Mein zweites Buchprojekt ;)

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    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 14.01.2007, 20:38

    Mein zweites Buchprojekt ;)
    Nachdem ich hierfür bisher nur gute Kritiken bekommen habe, stelle ich den Anfang doch auch mal euch zur Kritik. Hoffentlich gefällts euch..
    @Arthea: Du musst es ja dann nicht nochmal lesen :grins:

    Der Morgen graute bereits, als Torrel sein Pferd am Waldrand zügelte. Er blickte prüfend zum klaren Himmel hinauf. Das Licht der Sonne würde er bald bitter vermissen.
    Sein Blick wanderte zurück und versuchte die tiefe Dunkelheit zu durchdringen.
    Torrel holte tief Luft, dann trieb er das Pferd entschlossen zwischen die Bäume.
    Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken, als die Dunkelheit ihn verschlang. Einen Moment lang bekam er keine Luft, dann begannen seine Augen sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen und er beruhigte sich ein wenig. Aufmerksam musterte er seine Umgebung.
    Jede Unachtsamkeit konnte hier sein letzter Fehler sein. Der Wald mochte kein Leben und wenn man ihm die Chance dazu gab löschte er es gnadenlos aus.
    Torrel fröstelte. Fast bereute er seine Entscheidung herzukommen, dann aber sah er Neelana vor sich, wie sie lachte und ihn vom Rücken ihres Pferdes herab anstrahlte. Sie war noch so jung und so verletzlich. Und sie war irgendwo in diesem Wald - wenn sie nicht bereits tot war.

    Er schüttelte die finsteren Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf seine Umgebung. Erst jetzt fiel ihm auf, dass das Pferd stehen geblieben war. Seine Ohren zuckten nervös vor und wieder zurück.
    „Komm schon Junge.“ flüsterte Torrel „Du hast doch sonst vor nichts Angst.“
    Seine eigene Stimme bereitete ihm Gänsehaut in der leblosen Stille des Waldes. Er verstummte und klopfte dem Tier beruhigend den Hals. Mit einem leisen Schnauben und noch immer zögerlich setzte es sich wieder in Bewegung.
    Torrel ließ erneut den Blick schweifen, das Dickicht breitete sich endlos vor ihm aus -und mit ihm die Hoffnungslosigkeit. Wie sollte er seine kleine Schwester hier finden?
    Dann aber straffte er die Schultern. Er würde sie finden oder auf der Suche nach ihr sterben; ohne sie würde er jedenfalls nicht zurückkehren.
    Seine Entschlossenheit schien sich auf das Pferd zu übertragen, denn es griff plötzlich rascher aus und trabte ruhig zwischen den Bäumen hindurch.
    Während er auf das gedämpfte Geräusch der Pferdehufe lauschte, schweiften Torrels Gedanken zurück zu seinem Vater und richteten sich auf das Gespräch, das sie kurz vor seinem Aufbruch geführt hatten.

    „Bist du von Sinnen?!“ hatte Lord Vargas ausgerufen und ihn bei den Schultern gepackt. „In den Wald der tausend Tode? Du bist der Erbe des Kronbezirks!“
    „Oh, das ist also worum es dir geht! Deine Tochter kannst du opfern, deinen Sohn im Grunde auch, aber nicht deinen Erben! Ich muss dich leider enttäuschen, ich werde Neelana zurückbringen, auch wenn es mich das Leben kosten sollte! Aber sorge dich nicht, du hast ja noch Simeon.“
    Dafür hatte sein Vater ihn geschlagen.
    Torrel hatte sich in der Dunkelheit vom Hof stehlen müssen, vorbei an mehreren Soldaten, die der Lord abgestellt hatte, um ihn an der ´Flucht´ zu hindern.
    In hilflosem Zorn ballte er die Fäuste. Sein Vater hatte keine Mühe gescheut ihn an Neelanas Rettung zu hindern. Der Rettung seiner Tochter!
    Tief in seinem Inneren jedoch wusste er, dass dem nicht so war. Dass sein Vater die muntere 14-jährige genauso sehr liebte wie er selbst. Er glaubte nur nicht daran, dass sie lebend gefunden werden könnte und wollte nicht auch noch seinen Sohn verlieren.
    Aber Torrel weigerte sich den Tod seiner Schwester auch nur in betracht zu ziehen. Er war nur zwei Jahre älter als sie und sie hatten schon immer eine besondere Beziehung gehabt.
    Im Gegensatz zu anderen Geschwistern stritten sie beinahe nie und sie wussten auf eine wundersame Art immer, was der andere gerade fühlte.
    Seit Neelana sich jedoch in diesem Wald befand, hatte Torrel nichts mehr gefühlt.
    Die Furcht sie könnte tot sein erfüllte ihn und drängte den Zorn über die Reaktion seines Vaters zurück.
    Er blickte hinab auf das niedergedrückte Gestrüpp, den Trampelpfad, den Neelanas Pferd deutlich sichtbar auf dem sonst unberührten Waldboden hinterlassen hatte.
    Warum hatte sie das nur getan? Der Wald war mit Abstand das Tödlichste, dem man sich im Abstand vieler Meilen aussetzen konnte..
    Torrel fluchte leise. Er hätte wissen müssen, dass Neelana früher oder später hierher kommen würde.
    Nur in diesem Wald wuchs nach alter Überlieferung das Warrel-Kraut, welches die Krankheit heilen konnte, an der Neelanas alte Amme schon sehr lange litt. Die einzige Frau, die Neelana jemals als Mutter betrachtet hatte. Nun war sie hier, an einem Ort, den seit Jahrhunderten niemand mehr lebend verlassen hatte. Und er mit ihr.

    Mit einem Mal machte Torrels Pferd einen Satz zur Seite und warf ängstlich den Kopf hoch. Torrel klammerte sich verzweifelt an den Sattel, als es versuchte zur Seite auszubrechen. Mühsam versuchte er es zurückzuhalten, dann jedoch sah er, was das Tier so erschreckt hatte und stieß einen heiseren Schrei aus.
    Das Pferd geriet vollends in Panik und preschte davon, trug Torrel fort von dem schauerlichen Anblick.
    Er hatte Neelanas Stute sofort erkannt, auch wenn nicht viel von ihr übriggeblieben war. Torrel würgte. Der Kadaver war schauerlich zugerichtet und er geriet in Panik bei dem Gedanken, herauszufinden, was dafür verantwortlich war.
    Doch noch immer wollte er die Hoffnung nicht aufgeben, dass seine kleine Schwester noch am Leben war. Von ihrer Magd wusste er, dass sie bei ihrem Aufbruch ein blaues Kleid getragen hatte und ein solcher Farbfleck wäre ihm trotz des grausigen Anblicks sofort ins Auge gesprungen.

    Sein Pferd hatte sich nun wieder weitestgehend beruhigt, doch sie waren bereits sehr weit von dem Unglücksort entfernt. Torrel seufzte schwer. Wenn er doch nur wüsste, in welche Richtung seine Schwester sich gewandt hatte!
    Plötzlich horchte Torrel auf. Hatte er da nicht ein Geräusch gehört? Einen Hilferuf?
    Er lauschte angestrengt, doch um ihn herum blieb es totenstill. Er schauderte bei diesem Vergleich. Gerade als er den leisen Ruf als Einbildung abtun wollte, merkte er, dass auch sein Pferd die Ohren gespitzt hatte. Dann hörte er es wieder.

    Alle Vorsicht vergessend rief er laut nach seiner Schwester. Das Pferd zuckte erschrocken unter ihm zusammen, ließ sich jedoch schnell beruhigen und fügte sich gehorsam dem geflüsterten Befehl seines Herrn. Erneut rief Torrel Neelanas Namen und sprach dabei ein leises Gebet zu den Göttern.
    Dann vernahm er eine leise Stimme – unverkennbar die seiner Schwester! – die seinen Namen rief.
    Torrel fiel ein Stein vom Herzen. Hastig trieb er das Pferd zur Eile an und schon bald nahm er einen Flecken hellen Blaus zwischen den dunkeln Schatten der Bäume wahr.
    Auch sein Reittier hatte die vertraute Gestalt erblickt und strebte ihr zu.
    Torrel rutschte aus dem Sattel noch bevor es zum stehen kommen konnte und schloss seine Schwester heftig in die Arme.
    Nur am Rande nahm er wahr, dass sie leise schluchzte. Zu groß war die Erleichterung, sie lebend bei sich zu wissen.

