Generationen, die nachfolgen und NICHT mehr persönlich involviert waren, da freier herangehen kônnen.
    Wer inneren Abstand hat, ist nciht mehr so an Schuld und Scham gebunden, denke ich.
    Ich habe jedenfalls vor vielen Jahren eine Einladung nach Bayreuth ausgeschlagen und da es sich beim dem Einlader um einen ausgewiesenen "Links-Intellektuellen" handelte, der trotzdem überzeugter Wagnerianer war, sehr heisse kontroverse Diskussionen geführt. Da muss einfach jeder sienen eigenen Standpunkt finden, Vielleciht würde ich heute doch mitfahren um eine Erfahrung zu machen? Aber ein solcher Ort kann, wie gesagt, kein gutes "Karma" haben.

    Das ändert für mich aber ncihts, an der (demagogisch) rauschhaften Wirkung von Wagners Musik, der ich mich selbst auch zu Zeiten nicht entziehe. Allerdings erzeugt jede Überdosis Übelkeit und ich muss das sehr dosiert zu mir nehmen.
    Castafiore hat mir zum Geburtstag (in pädagogischer Absicht :n2: :hearts:) iene Cd mit Arien-Highlights geschenkt. Das ist genau die richtige Ration, eine ganze Oper macht mir dann schon echte Probleme.
    Aber natürlcih kann niemand diesen Opern das Recht absprechen, auffgeführt zu werden., um zu Phoebe Eingangsfrage zurückzukommen.
    Solange keiner den armen Musencus zwingt, hinzugehen..... :lol:


    Fliegende Steine, Gioachino, fürchte ich nicht! Nur zu!


    Canti :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 11:23


    Ich habe mit bislang erst vier Wagneropern in Gänze "angetan" (Rheingold, Holländer, Tannhäuser, Meistersinger) und kann sagen, dass es sich um tolle Musik handelt.
    Stücke wie Isoldes Liebestod oder Wesendonck-Lieder sind einfach zum Sterben schön.

    Muss ich mir bei Hören wirklich Gedanken machen über die Gesinnung des Komponisten? Ich denke nicht!
    Wer weiß vieviele Sadisten, Tierquäler, Frauenhasser usw. noch unter den berühmten Komponisten waren.....

    Den Hype um den Grünen Hügel kann ich allerdings auch nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich hat irgendjemand mal die Parole ausgegeben, da müsste man hin und seither schlagen sich die Leute um die Karten.

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 12:00


    Bei aller Liebe und Freundschaft, ma chère Mezzo :hearts: , aber da muss ich protestieren!
    DAS ist mir nun wirklich zu bequem und in diesem Fall für mcih nciht akzeptabel.
    Hier geht es nicht um PRIVATEN Sadismus, Frauenhass etc sondern um die jüngste deutsche Geschicihte, die Nazi-Ideologie und deren verheerende Folgen und im Hause Wagner haben sich da sehr unmittelbar gefährlcihe und folgenreiche Dinge abgespielt.
    Dass die Musik selbst ncihts dafür kann, ist eine andere Frage und steht auf einem anderen Blatt.
    Natürlcih kann man die weiter mit Wonneschauern hören, aber die Hintergründe sollte man schon kennen und ernst nehmen. :schlaumeier:
    Canti :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 09.02.2007, 12:59


    Hallo, Canti,

    ich habe mich ja im anderen tread schon über die Zwiespältigkeit und auch die Vielschichtigkeit des Themas ausgelassen, und genau das macht es interessant.

    "Wer nicht mit dem Wolf heult" befindet sich auch (gelesen!) in meinem Bücherschrank. Genauso wie "Nacht über Bayreuth", "Wagner Theater" von Nike Wagner und auch Brigitte Hamanns Winifred - Biografie.

    Es macht die Sache sicher nicht einfacher, wenn man auch Winifred differenzierter betrachtet. Ich denke aber, dass dies auch trotz Ablehnung von "Hitlers Bayreuth" notwendig ist. Es hat mich doch überrascht, dass sie bis zum Kriegsende immer gezielter Menschen in ihrem Betrieb eingestellt hat, die aus Gründen der Verfolgung Schutz gebraucht haben. Dieser Umstand ist durch Zeugenaussagen Betroffener in ihrem zweiten (Berufungs-) Entnazifizierungsprozess belegt und trug wohl maßgeblich dazu bei, dass die Einstufung wesentlich milder ausfiel als zuvor.

    Zugegeben, die Entnazifizierungsverfahren waren lange nicht das, was eigentlich nötig gewesen wäre und man weiß, dass Leute, die von ihrer Aufgabe her schon ganz anders verwickelt sein mussten als die Leiterin eines Opernbetriebes, aus Staatsraisongründen der Amerikaner völlig unberechtigt freigekommen sind und durch ihr weiteres Agieren in Staat und Justiz Jahrzehnte der Republik ungut beeinflusst haben. Bei ihr jedoch lagen solche Gründe für eine mildere Behandlung nicht vor und der Schaden, den hier ein zu mildes Urteil hätte anrichten können, ist eher gering im Vergleich zu dem oben Erwähnten. Ich denke, es war eine weitgehend gerechte Abwägung.

    Ihr Verhalten nach dem Krieg bleibt unverständlich und hat nicht nur den kritischen Teil ihrer Familie vor den Kopf gestoßen. Ich hatte Gelegenheit, mit einem Sänger zu sprechen, der mal zu Winifred Wagner eingeladen war und entnahm seinen Worten, dass sie irrational - abgedreht wirkte.

    Genauso seltsam war, dass sie ständig Hitler als Person von den auch für sie offensichtlichen und auch von ihr wohl innerlich nicht gebilligten Untaten der Partei abgetrennt hat. So naiv kann eine Frau mit Hirn eigentlich nicht sein.

    Fragen über Fragen und kein positives Ende, Schönreden und Verschweigen. Ich verstehe gut, welche Dauerbelastung ein solches Aufwachsen für Menschen wie den Enkel Gottfried Wagner sein musste.

    LG

    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 13:31


    Liebe Dola, danke für diese Info über Winifred! Ich finde auch das Zwiespältige besonders interessant! Ihre Haltung als Retterin Verfolgter ist ein positiver Aspekt und ich bin froh, dass Du das geschrieben hast!
    Auch Wagner selbst war ja mit Menschen jüdischen Glaubens befreundet und seine schriftlich belegte antisemitische IDEOLOGIE hatte dann im privaten Umfeld plötzlich eine ganz andere Auslegung . Wenn es um eigene Freundschaften geht, kommt dann doch die Menschlcihkeit vor der Ideologie, was ich natürlich sehr sympathisch finde.

    Aber um das trotzdem auch mal provokativ von der perversen Seite zu sehen:
    Es gab ja auch nciht wenige aktive KZ-Folterknechte die sich für ihre geliebten Schäferhunde fast hätten lynchen lassen und zu Tränen gerührt waren, was Hundchen alles fürs Herrchen tat, wahrscheinlcih/ hoffentlcih auch ihre eigenen Kinder liebten, und daneben aber jüdische Menschen-Kinder ohne mit der Wimper zu zucken folterten und in die Gaskammern geschickt haben.
    Lassen wir das besser, sonst werde ich noch ausfallend.

    Menschen sind jedenfalls nie eindimensional zu sehen, sondern immer ambivalente Wesen, scheint mir. Auch im besten steckt ein Stück Grausamkeit und auch im schlechtesten ein netter Zug.

    Zu Winifred kann ich mir evtl vorstellen, dass sie einfach zu den Frauen gehörte, die vom offenbar stark vorhandenen Charisma Hitlers in den Bann gezogen waren?
    Mein Stiefvater hat mir erzählt, er habe sich dem als Kind in Berlin bei einer persönlcihen Begegnung mit Hitler auch absout nciht entziehen konnte, der charismatische Eindruck, den dieser Mann auf ihn gemacht habe, sei sehr intensiv gewesen.
    Das scheint auch ganz besonders auf Frauen so gewirkt zu haben(es gibt Berichte über Massenhysterien) und gerade Winifred wurde ja in besonderer Weise von ihm "hofiert. "
    Sehr Viele haben auch nach dem Krieg weiter behauptet "Der Führer hat solche Sachen nciht gewusst, er hätte sowas niemals befohlen".
    Vielleicht hat Winifred Wagner das auch geglaubt?
    Wie schwer muss es denn auch sein, sich einzugestehen, dass man auf Lug und Betrug und Schmach und Schande hereingefallen ist und einem Menschheits-Verbrecher in die Arme gefallen ist? Scih gar mitschuldig gemacht hat?
    Vielleciht ist sie angesichts dessen wirklich durchgedreht?
    Jedenfalls hat jemand wie Gottfreid Wagner (und auch Friedelind natürlich)meinen vollen Respekt, denn für ihn muss es besonders schlimm gewesen sein, gleichzeitig den Glauben an seine Familie und dann auch noch diese Familie selbst zu verlieren.

