Laotse - Tao Te King

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    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:30

    Laotse - Tao Te King
    Hier werde ich nun schrittweise die 81 Aphorismen aus dem Tao Te King posten. Tao Te King meint sinngemäß sowas wie "Buch vom Weg des Lebens".
    Ihr könnt dann (bitte!) darüber im Tao-Diskussions-Thema unter Philo diskutieren! Hier sollten aus gründen des leichteren Lesen nur die Aphorismen stehen.
    Als kleiner Verständnis-Tipp: Die Aphorismen sind nicht alle zusammenhängend, aber einzelne lassen sich leichter verstehen, wenn man passende zur Rate zieht. Oft finden sich genauere Erklärungen noch in einem anderen Kontext. Des Weiteren sollte man, um Laotse nach Möglichkeit zu verstehen, nicht wörtlich nehmen, sondern extrem zwischen den Zeilen lesen. Der Text ist über 2000 Jahre alt, kommt aus einem uns ferneren Kulturkreis und hat auch durch die Übersetzung an Autentizität einbüßen müssen. Das ist leider so. Macht aber nichts, wie ihr gleich im ersten Aphorismus lesen könnt. Eine Art Schlüssel zum weiteren Verständnis? Also, haltet euch nicht mit Worten auf, versucht zu denken! Und entgegen mancher Ansprüche, muss einem auch nicht maßgeblich alles gefallen, sodass man Gewinn zieht. Man sollte durch Überlegungen sich ein Bild formen, und nicht durch ein bereits geformtes Bild vergeblich zu überlegen suchen. Auch wenn es einem überlegt schiene. Viel Glück dabei!
    Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!!!



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:34

    1
    - 1 -

    Der Sinn, der sich aussprechen lässt,
    ist nicht der ewige Sinn.
    Der Name, der sich nennen lässt,
    ist nicht der ewige Name.
    "Nichtsein" nenne ich den Anfang von Himmel und Erde.
    "Sein" nenne ich die Mutter der Einzelwesen.
    Darum führt die Richtung auf das Nichtsein
    zum Schauen des wunderbaren Wesens,
    die Richtung auf das Sein
    zum Schauen der räumlichen Begrenztheiten.
    Beides ist eins dem Ursprung nach
    und nur verschieden durch den Namen.
    In seiner Einheit heißt es das Geheimnis.
    Des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis
    ist das Tor, durch das alle Wunder hervortreten.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:39

    2
    - 2 -

    Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,
    so ist dadurch schon das Hässliche gesetzt.
    Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,
    so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.
    Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander.
    Schwer und Leicht vollenden einander.
    Lang und Kurz gestalten einander.
    Hoch und Tief verkehren einander.
    Stimme und Ton sich vermählen einander.
    Vorher und Nachher folgen einander.
    Also auch der Berufene:
    Er verweilt im Wirken ohne Handeln.
    Er übt Belehrung ohne Reden.
    Alle Wesen treten hervor,
    und er verweigert sich ihnen nicht.
    Er erzeugt und besitzt nicht.
    Er wirkt und behält nicht.
    Ist das Werk vollbracht,
    so verharrt er nicht dabei.
    Und eben weil er nicht verharrt,
    bleibt er nicht verlassen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:43

    3
    - 3 -

    Die Tüchtigen nicht bevorzugen,
    so macht man, dass das Volk nicht streitet.
    Kostbarkeiten nicht schätzen,
    so macht man, dass das Volk nicht stiehlt.
    Nichts Begehrenswertes zeigen,
    so macht man, dass des Volkes Herz nicht wirr wird.
    Darum regiert der Berufene also:
    Er leert ihre Herzen und füllt ihren Leib.
    Er schwächt ihren Willen und stärkt ihre Knochen
    und macht, dass das Volk ohne Wissen
    und ohne Wünsche bleibt,
    und sorgt dafür,
    dass jene Wissenden nicht zu handeln wagen.
    Er macht das Nichtmachen,
    so kommt alles in Ordnung.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:45

    4
    - 4 -

    Der Sinn ist immer strömend.
    Aber er läuft in seinem Wirken doch nie über.
    Ein Abrund ist er, wie der Ahn aller Dinge.
    Er mildert ihre Schärfe.
    Er löst ihre Wirrsale.
    Er mäßigt ihren Glanz.
    Er vereinigt sich mit ihrem Staub.
    Tief ist er und doch wie wirklich.
    Ich weiß nicht, wessen Sohn er ist.
    Er scheint früher zu sein als Gott.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:47

    5
    - 5 -

    Himmel und Erde sind nicht gütig.
    Ihnen sind die Menschen wie stroherne Opferhunde.
    Der Berufene ist nicht gütig.
    Ihm sind die Menschen wie stroherne Opferhunde.
    Der Zwischenraum zwischen Himmel und Erde
    ist wie eine Flöte,
    leer und fällt doch nicht zusammen;
    bewegt kommt immer mehr daraus hervor.
    Aber viele Worte erschöpfen sich daran.
    Besser ist es, das Innere zu bewahren.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:49

    6
    - 6 -

    Der Geist des Tals stirbt nicht,
    das heißt das dunkle Weib.
    Das Tor des dunklen Weibs,
    das heißt die Wurzel von Himmel und Erde.
    Ununterbrochen wie beharrend
    wirkt es ohne Mühe.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:51

    7
    - 7 -

    Der Himmel ist ewig und die Erde dauernd.
    Sie sind dauernd und ewig,
    weil sie nicht sich selber leben.
    Deshalb können sie ewig leben.
    Also auch der Berufene:
    Er setzt sein Selbst hintenan,
    und sein Selbst kommt voran.
    Er entäußert sich seines Selbst,
    und sein Selbst bleibt erhalten.
    Ist es nicht also:
    Weil er nichts Eigenes will,
    darum wird sein Eigenes vollendet?