    Ein leises Schnauben und nervöses Hufscharren holten ihn schließlich in die Wirklichkeit zurück. Neelana schützend an sich gedrückt wandte er sich um. Das Pferd warf den Kopf hoch und rollte ängstlich mit den Augen.
    Torrel verlor keine Zeit. Er ließ seine Schwester los und hob sie noch in der selben Bewegung auf den Rücken des Pferdes. Dann schwang er sich hinter ihr hinauf und trieb das Pferd mit festem Schenkeldruck an.
    Sofort preschte es los und stürmte ohne Rücksicht auf seine Reiter zwischen den Bäumen dahin, die den Anschein erweckten, ihre panische Flucht verhindern zu wollen.
    Torrel wusste nicht einmal, wovor sie flüchteten, doch in diesem Wald vertraute er seinem Pferd bedingungslos.
    Zweige peitschten auf die Geschwister hernieder und rissen ihnen Haut und Kleider auf.
    Kleine Äste verfingen sich im Zaumzeug und zerrten daran, doch das Pferd ließ sich nicht aufhalten.
    Hinter ihnen splitterten mit lautem Krachen mehrere Baumstämme. Neelana schrie panisch auf und Torrel rammte seinem Pferd die Hacken so fest in den Leib, dass es aufschrie und seine Geschwindigkeit noch einmal steigerte.
    Das Krachen und Splittern hinter ihnen nahm an Lautstärke zu, bis es klang, als bräche hinter ihnen ein Geschöpf von der Größe eines ganzen Guthofes durch den Wald.
    Torrel zitterte heftig. So heftig, dass er mühe hatte, sich im Sattel zu halten. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie solche Angst verspürt, wie in diesem Moment. Er wagte nicht sich umzudrehen, aus Furcht schon der Anblick des Wesens könne ihn töten.
    Neelana klammerte sich an ihm fest und ihre Fingernägel gruben sich tief in seine Handgelenke, doch er spürte es kaum. Weit vor ihnen hatte er einen schwachen Lichtschimmer ausgemacht. Den Waldrand! Fest hielt er den Blick darauf gerichtet und trieb das Pferd immer und immer weiter an. Schaum bedeckte dessen Hals und troff aus seinem Maul, während es blindlings vorwärts stürmte.

    Mit Entsetzen erblickte er plötzlich ein Loch von der Größe eines Kaninchenbaus mitten auf ihrem Weg und er begriff, dass das Tier keine Chance mehr hatte auszuweichen. Dann war es auch schon heran und sein Vorderlauf stieß wuchtig in das Loch.
    Mit einem fürchterlichen Kreischen brach es vorne ein und stürzte. Torrel und Neelana wurden von seinem Rücken geschleudert und prallten mit einem Schlag gegen einen Baum, der Torrel alle Luft aus den Lungen trieb und ihn Sterne vor Augen sehen ließ.
    Trotzdem schaffte er es wieder auf die Beine zu kommen. Mit nahezu übermenschlicher Kraft riss er seine Schwester hoch und stürmte los. Neelana folgte ihm, ihren Arm hielt er noch immer umklammert. Immer wieder stolperte sie.
    Sie konnte nicht mit ihm Schritt halten, doch er wagte nicht langsamer zu werden.
    Noch immer klang das schrille Kreischen des Pferdes in ihren Ohren und spornte sie immer weiter an. Der Lichtschein war bereits näher gekommen.
    Dann, mit einem Schlag, erstarben die Schreie und an ihrer Stelle vernahm Torrel das Splittern von Knochen. Kraftlos schloss er für einen Moment die Augen, stolperte über eine Wurzel und schlug lang zu Boden. Doch dieses Mal war es Neelana, die sofort an seiner Seite war und ihn wieder auf die Beine zog.
    Torrel konnte den Waldrand inzwischen bereits erkennen, sah das saftige Grün der Wiesen zwischen den Stämmen hindurch schimmern. Doch er wusste, sie würden es nicht schaffen.
    Mit lautem Krachen zerbarst ein weiterer Stamm unmittelbar hinter ihnen und Splitter prasselten auf die Geschwister hernieder. Das etwas, was auch immer es war, war bereits zu dicht, sie hatten keine Chance.
    Dann aber drang ein lautes Heulen an Torrels Ohren und er sah einen großen braunen Schatten auf sich zuspringen.
    Er erkannte Dobbs, den treuen Wolfshund seines Vaters. Der Hund sprang an ihnen vorbei und warf sich auf das Monster hinter ihnen.

    Ein letzter Funke Hoffnung keimte in ihm auf und er nahm seine letzten Kräfte zusammen, um verzweifelt loszusprinten. Neelana schrie erschrocken auf, als er sie so plötzlich nach vorne riss, doch er konnte nicht auf sie achten.
    In seinem Kopf existierte nichts anderes mehr als der Gedanke, den Waldrand zu erreichen.
    Hinter ihnen erklang ein durchdringendes Jaulen und bei dem Gedanken, dass Dobbs sein Leben für sie geopfert hatte, schossen Torrel heiße Tränen in die Augen.
    Nur noch wenige Bäume versperrten ihnen jetzt noch den Weg in die Sicherheit des Sonnenlichts und in wenigen Sekunden, die ihm wie Jahre erschienen, schafften sie es den Waldrand zu erreichen und stürzten hinaus auf die freie Wiese.
    Torrel konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, er stürzte und riss Neelana mit sich zu Boden. Dieser Umstand rettete ihnen das Leben, denn kaum waren sie auf dem Boden aufgeschlagen, rutschten sie auch schon den steilen Hang hinab und eine riesige krallenbewehrte Klaue schlug hinter ihnen ins Leere.
    Dann wurde Torrel schwarz vor Augen.


    Als er erwachte lag er in einem weichen Bett. Sein Blickwinkel war stark eingeschränkt, denn sein linkes Auge war beinahe vollständig zugeschwollen, doch er erkannte trotzdem, dass er sich in seiner Schlafkammer befand. Zuhause – und in Sicherheit! Eine Woge der Erleichterung überkam ihn und er schloss erschöpft die Augen. Dann zwang er sich jedoch, sie wieder zu öffnen.
    Er musste nach Neelana sehen. Mühsam versuchte er aufzustehen und sank mit einem heiseren Aufschrei wieder zurück. Seine Schulter brannte wie Feuer.
    „Dein Schlüsselbein ist gebrochen, Junge.“ Die Stimme seines Vaters klang müde. Torrel hob den Blick und sah ihn an.
    Sein Äußeres verstärkte diesen Eindruck noch. Seine Kleidung war zerrissen und verdreckt. Sein Gesicht war grau und eingefallen, unter den Augen lagen dunkle Ringe.
    „Das mit Dobbs..“ ,setzte Torrel vorsichtig an, „Es tut mir so leid, Vater!“ Seine Stimme versagte, er wusste, dass der Verlust, den sein Vater erlitten hatte, mit Worten nicht wieder gutzumachen war.
    Schweigend sahen sie einander an. Schließlich ergriff sein Vater wieder das Wort. „Er war schon alt... Deine Schwester will dich sehen. Ich denke du solltest zu ihr gehen.“
    „Wie geht es ihr?“ fragte Torrel leise. Sein Vater schüttelte den Kopf. „Geh und sieh selbst.“
    Torrel ignorierte die verletzte Schulter und sprang hastig auf. Der Schmerz ließ rote Flecken vor seinen Augen tanzen, doch er schüttelte energisch den Kopf und stürmte dann an seinem Vater vorbei aus dem Zimmer.
    Furcht hatte sich wie eine kalte Hand um sein Herz gelegt. Warum hatte sein Vater ihm nicht gesagt, was los war?
    Er hastete um die Ecke und wäre dort beinahe mit seiner alten Amme zusammengestoßen, die gerade die Tür zu Neelanas Zimmern hinter sich schloss.
    Sie zuckte erschrocken zusammen und sah ihn dann einen Moment lang vorwurfsvoll an. Dann aber wich ihr Ausdruck tiefer Sorge. „Wie geht es deiner Schulter?“ fragte sie leise.
    „Es geht schon.“ entgegnete Torrel knapp. „Was ist mit Neelana? Vater wollte mir nichts sagen!“
    „Das konnte er auch nicht. Sie hat keine Verletzungen davongetragen...“ Torrel schloss erleichtert die Augen. Die Angst löste ihre eisige Umklammerung und er lehnte sich müde an die Wand neben der Türe.
    „Aber sie wird dennoch die Nacht nicht überleben.“ sagte die Amme nun so ruhig, als habe sie über aufziehenden Regen gesprochen.

