Kampf der Provisionsschinderei

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    Re: Kampf der Provisionsschinderei

    Phil - 23.01.2007, 18:05

    Kampf der Provisionsschinderei
    Zitat: In Zukunft dürfen nur noch geschulte Berater Finanzprodukte verkaufen. Doch noch immer hängt ihr Verdienst an Provisionen. Honorare wären sinnvoller Von Thomas Luther

    Die Liste der Dinge, die mit dem Jahresbeginn neu geregelt wurden, ist lang, sehr lang sogar: Elterngeld, Rentenversicherung, Krankenkassenbeiträge, Mehrwertsteuer, über die in den vergangenen Tagen ausführlich berichtet wurde. Wenig wahrgenommen wurde, dass es nicht mehr so einfach wie bisher möglich sein wird, quasi nebenberuflich abends und am Wochenende Versicherungsverträge und andere Finanzprodukte unter das Volk zu bringen. Denn von kommendem Mai an dürfen nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) nur noch Vermittler gewerbemäßig tätig werden, die in einem zentralen Online-Register verzeichnet sind und eine entsprechende Sachkundeprüfung nachgewiesen haben, wobei der DIHK als Registrierungs- und Erlaubnisstelle fungiert. Von dem Nachweis sind nur diejenigen Vermittler ausgenommen, die seit August 2000 ununterbrochen gewerbsmäßig tätig sind.

    Die neue Regelung wird zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht automatisch das Aus der Freizeitvertreter bedeuten, doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Spezielle Berufsregeln für die Vermittlung von Versicherungen gibt es schließlich bisher so gut wie keine. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. In einem Land, in dem man für alles und jedes eine behördliche Genehmigung benötigt oder eine Prüfung ablegen muss, kann – überspitzt formuliert – jeder Hans und Franz Versicherungsverträge verkaufen, ohne dass jemand fragt, ob er auch Ahnung von den Produkten hat, die er da an den Mann respektive die Frau zu bringen versucht. Jede Verkäuferin von Frischfleisch muss zumindest rudimentäre Fachkenntnisse nachweisen, bevor sie auf die Kundschaft losgelassen wird. Wenn aber im Zweifelsfall Verkaufstalent wichtiger ist als Fachwissen, darf man sich nicht wundern über die zum Teil erschreckend hohen Stornoquoten, die so manche Versicherungsgesellschaft aufweist, was, das sollte nicht vergessen werden, für die betroffenen Kunden eine teure Sache ist.

    Die neue Regelung beseitigt freilich nicht das Hauptproblem beim Verkauf von Finanzprodukten und in der Vermögensanlage: Fast jeder Vermittler und Finanzberater verdient sein Geld in Form einer Provision, deren Höhe von der Art des vermittelten Produkts und der Vertrags- und Auftragshöhe abhängt. Sicher, von irgend etwas müssen die Leute leben, doch diese Art der Honorierung führt in der Praxis tendenziell dazu, dass der Kunde eher Produkte bekommt, an denen der Berater und Vermittler viel verdient, als diejenigen, die wirklich seinem Bedarf entsprechen. Natürlich gibt es von dieser These löbliche Ausnahmen, aber die insgesamt schlechte Beratungsqualität vieler Banken und Versicherungen, über die Kunden immer wieder klagen und die auch die Warentester aus Berlin nachgewiesen haben, belegt, dass dieses Vergütungsmodell alles andere als optimal ist. Übrigens ist es in diesem Zusammenhang ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Berater bei der Sparkasse oder Bank um die Ecke neutraler und besser berät, weil er keine Provision, sondern ein Festgehalt von seinem Arbeitgeber bekommt. Denn zum einen achten die Buchhalter der meisten Geldhäuser mit Argusaugen darauf, dass die hauseigenen Berater ihr Gehalt durch den Verkauf entsprechend vieler Geldanlageprodukte auch wieder reinholen, weswegen den meisten Bankern klare Verkaufsziele vorgegeben werden. Zum Zweiten zahlen viele Banken und Sparkassen ihren Mitarbeitern im Kundendienst neben einem Fixum eine erfolgsabhängige Komponente. Folge: Auch die Bankberater verkaufen, was das haus- beziehungsweise konzerneigene Angebot hergibt – die Sparkassen zum Beispiel Fonds der gruppeneigenen Dekabank, die Volks- und Raiffeisenbanken Bausparverträge der LBS – unabhängig davon, ob das im konkreten Fall auch die jeweils qualitativ besten Produkte sind.