    Aber um wieder etwas weniger ernst zu sein:
    Môge dieser Wahn einen wahren und währenden Frieden finden.(könnte man als Graffiti in der Villa Wahnfried benutzen)
    Canti :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 16:01


    cantilene hat folgendes geschrieben: Bei aller Liebe und Freundschaft, ma chère Mezzo :hearts: , aber da muss ich protestieren!
    DAS ist mir nun wirklich zu bequem und in diesem Fall für mcih nciht akzeptabel.
    Hier geht es nicht um PRIVATEN Sadismus, Frauenhass etc sondern um die jüngste deutsche Geschicihte, die Nazi-Ideologie und deren verheerende Folgen und im Hause Wagner haben sich da sehr unmittelbar gefährlcihe und folgenreiche Dinge abgespielt.
    Dass die Musik selbst ncihts dafür kann, ist eine andere Frage und steht auf einem anderen Blatt.
    Natürlcih kann man die weiter mit Wonneschauern hören, aber die Hintergründe sollte man schon kennen und ernst nehmen. :schlaumeier:
    Canti :hearts:

    Liebe canti,
    ich habe 13 Jahre deutsche Schulen besucht - mir sind die entsprechenden Ideologien und Hintergründe durchaus bekannt.
    Wagner war ein Kind seiner Zeit - wie viele andere, weniger berühmte - auch. Ihm quasi vorzuwerfen, er wäre verantwortlich für Nazi-Ideologie und die entsprechenden Folgen nur weil Hitler ihn als Idol betrachtete, ist auch sehr bequem. Da gehören doch ein paar mehr Leute dazu - vor allem solche, die nicht in den Vordergrund treten, aber alles mittragen.

    Warum soll ich einen Frauenhasser oder Sadisten anders ansehen als einen Antisemiten?
    Ich weiß, es ist nicht politisch korrekt "extrem rechts" mit "extrem links" zu vergleichen - aber wir hatten bis vor kurzem einen Außenminister, der mit Mehrfachmördern sympatisiert hat (und desse aktive Beteiligung an Straftaten zumindest vermutet wird). Darf man deswegen keine Bücher von ihm lesen?
    Heutzutage werden in bestimmten Staaten Frauen zu Tode gesteinigt, andere Staaten nehmen in Kauf, dass bei Raketenangriffen auf mutmaßliche Terroristen ganze Familien mit ausgelöscht werden, Verurteilte lässt man jahrelang in Todeszellen schmoren usw. Auch da stecken Ideologien dahinter. Du wirst also verzeichen, dass ich mir um Wagners Gesinnung eher weniger Gedanken mache, schon gar nicht, wenn ich seine Musik höre.

    Wie Du schon sagst, es geht um jüngste deutsche Geschichte - ginge es um amerikanische, französische, israelische, afghanische, iranische oder sonstige Geschichte mit allen ihren hässlichen Seiten - kein Mensch würde sich dafür interessieren. (Das ist jetzt bewusst provokant formuliert)

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 16:30


    Liebe Mezzo, für mich sind das Alles dieselben paar Schuhe und keine Gegensätze. Da rennst du nur offene Türen ein. Linke oder rechte , deutsche oder israleische oder palâtinensiche Mörder gibt es für mcih nicht: Mörder ist Mörder ,Unrecht ist Unrecht.. Das ganz unmissverständlcih. :schlaumeier:
    Man kann nicht ein Verbrechen gegen ein Anderes aufrechen und keines wird schlimmer oder weniger schlimm, wenn man das tut. :d_neinnein:
    Nur: ich bin nunmal als (halbe) Deutsche geboren und damit fühle ich mich besonders in der Verantwortung, mich mit der Geschichte MEINES Volkes auseinanderzusetzen. Wäre ich eine Amerikanerin , sähe das sicher ganz anders aus und ich würde mcih vielleciht viel mehr mit der Geschcihte der Sklaverei befassen als ich das nun als Deutsche tue. Oder als Muslimin mehr mit der Unterdrückung der Frauen in islamistischen Regime.
    Aber so ist eben auch Wagner und seine Nazi-Verstrickung als Deutsche und Musikerin für mcih ein wichtiges Thema. Dass er nicht verantwortlich war, sondern funktionalisiert wurde und vor allem seine Familie mit der Nazi-Herrschaft verstrickt war, habe ich doc hunmissverständlich klargemacht. Und Dola auch. Seine antisemitischen Schriften bleiben dennoch Realität.
    Dass ich natürlcih weiss, dass DU die Hintergründe zwischen Wagner und der Nazi-Ideologie kennst, brauche ich ja kaum zu betonen, da hast Du mich vielleciht falsch interpretiert. Aber es gibt genug Leute, die das weiter leugnen, die es sich da sehr einfach machen und gegen die bin ich allergisch.
    Ich bin auch aus persönlichen Gründen in diesem Thema sehr involviert und kann mcih heute gar nciht von der Diskussion hier losmachen.
    In meiner engsten Familie gab es einen besessenen Wagnerianer, der in der SS war.
    Vielleciht wird dann manches klarer!
    :hearts: Canti



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 09.02.2007, 17:26


    Hallo, Mädels,

    irgendwie ist es ja nachvollziehabr, dass man sich zuerst mit dem befasst, was vor der eigenen Haustür ist (und war), und da ist in Bezug auf unser Thema noch genug. Das andere bleibt nicht außen vor (in Abgrenzung zu einer Haltung, die alles, was weit weg ist, abprallen läßt), aber wirklich heilen und ändern kann sich nur dann was, wenn aus den Völkern heraus die Initiative kommt oder von einem äußeren Einfluss aufgenommen wird. Die eigentliche Auseinandersetzung geschieht unter denen, die das Unrecht betroffen hat. Große und kleine Beispiele hierfür gibt es praktisch überall (Menschenrechtsgruppen, Wahrheitsfindungs- und Schlichtungskommissionen u.ä.) Andere können tatkräftig unterstützen, z. B. mit neutralen Gerichtshöfen (es gibt genügend Kandidaten in der Gegenwart, die vor einen solchen gehören), Angebote von Hilfsorganisationen zur Opferbetreuung u.ä.

    Und wir Deutschen, die wir immer noch alle unsere Altvordern, die sich in irgendeiner Weise in der Diktatur bewegt haben, kennen oder gekannt haben, machen das am besten bei uns (Hilfe für andere Völker ist nicht ausgeschlossen natürlich). Ich glaube auch, dass wir da inzwischen nicht mal schlecht vorangekommen sind, obwohl mich die erstarkenden Neonazi - Szenen schon wieder dran zweifeln lassen.

    Wir merken, dass wir zunehmend darunter leiden, dass ursprünglich in aller Welt geschätztes kulturelles Erbe (Musik, Mythologie, Kunst, Literatur, alles eigentlich) von Faschismus so missbraucht wurde, dass wir das lange gar nicht mehr angeguckt haben, denn wem vergeht es nicht dabei, wenn man bei harmlosen Volksliedern feststellen muss, dass sie möglicherweise zu Hymnen des Nazitums umgebaut wurden und manche scheinbar selig darin schwelgenden alten Herrschaften gleich die Ideologie mit dazuliefern. Darüber bin ich mehr als einmal geschockt gestolpert.

    Diese Vergangenheit ist noch Gegenwart und wird es noch eine Weile bleiben, auch und gerade um den Gesamtkomplex Wagner herum, obwohl ich mich mit Freuden daruf stürze, seine Stücke zu singen.