    Torrel riss die Augen wieder auf. Er starrte die Frau einige Herzschläge lang entsetzt an, dann stürmte er durch die Tür zu seiner Schwester.
    Bei ihrem Anblick schrak er so heftig zusammen, dass ein Schmerz durch seine Schulter schoss, der ihn beinahe aufschreien ließ.
    Neelanas Haut hatte jegliche Farbe verloren und war rissig wie altes Pergament. Ihr Körper war so ausgezehrt als habe sie seit Wochen nichts gegessen. Sie schien förmlich von innen zu glühen. Und sie sah unglaublich zerbrechlich aus.
    „Was ist los? Sehe ich so fürchterlich aus, dass du mich nicht einmal begrüßen kannst?“
    Ihre Stimme hatte einen liebevoll spöttischen Klang, doch dabei war sie so dünn und rau, dass es ihre Heiterkeit lügen strafte.
    Torrel trat an ihr Bett, kniete davor nieder und ergriff ihre Hand. Sie war heiß und trocken.
    Er sah ihr in die Augen, die fiebrig glänzten und merkte mit Erschrecken, dass all das Feuer daraus gewichen war. Mit plötzlicher Klarheit begriff er, dass ihr Leben schwand – er würde sie verlieren.
    Der Schmerz war so groß, dass er nicht einmal mehr zu Tränen fähig war.
    Doch wie immer spürte Neelana, was in ihm vorging.
    „Sei nicht traurig, großer Bruder.“ sagte sie leise. „Ich werde immer bei dir sein.“
    Er schüttelte den Kopf und nun liefen ihm doch Tränen über die Wangen. „Bleib bei mir!“
    „Ich kann nicht, es tut mir so leid, Torrel! Es tut mir so leid..“
    Ihre Stimme wurde immer leiser. „Nein!“ hauchte er. „Nein, geh nicht fort! Nimm mich mit dir!“ Neelana lächelte gequält.
    „Wie gerne würde ich das tun, aber deine Zeit ist noch nicht gekommen. Vergiss mich nicht – und vergiss niemals, wie sehr ich dich liebe!“
    Dann wich auch der letzte Rest leben aus ihrem Körper. Ihre Brust senkte sich ein letztes Mal. Sie war tot.
    Torrels Lippen öffneten sich und er schrie seinen Schmerz hinaus in die Welt.


    Lord Vargas stand im Garten seines Gutshofes und stützte sich schwer auf die kleine Mauer, die sein Land umgab. Seine Gestalt war gramgebeugt. Der Schmerz hatte ihn rasch altern lassen.
    Es war kaum ein Jahr her, dass seine geliebte Frau im Kindbett verstorben war und mit ihr das Kind. Und nun hatte ihm das Schicksal auch noch seine einzige Tochter genommen.
    Er wusste, dass er auch Torrel verlieren würde. Seinen ältesten Sohn und dasjenige seiner Kinder, das er am meisten liebte.

    Torrel war immer ein aufgewecktes, lebensfrohes Kind gewesen, aber als vor wenigen Stunden sein Schrei die Stille zerrissen hatte er gewusst, dass es damit für immer vorbei sein würde.
    Torrels Beziehung zu seiner Schwester war enger und tiefer gewesen, als Vargas es sich jemals hätte vorstellen können und mit ihrem Tod war etwas in seinem Sohn zerbrochen und hatte seinen Lebenswillen mit sich in die Tiefe gerissen.
    Lord Vargas war ein gebrochener Mann, aber sein Sohn war tot. Sein Körper hatte das nur noch nicht begriffen.
    Als er hinter sich ein leises Scharren vernahm, drehte er sich langsam um.
    Torrel stand hinter ihm auf den Gras, sein Gesicht eingefallen und von Schmerz gezeichnet.
    Bei seinem Anblick zog sich ihm das Herz zusammen und tief in seinem Inneren wusste er, was ihm nun bevorstand.
    Trotzdem überkam ihn eine tiefe Trauer, als Torrel die Worte aussprach, vor denen er sich so fürchtete.
    „Ich muss fort von hier, Vater.“
    „Ich weiß, mein Sohn:“ Er seufzte schwer. „Es fällt mir nicht leicht das zu sagen, aber ich will dich nicht aufhalten. Geh mit meinem Segen.“
    Die offensichtliche Verblüffungen seines Sohnes versetzte dem Lord einen Stich.
    „Du bist weit mehr als nur mein Erbe, Torrel.“ Einer plötzlichen Eingebung folgend zog er seinen Sohn fest an sich, ließ ihn dann jedoch, beschämt über seinen Gefühlsausbruch, rasch wieder los.
    Als fürchte er, erneut von der Liebe zu seinem Sohn überwältigt zu werden, wandte er sich nun ab und ging in Richtung des Hauses zurück.
    „Über deinen Besitz kannst du ja ohnehin frei verfügen, aber ich bitte dich, bediene dich auch an allem was mein ist und nimm mit dir, was deine Schwester dir hinterließ.“ Bei den letzten Worten versagte seine Stimme und er beschleunigte seine Schritte, bis sein Rückzug eher einer Flucht glich.
    Torrel starrte ihm nach, unfähig sich zu regen. Die Reaktion seines Vaters hatte ihn gänzlich überrumpelt. Nicht genug, dass dieser ihm plötzlich väterlich gegenübertrat, er ließ ihn auch noch widerstandslos ziehen.

    Das Verhalten des Lords hatte Torrel immer nur schließen lassen, er sei der lang ersehnte Erbe und dies der Grund, warum er auf Händen zu tragen sei, nicht aber ein geliebter Sohn. Nun wurde er eines besseren belehrt und doch fühlte er sich betrogen.
    Er war behütet aufgewachsen und sein ganzes Leben lang hatte er mit allem was er tat seines Vaters Anerkennung zu erringen versucht. In diesem Moment war ihm bewusst geworden, dass er sie schon lange besaß.
    Ein dumpfes Grollen riss ihn aus seinen Gedanken und ein Blick zum Himmel sagte ihm, dass er besser ins Haus zurückkehren sollte, wenn er nicht bis auf die Haut durchnässt werden wollte.
    Dann aber entschloss er sich zu bleiben.
    Neelana liebte den Regen, nein - Torrel korrigierte sich in Gedanken – sie hatte den Regen geliebt und als nun die ersten schweren Tropfen auf ihn nieder prasselten, fühlte er sich ihr auf eine seltsame Weise nahe.
    Er schloss die Augen und wandte das Gesicht dem Himmel zu.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Arthea - 17.01.2007, 00:24


    Also nachdem die anderen sich nicht trauen und ich ja "Leseverbot" habe, kann ich nur sagen:

    MEHR MEHR MEHR MEHR :hurra: :blume:

    Da bekomm ich fast Lust auch zu schreiben..... aber meine kläglichen versuche kennst du ja. Dann bleib ich doch lieber dabei deine zu lesen ;)

    LG Arthea :sonne:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 17.01.2007, 18:53


    Arthea hat folgendes geschrieben:

    Da bekomm ich fast Lust auch zu schreiben..... aber meine kläglichen versuche kennst du ja. Dann bleib ich doch lieber dabei deine zu lesen ;)


    Ich habe dir aber schon tausend mal gesagt, dass sie nicht kläglich sind! :schimpf:

    Wenn du nicht aufpasst, stell ich einen hier ein, dann wirst dus ja sehen! :grins:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Arthea - 17.01.2007, 19:12


    :schock: :bleich: Wehe dir.....

    Außerdem kennst du meine neuesten Versuche noch nicht :pst:
    Aber ich bleib dabei, dass deine wesentlich mehr Freude bereiten :irre:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 17.01.2007, 19:54


    :tanz: Danke!

    Keine Sorge, ich werd das schon nicht einfach machen! :trost:

    Dann muss ich die neuen eben kennenlernen... :zwinker:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Herrin der Schrecken - 18.01.2007, 21:18


    Nachdem ich es jetzt auch mal geschafft habe das zu lesen kann ich nur sagen: Respekt!!!
    Davon will man ( naja, jedenfalls ich) doch ein bisschen mehr lesen... :hurra:

    Nicht dass ich fies sein will... obwohl du ja festgestellt hast dass du mich fies magst^^: Ich biete mich für die Veröffentlichung gerne als Korrekturleser an (da gibts so ein oder zwei kleinere Fehlerchen, die dem Text zwar nix machen aber trotzdem halt doof sind)



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 19.01.2007, 14:05


    Das finde ich aber sehr lieb von dir! :hurra: :tanz:

    Ich habe nämlich z.B. eine ziemlich miese Zeichensetzung und auch beim zehnten mal lesen übersieht man immernoch Tippfehler etc.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 19.01.2007, 23:40


    Spielt ein :hamster: mit?