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:55

    8
    - 8 -

    Höchste Güte ist wie das Wasser.
    Des Wassers Güte ist es,
    allen Wesen zu nützen ohne Streit.
    Es weilt an Orten, die alle Menschen verachten.
    Drum steht es nahe dem Sinn.
    Beim Wohnen zeigt sich die Güte an dem Platze.
    Beim Denken zeigt sich die Güte in der Tiefe.
    Beim Schneken zeigt sich die Güte in der Liebe.
    Beim Reden zeigt sich die Güte in der Wahrheit.
    Beim Walten zeigt sich die Güte in der Ordnung.
    Beim Wirken zeigt sich die Güte im Können.
    Beim Bewegen zeigt sich die Güte in der rechten Zeit.
    Wer sich nicht selbst behauptet,
    bleibt eben dadurch frei von Tadel.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 00:57

    9
    - 9 -

    Etwas festhalten wollen und dabei es überfüllen:
    Das lohnt der Mühe nicht.
    Etwas handhaben wollen und dabei es immer scharf halten:
    Das lässt lässt sich nicht lange bewahren.
    Mit Gold und Edelsteinen gefüllten Saal kann niemand beschützen.
    Reich und vornehm und dazu hochmütig sein:
    Das zieht von selbst das Unglück herbei.
    Ist das Werk vollbracht, dann sich zurückziehen:
    Das ist des Himmels Sinn.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 01:02

    10
    - 10 -

    Kannst du deine Seele bilden, dass sie das Eine umfängt,
    ohne sich zu zerstreuen?
    Kannst du deine Kraft einheitlich machen und die Weichheit erreichen,
    dass du wie ein Kindlein wirst?
    Kannst du dein geheimes Schauen so reinigen,
    dass es frei von Flecken wird?
    Kannst du die Menschen lieben und den Staat lenken,
    dass du ohne Wissen bleibst?
    Kannst du, wenn des Himmels Pforten sich öffnen und schließen,
    wie eine Henne sein?
    Kannst du mit deiner inneren Klarheit und Reinheit alles durchdringen,
    ohne des Handelns zu bedürfen?
    Erzeugen und ernähren,
    erzeugen und nicht besitzen,
    wirken und nicht behalten,
    mehren und nicht beherrschen:
    Das ist geheimes Leben.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 01:40

    11
    - 11 -

    Dreißig Speichen umgeben eine Nabe:
    In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.
    Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen:
    In ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk.
    Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde:
    In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk.
    Darum: Was ist, dient zum Besitz.
    Was nicht ist, dient zum Werk.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 01:42

    12
    - 12 -

    Die fünferlei Farben machen der Menschen Augen blind.
    Die fünferlei Töne machen der Menschen Ohren taub.
    Die fünferlei Würzen machen der Menschen Gaumen schal.
    Rennen und Jagen machen der Menschen Herzen toll.
    Seltene Güter machen der Menschen Wandel wirr.
    Darum wirkt der Berufene für den Leib und nicht fürs Auge.
    Er entfernt das Andere und nimmt dieses.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 01:48

    13
    - 13 -

    Gnade ist beschämend wie ein Schreck.
    Ehre ist ein großes Übel wie die Person.
    Was heißt das: "Gnade ist beschämend wie ein Schreck"?
    Gnade ist etwas Minderwertiges.
    Man erlangt sie und ist wie erschrocken.
    Man verliert sie und ist wie erschrocken.
    Das heißt: "Gnade ist beschämend wie ein Schreck".
    Was heißt das: "Ehre ist ein großes Übel wie die Person."?
    Der Grund, warum ich große Übel erfahre, ist,
    dass ich eine Person habe.
    Habe ich keine Person,
    was für Übel könnte ich dann erfahren?
    Darum: Wer in seiner Person die Welt ehrt,
    dem kann man wohl die Welt anvertrauen.
    Wer in seiner Person die Welt liebt,
    dem kann man wohl die Welt übergeben.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 01:52

    14
    - 14 -

    Man schaut nach ihm und sieht es nicht:
    Sein Name ist Keim.
    Man horcht nach ihm und hört es nicht:
    Sein Name ist Fein.
    Man fasst nach ihm und fühlt es nicht:
    Sein Name ist Klein.
    Diese drei kann man nicht trennen,
    darum bilden sie vermischt Eines.
    Sein Oberes ist nicht licht,
    sein Unteres ist nicht dunkel.
    Ununterbrochen quellend,
    kann man es nicht nennen.
    Er kehrt wieder zurück zum Nichtwesen.
    Das heißt die gestaltlose Gestalt,
    das dinglose Bild.
    Das heißt das dunkel Chaotische.
    Ihm entgegengehend sieht man nicht sein Antlitz,
    ihm folgend sieht man nicht seine Rückseite.
    Wenn man festhält den Sinn des Altertums,
    um zu beherrschen das Sein von heute,
    so kann man den alten Anfang wissen.
    Das heißt des Sinns durchgehender Faden.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 01:57

    15
    - 15 -

    Die von alters tüchtig waren als Meister,
    waren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren Kräften.
    Tief waren sie, sodass man sie nicht kennen kann.
    Weil man sie nicht kennen kann,
    darum kann man nur mit Mühe ihr Äußeres beschreiben.
    Zögernd, wie wer im Winter einen Fluss durchschreitet,
    vorsichtig, wie wer von allen Seiten Nachbarn fürchtet,
    zurückhaltend wie Gäste,
    vergehend wie Eis, das am Schmelzen ist,
    einfach, wie unbearbeiteter Stoff,
    weit waren sie, wie das Tal,
    undurchsichtig waren sie, wie das Trübe.
    Wer kann (wie sie) das Trübe durch Stille allmählich klären?
    Wer kann (wie sie) die Ruhe durch Dauer allmählich erzeugen?
    Wer diesen Sinn bewahrt,
    begehrt nicht Fülle.
    Denn nur weil er keine Fülle hat,
    darum kann er gering sein,
    das Neue meiden
    und die Vollendung erreichen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 02:01