    In diesem Sinne,
    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 17:35


    cantilene hat folgendes geschrieben: Dass er nicht verantwortlich war, sondern funktionalisiert wurde und vor allem seine Familie mit der Nazi-Herrschaft verstrickt war, habe ich doc hunmissverständlich klargemacht. Und Dola auch. Seine antisemitischen Schriften bleiben dennoch Realität.
    Dass ich natürlcih weiss, dass DU die Hintergründe zwischen Wagner und der Nazi-Ideologie kennst, brauche ich ja kaum zu betonen, da hast Du mich vielleciht falsch interpretiert. Aber es gibt genug Leute, die das weiter leugnen, die es sich da sehr einfach machen und gegen die bin ich allergisch.
    Ich bin auch aus persönlichen Gründen in diesem Thema sehr involviert und kann mcih heute gar nciht von der Diskussion hier losmachen.
    In meiner engsten Familie gab es einen besessenen Wagnerianer, der in der SS war.
    Vielleciht wird dann manches klarer!
    :hearts: Canti

    Liebe canti,
    da sind wir doch völlig auf einer Linie. Wie Du richtig schreibst, er uns seine Werke wurden instrumentalisiert.
    Und da liegt der Knackpunkt: Werfe ich einem Komponisten - auch wenn er eine Gesinnung hatte, die man aus heutiger Sicht als absolut verwerflich bezeichnen muss, die aber in seiner Zeit gar nicht so ungewöhnlich und vielleicht sogar politisch korrekt war - das vor, was die Nachwelt aus seinen Werken gemacht hat?

    Ich versuche das Ganze einfach nur etwas differenziert zu sehen. Es gehörte viel mehr als ein Wagenersches Traktat und einige Opern dazu, den Nationalsozialismus in seiner schlimmsten Ausprägung zu befördern. Und so wie Du, canti, allergisch auf Leugner reagierts, reagiere ich allergisch auf alle, die Wagner-Fans in die rechte Ecke stellen wollen (das meint jetzt nicht Dich, canti :kuss: ).

    Dass Deine persönliche Historie Dich zu einer intensiven Beschäftigung mit den Thema drängt und Du daher nicht unvoreingenommen urteilen kannst, verstehe ich völlig.

    PS: Ich bezweifle, dass andere Staaten sich mit solch einer Begeisterung wie die D mit den Schandtaten ihrer Vergangenheit auseinandersetzen - aber das nur am Rande.

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 19:56


    Wie gut, dass wir uns in den Grundsatzfragen einig sind und uns hier nciht noch in politische Lager spalten! Als ich den Satz vom Ex-Aussenminister las, liebe Mezzo :hearts: , bekam ich schon leichte Panik...... :lol: :kaffee
    Frauen sind einfach konsensfähig, ich sags ja immer...... :bravo: Dieses sehr heisse Thema ist nämlich eine Fallgrube und wurde in anderen Foren schon zwangsweise geschlossen. aber NICHT bei uns! :bravo:
    Die Gewichtungen sind natürlich bei jedem jeder anders, und das ist auch gut so.
    Dass andere Länder vielleciht weniger Vergangenheitsbewältigung betreiben, mag vielfach zutreffen . Ich môchte nciht wissen, inwieweit die Russen inzwischen ihren Massenmôrder Stalin "verdrängt" haben und an Vietnam knabbert Amerika heute noch munter und jetzt erst recht wieder neu.
    Aber jeder kann nur bei sich selbst anfangen. Wenn man erst wartet, ob andere auch was machen, bewegt sich nie was.
    Und ausserdem hat Dola total Recht: erstmal mûssen die ran, die es betrifft. :d_neinnein: Dass das geht, hat die Wahrheitskommission in Südafrika uns gezeigt.
    Und eindrucksvollste Beispiel von deutsch-israleischer Versöhnung seit vielen vielen Jahren.
    Ich finde, nachdem das Ganze in den 70igern endlcih mal ins Laufen kam und die Wirtschaftswunder -Kompensations und Verdrängungsphase vorbei war, hat sich im Bewusstsein unseres Volkes SEHR viel getan und darauf kann man auch wirklich ein Stück stolz sein. Hier in Frankreichwird das auch anerkannt und Bücher und Filme über die Besch¨zaftigung der Deutschen mit ihrerVergangenheit(auc hder ostdeutschen Stasi!) finden grosses Lob und Interesse. (Gerade laüft der ausserordentlcih beeindruckende und oscarnominierte deutsche Film "Das Leben der Anderen" hier an)
    Die Neuen Nazis kommen ja bezeichnenderweise vor allem da her, wo der Faschismus eben NICHT in dieser aktiven Form aufgearbeitet wurde, weil es ihn offiziell gar nciht mehr geben durfte in der nazifreien Ostzone.
    Ein weites Feld!
    Ich grüsse allle hier diskutierenden Power-Ladies :kuss:
    Canti :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 23:19


    Keinen Panik, meine Aussage über Herrn F. hat nichts mit meiner politischen Präferenz zu tun...Aber ich finde es schon seltsam, welche kriminelle Vergangenheit der Herr Ex-Außenminister hat. Steine und Schlimmeres auf Polizisten werfen ist kriminell, egal aus welcher politischen Überzeugung heraus man das macht......

    Starke Nazi-Bewegungen gibt es übrigens auch in GB, USA und Polennicht nur in Ostdeutschland. Und was Herr Le Pen so von sich gibt (der vermutlich das Zünglein an der Waage bei den nächsten Präsidentschaftswahlen sein wird), ich weiß ja nicht. :d_neinnein:
    Im Übrigen sind den heutigen Rechtenradikalen die ideologischen Hintergründe völlig schnurz, die sind nur mit Hassparolen, die ihr eigenes selbstempfundenes Elend erklären, leicht einzufangen und freuen sich, wenn sie ihre Aggression an Schwächeren abbauen können.
    Viel schlimmer sind die heimlichen Sympatisanten solcher Gruppen oder Ideen....

    Aber zurück zum Thema:
    Ich gebe jetzt mal ein Beispiel, wie unterschiedlich Wagner wahrgenommen werden kann.

    Letztes Jahr war ich in den Meistersingern (war eine wunderbare Aufführung). In einer Szene setzt sich Sachs (er ist Schuster, oder?) auf eine Haufen alte Schuhe. Meine Begleitung (Mitte 60, vertrieben aus Ostpreussen) wurde sofort leichenblass. Sie hat darin sofort ein Zeichen für ein Vernichtunglager gesehen. Für mich war der Haufen einfach nur ein Requisit. Der Regieassistent konnte uns die Bedeutung übrigens nicht erklären...
    Hätte meine Begleitung die selbe Assoziation gehabt, wenn der Schuhhaufen in einer Verdi-Oper vorgekommen wäre?

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Phoebe - 09.02.2007, 23:38


    Hallo ihr lieben

    Schön daß ich hier offene Türen eingerannt habe...und daß es diese Diskussion vor kurzem erst gab habe ich gar nicht mitbekommen! :oops:

    Also, ich beschäftige mich auch mehr mit der deutschen Geschichte als mit der andrer Länder, allerdings muß ich schon sagen, daß ich den Eindruck habe, andere Völker tun das auch! Meine amerikanischen Freunde z.B. haben mich so bald wie möglich nach dem Kennenlernen auf die Naziherrschaft hier angesprochen, und darauf, warum sich meine Vorfahren so verhalten haben, wie sie sich verhalten haben ( es wird da natürlich davon ausgegangen, daß sich alle gleich verhalten haben )...als ich die amerikanische Geschichte der Sklaverei ansprach, waren sie total überrascht daß eine Ausländerin dazu etwas sagt.
    So viel also zum Thema "man beschäftigt sich mehr mit seinem eigenen Vorfahrendreck"...

    Nun, ich denke auch daß ich Wagnerwerke einfach genießen kann wenn sie mir gefallen...mit dem Menschen Richard Wagner kann ich mich ja dann gesondert auseinandersetzen, wenn es mich packt...als meine Freundin mich vor kurzem darauf ansprach sagte ich auch nur "der Tannhäuser gefällt mir und ich finde darin nichts, was bedeuten würde daß man ihn nicht aufführen darf ( außer vielleicht Wolfram's Satz : "so viele Helden, deutsch und weise"...den könnte man als Gesinnung deuten.

    Phoebe



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 09.02.2007, 23:54


    Phoebe hat folgendes geschrieben: Vorfahrendreck"...