    Ich werde morgen mal in Ruhe lesen.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 20.01.2007, 17:36


    :grins: Ach Cassa...

    Ich würde euch dazu raten, es auszudrucken - ist wesentlich angenehmer, als so lange Passagen am Pc zu lesen..



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Arthea - 28.03.2007, 15:26


    *anstups* na wie siehts denn aus? ... ich lechze nach mehr :engel: :pfeif:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 28.03.2007, 19:13


    DU hast ja auch schon einiges mehr :zwinker:

    Nee, tut mir leid, ich komme im Moment einfach zu nichts und da muss das schreiben leider ganz besonders zurückstehen. :(



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Arthea - 29.03.2007, 10:36


    kein Problem, versteh ich vollkommen...sorry :blume:

    Sollte nur so ein kleines zeichen âla - ich hab nicht drauf vergessen, und will dir nur zeigen, dass ich immer noch davon begeistert bin- sein :ups: :ruhe:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 29.03.2007, 20:25


    :tanz: Dankeschön! :herz:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 09.04.2007, 13:33


    So, ich mache euch mal wieder ein bißchen was zugänglich :ups:
    Ist aber glaube ich die unüberarbeitete Version..

    Ein plötzlicher, heftiger Stoß vor seine Brust ließ ihn zurücktaumeln. Einen Moment lang kämpfte er mit heftig rudernden Armen um sein Gleichgewicht, dann stürzte er rücklings auf die Wiese.
    Ehe er noch recht begreifen konnte, wie ihm geschah, prasselten auch schon kräftige kleine Fäuste auf ihn hernieder.
    Torrel spürte sie kaum. Stumm blieb er sitzen und beobachtete so nüchtern wie sein kleiner Bruder auf ihn einschlug, als stünde er neben seinem Körper und beobachtete das Geschehen. Er sah wie Simeon die Tränen über die Wangen rannen und sich mit dem Regen vermischten.
    Unschlüssig wie er handeln sollte zog er ihn an sich.
    „Ist ja gut Kleiner.“ sagte er „Ich verstehe dich ja.“
    „Das tust du nicht, sonst würdest du nicht fortgehen!“ Laut schluchzend krallte er die Finger in Torrels Wams.
    „Ach Simeon! Wenn du doch wüsstest..“
    „Für mich reicht das Wissen, das ich habe! Du wirst fortgehen und mich hier alleine lassen! Und nun werde ich derjenige sein, der Vaters Erbe antreten muss. Dafür bin ich doch noch viel zu klein!“
    Torrel musste gegen seinen Willen leise lachen.
    „Früher warst du ganz heiß darauf. Erinnerst du dich noch, dass du mich immer zum Duell gefordert hast? Du hast mich mit deinem kleinen Holzschwert bedroht und gesagt, ich solle das Erbe gefälligst mit dir teilen!“
    „Aber das war doch nicht ernst gemeint!“ schluchzte Simeon protestierend. „Ich wollte nie, dass du fortgehst!“
    Spontan zog Torrel den Kleinen noch fester in seine Arme.
    „Das weiß ich doch!“ sagte er ernst. „Und ich wünschte ich könnte bleiben. Glaub mir, wenn es möglich wäre, ich täte es ohne zu zögern!“
    „Du lügst doch!“ schimpfte nun sein kleiner Bruder. „Niemand zwingt dich zu gehen!“
    Er wand sich aus Torrels Armen, dann sprang er auf und rannte durch den dichten Regen zurück zum Haus.
    Und wieder blieb Torrel allein zurück.

    *****

    Torrel erwachte, weil die Sonne ihm ins Gesicht schien. Blinzelnd richtete er den Blick an die Decke und seufzte leise.
    Es war lange her, dass ihn ein so langer und so klarer Traum geplagt hatte. Normalerweise verfolgte ihn nur Neelanas Tod im Traum oder er erwachte am Morgen schweißgebadet, weil ihn in der Nacht das Monster verfolgte, dessen Erscheinung er noch immer nicht kannte.
    Im Grunde, so dachte er bei sich, verfolgte ihn doch jede Nacht ein Monster – das Monster, welches den Namen Erinnerung trug. Und zumeist quälte es ihn auch tagsüber..
    Torrel drehte den Kopf zur Seite und sein Blick fiel auf einen blonden Haarschopf.
    Er verzog das Gesicht. Schon lange hatte er zu zählen aufgehört, wie viele Huren ihm im Monat das Bett wärmten. Und beinahe ebenso lange wusste er schon, dass es so nicht weitergehen konnte.
    Sein Leben lag in Scherben und er wusste es. Trotz allem unternahm er nichts dagegen.
    Es kam ihm noch immer vor, als wäre seine Schwester erst gestern von ihm gegangen, obwohl ihr Tod sich in wenigen Tagen bereits zum fünften Mal jährte!
    Noch einmal seufzte er auf, dann erhob er sich vorsichtig und begab sich ebenso langsam und leise ins Nebenzimmer. Die Hure zu wecken war jetzt das letzte was er wollte.
    Wie hatte er nur zulassen können, dass es soweit kam?
    Tief in seinem Innern wusste er, dass die Frauen ihm ein Ersatz sein sollten.
    Ein Ersatz für einen Menschen, den niemand ersetzen konnte! Trocken lachte er auf.
    Dann erhob er sich und blickte in den Spiegel, der über seinem Waschtisch hing.
    Er hatte sich verändert.
    Der Blick seiner einst so lebhaften Augen war stumpf und kalt geworden, um seine früher ewig lächelnden Lippen hatte sich ein harter Zug gelegt.
    Die ehemals glänzenden braunen Haare waren stellenweise frühzeitig ergraut und ließen ihn weit älter wirken als er tatsächlich war.
    Dazu kam, dass er sich nur selten rasierte und die ungezähmten Bartstoppeln ihm ein ungepflegtes Äußeres verliehen.
    Trotzdem wusste Torrel, dass er noch immer gut aussah.
    Er wusste diesen Trumpf nur nicht auszuspielen.
    Er war damals, nach seinem Streit mit Simeon, nicht mehr lange auf dem Gut seines Vaters geblieben.
    Noch vor Neelanas Bestattung hatte er alles zusammengepackt, was er mit sich nehmen wollte. Viel war es ohnehin nicht gewesen.
    Nachdem sie dann so endgültig fort gewesen war hatte er sich trotz des gebrochenen Schlüsselbeines eilig auf den Weg gemacht.
    Er erinnerte sich noch genau an seinen Aufbruch.
    Es hatte heftig geregnet, damals war es ihm erschienen, als weine selbst der Himmel um seine geliebte Schwester.
    Sein Vater und seine Amme hatten nebeneinander im Freien gestanden, ungeachtet der Tatsache, dass sie völlig durchnässt wurden und dass ein eisiger Wind wehte.
    Keiner hatte ein Wort gesprochen. Weder um ihm den Abschied zu erleichtern, noch zu erschweren.
    Bei einem letzten Blick zurück auf das Haus hatte er eine hastige Bewegung hinter einem der oberen Fenster wahrgenommen und gewusst, dass auch Simeon seinen Aufbruch beobachtete.
    Sein Heim zu verlassen war ihm schwergefallen, doch der Gedanke bleiben zu müssen hatte ihn noch um einiges mehr gequält.
    Er war ohne ein Wort des Abschieds aufgebrochen und auch ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte.
    Nun, er hatte eine Bleibe gefunden und eine gute noch dazu, doch wirklich geholfen hatte es ihm auch nicht.
    Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, er hätte kein Dach über dem Kopf und niemanden, der ihm Geld zusteckte.
    Dann hätte er Arbeit suchen müssen. Gute, harte Arbeit, die ihn von seinem Schmerz ablenken würde. Zudem würde er es sich zweimal überlegen, all das Geld für Weiber auszugeben! Und es würde seinem Leben wieder einen Sinn geben.
    Vielleicht war es wieder an der Zeit für einen Aufbruch...
    „Torrel?“ Die Hure hatte er inzwischen völlig vergessen. Umso besser, dass sie sich ihm nun wieder ins Gedächtnis rief. Dann würde sie ihn weniger Geld kosten.
    Torrel schüttelte den Kopf. Früher hätte er niemals auch nur an eine Hure gedacht und eine Frau wie eine Ware zu behandeln wäre ihm zutiefst zuwider gewesen.
    Nicht nur sein Körper hatte sich verändert.
    Müde schob er den Gedanken beiseite und verließ den Raum, um die Frau zu bezahlen.

