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Kästner, Erich - Fabian




Kästner, Erich - Fabian

Beitragvon Katia » 06.02.2007, 19:03

Aus dem anderen Forum weiß ich ja schon, dass einige eine Rezi schon im Kopf haben, also wird meine an dieser Stelle sicher nur ein Anfang bleiben!

Erich Kästners wahrscheinlich bekanntester "Erwachsenenroman" Fabian beschreibt auf satirische Weise das Berlin der späten 20er Jahre. In zeittypischer Collagen- und Filmtechnik, in kurzen Kapitel begleiten wir den Germanisten Jakob Fabian durch eine Zeit, die durch Dekandenz aber auch Massenarbeitslosigkeit und Verunsicherung geprägt ist. Wiedergespiegelt wird das auch im privaten Leben des Protagonisten, der sich ziellos durch die Tage und durch sein Leben treiben lässt, in diversen Berliner Etablisements, auch als er seine Arbeit in der Werbeabteilung einer Zigarettenfirma verliert. Als er die Juristin Cornelia Battenberg kennen lernt, verliebt er sich ernsthaft, obwohl Frauen in seinem bisherigen Leben nur für kurze Episoden da waren. Fabian, laut Untertitel ein Moralist, beobachtet und kommentiert seine Umgebung kritisch.

Mein Eindruck von diesem Buch ist außergewöhnlich gut, Kästners satirische Art, sein sympathischer, selbstironischer Protagonist gefallen mir sehr gut. Soweit ich das aus der zeitlichen Ferne beurteilen kann, fängt er den Zeitgeist sehr gut ein. Wie auch in seinen Kinderbüchern, so kann man auch in diesem Roman einen moralischen Zeigefinger manchmal nicht ganz übersehen, aber das gehört zu einer Satire vielleicht auch dazu. Während zu Beginn episodenhaft erzählt wird, drängt eine durchgehende Handlung nach der Begegnung mit Cornelia mehr in den Vordergrund - ich habe mein Lesetempo dem angepasst, die erste Hälfte häppchenweise genossen, die zweite gespannt verschlungen.

Von mir gibts :stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

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von Anzeige » 06.02.2007, 19:03

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Beitragvon Krümel » 09.02.2007, 12:41

Fabian, Die Geschichte eines Moralisten - Erich Kästner

Zunächst etwas zur Geschichte Deutschlands vor dem II. Weltkrieg. Der „Schwarze Freitag“, der Börsencrash in Amerika schwappt auch nach Europa über, und erzeugt auch eine absolute Wirtschaftskrise in Deutschland. Sechs Millionen sind arbeitslos, und leben in Hunger und Elend. Die daraus resultierende Unzufriedenheit ist ein günstiger Nährboden für den Nationalsozialismus. 1933 wird Hitler Reichskanzler. Diese Situation wird noch erschwert dadurch, dass die Industrie rationalisiert, Maschinen übernehmen viele Aufgaben, wozu vorher Menschenhände erforderlich waren.

Man könnte glauben Kästner wäre ein Visionär gewesen, der uns die heutige Sachlage vor Augen hält. Sein Buch ist erschreckend aktueller als viele Bücher der Gegenwart. Und vor diesem Hintergrund steht sein Roman „Fabian“, eine gesellschaftskritische Satire.
Der Protagonist schildert auf äußerst ironische Art über das Leben und Denken der Berliner Gesellschaft. Das Vergnügen wird groß geschrieben, Moral und Anstand werden tief in der Manteltasche vergraben. Viele kleine Episoden reihen sich aneinander im ersten Teil, und berichten vom sittenlosen Berlin.
Im zweiten Teil wird die Handlung intensiver, der Leser lernt den Idealisten Fabian mit seinen Ansichten kennen, und schließt ihn ins Herz. Seine Träume, ohne Geld und Machtgier durch´s Leben zu kommen, enden in Arbeitslosigkeit, und bedeuten das Ende der aufblühenden Liebesbeziehung, weil für Idealisten keine Nische im System vorhanden ist.

Der Untertitel: „Die Geschichte eines Moralisten“ ist meiner Meinung nach nicht zutreffend, denn auch Fabian liebt in gewisser Weise das unmoralische Leben. Er ist vielmehr ein Idealist und Weltverbesserer, der sich nicht kaufen und bestechen lässt, sondern seine Maßstäbe, oder sein inneres Bild der Gesellschaft, vehement vertritt ohne Rücksicht auf Verluste.

Der Roman hat mir ausgesprochen gut gefallen. Die Ironie des ersten Teils mit seiner Überspitzung der Beschreibung, sowie die tiefe Darstellung im zweiten Teil fand ich grandios. Als Kind habe ich Kästners Kinderbücher geliebt, jetzt werde ich auf die Suche nach mehr Stoff von ihm gehen. Eine absolute Empfehlung!


:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:
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Beitragvon Voltaire » 10.02.2007, 20:08

Erich Kästner ist nicht nur der bekannte Kinderbuchautor - vielmehr war er auch ein genialer Satiriker und politischer Kommentator. Sehr zu empfehlen ist auch dieses Buch von ihm:

Notabene 45. Ein Tagebuch
ISBN 3423110163
Voltaire
 

Beitragvon Krümel » 10.02.2007, 20:16

Danke Voltaire, schon notiert :D
BildLiebe Grüße,
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