    Nun, ich denke auch daß ich Wagnerwerke einfach genießen kann wenn sie mir gefallen...mit dem Menschen Richard Wagner kann ich mich ja dann gesondert auseinandersetzen, wenn es mich packt...als meine Freundin mich vor kurzem darauf ansprach sagte ich auch nur "der Tannhäuser gefällt mir und ich finde darin nichts, was bedeuten würde daß man ihn nicht aufführen darf ( außer vielleicht Wolfram's Satz : "so viele Helden, deutsch und weise"...den könnte man als Gesinnung deuten.

    Phoebe

    ...aber kein Mensch kommt auf die Idee, wegen Sarastros frauenfeindlicher Sätze die Zauberflöte nicht aufzuführen.....

    By the way: Ich habe hier vor kurzem die alte Everding-Inszenierung der Zauberflöte gesehen. Da legen Sarastro und die Königin der Nacht am Schluss gemeinsam Tamino und Pamina eine Art Umhang um, weil ja jetzt Tag und Nacht wieder vereint sind. Finde ich ein schöneres Schlussbild alle immer die arme Königin zu vernichten.... :dafür:

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 10.02.2007, 01:26


    Das Ende der Königin hätte ich eher dem Heuchler Sarastro gegönnt. Aber das nur nebenbei. Carlo Gesualdo, einer der bedeutendsten Komponisten der Renaissance ( Madrigale ! ) war erwiesener Maßen der Mörder seiner Ehefrau und der ihres Geliebten. Später ließ er sein ( ? ) zweites Kind beseitigen.
    Ansonsten war er Fürst und angesehener Komponist seiner Zeit.
    Was er sich - Gott sei Dank ! - versagte, waren Traktate, wie wir sie von R. W. kennen und verurteilen. Hätte der Mann doch die reichliche Zeit, welche er auf das Verfassen einiger unsäglicher Abhandlungen verschwendet hat, zur Komposition zusätzlicher Werke verwendet ! Wir lägen nicht fluchend auf Knien vor ihm !

    Ciao. Gioachino



    Re: Wagner - Kontroverse

    musencusmuc - 10.02.2007, 01:42


    Tja, ihr Lieben!
    Wer ist nun der / die Böse? Königin oder Sarastro?
    Wer weiß das schon. Auch da muss man das Geschehen doch in seinem Zeitrahmen sehen. Und natürlich gibt es haufenweise Komponisten, deren Lebenslauf durchaus nicht unbefleckt ist, aber das steht ja wirklich auf einem ganz anderen Blatt. Die Geschichte mit Wagner ist so schweirig, weil sie so eng mit dem dritten Reich verknüpft ist oder wurde. Aber tatsächlich muss ich die Lebenseinstellung eines komponisten nicht gut heißen, um seine Literatur hörenswert zu finden. Nicht einmal bei wagner muss ich das. Solange nicht eindeutige Textstellen, aus des Komponisten Hand geflossen, ein solches Unterfangen verbieten. Aber da fällt mir kein Beispiel dazu ein.
    Gruß und Kuss, der musencus
    ps ad gio Und wenn ich mir den dritten Stein dafür einfange: Was ist an Sarastro heuchlerisch? ist die Königin keine Heuchlerin? Gar eine Lügnerin?



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 10.02.2007, 09:30


    Noch eine Bemerkung zu Gesualdo:
    ein gehörnter süditalienischer Renaissance-Fürst durfte nicht nur ungestraft seine untereue Gattin nebst Liebhaber zur Strecke bringen; er musste es sogar: eine Frage der Ehre......
    Was dem Borgia-Papst in Rom recht war, war den gläubigen schäfchen billig
    Dass er ungeschoren davon kam, eine Selbstverständlichkeit, andernfalls wäre er viel eher Spott und Hohn anheimgefallen.

    Er soll aber nebenbei ganz froh gewesen sein, sich dieser angeblich etwas dümmlichen und viel zu jungen Person auf "ehrenvolle" Weise entledigen zu kônnen.

    Seine gesamte Musik ist so depressiv und schwermütig und von einer erschreckenden Modernität, dass man daraus durchaus auf den Geisteszustand des Komponisten schliessen könnte.

    Bei Sarastro und der Königin habe ich mir immer ähnliche Eifersuchtsdramen als Hintergrundgeschichte vorgestellt.
    Sarastros Frauenfeindlcihkeit als Resultat des Ganzen und seine Weisheit tatsächlich nur Heuchelei?
    Wäre doch mal eine nette Inszenierung.......
    Aber die, von der Mezzo erzählt, ist mir bereits SEHR sympathisch.
    Nun sind wir mal wieder ganz woanders :lol:
    Canti
    :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 10.02.2007, 11:05


    Wir Deutschen sind schon ein seltsames Volk! Häufig fallen wir von einem Extrem ins andere. Gleichzeitig treiben wir die Dinge bis zum Exzess. Oft wird konsequent nur schwarz-weiß gesehen und eine abweichende Meinung oder Verhalten verteufelt und nieder gemacht. Vom Obrigkeitsdenken bis zur Revolte, von schleimiger Angepasstheit bis zur permanenten Nörgelei, von resignativer LMAA-Einstellung bis zum Reform-Fanatiker - bei uns findet man alles.

    Doch so seltsam dies auch erscheint, zeigt es doch die Vielfalt unseres Landes. Aber wann lernen wir, damit vernünftig umzugehen?

    Für die Mehrzahl der heutigen Deutschen sind die Nazigreuel etwas aus der Geschichte bewußtes, nichts erlebtes, weil eben nach 1945 geboren. Wer heute z. B. die deutsche Statsangehörigkeit annimmt, der muß als neuer Deutscher sich auch dieser geschichtlichen Verantwortung stellen. Aber denkt da überhaupt jemand dran?

    Wie gehen andere Länder, Völker, Religionen mit ihren geschichtlichen Verfehlungen um? Zum Beispiel Russland mit den Massenmorden in den 30er Jahren, Amerika mit der Vertreibung und Vernichtung der Indianer, dem dortigen Rassismus vor dem 21. Jahrhundert oder den Atombomben von Hiroshima und Nagasaki, die Christen mit der Inquisition und den Kreuzzügen, die Chinesen mit der Kulturrevolution, um nur einige Beispiele zu nennen.

    Vergessen wir nicht, daß die Gleichberechtigung in Deutschland gerade erst 50 Jahre alt ist, die Aufhebung der Rassentrennung in Amerika erst 45 Jahre - und in Südafrika noch nicht einmal 20 Jahre. Von einer Gleichberechtigung der Frauen kann man wirklich nicht überall in Europa reden, schon gar nicht außerhalb der weltweiten Industriestaaten - und erst recht nicht in den islamisch dominierten Staaten.

    Es bleibt noch viel zu tun auf unserer Welt. Was wir heute bei uns als selbstverständlich ansehen, ist das woanders noch lange nicht. Es war ein langer, mühsamer Weg, und doch sollten wir weiter danach streben, alles was vernünftig erscheint, zu erreichen - erst mal bei uns natürlich. Bei anderen sollten wir unser Hilfe anbieten und geben, aber nicht aufdrängen. Wenn andere mit ihrer Geschichte sorgloser umgehen, dann ist das deren Sache. Wie wir das tun, ist unsere Sache - aber wir sollten doch in erster Linie daran denken, wie wir unsere Lebensverhältnisse heute für uns vernünftig gestalten und was wir tun, um den nachfolgenden Generationen auch ein ebensolches Leben zu ermöglichen.

    Üben wir uns in Geschichtsbewußtsein, statt in Selbstzerfleischung, in Toleranz, statt in der Pflege von Vorurteilen - aber übertreiben wir auch da nicht wieder! Schützen wir aber auch uns, unsere Kultur und unsere Lebensverhältnisse.


    Ciao :grübel Principe



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 10.02.2007, 12:36


    Guten Morgen,

    wenn Deutschland weiter sein sollte in der Geschichtsaufarbeitung als manche andere Länder, dann sollte dies positiv stimmen und durchaus beispeilhaft heranziehbar sein, aber Selbstzerfleischung ist das nicht. Unrecht einsehen und daraus positive Zeichen setzen kann man nie genug. Trauer- und Sühneabreit kann sehr vielfältig sein, die Zeitentwicklung ist dabei auch meist hilfreich, denn je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr Objektivität kann oft auch in dieser Bewältigungsarbeit einkehren. Dies ist in der ganzen Debatte und den Aktivitäten auch zunehmend ein Faktor und auch eine zeitgemäße Form, um wirkliche etwas zu bewirken. Das Anliegen wird aber, wenn man die Verhältnisse positiv gestalten will, immer ernst zu nehmen sein, incl. der Fragen, wie es dazu kommen konnte, und da sehe ich gerade auf dem Arbeits- sozialen Sektor ganz gewaltige Fehlentwicklungen (ist meine persönliche Meinung).