    Als Elena – er hatte an der Tür spontan nach ihrem Namen gefragt – fort war, trat Torrel an den Waschtisch und blickte noch einmal in den Spiegel.
    Wäre Neelanas fünfter Todestag nicht ein guter Grund, seine Familie zu besuchen?
    Wenn er noch heute aufbrach, konnte er innerhalb von zwei Tagen zuhause sein.
    Zuhause.
    Gab es für ihn noch ein Zuhause?
    Er ballte die Hand zur Faust und schlug sie wuchtig auf den Tisch. Er würde es herausfinden! Noch an diesem Abend würde er sein Pferd heimwärts lenken!
    Erfüllt von neuem Tatendrang wusch und bekleidete er sich und griff zuletzt sogar einmal wieder zu seinem Rasiermesser.
    Dann verließ er hastig die Räume, die er seit fünf Jahren bewohnte und machte sich auf, mit seinem Onkel zu reden.
    Diesen traf er in der Schankstube des Wirtshauses, dessen Besitzer er war und in dem er seinen Neffen wohnen ließ.
    „Torrel!“ rief er aus, als er den jungen Mann auf sich zukommen sah. Seine Augen drückten ehrliche Freude aus, denn es war lange her, dass er ihn so voller Energie und Lebensmut gesehen hatte.
    Und nun schenkte er ihm sogar ein Lächeln.
    „Guten morgen, Onkel. Hast du einen Moment Zeit für mich?“
    „Natürlich habe ich den! Ihr entschuldigt mich, meine Freunde.“
    Mit diesen Worten drehte er seinen Gästen den Rücken zu und legte seinem Neffen den Arm um die Schultern. Gemeinsam durchquerten sie den Schankraum und betraten die Privatgemächer des Gastwirtes.
    „Nun,“ fragte er „was kann ich dir Gutes tun?“
    Beim Gedanken an die vielen Huren, deren Nähe Torrel ständig zu suchen schien, verzog er das Gesicht.
    Torrel lachte, als er seinen Gedanken erriet. „Aus dir kann man lesen, wie aus einem offenen Buch, mein Bester!“
    Marve Hobbes grinste breit und er meinte es ehrlich.
    „Junge, es tut gut, dich einmal wieder lachen zu hören. Sag, was du brauchst und du sollst es bekommen!“
    Torrel schenkte ihm einen dankbaren Blick. „Was hätte ich in den letzten Jahren nur ohne dich getan? Ich verspreche dir, sobald ich zurück bin werde ich im Gasthaus kräftig mit anpacken und es wird besser laufen, als jemals zuvor!“
    „Ich nehme dich beim Wort.“ sagte Hobbes mit einem gutmütigen zwinkern. „Aber sag, wohin zeiht es dich?“
    „In die Heimat. Neelanas Tod jährt sich wie du weißt zum fünften Mal und ich möchte Vater und Bruder einen Besuch abstatten, um an ihrer Seite am Grabe meiner Schwester zu stehen.“
    Hobbes lächelte breit. „Du bist ein guter Sohn – und ein guter Neffe. Sei mir willkommen, wenn es dein Wunsch ist zurückzukommen.“
    „Das ist es. Hab dank. Denkst du ich kann noch heute aufbrechen? Ich möchte noch vor Anbruch ihres Todestages daheim sein.“
    „Ich denke das dürfte kein Problem darstellen. Ich werde einem der Knechte auftragen dein Pferd zu satteln. Grüß mir deine Familie, mein Junge!“
    Mit diesen Worten erhob er sich und kehrte in die Stube zurück.
    Torrel hingegen begab sich über die angrenzende Hintertreppe hinauf, um alles für die Reise vorzubereiten.
    Als sein Onkel einige Zeit später heraufkam, war er bereits fort.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Vuelta - 11.04.2007, 15:54


    Hab es leider erst heute gelesen, bin aber auch hier von begeistert!! Das ist viel besser als andere Geschichtsentwürfe, die ich von nicht-Profi-Schreibern gelesen habe.
    Du könntest glatt Autorin werden. :cyclop: :zwinker:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 13.04.2007, 18:55


    :ups: :cyclop:

    Danke! *freu*



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 11.08.2007, 21:22


    Hallo Autorin,

    wie sieht es aus - hast du in den langen Ferien dich schriftstellerisch betätigen können?
    Wann erscheint deine erste Geschichte? das interessiert mich wirklich - auch wenn kein Nagetier mitspielt.
    Du weißt doch, ich liebe Fantasy und Historisches und Jugendliteratur. Und du deckst locker alles ab.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 12.08.2007, 17:48


    :freu:

    Ja, ich geb mir Mühe.. Bin aber nicht weitergekommen - ich fürchte du wirst noch ein paar Jahre warten müssen, wenn ich überhaupt jemals fertig werde! :ups:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 13.08.2007, 23:24


    Jahre? Weißt du wie alt ich bin? :zwinker:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Arthea - 06.12.2007, 13:10


    Naja Jahre sind es noch nicht, aber n paar Monate.... also mal wieder Zeit zum nerven :zwinker:

    Und und und .... gibts schon mehr? :hüpf:
    Lass mich doch nicht so in der Luft hängen. :sonne: :buch:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 06.12.2007, 15:19


    Gibt es an sich schon, mag es aber noch nicht einstellen, weil ich mir damit noch nicht sicher bin :ups:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 06.12.2007, 20:58


    Also gut, Rabe, nochmal Korrektur lesen und dann Augen zu und einstellen und durch.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 07.12.2007, 18:24


    Ist ja gut, ist ja gut.. Ich habs mir vorhin nochmal durchgelesen und hab sogar mal wieder einen Kreativitätsschub und hab noch ein paar Seiten drangehängt.
    Allerdings kann ichs im Moment noch nicht hochladen, weil mein Laptop seltsamerweise gerade keine Internetverbindung kriegt.

    Ihr solltet euch das aber gut einteilen, das wird ganz schön viel auf einmal :zwinker:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 08.12.2007, 11:39


    Okay.. :lach:

    Vorsicht Leute, das sind jetzt 14 Seiten Word - vielleicht solltet ihrs euch kopieren und im word lesen, nicht hier..Und nehmt euch Zeit :zwinker:

    Übrigens ist das jetzt nicht besonders überrbeitet,da stehen also manchmal Zahlen in Klammern irgendwo drin, wundert euch nicht, die sind nur für mich.

    Abgesehen davon weiß ich nicht, ob ich nicht noch manche Sachen rausstreichen werde.. :nachdenk:

    Torrel wusste, dass er die Nacht würde durchreiten müssen, wenn er sein Ziel rechtzeitig erreichen wollte und er war bereit.
    Als die Nacht schließlich hereinbrach, hatte er den Rand eines großen Walstückes erreicht, dass auf direktem Wege zwischen dem Heim seines Onkels und dem heimatlichen Gut lag.
    Als er die dichten Schatten zwischen den Stämmen sah, zögerte er. Ein Bild des Waldes der tausend Tode erschien vor seinem geistigen Auge und jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
    Doch auch wenn dies ein ganz normaler Wald war, so barg schließlich auch er des nachts Gefahren, die einen einsamen Reisenden das Leben kosten konnten.
    Torrel wog seine Möglichkeiten gegeneinander ab. Er konnte den Wald umgehen, was ihn jedoch mehr als einen Tag kosten würde.
    Wieder lenkte er den Blick auf die Bäume. Dann fasste er sich ein Herz, legte eine Hand auf den Knauf seines Schwertes und trieb das Pferd in den Wald.
    Krampfhaft versuchte er die Erinnerungen zu verdrängen, die ihn in den Schatten des Waldes zu überwältigen drohten. Das Pferd schien seinen Kampf zu spüren und schnaubte leise und beruhigend.
    Es verfehlte seine Wirkung nicht. Allmählich übertrug sich die Ruhe des Tieres auch auf seinen Reiter, der wusste, dass ihm keine Gefahr drohte, solange es so ruhig unter ihm daherschritt. Fröstelnd zog er die Schultern hoch, als ein kalter Wind um ihn her die Blätter aufwirbelte. Wind im Wald? Sofort verwarf er den seltsamen Gedanken wieder und konzentrierte sich wieder auf die Welt um ihn her. Einen Moment lang war er versucht, vom Pferd zu steigen und seinen Mantel hervorzuholen, aber dazu jagte ihm der Wald nun doch zu viel Furcht ein. Im Grunde war es ja nicht einmal der Wald, der ihm Angst machte, sondern vielmehr die Dinge, die er verbergen mochte.
    So ließ er das Pferd stattdessen antraben und verfluchte sich im Stillen, nicht vorausschauend gedacht zu haben.
    Um zu wissen, dass es des nachts kalt werden konnte musste man schließlich keinen schlauen Kopf auf den Schultern tragen!