    Recht vielversprechend liest sich da das Angebot der neuen Quirin Bank, die von Karl Matthäus Schmidt aus der Taufe gehoben wurde. Schmidt hat zu Zeiten des Börsenbooms Ende der neunziger Jahre bereits mit der Gründung des Online-Brokers Consors die deutsche Finanzszene aufgemischt. Der heißt heute Cortal Consors, nachdem Schmidt sein Unternehmen erst an die Börse gebracht und dann an die französische Großbank BNP Paribas verkauft hat. Nun will er mit einem neuen Institut eine Lanze, so die Übersetzung des Namens Quirin aus dem Sabinischen, für den gemeinen Bankkunden brechen. Schmidts Preismodell sieht dabei so aus: Monatlich zahlen Quirin-Kunden einen Pauschalpreis von 75 Euro. Das klingt auf den ersten Blick recht happig, aber dieser Satz schließt sämtliche Beratungsleistungen ein, unabhängig davon, wie groß ihr Vermögen ist. Darin enthalten sind außerdem sämtliche Transaktionskosten etwa für den Kauf von Wertpapieren. Das relativiert die 75 Euro deutlich. Allerdings wird zusätzlich eine Erfolgsvergütung von 20 Prozent auf den auf das Jahr bezogenen Wertzuwachs fällig. Im Gegenzug verspricht Quirin, alle Bestands- und Vertriebsprovisionen, die das Institut von den jeweiligen Finanzpartnern beziehungsweise Produktlieferanten bekommt, an die Kunden auszuzahlen.

    Die Stoßrichtung ist klar: Mit diesem Vergütungssystem soll „Provisionsschinderei“ von vornherein das Wasser abgegraben werden, denn dem Berater wird kein Anreiz geliefert, seinen Kunden zu unsinnig vielen Wertpapiergeschäften zu raten.

    Ähnlich wie bei der Versicherungsvermittlung wird es interessant sein zu beobachten, wie sich Schmidt mit seinem Preismodell schlägt. Auch wenn sich kurz nach dem Start noch nichts zur Beratungsqualität des jungen Instituts sagen lässt, bleibt ihm doch zu wünschen, dass er sich am Markt durchsetzt und damit der Vermögens- und Finanzberatung gegen Honorar in Deutschland endlich zum Durchbruch verhilft. Denn die Bank- und Versicherungskunden mögen sich hierzulande über die schlechte Service- und Beratungsqualität noch so sehr aufregen und beschweren. Dass sie ihrem Banker wie ihrem Rechtsanwalt für seine Arbeit ein festes Honorar in Abhängigkeit von Art und Umfang der Leistung zahlen, kommt so gut wie niemandem in den Sinn. Dabei ist in anderen Bereichen der Finanzdienstleistung – etwa bei den Fondsmanagern – eine laufende Honorierung längst üblich.

    Man sollte sich eine wirklich gute und neutrale Empfehlung seines Bankers ruhig etwas kosten lassen. So lassen sich in vielen Fällen locker mehrere tausend oder zumindest hundert Euro sparen, etwa bei einer Baufinanzierung, oder verdienen, wenn es um die Geldanlage geht. Unterm Strich lässt sich verschmerzen, dass der gute Rat teuer ist.

    Thomas Luther ist Finanzjournalist und beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema Geldanlage und hat eine Reihe von Büchern dazu veröffentlicht. Er arbeitet als freier Autor und Redakteur beim "Handelsblatt".

    Quelle: http://www.zeit.de/online/2007/01/lebenslagen-01?page=all



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