    Ich möchte auch hier ins Feld führen, dass wir gar nicht in aller Konsequenz umfassend beurteilen können, wie die Vergangenheitsbewältigung anderer Völker in Vergleich zu den Aktivitäten bei uns zu setzen ist. Um hier annähernd Überblick zu erhalten, reicht Tagesschau gucken bei Weitem nicht aus und auch die Informationen aus Sendungen wie Weltspiegel oder der Lektüre politischer Magazine nicht. Ich kann mir meine Meinung über einzelne Aktivitäten und meist fehlende Regierungsunterstützung irgendwo bilden, aber ein Gesamtbild wird uns in den meisten Fällen fehlen und darum enthalte ich mich solcher Vergleiche besser gänzlich.

    Zu den hier lange lebenden Einwanderern und Neueingebürgerten:
    Durch meine Stadt wurden 1945 die verbliebenen Häftlinge des KZ Dachau auf einem kilometerlangen Todesmarsch getrieben. Daran erinnert eine Gedenkskulptur in der Stadtmitte, deren Ausfertigungen auf mehrern Etappen dieses Marsches aufgestellt sind. Am 27.1. findet jählich eine kleine Gedenkversammlung dort statt, organisiert von einem Arbeitkreis, dem ich auch angehöre. Zu dieser Veranstaltung reisen abwechselnd drei ältere Herren, heuer Herr Noar aus Israel an, die überlebt haben. Heuer habe ich beobachtet, dass die drei SchülersprecherInnen der Hauptschule Herrn Noar im Namen der Schüler etwas feierlich überreicht haben. Zwei der Jugendlichen sind entweder türkisch oder eingebürgert und mit hoher Wahrscheinichkeit Muslime. Es war beiden Seiten der tiefe Ernst bei der Sache anzumerken. Über solche Begebenheiten schreiben die Zeitungen leider kaum etwas.

    Liebe mezzo,
    ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich das jetzt hier schreiben soll, aber ich tue es doch, es liegt mir einfach zu quer. Ich finde es, in aller Freundschaft ehrlich gesagt, unpassend, J. F.s Jugendverfehlungen, auch wenn sie zu Recht teilweise strafrechtlich relevant waren (und die er glaubwürdig bereut hat), in die Reihe dieser Diskussion und der sicherlich berechtigt genannten Unrechtsregime zu stellen. DAS steht nun wirklich in keinem Verhältnis zueinander und dies würde ich in einem ähnlichen Konstellation auch bei Personen anderer politischer Lager sagen.

    LG

    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 10.02.2007, 15:23


    dola hat folgendes geschrieben:
    Liebe mezzo,
    ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich das jetzt hier schreiben soll, aber ich tue es doch, es liegt mir einfach zu quer. Ich finde es, in aller Freundschaft ehrlich gesagt, unpassend, J. F.s Jugendverfehlungen, auch wenn sie zu Recht teilweise strafrechtlich relevant waren (und die er glaubwürdig bereut hat), in die Reihe dieser Diskussion und der sicherlich berechtigt genannten Unrechtsregime zu stellen. DAS steht nun wirklich in keinem Verhältnis zueinander und dies würde ich in einem ähnlichen Konstellation auch bei Personen anderer politischer Lager sagen.
    LG
    dola

    Liebe Dola,
    es ging nicht darum, Herrn J.F. in eine Reihe mit Unrechtsregimen zu stellen, sondern aufzuzeigen, dass man wegen Verfehlungen bzw. unkonformen Ansichten jemanden nicht auf ewig verdammen darf. Mir fallen spontan noch mehrere Politiker aller Couleur ein, die straffällig geworden sind und die trotzdem viel Geld verdienen mit Büchern, Vorträgen und in irgendwelchen Aufsichtsräten.
    Will sagen - warum darf man wegen der (natürlich zu verurteilenden) antisemitischen Haltung von Herrn Wagner seine Musik nur mit schlechtem Gewissen hören, die Bücher eines ehemals Molotowcocktails-werfenden Ex-Politikers aber mit ruhigem Gewissen lesen können? Von Ex-Kanzlern, Ex-Innenministern, Ex-Fraktionsvorsitzenden usw., die alle in mehr oder weniger schmutzige Geldgeschäfte verwickelt waren, rede ich gar nicht......

    Nur um das Klarzustellen: Ich verurteile jegliche Form von Extremismus, egal in welche Richtung oder gegen wen er sich richtet.

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 10.02.2007, 17:51


    @ musencusmuc :
    Man muss ja nicht so weit wie Hildesheimer gehen, der die Zauberflöte, oder besser : das Libretto dazu, ein Machwerk genannt hat, und hier besonders die papierene Figur des Sarastro.
    Dieser Oberguru raubt einer Mutter die Tochter, welche er - wie edel ! - nicht zur Liebe zwingen will. Er ist Boss eines obskuren, frauenfeindlichen Männerbundes, dessen " erste Pflicht " darin besteht " sich vor Weibertücken zu bewahren ". Er hält sich einen, natürlich schwarzen, Obersklaven namens Monostatos, den zu züchtigen ihm in seinen rachefreien Hallen keinerlei Problem bereitet.
    Die Königin der Nacht ist mir in ihrer Verzweiflung und sogar in ihrer ehrlich eingestandenen Rachsucht viel sympathischer, ganz zu schweigen von den anderen Frauengestalten, wie Pamina und den Damen. Wäre nicht der wunderbare Papageno, man könnte an den Männern in diesem Werk verzweifeln, auch und besonders an dem Reißbrett - Prinzen Tamino und natürlich an der Sippe der priesterlichen Jasager !
    Hier schließt sich der Ring zu den ähnlich veranlagten Gralsrittern bei Wagner - womit wir sogar beim Thema geblieben wären. :bravo:

    Ciao. Gioachino



    Re: Wagner - Kontroverse

    Phoebe - 10.02.2007, 18:32


    Lieber Gioachino,

    ich muß dir mal ein Kompliment machen...deine Beiträge zu lesen ist doch immer wieder ein literarisch - humorvoller Genuß. So ernst du auch bleibst, du findest immer den Ton, der mich unterhält und zum weiterlesen "zwingt"... :bravo:

    Du solltest Schreiben!

    Deine schmunzelnde Phoebe



    Re: Wagner - Kontroverse

    Orphenica - 10.02.2007, 19:53


    Hallo zusammen,

    spannende Diskussion, die wirklich zum Nachdenken anregt!

    Ich glaube, wir tun R. Wagner Unrecht, wenn wir seine Person, seine Schriften, seine musikalischen Werke ausschließlich mit unserer heutigen Brille betrachten, will heißen mit unserem Wissen um Nazi-Ideologie und Holocaust. Der Antisemitismus als solcher ist so alt wie das Judentum selbst. Es gab ihn in der Antike, im Mittelalter, in der frühen Neuzeit, und in seiner rassistischen Ausprägung seit dem 18./19. Jahrhundert. Dies rechtfertigt natürlich nicht ein Traktat wie Wagners "Das Judenthum in der Musik" und die geistige Verirrung, die darin steckt. Dennoch verkürzt und verfälscht man die Sache, wenn man die Gleichung aufstellt: Wagner = Nazi = politisch unkorrekt, also abzulehnen. Dass Wagner in jungen Jahren AUCH Anhänger der 1848er Revolution war und aus politischen Gründen fliehen musste, wird komischerweise selten erwähnt. Aber "revolutionär" damals ist auch wieder nicht gleichbedeutend mit "links-demokratisch" heute. Die Revolutionäre von 1848 verfolgten bürgerlich-demokratische Ziele und strebten die Abschaffung der absoluten Monarchie an (und die Entmachtung des Adels), sie waren aber eben auch patriotisch-nationalistisch gesinnt, was eben z.B. eine anti-jüdische Gesinnung absolut nicht ausschloss. Wagner war kurze Zeit in einer schlagenden Studentenverbindung (wurde dort aber noch als Student ausgeschlossen) - aus heutiger Sicht höchst suspekte, undemokratische "Männerbünde" (s. Sarastro - hier schließt sich der Kreis wieder, mit Gruß an Gio :lol: ), damals aber zumindest z.T. national-demokratisch gesinnte Vereinigungen, die das biedermeierlich-verschlafene Deutschland aufrüttelten. Ich will damit nur sagen: man kann einfach nicht so schwarz-weiß an die Sache rangehen, egal mit welcher Epoche, mit welcher Biographie, mit welchem musikalischen Werk man sich beschäftigt.