    Torrel schrak zusammen, als ihm ein Ast ins Gesicht peitschte und wäre dabei beinahe vom Rücken seines Pferdes gerutscht.
    Ein rascher Blick zum Himmel verriet ihm, dass er eingeschlafen sein musste, denn das samtige Schwarz der Nacht hatte sich bereits zu einem dunklen Grau gewandelt.
    Torrel schalt sich einen Narren und war zugleich froh, nicht im Schlaf vom Pferd gefallen zu sein.
    Zudem war das Tier zuverlässig auf dem Weg geblieben und so hatten sie den Wald nun bereits beinahe zur Gänze durchquert.
    Dann verließ das Pferd plötzlich den Pfad und wandte sich den Bäumen zu ihrer Linken zu. Torrel wollte es zunächst zurückhalten, entdeckte dann jedoch den Grund für den plötzlichen Richtungswechsel. Das Pferd strebte einer kleinen Lichtung zu, aus deren Mitte ein Bach entsprang.
    Er ließ es gewähren und glitt erleichtert aus dem Sattel.
    Von dem langen ermüdenden Ritt waren seine Glieder steif geworden und er genoss es, sich wieder bewegen zu können.
    Auf zittrigen Beinen stakste er zu dem kleinen Bachlauf hinüber und ließ sich oberhalb seines bereits saufenden Pferdes nieder.
    Das Wasser war eiskalt, als er die Hände hineintauchte. Dennoch beließ er sie einige Herzschläge an Ort und Stelle und spritzte sich dann ein wenig Wasser ins Gesicht.
    Schließlich stand er wieder auf, um seinen Wasserschlauch aus der Satteltasche zu nehmen und die Möglichkeit zu nutzen, ihn wieder aufzufüllen.
    Als er sich danach ein zweites Mal wieder aufrichtete, protestierten seine Rückenmuskeln.
    Kein Wunder! ,so dachte er bei sich, Nach dem du die halbe Nacht wie ein nasser Sack auf deinem Pferd gehangen hast.
    Er ignorierte die Schmerzen und bog den Rücken ganz durch. Dabei erhaschte er aus den Augenwinkeln eine flüchtige Bewegung am Rande der Lichtung.
    Rasch wirbelte er herum und seine Hand senkte sich auf den Schwertknauf. Suchend tastete sein Blick über das Unterholz, doch er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.
    Unruhig drehte er sich einmal um die eigene Achse, konnte jedoch noch immer nichts Ungewöhnliches ausmachen.
    Nun eindeutig nervös kehrte er rasch zu seinem Pferd zurück, dass protestierend schnaubte, als er es vom Bach fortzog, jedoch folgsam hinter ihm her trottete. Nach einem weiteren Blick in die Runde schwang Torrel sich auf seinen Rücken und trieb es zurück auf den Pfad.
    Schon bald darauf hatten sie den Rand des Waldes erreicht und er blinzelte nach Stunden der Dunkelheit und der Schatten erfreut zur gleißenden Sonne hinauf.
    Überrascht bemerkte er, dass sie bereits recht hoch am Himmel stand. Er musste weit mehr Zeit auf der Lichtung verbracht haben, als er angenommen hatte.
    Dann aber tat er den Gedanken mit einem Achselzucken ab und richtete sein Augenmerk wieder auf die vor ihm liegende Strecke.
    Von den wenigen Reisen, die er in seiner Jugend unternommen hatte, wusste er, dass er in den Abendstunden das Gut erreichen würde und er verspürte ein leichtes Ziehen in der Magengrube.
    Mit Unbehagen stellte er fest, dass er nervös war. Beinahe noch nervöser als zuvor auf der Lichtung.
    Er fürchtete sich davor, seinem Vater wieder unter die Augen zu treten! Sicher würde er ihn fragen, wie es ihm in den fünf Jahren ergangen war, die er nun bereits bei seinem Onkel weilte. Ganz abgesehen von seiner Unkenntnis, dass er dort überhaupt ein Heim gefunden hatte. Und was sollte er ihm sagen? Dass er seit Jahren auf Kosten seines Onkels lebte und sich von Selbstmitleid zerfressen ließ, ohne seinen Teil zu seinem Lebensunterhalt beizutragen? Das konnte er nicht!
    Aber vielleicht sollte er ihm einfach gar nichts erzählen. Vielleicht würde er auch gar nicht fragen, sondern sich freuen, dass sein Sohn zurückgekehrt war. Wenigstens vorübergehend.
    Plötzlich wurde ihm bewusst, dass seine Familie ihm gefehlt hatte und er ließ das Pferd angaloppieren, um sie so schnell wie nur möglich wiederzusehen.

    Tatsächlich war der Abend gerade erst angebrochen, als Torrel schließlich auf den heimatlichen Hof ritt.
    Es hatte sich kaum etwas verändert und er hatte das Gefühl, das Gut würde ihn mit seiner Vertrautheit willkommen heißen.
    Die Tür des Stalles glitt auf und einer der alten Knechte seines Vaters eilte auf ihn zu.
    Er deutete eine Verbeugung an. „Es freut mich Euch zu sehen, Herr! Willkommen daheim!“
    Torrel stieg ab und reichte ihm die Zügel. „Ich danke dir, Tom.“
    „Was willst du denn hier?“
    Torrel fuhr bei dem eisigen Ton der Stimme zusammen, der ihr den vertrauten Klang nahm.
    „Kleiner Bruder, wie schön!“ Er trat auf Simeon (15) zu und wollte ihn in die Arme schließen, doch dieser stieß ihn fort und wich einen Schritt zurück.
    Sein Blick durchbohrte Torrel und ließ ihn innerlich erschauern. Simeon sah aus, als wolle er ihm auf der Stelle den Hals umdrehen.
    „Was..?“
    „Verdammter Erbschleicher!“ zischte Simeon. „Jetzt kommst du zurück! Willst wohl Vaters Besitz für sich beanspruchen, wie? Aber das kannst du vergessen! Du bist fortgegangen und nun bin ich der alleinige Erbe! Verschwinde von meinem Grund, du hast keine Ansprüche mehr auf das Gut!“
    „Simeon, wovon sprichst du? Soll das etwa heißen, dass.. Das kann doch nicht sein!“ Seine Stimme klang rau. „Vater ist tot?“
    „Tu doch nicht so unschuldig! Immerhin ist dies doch der Grund, aus dem du hier bist, Bruder!“
    Die Art, wie er das Wort betonte jagte Torrel einen Schauer über den Rücken. Wie konnte sein Bruder – sein eigen Fleisch und Blut! – ihn zum Erbschleicher erklären!
    „Wie ist er gestorben?“ fragte er tonlos „Die Schuld daran willst du mir ja wohl nicht auch noch zuschieben!“ Torrel hatte nicht so mit ihm reden wollen und biss sich erschrocken auf die Lippen, doch er konnte seine Gefühle nicht zurückhalten.
    Simeon presste zornig die Lippen aufeinander, verkniff sich jedoch eine Erwiderung.
    „Der Wundscher sagte, er sei an gebrochenem Herzen gestorben.“ sagte er stattdessen sarkastisch. „Dazu hast wohl auch du deinen Beitrag geleistet. Erst Mutter, dann Neelana und dann auch noch sein einziger Sohn. Das war wohl zu viel für ihn. Wie tragisch.“
    Torrel hörte die tiefe Verbitterung in seiner Stimme. Er setzte zu einer Antwort an, doch Simeon unterbrach ihn. „Spar dir deinen Spott, Torrel! Den kann ich jetzt ganz sicher nicht brauchen.“
    Torrels Stimme sagte deutlich, wie sehr diese Bemerkung ihn getroffen hatte, als er antwortete: „Wie kannst du nur annehmen, ich könnte mich in fünf Wintern so sehr verändern, Simeon? Wann habe ich dir jemals Anlass gegeben, so schlecht von mir zu denken?“
    „Was denkst du wohl? Du bist fortgegangen, als wir dich am dringendsten brauchten. Aber nun lass uns ins Haus gehen, bevor wir uns noch vor aller Augen schlagen.“ Damit wandte er sich um und trat durch die Tür.
    Torrel hingegen war unfähig sich zu rühren.
    Vor zwei Tagen hatte er sein Leben für einen Scherbenhaufen gehalten, jetzt wusste er, wie gering der Schaden doch gewesen war. Denn nun hatte er auf einen Schlag seine Familie verloren, den letzten Halt, den er noch gehabt hatte. Bevor er ins Bodenlose stürzen würde.