    16
    - 16 -

    Schaffe Leere bis zum Höchsten!
    Wahre Stille bis zum Völligsten!
    Alle Dinge mögen sich dann zugleich erheben.
    Ich schaue, wie sich sich wenden.
    Die Dinge in all ihrer Menge,
    ein jedes kehrt zurück zu seiner Wurzel.
    Rückkehr zur Wurzel heißt Stille.
    Stille heißt Wendung zum Schicksal.
    Wendung zum Schicksal heißt Ewigkeit.
    Erkenntnis der Ewigkeit heißt Klarheit.
    Erkennt man das Ewige nicht,
    so kommt man in Wirrnis und Sünde.
    Erkennt man das Ewige,
    so wird man duldsam.
    Duldsamkeit führt zur Gerechtigkeit.
    Gerechtigkeit führt zur Herrschaft.
    Herrschaft führt zum Himmel.
    Himmel führt zum Sinn.
    Sinn führt zur Dauer.
    Sein Leben lang kommt man nicht in Gefahr.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 02:03

    17
    - 17 -

    Herrscht ein ganz Großer,
    so weiß das Volk kaum, dass er da ist.
    Mindere werden geliebt und gelobt,
    noch Mindere werden gefürchtet,
    noch Mindere werden verachtet.
    Wie überlegt muss man sein in seinen Worten!
    Die Werke sind vollbracht, die Geschäfte gehen ihren Lauf,
    und die Leute denken alle:
    "Wir sind frei."



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 02:05

    18
    - 18 -

    Geht der große Sinn zugrunde,
    so gibt es Sittlichkeit und Pflicht.
    Kommen Klugheit und Wissen auf,
    so gibt es die großen Lügen.
    Werden die Verwandten uneins,
    so gibt es Kindespflicht und Liebe.
    Geraten die Staaten in Verwirrung,
    so gibt es die treuen Beamten.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 02:09

    19
    - 19 -

    Tut ab die Heiligkeit, werft weg das Wissen,
    so wird das Volk hundertfach gewinnen.
    Tut ab die Sittlichkeit, werft weg die Pflicht,
    so wird das Volk zurückkehren zu Kindespflicht und Liebe.
    Tut ab die Geschicklichkeit, werft weg den Gewinn,
    so wird es Diebe und Räuber nicht mehr geben.
    In diesen drei Stücken ist der schöne Schein nicht ausreichend.
    Darum sorgt, dass die Menschen sich an etwas halten können.
    Zeigt Einfachheit, haltet fest die Lauterkeit!
    Mindert Selbstsucht, verringert die Begierden!
    Gebt auf die Gelehrsamkeit!
    So werdet ihr frei von Sorgen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 02:14

    20
    - 20 -

    Zwischen "Gewiss" und "Jawohl":
    Was ist da für ein Unterschied?
    Zwischen "Gut" und "Böse":
    Was ist da für ein Unterschied?
    Was die Menschen ehren, muss man ehren.
    O Einsamkeit, wie lange dauerst du?
    Alle Menschen sind so strahlend,
    als ginge es zum großen Opfer,
    als stiegen sie im Frühling auf die Türme.
    Nur ich bin so zögernd, mir ward noch kein Zeichen,
    wie ein Säugling, der noch nicht lachen kann,
    unruhig, umgetrieben, als hätte ich keine Heimat.
    Alle Menschen haben Überfluss;
    nur ich bin vergessen.
    Ich habe das Herz eines Toren, so wirr und dunkel.
    Die Weltmenschen sind hell, ach so hell;
    nur ich bin wie trübe.
    Die Weltmenschen sind so klug, ach so klug;
    nur ich bin wie verschlossen in mir,
    unruhig, ach, als wie das Meer,
    wirbelnd, ach, ohn' Unterlass.
    Alle Menschen haben ihre Zwecke;
    nur ich bin müßig wie ein Bettler.
    Ich allein bin anders als die Menschen:
    Doch ich halte es wert,
    Nahrung zu suchen bei der Mutter.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:19

    21
    - 21 -

    Des großen Lebens Inhalt
    folgt ganz dem Sinn.
    Der Sinn bewirkt die Dinge
    so chaotisch, so dunkel.
    Chaotisch, dunkel
    sind in ihm Bilder.
    Dunkel, chaotisch
    sind in ihm Dinge.
    Unergründlich finster
    ist in ihm Same.
    Dieser Same ist ganz wahr.
    In ihm ist Zuverlässigkeit.
    Von alters bis heute
    sind die Namen nicht zu entbehren,
    um zu überschauen alle Dinge.
    Woher weiß ich aller Dinge Art?
    Eben durch sie.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:24

    22
    - 22 -

    Was halb ist, wird ganz werden.
    Was krumm ist, wird gerade werden.
    Was leer ist, wird voll werden.
    Was alt ist, wird neu werden.
    Wer wenig hat, wird bekommen.
    Wer viel hat, wird benommen.
    Also auch der Berufene:
    Er umfasst das Eine
    und ist der Welt Vorbild.
    Er will nicht selber scheinen,
    darum wird er erleuchtet,
    Er will nichts selber sein,
    darum wird er herrlich.
    Er rühmt sich selber nicht,
    darum vollbringt er Werke.
    Er tut sich nicht selber hervor,
    darum wird er erhoben.
    Denn wer nicht streitet,
    mit dem kann niemand auf der Welt streiten.
    Was die Alten gesagt: "Was halb ist, soll voll werden",
    ist fürwahr kein leeres Wort.
    Alle wahre Vollkommenheit ist darunter befasst.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:28

    23
    - 23 -

    Macht selten die Worte,
    dann geht alles von selbst.
    Ein Wirbelsturm dauert keinen Morgen lang.
    Ein Platzregen dauert keinen Tag.
    Und wer wirkt diese?
    Himmel und Erde.
    Was nun selbst Himmel und Erde nicht dauernd vermögen,
    wieviel weniger kann das der Mensch?
    Darum: Wenn du an dein Werk gehst mit dem Sinn,
    so wirst du mit denen, so den Sinn haben, eins im Sinn,
    mit denen, so das Leben haben, eins im Leben,
    mit denen, so arm sind, eins in ihrer Armut.
    Bist du eins mit ihnen im Sinn,
    so kommen dir die, so den Sinn haben, auch freudig entgegen.
    Bist du eins mit ihnen im Leben,
    so kommen dir die, so das Leben haben, auch freudig entgegen.
    Bist du eins mit ihnen in ihrer Armut,
    so kommen dir die, so da arm sind, auch freudig entgegen.
    Wo aber der Glaube nicht stark genug ist,
    da findet man keinen Glauben.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:30