    Wagner hat die Exzesse in Hinblick auf die Judenvernichtung, die u.a. er theoretisch mit vorbereitet hat, ja nicht mehr miterlebt. Für das Verhalten seiner Nachkommen kann man ihn und sein musikalisches Werk nicht verantwortlich machen.

    Davon mal abgesehen bin ich kein Wagner-Fan, ich habe bislang einfach den Zugang zu seiner Musik noch nicht gefunden, was aber nicht an seiner politischen Gesinnung liegt.

    Liebe und nachdenkliche Grüße von

    Orphenica

    :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 11.02.2007, 00:47


    mezzo hat folgendes geschrieben: Liebe Dola,
    es ging nicht darum, Herrn J.F. in eine Reihe mit Unrechtsregimen zu stellen, sondern aufzuzeigen, dass man wegen Verfehlungen bzw. unkonformen Ansichten jemanden nicht auf ewig verdammen darf.


    Hallo, Mezzo,

    danke für die Klarstellung. Diesem Satz stimme ich voll und ganz zu. Wagner =Nazi: Diese "Gleichung" geht für mich keinesfalls auf, schon deswegen nicht, weil Wagner wegen seiner weit davor liegenden Lebenszeit nicht einmal diesen Begriff kennen konnte und man niemanden dafür verantwortlich machen kann, was die Nachkommen mit der hinterlassenschaft tun. Es ist mir allerdings immer ein Anliegen, dass ich mich, wenn es irgendwie geht, auch mit den Hintergründen dessen, was ich singe, zu befassen, und das ist bei Wagner ein großes und auch essentielles Thema.




    Wenn man unabhängig von so mancher Mainstream - Schulunterrichts - Geschichtsschreibung in das 19. Jahrhundert Deutschlands hineinschaut, findet man bald heraus, dass wir durchaus gute Chancen gehabt hätten, schon damals einen (wohl zunächst rein bürgerlich- )demokratischen Weg zu beginnen. Es trifft keinesfalls zu, dass die revolutionären Bestrebungen, für die Wagner sich engagiert hat, nur die Schaffung des Nationalstaats (der allerdings wirklich erforderlich war zu dieser Zeit) zum Ziel hatten, sondern gleichzeitig die Errichtung einer Demokratie mit den (leider ja in Blut untergegangenen) Idealen der Französischen Revolution. Wenn man heute den Begriff "großdeutsche Lösung" hört, fällt einem jede Kinnlade runter, aber damals bedeutete diese Forderung Demokratie für den deutschen Sprachraum (incl. Eingliederung Österreichs) mit vollen Bürgerrechten für alle, auch für die Juden. Dies wollte die Mehrheit des Volkes bis hinein in die gerade im Entstehen begriffene Arbeiterbewegung. Eine Unmenge von Gedichten und Liedern, die man allgemein als sog. deutsches Liedgut kennt, haben ihren Ursprung in diesem politischen Freiheitsstreben und auch in der Auflehnung der Arbeiterschaft gegen ihre Lebensbedigungen. Auch Wagners Werke lassen Interpretationen in diese Richtung zu, z. B. der Ring.

    Was schließlich von dieser deutschen Geschichte "von unten", gequirlt durch den Müll des 20. Jhnt. in der Bundesrepublik Deutschland und in den Schulbüchern ankam, ist völlig verdreht.

    Es macht immer wieder Spass, ewig Gestrigen und Deutschnationalen heutigen Zuschnitts in dieser Weise ihre Lieblingslieder um die Ohren zu hauen.

    LG,

    dola
    (verstrickt in einem Lieblingsthema)



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 11.02.2007, 01:08


    @orphenica: Übrigens hat Wagner nach seinem Aufsatz Das Judentum in der Musik keine antisemitischen Äußerungen mehr zu Papier gebracht. Im Gegenteil, er hat wohl seine Aussagen - die übrigens hauptsächlich auf einer persönlichen Antipathie zu Meyerbeer und Mendelssohn fußten - weitestgehend zurückgenommen. Dass der Aufsatz später nochmal veröffentlicht wurde, ist wohl Cosima zuzuschreiben. Selbst israelische Historiker schreiben dem Aufsatz keinen Signalwirkung für spätere Agitationen zu...

    Zur Zauberflöte:
    Ist die Königin nicht schon deswegen ein "Feindbild", weil sie für die damalige Zeit ziemlich "unweiblich" handelt. Sie strebt nach Macht bzw. will diese behalten und setzt dafür alle Mittel ein. Das machen sonst nur Männer....(zumindest damals).

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Orphenica - 11.02.2007, 15:27


    @ Dola: Du hast recht, ich habe meinen historischen Exkurs über die 1848er Revolution reduziert auf die bürgerlich-nationale Strömung und dabei demokratisch-republikanische Ansätze unterschlagen. Das deshalb, weil ich auf die Linie "anti-monarchistisch - national /patriotisch " und ihre Weiterentwicklung hin zu "nationalistisch" und im Extrem "rassistisch" hinaus wollte. Auch das ist aber natürlich eine grobe Vereinfachung, nach dem Motto, die Aufständischen von 1848 waren die späteren Nationalisten / Rassisten. Auf große Teile des Großbürgertums trifft das schon so ungefähr zu. Wo allerdings Wagner genau in dieser politischen Lage anzusiedeln ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Vermutlich war er gerade in jungen Jahren auf der Seite der republikanisch gesinnten Studentenschaft zu finden. Ach ja, ich habe vor kurzem Wagner frühes Werk "Das Liebesverbot" (1836) in der Kammeroper gesehen, das genau diesen freiheitlichen Geist des "Jungen Deutschland" atmet!

    Na, jetzt kriege ich ja doch langsam Lust, mich näher mit dem Herrn und seiner Musik zu beschäftigen. :dafür:

    Liebe Grüße,

    Orphenica
    :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 11.02.2007, 16:37


    Liebe Orphenica, in dem alten Wagner-Thread, der ja leider nciht mit diesem hier verbunden wurde oder verbunden werden konnte, hatte ich schon geschrieben, dass Wagner in Sachsen als politisch aktiver Demokrat polizeilich verfolgt wurde und das Land verlassen musste.
    Die genauen Umstände habe ich nicht mehr im Kopf, aber er war ein Idealist der Freiheit und vor allem gegen jede Zensur und Beschneidung der Literatur, Kunst etc.?
    Kann gerne nochmal nachlesen!
    Das Thema 1848 haben wir im Geschcihtsuntericht auch sehr intensiv mit verschiedenen Facetten behandelt und sogar das Hambacher Schloss besucht, ganz um die Ecke bei unserer leiben Califonia.
    Leider ist diese anfangs vielversprechende deutsche Revolution dann im Biedermeier und kleinbürgerlcihen Micheltum versandet und ihre wirklich weiterführenden Ideen sind dann in die sozialistische Bewegung eingegangen, die aber im Endeffekt doch eine andere Ausrichtung hatte.
    Was einstmals zusammen auf den Barrikaden stand, wurde dann am Ende vom bürgerlich-nationalen Zweig der Bewegung als vaterlandslose Gesellen diffamiert: umso leichter konnte man alles, was nach Sozialismus roch, als Gefahr für die Nation hinstellen.
    Wagner war ein Deutscherund hat ja auch in seinem Werk viel deutsches Legendengut benutzt. Er hat auch sicher nciht wirklcih mit dem Kommunismus im Marx/Engelschen Sinne sympatisiert, dazu war er im allgemeinen zu sehr von seiner Auserwähltheit als einzigartiger Künstler überzeugt.
    Aber ich kann, wenn Bedarf, das gerne noch mal genauer nachlesen.