    Torrel stand am Grab seiner Schwester. Simeon war nicht mit ihm gekommen, was ihn mehr schmerzte, als alles was er am Abend zuvor gesagt hatte.
    Vor zwei Tagen noch hatte er sich vorgestellt, wie es sein würde mit Vater und Bruder hier zu stehen, doch nun hatte er beide verloren.
    Ein schwerer Regen hatte eingesetzt, der eine Erinnerung in Torrel aufkommen ließ. Die Erinnerung an den Tag seiner Abreise.
    Wie damals fühlte er sich auch heute Neelana sehr nahe. Kein Wunder, dachte er, du stehst ja auch an ihrem Grab. Torrel fühlte sich schlecht. Er hatte sie im Stich gelassen. Nach dem Begräbnis hatte er es so eilig gehabt fortzukommen...
    Als er den Kopf hob, sah er Neelana neben sich stehen. Ihre Wangen waren leicht gerötet, denn sie ließ gerade wieder eine ihrer Schimpftiraden auf ihn los, weil er sie so lange alleine gelassen hatte.
    Er lächelte, was sie wie üblich noch mehr in Rage versetzte, bevor sie selbst lachen musste.
    Sie kam auf ihn zu und breitete die Arme aus.
    Dann frischte der Wind auf und Neelanas Bild verflüchtigte sich.
    Torrels Herz zog sich zusammen, dann aber schalt er sich einen Narren. Sie war tot und das bereits seit fünf Jahren. Was hatte er erwartet? Dass sie einfach aus dem Grab stieg und ihm um den Hals fiel, als wäre nichts geschehen? Er seufzte tief.
    Er kniete sich auf die feuchte Erde und legte die Blumen auf das Grab, die er zuvor im Garten gepflückt hatte. Simeon hatte ihn dafür wüst beschimpft und ihm verboten, sich noch einmal an seinem Eigentum zu vergreifen. Mühsam hatte Torrel seine Wut unterdrücken müssen. Wenn es um Neelana ging war er schon immer reizbar gewesen, auch wenn er sonst ein sehr friedliebender Mensch war.
    Als er sich erhob fiel sein Blick auf den Wald.
    Noch immer ergriff ihn allein bei seinem Anblick eine tiefsitzende Angst.
    Er wusste bis heute nicht, was sie damals angegriffen und was Neelanas junge Stute getötet hatte. Trotz allem wusste er, dass er eines Tages in den Wald zurückkehren würde, denn er musste herausfinden woran Neelana gestorben war.
    Noch war er jedoch nicht bereit aus dem Leben zu scheiden. Er hatte das unbestimmte aber starke Gefühl, dass vorher noch eine Aufgabe auf ihn wartete.
    Früher hätte er bei einem solchen Gedanken gelacht, doch das Gefühl war sehr stark und überkam ihn jedes Mal, wenn er auch nur entfernt daran dachte, sich in Gefahr zu geben –auch nach Neelanas Tod, als er über Selbstmord nachgedacht hatte – mit solcher Heftigkeit, dass es ihn sekundenlang aller Kraft beraubte.
    Dazu kamen Neelanas letzte Worte: Deine Zeit ist noch nicht gekommen.
    Eine eisige Windböe ließ ihn frösteln. Er zog die Schultern hoch, warf einen letzten Blick auf das Grab und wandte sich dann ab, um zum Haus zurückzukehren.
    Er betrat es durch die Hintertür und begab sich auf direktem Weg zu Neelanas Räumen. Seit seiner Ankunft war er nicht ein einziges Mal dort gewesen, obwohl er sich danach sehnte, von Dingen umgeben zu sein, die ihr gehört hatten. Du bist verrückt! ,dachte er einmal mehr, Völlig besessen!
    Als er nun vor der Tür stand überkam ihn Furcht, Simeon könne in seinem Wahn alles verkauft haben, doch dann fasste er sich ein Herz und stieß sie auf.
    Es sah alles noch genauso aus, wie er es verlassen hatte.
    Die heruntergebrannte Kerze, die er umgestoßen hatte, als er an Neelanas Todestag in ihr Zimmer gestürmt war, lag noch immer neben dem Bett am Boden. Die Decken waren noch immer plattgedrückt, als habe sie eben erst das Zimmer verlassen, um zum Frühstück zu gehen.
    Nur eines war anders. Früher hatte über dem Bett ein Ölgemälde gehangen, dass Torrel und seine Geschwister zeigte, wie sie gemeinsam im Garten spielten. Jetzt war es fort.
    Simeon musste es abgenommen haben. Als wolle er alle Spuren entfernen, die bezeugten, dass Torrel jemals zu dieser Familie gehört hatte.
    Torrel schüttelte den Kopf und stand auf. Er trat an den Schrank und öffnete die Türen.
    Ein starker Geruch nach Lavendel schlug ihm entgegen und trieb ihm die Tränen in die Augen, auf die er schon den ganzen Tag vergeblich gewartet hatte.
    Einen Moment lang wollte er sie fortwischen, dann aber besann er sich anders und ließ sie fließen, während er sich bückte und die zwei großen Taschen aus dem Schrank zog, die auf dessen Boden lagen.
    Er öffnete die erste und begann, Neelanas Kleider vorsichtig hineinzulegen. Als er plötzlich ein paar Hosen in der Hand hielt, lächelte er wehmütig. Neelana hatte es gehasst, ewig Kleider tragen zu müssen und wann immer ihr Vater fort gewesen war, war sie in Torrels alte Hosen geschlüpft und hatte jedem im Haus den Schwur abgenommen, es niemandem zu sagen.
    Nun verschwanden sie in der Tasche.
    Neelana hatte nicht viele Kleider besessen und so gelangte er schon bald zum letzten. Als er es in die Hand nahm wurden seine Augen erneut feucht. Es war das blaue Kleid, dass sie am Tag ihres Todes getragen hatte. Sein Vater musste es wieder in den Schrank gelegt haben. Neelana war in ihrem Festtagskleid begraben worden.
    Torrel drückte es an sich und sog seinen Duft ein, als könne er noch eine Spur seiner Schwester daran finden. Doch es lag nun seit fünf Jahren in diesem Schrank. Es roch nur noch nach Lavendel.
    Es verschwand ebenfalls in der Tasche.
    Torrel hörte hinter sich die Tür knarren und drehte sich zu Simeon um. Der Zorn hatte dessen Gesicht tiefrot verfärbt. „Muss ich dich noch einmal daran erinnern, dass all das hier mein Eigentum ist?!“ Es war keine Frage. Doch nun wurde auch Torrel wütend.
    „Vater bat mich bevor ich fortging, Neelanas Besitz mit mir zu nehmen.“
    „Nun, selbst wenn dem so gewesen sein sollte, Vater ist tot. Und in seinem Testament steht eindeutig, dass all sein Besitz in den meinen übergeht.“
    „Mit dem kleinen Haken, dass Neelanas Besitz nicht Vaters war.“ erwiderte Torrel ruhiger.
    „Und dem größeren, dass in Eures Vaters Testament ebenso vermerkt ist, wie mit ihrem Hab und Gut zu verfahren ist, Herr.“ ließ sich eine Stimme von der Tür vernehmen.
    Es war Tom, der alte Knecht. „Es ist alles an den jungen Herrn Torrel zu übergeben.“
    Simeon schäumte vor Wut, doch er erwiderte nichts mehr. Er wandte sich um und wollte den Raum verlassen, als Torrel sich noch einmal zu Wort meldete. „Vollständig, Simeon. Wo ist das Gemälde?“