    24
    - 24 -

    Wer auf den Zehen steht,
    steht nicht fest.
    Wer mit gespreizten Beinen geht,
    kommt nicht voran.
    Wer selber scheinen will,
    wird nicht erleuchtet.
    Wer selber etwas sein will,
    wird nicht herrlich.
    Wer selber sich rühmt,
    vollbringt nicht Werke.
    Wer selber sich hervortut,
    wird nicht erhoben.
    Er ist für den Sinn wie Küchenabfall und Eiterbeule.
    Und auch die Geschöpfe alle hassen ihn.
    Darum: Wer den Sinn hat,
    weilt nicht dabei.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:35

    25
    - 25 -

    Es gibt ein Ding, das ist unterschiedslos vollendet.
    Bevor der Himmel und die Erde waren, ist es schon da,
    so still, so einsam.
    Allein steht es und ändert sich nicht.
    Im Kreis läuft es und gefährdet sich nicht.
    Man kann es nennen die Mutter der Welt.
    Ich weiß nicht seinen Namen.
    Ich bezeichne es als Sinn.
    Mühsam einen Namen ihm gebend,
    nenne ich es: groß.
    Groß, das heißt immer bewegt.
    Immer bewegt, das heißt ferne.
    Ferne, das heißt zurückkehrend.
    So ist der Sinn groß, der Himmel groß, die Erde groß,
    und auch der Mensch ist groß.
    Vier Große gibt es im Räume,
    und der Mensch ist auch darunter.
    Der Mensch richtet sich nach der Erde.
    Die Erde richtet sich nach dem Himmel.
    Der Himmel richtet sich nach dem Sinn.
    Der Sinn richtet sich nach sich selber.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:37

    26
    - 26 -

    Das Gewichtige ist des Leichten Wurzel.
    Die Stille ist der Unruhe Herr.
    Also auch der Berufene:
    Er wandert den ganzen Tag,
    ohne sich vom schweren Gepäck zu trennen.
    Mag er auch alle Herrlichkeiten vor Augen haben:
    Er weilt zufrieden in seiner Einsamkeit.
    Wieviel weniger erst darf der Herr des Reiches
    in seiner Person den Erdkreis leicht nehmen!
    Durch Leichtnehmen verliert man die Wurzel.
    Durch Unruhe verliert man die Herrschaft.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:41

    27
    - 27 -

    Ein guter Wanderer lässt keine Spur zurück.
    Ein guter Redner braucht nichts zu widerlegen.
    Ein guter Rechner braucht keine Rechenstäbchen.
    Ein guter Schließer braucht nicht Schloss noch Schlüssel,
    und doch kann niemand auftun.
    Ein guter Binder braucht nicht Strick noch Bänder,
    und doch kann niemand lösen.
    Der Berufene versteht es immer gut, die Menschen zu retten;
    darum gibt es für ihn keine verworfenen Menschen.
    Er versteht es immer gut, die Dinge zu retten;
    darum gibt es für ihn keine verworfenen Dinge.
    Das heißt die Klarheit erben.
    So sind die guten Menschen die Lehrer der Nichtguten,
    und die nichtguten Menschen sind der Stoff für die Guten.
    Wer seine Lehrer nicht werthielte
    und seinen Stoff nicht liebte,
    der wäre bei allem Wissen in schwerem Irrtum.
    Das ist das große Geheimnis.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:45

    28
    - 28 -

    Wer seine Mannheit kennt
    und seine Weibheit wahrt,
    der ist die Schlucht der Welt.
    Ist er die Schlucht der Welt,
    so verlässt ihn nicht das ewige Leben,
    und er wird wieder wie ein Kind.
    Wer seine Reinheit kennt
    und seine Schwäche wahrt,
    ist Vorbild für die Welt.
    Ist Vorbild er der Welt,
    so weicht von ihm nicht das ewige Leben,
    und er kehrt wieder zum Ungewordenen um.
    Wer seine Ehre kennt
    und seine Schmach bewahrt,
    der ist das Tal der Welt.
    Ist er das Tal der Welt,
    so hat er Genüge am ewigen Leben,
    und er kehrt zurück zur Einfalt.
    Ist die Einfalt zerstreut, so gibt es "brauchbare" Menschen.
    Übt der Berufene sie aus, so wird er der Herr der Beamten.
    Darum: Großartige Gestaltung bedarf nicht des Beschneidens.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:47

    29
    - 29 -

    Die Welt erobern und behandeln wollen,
    ich habe erlebt, dass das misslingt.
    Die Welt ist ein geistiges Ding,
    das man nicht behandeln darf.
    Wer sie behandelt, verdirbt sie,
    wer sie festhalten will, verliert sie.
    Die Dinge gehen bald voran, bald folgen sie,
    bald hauchen sie warm, bald blasen sie kalt,
    bald sind sie stark, bald sind sie dünn,
    bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie.
    Darum meidet der Berufene
    das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:50

    30
    - 30 -

    Wer im rechten Sinn einem Menschenherrscher hilft,
    vergewaltigt nicht durch Waffen die Welt,
    denn die Handlungen kommen auf das eigene Haupt zurück.
    Wo die Heere geweilt haben, wachsen Disteln und Dornen.
    Hinter den Kämpfen her kommen immer Hungerjahre.
    Darum sucht der Tüchtige nur Entscheidung, nichts weiter;
    er wagt nicht, durch Gewalt zu erobern.
    Entscheidung, ohne sich zu brüsten,
    Entscheidung, ohne sich zu rühmen,
    Entscheidung, ohne stolz zu sein,
    Entscheidung, weil's nicht anders geht,
    Entscheidung, ferne von Gewalt.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 13:56