    Mich würde hier in dieser Diskussion nochmal Wagners Frauenbild interessieren.
    Da wir schon bei Sarastro und der Königin sind: wie stehen denn die Frauen bei Wagner da?
    Senta und Elsa und Elisabeth, die keuschen Erlöserinnen?
    Und Kundry aus dem Parsifal?
    Und als die verschiedenen Frauen im Ring?
    Wûrde mich sehr interessieren wie ihr das seht.
    Canti :hearts:





    aber wie



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 11.02.2007, 17:30


    Liebe canti - es ist das HAMBACHER Schloss :schlaumeier:

    Wagners Frauen - interessante Frage.
    Senta, Elsa und Elisabeth weisen für mich einen Hang zur Selbstzerstörung auf. Sie suchen ein hehres Ziel - vielleicht um der sonstigen "Sinnlosigkeit" ihres Daseins zu entkommen.
    Sie wollen einen Mann erlösen und ziehen das mit tödlicher Konsequenz durch.
    Was uns Wagner damit sagen will, kann ich nur spekulieren....
    Soll es bedeuten, dass sich die Frau nur über den Mann definieren kann, dass ihr einziger Lebenszweck die "Erlösung" des Mannes ist?
    Oder deutet dies an, dass Frauen mehr können als Garn spinnen, gut aussehen und darauf warten, dass sie verheiratet werden?

    Viel Diskussionsstoff...

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    dola - 11.02.2007, 17:55


    Ich gehe auch davon aus, dass Wagners Geisteshaltung in seiner revolutionären Phase eher schwärmerischer Natur war, ohne sich näher mit politischen Inhalten auseinanderzusetzen. Er wußte wohl vor allem in dieser Zeit, wogegen er war und dass Rabatz die Parole der Stunde war. Eigentlich lustvoll und sehr lebendig sowas :welcome:

    @mezzo:
    Auch wenn du solche Dinge grundsätzlich anders siehst: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Gute irgendwo da oben sitzt und es ihm schrecklich Leid tut, was er, ohne Wissen und Wollen da mit seinem Sch....- Pamphlet angerichtet hat. Jedenfalls, ich geniesse seine Werke mit Lust und Laune und finde, dass die Befassung mit dieser ganzen Geschichte mich bereichert hat. Vielleicht hatte so mancher Komponist nur das Glück, zufällig halt nicht Hitlers Präferenz gehabt zu haben.

    Nun, es haben wohl alle Nationalstaaten des 19. und frühen 20. Jhnts. erfahren müssen, egal ob Revolutionen für Demokratie erfolgreich (la France, USA, irgendwie auch GB) oder nicht (D), dass man die Rechte der Arbeiterschaft und der Frauen nicht ungestraft ausser Acht lassen sollte. Auch diese Lehre wäre aus der Geschichte zu ziehen, aber das klappt schon wieder nicht. :schlaumeier:

    Das Frauenbild in der Oper und der textenden und komponierenden Herren dahinter in dieser Zeit lässt in unseren Augen zu wünschen übrig, jedoch muss man auch sehen, aus welchen Bedingungen heraus sich das entwickelt hat, und da stellt sich heraus, dass es schon ein Fortschritt war, dass überhaupt so exponierte und teilweise auch starke, wenn auch rollenkonforme Frauencharaktere ausgearbeitet wurden. Kommt man doch aus einer Tradition, die Frauen ursprünglich das öffentliche Singen verboten hat. Trotzdem will ich die vielen intelligenten Frauen der Zeit, die an diesen Konventionen schier verzweifelt sind, nicht außer Acht lassen.

    Ich bin genausowenig mit der Verteilung von Gut und Böse in der Zauberflöte einverstanden wir ihr, aber wenn man sich die liebenswerte Figur des Papageno genauer anschaut, dem viel Raum gegeben wird, Volkes Meinung zum elitären Freimaurer - Geweihräuchere und -heuchele kundzutun, ist die Idee gar nicht so abwegig, dass unser immer zu Scherzen aufgelegter Freund Mozart auch seine Logenbrüder hintersinnig auf die Schippe genommen hat. Wer weiß....


    dola



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 11.02.2007, 21:11


    dola hat folgendes geschrieben: @mezzo:
    Auch wenn du solche Dinge grundsätzlich anders siehst: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Gute irgendwo da oben sitzt und es ihm schrecklich Leid tut, was er, ohne Wissen und Wollen da mit seinem Sch....- Pamphlet angerichtet hat. Jedenfalls, ich geniesse seine Werke mit Lust und Laune und finde, dass die Befassung mit dieser ganzen Geschichte mich bereichert hat. Vielleicht hatte so mancher Komponist nur das Glück, zufällig halt nicht Hitlers Präferenz gehabt zu haben.

    Ich nehme an, Du meinst damit, dass ich nicht an das "da-oben" glaube?
    Ansonsten bin ich nämlich völlig d'accord mit Deiner Aussage. :dafür:


    dola hat folgendes geschrieben: Ich bin genausowenig mit der Verteilung von Gut und Böse in der Zauberflöte einverstanden wir ihr, aber wenn man sich die liebenswerte Figur des Papageno genauer anschaut, dem viel Raum gegeben wird, Volkes Meinung zum elitären Freimaurer - Geweihräuchere und -heuchele kundzutun, ist die Idee gar nicht so abwegig, dass unser immer zu Scherzen aufgelegter Freund Mozart auch seine Logenbrüder hintersinnig auf die Schippe genommen hat. Wer weiß....

    Sehr sympatische Deutung - die Idee gefällt mir.

    LG
    mezzo



    Re: Wagner - Kontroverse

    Anonymous - 11.02.2007, 23:00


    Liebe Mezzo, das war mal wieder ien Post, den ich nicht mehr Korrektur lesen konnte und dann kommen solche Sachen vor.... :oops: :kaffee
    Habs verbessert und weiss ja, dass Hamburg nicht in der Pfalz liegt und in HamBACH empfehle ich , direkt auf dem Weg zum Schloss die Weinstube "Mohre-Jule" und dort einen ganz besonderen Wein: den Morio-Muskat-erinnere mich mit grossen Genuss an diesen Schulausflug und auch spätere private Besuche dort :n1: :sauf:

    Zu Wagners Frauen:
    da gibt es ja nun verschiedene Kategorien und ich hoffe, da kennt sich jemand hier ein bisschen aus, was die Unterschiede angeht. Ich kenne nämlich nur wenige so, da ich wirklcih fundiert etwas dazu sagen kann.
    Aber was ich viellciht besser kenne als die Opernfrauen, ist Wagners persönliches Verhältnis (aus Briefen und Biographien!) zu den drei wichtigen Frauen seines Lebens: der ersten Ehefrau Minna, der zweiten Ehefrau Cosima und der Muse und Geliebten Mathilde Wesendonck.
    Wenn man seine Briefe insbesondere an Mathilde und Cosima liest, weiss man manchmal wirklich nicht, ob mùan das noch ernstnehmen oder laut lachen soll.
    Minna, die eine erfolgreicheSchauspielerin und "emanzipierte" Frau war , scheint etwas andere Seiten in ihm geweckt und gelbt zu haben als ihre Nachfolgerinnen. sie hat auch die ganze schwere Notzeit(politische Verfolgung, Armut, Bettelei bei Freunden, Exil)) mit ihm geteilt, während Cosima dagegen Wohlstand und Lorbeeren (und Kinder )abbekam. C'est la vie!