    31
    - 31 -

    Waffen sind unheilvolle Geräte,
    alle Wesen hassen sie wohl.
    Darum will der, der den rechten Sinn hat,
    nichts von ihnen wissen.
    Der Edle in seinem gewöhnlichen Leben
    achtet die Linke als Ehrenplatz.
    Beim Waffenhandwerk ist die Rechte der Ehrenplatz.
    Die Waffen sind unheilvolle Geräte,
    nicht Geräte für den Edlen.
    Nur wenn er nicht anders kann, gebraucht er sie,
    Ruhe und Frieden sind ihm das Höchste.
    Er siegt, aber er freut sich nicht daran.
    Wer sich daran freuen wollte,
    würde sich ja des Menschenmordes freuen.
    Wer sich des Menschenmordes freuen wollte,
    kann nicht sein Ziel erreichen in der Welt.
    Bei Glücksfällen achtet man die Linke als Ehrenplatz.
    Bei Unglücksfällen achtet man die Rechte als Ehrenplatz.
    Der Unterfeldherr steht zur Linken,
    der Oberführer steht zur Rechten.
    Das heißt, er nimmt seinen Platz ein
    nach dem Brauch der Trauerfeiern.
    Menschen töten in großer Zahl,
    das soll man beklagen mit Tränen des Mitleids.
    Wer im Kampfe gesiegt,
    der soll wie bei einer Trauerfeier weilen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 14:00

    32
    - 32 -

    Der Sinn als Ewiger ist namenlose Einfalt.
    Obwohl klein,
    wagt die Welt ihn nicht zum Diener zu machen.
    Wenn Fürsten und Könige ihn so wahren könnten,
    so würden alle Dinge sich als Gäste einstellen.
    Himmel und Erde würden sich vereinen,
    um süßen Tau zu träufeln.
    Das Volk würde ohne Befehle
    von selbst ins Gleichgewicht kommen.
    Wenn die Gestaltung beginnt,
    dann erst gibt es Namen.
    Die Namen erreichen auch das Sein,
    und man weiß auch noch, wo haltzumachen ist.
    Weiß man, wo haltzumachen ist,
    so kommt man nicht in Gefahr.
    Man kann das Verhältnis des Sinns zur Welt vergleichen
    mit den Bergbächen und Talwassern,
    die sich in Ströme und Meere ergießen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 14:02

    33
    - 33 -

    Wer andre kennt, ist klug.
    Wer sich selber kennt, ist weise.
    Wer andere besiegt, hat Kraft.
    Wer sich selber besiegt, ist stark.
    Wer sich durchsetzt, hat Willen.
    Wer sich genügen lässt, ist reich.
    Wer seinen Platz nicht verliert, hat Dauer.
    Wer auch im Tode nicht untergeht, der lebt.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 14:06

    34
    - 34 -

    Der große Sinn ist überströmend;
    er kannn zur Rechten sein und zur Linken.
    Alle Dinge verdanken ihm ihr Dasein,
    und er verweigert sich ihnen nicht.
    Ist das Werk vollbracht,
    so heißt er es nicht seinen Besitz.
    Er kleidet und nährt alle Dinge
    und spielt nicht ihren Herrn.
    Sofern er ewig nicht begehrend ist,
    kann man ihn als klein bezeichnen.
    Sofern alle Dinge von ihm abhängen,
    ohne ihn als Herrn zu kennen,
    kann man ihn als groß bezeichnen.
    Also auch der Berufene:
    Niemals macht er sich groß;
    darum bringt er sein Großes Werk zustande.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 20:06

    35
    - 35 -

    Wer festhält das große Urbild,
    zu dem kommt die Welt.
    Sie kommt und wird nicht verletzt,
    in Ruhe, Gleichheit und Seligkeit.
    Musik und Köder:
    Sie machen wohl den Wanderer auf seinem Wege anhalten.
    Der Sinn geht aus dem Munde hervor,
    milde und ohne Geschmack.
    Du blickst nach ihm und siehst nichts Sonderliches.
    Du horchst nach ihm und hörst nichts Sonderliches.
    Du handelst nach ihm und findest kein Ende.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 20:09

    36
    - 36 -

    Was du zusammendrücken willst,
    das musst du erst richtig sich ausdehnen lassen.
    Was du schwächen willst,
    das musst du erst richtig stark werden lassen.
    Was du vernichten willst,
    das musst du erst richtig aufblühen lassen.
    Wem du nehmen willst,
    dem musst du erst richtig geben.
    Das heißt Klarheit über das Unsichtbare.
    Das Weiche siegt über das Harte.
    Das Schwache siegt über das Starke.
    Den Fisch darf man nicht der Tiefe entnehmen.
    Des Reiches Förderungsmittel
    darf man nicht den Leuten zeigen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 20:13

    37
    - 37 -

    Der Sinn ist ewig ohne Machen,
    und nichts bleibt ungemacht.
    Wenn Fürsten und Könige ihn zu wahren verstehen,
    so werden alle Dinge sich von selber gestalten.
    Gestalten sie sich und es erheben sich die Begierden,
    so würde ich sie bannen durch namenlose Einfalt.
    Namenlose Einfalt bewirkt Wunschlosigkeit.
    Wunschlosigkeit macht still,
    und die Welt wird von selber recht.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 20:22

    38
    - 38 -

    Wer das Leben hochhält, weiß nichts vom Leben;
    darum hat er Leben.
    Wer das Leben nicht hochhält,
    sucht das Leben nicht zu verlieren;
    darum hat er kein Leben.
    Wer das Leben hochhält,
    handelt nicht und hat keine Absichten.
    Wer das Leben nicht hochhält,
    handelt und hat Absichten.
    Wer die Liebe hochhält,
    handelt, aber hat keine Absichten.
    Wer die Gerechtigkeit hochhält,
    handelt und hat Absichten.
    Wer die Sitte hochhält, handelt,
    und wenn ihm jemand nicht erwidert,
    so fuchtelt er mit den Armen und holt ihn heran.
    Darum: Ist der Sinn verloren, dann das Leben.
    Ist das Leben verloren, dann die Liebe.
    Ist die Liebe verloren, dann die Gerechtigkeit.
    Ist die Gerechtigkeit verloren, dann die Sitte.
    Die Sitte ist Treu und Glaubens Dürftigkeit
    und der Verwirrung Anfang.
    Vorherwissen ist des Sinnes Schein
    und der Torheit Beginn.
    Darum bleibt der rechte Mann beim Völligen
    und nicht beim Dürftigen.
    Er wohnt im Sein und nicht im Schein.
    Er tut das andere ab und hält sich an dieses.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 20:30

    39
    - 39 -

    Die einst das Eine erlangten:
    Der Himmel erlangte das Eine und wurde rein.
    Die Erde erlangte das Eine und wurde fest.
    Die Götter erlangten das Eine und wurden mächtig.
    Das Tal erlangte das Eine und erfüllte sich.
    Alle Dinge erlangten das Eine und entstanden.
    Könige und Fürsten erlangten das Eine
    und wurden das Vorbild der Welt.
    Das alles ist durch das Eine bewirkt.
    Wäre der Himmel nicht rein dadurch, so müsste er bersten.
    Wäre die Erde nicht fest dadurch, so müsste sie wanken.
    Wären die Götter nicht mächtig dadurch, so müssten sie erstarren.
    Wäre das Tal nicht erfüllt dadurch, so müsste es sich erschöpfen.
    Wären alle Dinge nicht entstanden dadurch, so müssten sie erlöschen.
    Wären die Könige und Fürsten nicht erhaben dadurch,
    so müssten sie stürzen.
    Darum: Das Edle hat das Geringe zur Wurzel.
    Das Hohe hat das Niedrige zur Grundlage.
    Also auch die Fürsten und Könige:
    Sie nennen sich: "Einsam", "Verwaist", "Wenigkeit".
    Dadurch bezeichnen sie das Geringe als ihre Wurzel.
    Oder ist es nicht so?
    Denn: Ohne die einzelnen Bestandteile eines Wagens
    gibt es keinen Wagen.
    Wünsche nicht das glänzende Gleißen des Juwels,
    sondern die rohe Rauheit des Steins.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 28.01.2007, 20:32

    40
    - 40 -

    Rückkehr ist die Bewegung des Sinns.
    Schwachheit ist die Wirkung des Sinns.
    Alle Dinge unter dem Himmel entstehen im Sein.
    Das Sein entsteht im Nichtsein.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 19:47

    41
    - 41 -

    Wenn ein Weiser höchster Art vom Sinn hört,
    so ist er eifrig und tut danach.
    Wenn ein Weiser mittlerer Art vom Sinn hört,
    so glaubt er halb, halb zweifelt er.
    Wenn ein Weiser niedriger Art vom Sinn hört,
    so lacht er laut darüber.
    Wenn er nicht laut lacht,
    so war es noch nicht der eigentliche Sinn.
    Darum hat ein Spruchdichter die Worte:
    "Der klare Sinn erscheint dunkel.
    Der Sinn des Fortschritts erscheint als Rückzug.
    Das höchste Leben erscheint als Tal.
    Der ebene Sinn erscheint rauh.
    Die höchste Reinheit erscheint als Schmach.
    Das weite Leben erscheint als ungenügend.
    Das starke Leben erscheint verstohlen.
    Das wahre Wesen erscheint veränderlich.
    Das große Geviert hat keine Ecken.
    Das große Gerät wird spät vollendet.
    Der große Ton hat unhörbaren Laut.
    Das große Bild hat keine Form."
    Der Sinn in seiner Verborgenheit ist ohne Namen.
    Und doch ist gerade der Sinn gut
    im Spenden und Vollenden.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 19:52

    42
    - 42 -

    Der Sinn erzeugt die Eins.
    Die Eins erzeugt die Zwei.
    Die Zwei erzeugt die Drei.
    Die Drei erzeugt alle Dinge.
    Alle Dinge haben im Rücken das Dunkle
    und streben nach dem Licht,
    und die strömende Kraft gibt ihnen Harmonie.
    Was die Menschen hassen,
    ist Verlassenheit, Einsamkeit, Wenigkeit.
    Und doch wählen Fürsten und Könige
    sie zu ihrer Selbstbezeichnung.
    Denn die Dinge werden
    entweder durch Verringerung vermehrt
    oder durch Vermehrung verringert.
    Was andere lehren, lehre ich auch:
    "Die Starken sterben nicht eines natürlichen Todes".
    Das will ich zum Ausgangspunkt meiner Lehre machen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 19:58

    43
    - 43 -

    Das Allerweichste auf Erden
    überholt das Allerhärteste auf Erden.
    Das Nichtseiende dringt auch noch ein in das,
    was keinen Zwischenraum hat.
    Daran erkennt man den Wert des Nicht-Handelns.
    Die Belehrung ohne Worte, den Wert des Nicht-Handelns
    erreichen nur wenige auf Erden.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:16

    44
    - 44 -

    Der Name oder die Person:
    was steht näher?
    Die Person oder der Besitz:
    was ist mehr?
    Gewinnen oder Verlieren:
    was ist schlimmer?
    Nun aber:
    Wer sein Herz an andres hängt,
    verbraucht notwendig Großes.
    Wer viel sammelt,
    verliert notwendig Wichtiges.
    Wer sich genügen lässt,
    kommt nicht in Schande.
    Wer Einhalt zu tun weiß,
    kommt nicht in Gefahr
    und kann so ewig dauern.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:18

    45
    - 45 -

    Große Vollendung muss wie unzulänglich erscheinen,
    so wird sie unendlich in ihrer Wirkung.
    Große Fülle muss wie strömend erscheinen,
    so wird sie unerschöpflich in ihrer Wirkung.
    Große Geradheit muss wie krumm erscheinen.
    Große Begabung muss wie dumm erscheinen.
    Große Beredsamkeit muss wie stumm erscheinen.
    Bewegung überwindet die Kälte.
    Stille überwindet die Hitze.
    Reinheit und Stille sind der Welt Richtmaß.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:21