    Jedenfalls hat Wagner Cosima so in den Briefen projiziert, a wie wir nun Senta, Elsa und Elisabeth kennen: ein Weib, das seine vornehmste Aufgabe darin sieht, und dessen einzige Bestimmung neben dem Kinder gebären, es ist, dem Manne Inspiration, Hort und Herd für sein höheres Schaffen zu sein.
    Cosima hat sich in diese "heilige Berufung und geweihte Bestimmung" mit voller Hingabe gestürzt. sie hatte auch allerhand zu kompensieren, denn zur damaligen Zeit war die Scheidung und die voran gegangene "Dreckwäsche" mit Hans von Bülow ein Riesenskandal, zumal Liszt, ihr Vater hochkatholisch war und solches Verhalten nicht gutheissen konnte.
    Wagners Kinder weiter dem Ehemann unterzuschieben(wie dumm können Männer eigentlch sein?????) unterzuschieben und strikt Alles abzuleugnen, bis die endgültige Trennung nicht mehr zu verhindern war.... nun das hat ihr wohl so auf der Seele gedrückt, dass sie sich anschliessend nur noch ganz opfern konnte und sich bis zum Exzess und völliger Selbstaufgabe dem neuen Gatten "geweiht" hat.
    Das ist ein typisch wagnersches Frauenschema und in seinem eigneen Leben hat es Spiegel oder Vorbild gefunden-wie herum man es lieber sehen mag.
    Mathilde Wesendonk dagegen hatte iene andere Rolle-sie war vor allem Muse und Isolde des Tristan.
    Das war die erotisch begehrte aber verheiratete Geliebte, mit der es NICHT zum Happy End kam, denn sie hat iene Trennung/Scheidung von ihrem Mann abgelehnt und Wagners Werben im Gegensatz zu Cosima letzlcih nciht nachgegeben.
    Isolde ist im Gegensatz zu Elsa oder Senta nciht die reine Heilige/Erlôserin sondern eine Ehebrecherin, die ihren Mann um eines Geliebten willen verlässt und dafür natürlcih sterben muss-Happy End moralisch ausgeschlossen. :schlaumeier:
    Wenn auch der Liebestod für uns noch eine positive Variante offen lässt und daher sympathisch also tröstlcih ist.
    Aber was ist mit Kundry oder den Ring-Frauen?
    Da kenne ich mich leider gar nciht aus und frage die Wagnerianer unter euch.
    Canti :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    musencusmuc - 12.02.2007, 03:05


    gioachino hat folgendes geschrieben: @ musencusmuc :
    ... Dieser Oberguru raubt einer Mutter die Tochter, welche er - wie edel ! - nicht zur Liebe zwingen will. Er ist Boss eines obskuren, frauenfeindlichen Männerbundes, dessen " erste Pflicht " darin besteht " sich vor Weibertücken zu bewahren ". Er hält sich einen, natürlich schwarzen, Obersklaven namens Monostatos, den zu züchtigen ihm in seinen rachefreien Hallen keinerlei Problem bereitet.
    Die Königin der Nacht ist mir in ihrer Verzweiflung und sogar in ihrer ehrlich eingestandenen Rachsucht viel sympathischer, ganz zu schweigen von den anderen Frauengestalten, wie Pamina und den Damen. Wäre nicht der wunderbare Papageno, man könnte an den Männern in diesem Werk verzweifeln, auch und besonders an dem Reißbrett - Prinzen Tamino und natürlich an der Sippe der priesterlichen Jasager !
    Hier schließt sich der Ring zu den ähnlich veranlagten Gralsrittern bei Wagner - womit wir sogar beim Thema geblieben wären. :bravo:

    Ciao. Gioachino

    Lieber Gio!
    Aus heutiger Sicht betrachtet bietet die Zauberflöte das, was die meisten Opern bieten: SCHUNDLITERATUR. Dreigroschenromanniveau (heißt das jetzt eigentlich 30-Centliteratur??)
    Betrachtet man die Charaktere genau:
    Tamino - ich stimme Dir zu, schöner, dummer Bubb, dessen Schicksal vom ersten Auftritt an klar ist.
    Pamina - da stimme ich Dir nicht zu, langweiliges Mäderl, das sich in höchst untypischer Weise in ihrer Arie äußert. Die passt gar nicht zu dem jungen Ding, die eigentlich nix im Hirn hat, als einen tollen Mann zu heiraten.
    Damen - kann ich auch nicht zustimmen, sie sind das Gegenstück zu den - mit Recht als Jasager abgestempelten - Priestern.
    Papageno - entweder ein genialer Filou, oder aber eine Lachnummer, die den Weg in die Oper wirklich bloß über Schikaneders "komik" gefunden hat.
    Papagena - ???
    Königin - offen rachsüchtig, hat den Sonnenkreis, obwohl er ihr nicht dediciert war, weiß als Problemlösung auch nur "Sarastro verhackstücken", dabei weiß sie doch sehr wohl, warum Sarastro ihr die Tochter entwendet hat!!
    Sarastro - Turbomacho, da gebe ich Dir Recht, mit zweierlei Maßen messend, auch da gebe ich Dir Recht. unterm Strich aber noch derjenige, der von Anfang an ein Ziel vor Augen hat, das er auch durchsetzt; so rückschrittlich das heute auch erscheinen mag ...
    Die wirklich außergewöhnlichen Gestalten der Zauberflöte sind die drei Knaben!! Sie gehören nirgends hin und geben Weisheiten zum Besten, sie sind am "Guten" orientiert und kennen keinen Fehl.
    Dass das musikalisch alles ganz anders aussieht steht auf einem anderen Blatt!
    Liebe Grüße vom Zauberflötenfan musencus



    Re: Wagner - Kontroverse

    cosima - 13.02.2007, 20:11


    Nun habe ich hier alles zum Thema Wagner gelesen - und muss mich endlich zu Wort melden, schließlich nenne ich mich ja nicht umsonst Cosima.
    Ich muss ein bisschen ausholen: in unserem Elternhaus (Gioacchino kann´s bestätigen) gab´s nur klassische Musik von Schallplatten zu hören, aber zumindest ich erinnere mich nicht daran, als Kind auf diese Weise an Wagner herangeführt worden zu sein. In den 60-er Jahren auf- gewachsen, habe ich die Verquickung Wagner - Nazis gelernt und nicht in Frage gestellt. Die Musik war mir jahrzehntelang "zu laut" und "zu bom- bastisch", ohne mich intensiv mit ihr auseinandergesetzt zu haben. Irgendwie war ich lange Zeit merkwürdig unmotiviert, an dieser Haltung etwas zu ändern oder sie zumindest mal zu überprüfen und so bedufte es eines Anstoßes meines "großen" Bruders, der mich vor ca. einer Dekade einfach mit in den "Ring" nahm. Seitdem bin ich absolut süchtig nach die- ser Musik und finde auch, dass gerade der "Ring" unglaublich modern und aktuell ist.
    Die wichtigen Frauen im "Ring" (Sieglinde, Erda, Fricka, Brünnhild) sind m. E. viel stärker als die Männer und bewegen viel mehr. Wotan ist der traurige Gott, der sich und seinesgleichen selber austrickst, Fricka hat wenigstens feste Prinzipien, so dass man sich auf sie verlassen kann, Sieglinde handelt aus Überzeugung und Emotion, sie ist verdammt mutig, sich diesem Ekel Hunding zu entziehen, aber sie weiß wofür sie´s tut: für Siegfied, der ja alles in Ordnung bringen soll, was sein Großvater Wotan vers... hat. Siegfried ist nun ein verzogener Tor, der vor Kraft nicht gehen kann und sonst nicht viel in der Birne hat. Brünnhild, die ihn - warum auch immer - liebt, hat schon zur Rettung seines Vaters Siegmund alles riskiert, sie ist eine echte Frau, die für ihre Überzeugung und Liebe in den Tod geht, aber nicht, weil sie sich für irgendwen opfert, sondern weil sie konsequent ist, so wie übrigens auch Isolde. Wer einen guten musikalischen wie inhaltlichen Einstieg in den "Ring" sucht, sollte auf die Einspielung von Vicco v. Bülow zurückgreifen, der (nomen est omen) ein großer Wagnerianer ist.
    Ich hoffe, meine Auslassungen waren nicht allzu ermüdend!
    :hearts:



    Re: Wagner - Kontroverse

    cosima - 13.02.2007, 20:26


    musencusmuc schrieb:
    Sarastro - Turbomacho, da gebe ich Dir Recht, mit zweierlei Maßen messend, auch da gebe ich Dir Recht. unterm Strich aber noch derjenige, der von Anfang an ein Ziel vor Augen hat, das er auch durchsetzt; so rückschrittlich das heute auch erscheinen mag ...

    In erster Linie, ich muss es gestehen, finde ich Sarastro sowas von erotisch, das liegt vermutlich an seinen Arien und der Stimmlage! Aber er als Typ ist nicht mehr zeitgemäß, war eben zu Mozarts Zeiten ein echter Intellektueller, der die Weisheit gepachtet hatte und wunderbar humanistisch handelte (wie auch Bassa Selim in der "Entführung"). Diese "abgehobenen Herren" sind Freidenker , die ihre Ideale dann doch über die Bedürfnisse des einfacheren Volkes stellen, es ist wohl kein Zufall, dass beide etwas älter ´rüberkommen bzw. Sarastro kein Tenor ist...



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