    46
    - 46 -

    Wenn der Sinn herrscht auf Erden,
    so tut man die Rennpferde ab zum Dungführen.
    Wenn der Sinn abhanden ist auf Erden,
    so werden Kriegsrosse gezüchtet auf dem Anger.
    Es gibt keine größere Sünde als viele Wünsche.
    Es gibt kein größeres Übel als kein Genüge kennen.
    Es gibt keinen größeren Fehler als haben wollen.
    Darum:
    Das Genügen der Genügsamkeit ist dauerndes Genügen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:24

    47
    - 47 -

    Ohne aus der Tür zu gehen,
    kennt man die Welt.
    Ohne aus dem Fenster zu schauen,
    sieht man den Sinn des Himmels.
    Je weiter einer hinausgeht,
    desto geringer wird sein Wissen.
    Darum braucht der Berufene nicht zu gehen
    und weiß doch alles.
    Er braucht nicht zu sehen
    und ist doch klar.
    Er braucht nichts zu machen
    und vollendet doch.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:27

    48
    - 48 -

    Wer das Lernen übt, vermehrt täglich,
    Wer den Sinn übt, vermindert täglich.
    Er vermindert und vermindert,
    bis er schließlich ankommt beim Nichtsmachen.
    Beim Nichtsmachen bleibt nichts ungemacht.
    Das Reich erlangen kann man nur,
    wenn man immer frei bleibt von Geschäftigkeit.
    Die Vielbeschäftigten sind nicht geschickt,
    das Reich zu erlangen.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:29

    49
    - 49 -

    Der Berufene hat kein eigenes Herz.
    Er macht das Herz der Leute zu seinem Herzen.
    Zu den Guten bin ich gut,
    zu den Nichtguten bin ich auch gut;
    denn das Leben ist die Güte.
    Zu den Treuen bin ich treu,
    zu den Untreuen bin ich auch trei;
    denn das Leben ist die Treue.
    Der Berufene lebt in der Welt ganz still
    und macht sein Herz für die Welt weit.
    Die Leute alle blicken und horchen nach ihm.
    Und der Berufene nimmt sie alle an als seine Kinder.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 29.01.2007, 20:33

    50
    - 50 -

    Ausgehen ist Leben, eingehen ist Tod.
    Gesellen des Lebens gibt es drei unter zehn,
    Gesellen des Todes gibt es drei unter zehn.
    Menschen, die leben und dabei sich auf den Ort des Todes zubewegen,
    gibt es auch drei unter zehn.
    Was ist der Grund davon?
    Weil sie ihres Lebens Steigerung erzeugen wollen.
    Ich habe wohl gehört, wer gut das Leben zu führen weiß,
    der wandert über Land und trifft nicht Nashorn noch Tiger.
    Er schreitet durch ein Heer und meidet nicht Panzer und Waffen.
    Das Nashorn findet nichts, worein es sein Horn bohren kann.
    Der Tiger findet nichts, darein er seine Krallen schlagen kann.
    Die Waffe findet nichts, das ihre Schärfe aufnehmen kann.
    Warum das?
    Weil er keine sterbliche Stelle hat.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 20:01

    51
    - 51 -

    Der Sinn erzeugt.
    Das Leben nährt.
    Die Umgebung gestaltet.
    Die Einflüsse vollenden.
    Darum ehren alle Wesen den Sinn
    und schätzen das Leben.
    Der Sinn wird geehrt,
    das Leben wird geschätzt
    ohne äußere Ernennung, ganz von selbst.
    Also: Der Sinn erzeugt, das Leben nährt,
    lässt wachsen, pflegt,
    vollendet, hält,
    bedeckt und schirmt.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 20:05

    52
    - 52 -

    Die Welt hat einen Anfang,
    das ist die Mutter der Welt.
    Wer die Mutter findet,
    um ihre Söhne zu kennen,
    wer ihre Söhne kennt
    und sich wieder zur Mutter wendet,
    der kommt sein Leben lang nicht in Gefahr.
    Wer seinen Mund schließt
    und seine Pforten zumacht,
    der kommt sein Leben lang nicht in Mühen.
    Wer seinen Mund auftut
    und seine Geschäfte in Ordnung bringen will,
    dem ist sein Leben lang nicht zu helfen.
    Das Kleinste sehen heißt klar sein.
    Die Weisheit wahren heißt stark sein.
    Wenn man sein Licht benutzt,
    um zu dieser Klarheit zurückzukehren,
    so bringt man seine Person nicht in Gefahr.
    Das heißt die Hülle der Ewigkeit.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 20:09

    53
    - 53 -

    Wenn ich wirklich weiß, was es heißt,
    im großen Sinn zu leben,
    so ist es vor allem die Geschäftigkeit,
    die ich fürchte.
    Wo die großen Straßen schön und eben sind,
    aber das Volk Seitenwege liebt;
    wo die Hofgesetze streng sind,
    aber die Felder voll Unkraut stehen;
    wo die Scheunen ganz leer sind,
    aber die Kleidung schmuck und prächtig ist;
    wo jeder ein scharfes Schwert im Gürtel trägt;
    wo man heikel ist im Essen und Trinken
    und Güter im Überfluss sind:
    Da herrscht Verwirrung, nicht Regierung.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 20:14

    54
    - 54 -

    Was gut gepflanzt ist, wird nicht ausgerissen.
    Was gut festgehalten wird, wird nicht entgehen.
    Wer sein Gedächtnis Söhnen und Enkeln hinterlässt,
    hört nicht auf.
    Wer seine Person gestaltet, dessen Leben wird wahr.
    Wer seine Familie gestaltet, dessen Leben wird völlig.
    Wer seine Gemeinde gestaltet, dessen Leben wird wachsen.
    Wer sein Land gestaltet, dessen Leben wird reich.
    Wer die Welt gestaltet, dessen Leben wird weit.
    Darum: Nach deiner Person beurteile die Person des Andern.
    Nach deiner Familie beurteile die Familie der Andern.
    Nach deiner Gemeinde beurteile die Gemeinde der Andern.
    Nach deinem Land beurteile das Land der Andern.
    Nach deiner Welt beurteile die Welt der Andern.
    Wie weiß ich die Beschaffenheit der Welt?
    Eben durch dies.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 20:19

    55
    - 55 -

    Wer festhält des Lebens Völligkeit,
    der gleicht einem neugeborenen Kindlein:
    Giftige Schlangen stechen es nicht.
    Reißende Tiere packen es nicht.
    Raubvögel stoßen nicht nach ihm.
    Seine Knochen sind schwach, seine Sehnen weich,
    und doch kann es fest zugreifen.
    Es weiß noch nichts von Mann und Weib,
    und doch regt sich sein Blut,
    weil es des Samens Fülle hat.
    Es kann den ganzen Tag schreien,
    und doch wird seine Stimme nicht heiser,
    weil es der Friedens Fülle hat.
    Den Frieden erkennen heißt ewig sein.
    Die Ewigkeit erkennen heißt klar sein.
    Das Leben mehren nennt man Glück.
    Für sein Begehren seine Kraft einsetzen nenn man stark.
    Sind die Dinge stark geworden, altern sie.
    Denn das ist Wider-Sinn.
    Und Wider-Sinn ist nahe dem Ende.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 21:43

    56
    - 56 -

    Der Wissende redet nicht.
    Der Redende weiß nicht.
    Man muss seinen Mund schließen
    und seine Pforten zumachen,
    seinen Scharfsinn abstumpfen,
    seine wirren Gedanken auflösen,
    sein Licht mäßigen,
    sein Irdisches gemeinsam machen.
    Das heißt verborgene Gemeinsamkeit (mit dem Sinn).
    Wer die hat, den kann man nicht beeinflussen durch Liebe
    und kann ihn nicht beeinflussen durch Kälte.
    Man kann ihn nicht beeinflussen durch Gewinn
    und kann ihn nicht beeinflussen durch Schaden.
    Man kann ihn nicht beeinflussen durch Herrlichkeit
    und kann ihn nicht beeinflussen durch Niedrigkeit.
    Darum ist er der Herrlichste auf Erden.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 21:48

    57
    - 57 -

    Zur Leitung des Staates braucht man Regierungskunst,
    zum Waffenhandwerk braucht man außerordentliche Begabung.
    Um aber die Welt zu gewinnen,
    muss man frei sein von Geschäftigkeit.
    Woher weiß ich, dass es also mit der Welt steht?
    Je mehr es Dinge in der Welt gibt, die man nicht tun darf,
    desto mehr verarmt das Volk.
    Je mehr die Menschen scharfe Geräte haben,
    desto mehr kommen Haus und Staat ins Verderben.
    Je mehr die Leute Kunst und Schlauheit pflegen,
    desto mehr erheben sich böse Zeichen.
    Je mehr die Gesetze und Befehle prangen,
    desto mehr gibt es Diebe und Räuber.
    Darum spricht ein Berufener:
    Wenn wir nichts machen,
    so wandelt sich von selbst das Volk.
    Wenn wir die Stille lieben,
    so wird das Volk von selber recht.
    Wenn wir nichts unternehmen,
    so wird das Volk von selber reich.
    Wenn wir keine Begierden haben,
    so wird das Volk von selber einfältig.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 21:51

    58
    - 58 -

    Wessen Regierung still und unaufdringlich ist,
    dessen Volk ist aufrichtig und ehrlich.
    Wessen Regierung scharfsinnig und stramm ist,
    dessen Volk ist hinterlistig und unzuverlässig.
    Das Unglück ist's, worauf das Glück beruht;
    das Glück ist es, worauf das Unglück lauert.
    Wer erkennt aber, dass es das Höchste ist,
    wenn nicht geordnet wird?
    Denn sonst verkehrt die Ordnung sich in Wunderlichkeiten,
    und das Gute verkehrt sich in Aberglaube.
    Und die Tage der Verblendung des Volkes dauern wahrlich lange.
    Also auch der Berufene:
    Er ist Vorbild, ohne zu beschneiden,
    er ist gewissenhaft, ohne zu verletzen,
    er ist echt, ohne Willkürlichkeiten,
    er ist licht, ohne zu blenden.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 21:55

    59
    - 59 -

    Bei der Leitung der Menschen und beim Dienst des Himmels
    gibt es nichts Besseres als Beschränkung.
    Denn nur durch Beschränkung
    kann man frühzeitig die Dinge behandeln.
    Durch frühzeitiges Behandeln der Dinge
    sammelt man doppelt die Kräfte des Lebens.
    Durch diese verdoppelten Kräfte des Lebens
    ist man jeder Lage gewachsen.
    Ist man jeder Lage gewachsen,
    so kennt niemand unsere Grenzen.
    Wenn niemand unsere Grenzen kennt,
    können wir die Welt besitzen.
    Besitzt man die Mutter der Welt,
    so gewinnt man ewige Dauer.
    Das ist der Sinn der tiefen Wurzel,
    des ewigen Daseins
    des festen Grundes
    und des dauernden Schauens.



    Re: Laotse - Tao Te King

    Shinobi No 5 - 30.01.2007, 21:57

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    Ein großes Land muss man leiten,
    wie man kleine Fischlein brät.
    Wenn man die Welt verwaltet nach dem Sinn,
    dann gehen die Abgeschiedenen nicht als Geister um.
    Nicht, dass die Abgeschiedenen keine Geister wären,
    doch ihre Geister schaden den Menschen nicht.
    Nicht nur die Geister schaden den Menschen nicht:
    Auch der Berufene schadet ihnen nicht.
    Wenn nun diese beiden Mächte einander nicht verletzen,
    so vereinigen sich ihre Lebenskräfte in ihrer Wirkung.



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