    Torrel war den ganzen Tag damit beschäftigt, alles einzupacken, denn immer wieder überkamen ihn Erinnerungen, wenn er bestimmte Gegenstände in die Hand bekam.
    Simeon hatte ihm das Gemälde tatsächlich bringen lassen und Torrel hatte es wieder an seinen Platz gehängt. Nun sah er auf und betrachtete es.
    Ganz vorne strahlte ein dreijähriger Simeon dem Maler entgegen, dahinter standen Neelana und Torrel. Damals sieben und neun Jahre alt. Sie hielten einander an den Händen und zeigten stolz auf einen großen Schneemann, den sie zuvor gebaut hatten.
    Als Torrel sich an den Maler erinnerte, musste er leise lachen. Der Mann hatte in einem fort geschimpft, dass er ausgerechnet draußen hatte malen müssen, denn mit Handschuhen war es ihm unmöglich und so hatte er furchtbar kalte Hände gehabt.
    Zum späten Nachmittag hin war Torrel schließlich fertig.
    Er sah sich in dem Zimmer um, das nun schrecklich kahl und leblos wirkte. Torrel fragte sich, was er mit den Möbeln anfangen sollte. Sie mitzunehmen würde viel Geld kosten und wo sollte er sie unterbringen? Aber verkaufen konnte er sie auch nicht.
    Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus den Gedanken und als er den Kopf hob sah er Tom eintreten. „Herr, ich habe eine Abschrift des letzten Willens Eures Vaters für Euch gemacht. Schon vor seinem Tod war der junge Herr so seltsam. Ich wollte einfach sichergehen...“
    Überrascht blickte Torrel ihn an. Soviel Scharfsinn hatte er von dem alten Knecht nicht erwartet. „Das hast du gut gemacht, Tom! Ich danke dir.“
    Tom verneigte sich und reichte ihm einen Bogen Papier. Seine Schrift war schwer zu entziffern und voller Fehler. Es wunderte Torrel, dass der alte Mann überhaupt schreiben konnte.
    Aufmerksam las er, was sein Vater vor seinem Tode verfasst hatte. Seine Augen weiteten sich. Kein Wunder, dass Simeon ihn in seiner Gier nicht auch nur in der Nähe des Gutes sehen wollte.
    Sein Vater hatte ihm trotz aller Warnungen eine große Menge Geld hinterlassen. Simeon hatte alles geerbt, was man zu Geld machen konnte, aber alle Ersparnisse waren in Torrels Eigentum übergegangen – und dazu alles, was Neelana gehört hatte.
    Torrel wusste er sollte wütend sein, aber alles was er empfand war Enttäuschung und ein tiefes Entsetzen über den Charakterwandel seines Bruders.
    Er ließ seinen Blick rastlos durch das Zimmer schweifen, als ihm etwas einfiel. Unter dem kleinen Tisch gab es ein loses Bodenbrett, unter dem Neelana ihren wertvollsten Besitz aufbewahrt hatte. Wertvoll jedoch nicht im materiellen Sinne.
    Torrel stand auf und schob den Tisch beiseite. Dann trat er einer Eingebung folgend zur Tür und legte den Riegel vor.
    Er kehrte an seinen Platz zurück, zog sein Messer aus der Tasche und hebelte die Diele vorsichtig heraus. Beinahe wunderte es ihn ein wenig, dass er nach all den Jahren noch immer ohne zu zögern das richtige Brett fand.
    Er legte es beiseite und blickte in das entstandene Loch hinab.
    Obenauf lag eine getrocknete Rosenblüte. Torrel nahm sie in die Hand. Er erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er sie Neelana geschenkt hatte.
    Damals hatte sie viele Tage mit einer schweren Infektion darniedergelegen und war furchtbar traurig gewesen, dass sie nicht hinauskonnte, um die Rosen zu sehen, auf deren Blütezeit sie seit Wochen gewartete hatte.
    Er hatte gewartet, bis sie eingeschlafen war, dann war er hinausgeschlichen und hatte ihr eine der Blüten gepflückt. Er hatte sie ihr aufs Kopfkissen gelegt und war wieder verschwunden.
    Am nächsten Morgen war sie wieder gesund gewesen und so hatte sie die Blume getrocknet und aufbewahrt.
    Nun hatte sie länger gelebt, als ihre Besitzerin. Einen Moment lang war er versucht die Blüte zu zertreten, dann aber beherrschte er sich, legte sie beiseite und griff ein zweites Mal in das dunkle Loch.
    Ein kleines, in Leder gebundenes Buch kam zum Vorschein. Neelanas Tagebuch – ebenfalls ein Geschenk von Torrel. Zu ihrem zehnten Geburtstag, wie er sich erinnerte. Er hatte es selbst angefertigt. Dementsprechend sah es auch aus, aber Neelana hatte es geliebt. Torrel lächelte. Neelana hatte alles geliebt, was von ihm kam.
    Sanft strich er nun über den Einband, wagte aber nicht das Buch aufzuschlagen. Zu geheim, zu privat waren Neelanas Gedanken – das Einzige, dass sie niemals einfach so miteinander geteilt hatten.
    Auch der nächste Gegenstand, den er herausnahm, war ein Buch. Dieses mit einem Einband aus Leinen. Es war Neelanas Lieblingsbuch gewesen, wie er wusste – ein Buch über Magie.
    Als er es gerade zu den anderen zu den anderen Gegenständen legen wollte, fiel ein einzelnes Blatt heraus. Zuerst hielt er es für eine Seite des Buches, dann aber erkannte er die saubere Handschrift seiner Schwester.
    Neugierig griff er nach dem Papier und hob es vom Boden auf. Überrascht bemerkte er, dass die flüchtige, zweizeilige Notiz mit einem Datum versehen war und ein Blick darauf ließ ihn zusammenfahren. Es war auf den Tag vor ihrem Tod datiert.

    Torrel zeigen!
    Seite 205

    Nun war Torrel erst recht verwirrt. Rasch nahm er das Buch wieder zur Hand und begann es auf der Suche nach der angegebenen Seite zu durchblättern.
    Schon nach wenigen Sekunden stieß er darauf und begann zu lesen.
    Was er lesen sollte war klar. Neelana hatte die Textstelle mehrfach umrandet, was Torrel nahezu erschreckte. Wenn Neelana ein Buch beschmutzt hatte, musste es wirklich außergewöhnlich wichtig sein.

    Magisches Erbe zeigt sich besonders deutlich im Falle von
    Geschwistern. Bereits im Kindesalter machen sich ihre besonderen
    Fähigkeiten bemerkbar. Sie kennen die Gefühle der anderen - auch über
    weite Entfernungen – und verstehen sich aus diesem Grunde zumeist
    ausnehmend gut. Hier gibt es jedoch noch Unterschiede zwischen aktiver und
    passiver Magie. Kinder der aktiven Magie üben Macht auf ihre Umgebung aus.
    So kann z.B. ihre Nähe Schnee zum Schmelzen bringen oder Blumen erblühen
    lassen. Manchmal haben sie auch einfach eine besondere Beziehung zu
    Tieren oder Menschen. Passive Magie hingegen hat nur Auswirkungen,
    solange aktive Magie von außen einwirkt. Im Falle des Todes eines
    aktiven Magiers gehen dessen Fähigkeiten auf eines der passiven
    Geschwister(-kinder) über.

    Hier endete der Abschnitt und der letzte Satz war zweimal unterstrichen. Torrel war zutiefst schockiert. Neelana hatte sie beide für magiebegabt gehalten? Torrel hielt das für ausgemachten Unsinn, aber konnte es in irgendeiner Weise mit ihrem Tod zusammenhängen?
    Hatte sie das alles vielleicht sogar geplant? Nein, nein, das war unmöglich, nicht seine kleine Schwester, die doch so am Leben gehangen hatte!
    Torrel zitterte. War sie vielleicht tatsächlich mit der Absicht in den Wald gelaufen, getötet zu werden? Dann wäre sie umsonst gestorben. dachte er finster Ich habe zumindest nicht bemerkt, dass irgendwelche Magie auf mich gekommen wäre. Das sind doch ohnehin alles nur Märchen, spannend an verregneten Nachmittagen, aber doch nichts als Schall und Rauch, der in der frischen Brise des Tages verfliegt!
    Mit einem Mal kamen Dutzende kleiner Erinnerungen in ihm hoch, Erinnerungen an Gegebenheiten, die damals durchaus wie Magie auf ihn gewirkt hatten. Wie aktive Magie, wie das Buch es ausgedrückt hatte. Tatsächlich waren einmal die Rosen erblüht, als Neelana in den Garten kam. Torrel hatte das als Zufall abgetan. Und auch die gute Beziehung zu Mensch und Tier, die das Buch ansprach, hatte Neelana gehabt.
    Torrel schrak heftig zusammen, als hinter ihm laut gegen die Tür gehämmert wurde. „Torrel! Mach die verdammte Tür auf!“
    Simeon.
    „Dazu sehe ich keine Veranlassung.“ erwiderte er mühsam beherrscht „Tut mir leid, kleiner Bruder.“
    „Willst du vielleicht, dass ich sie einschlage?“
    „Dass solltest du dir nicht einfallen lassen. Sie gehörte einmal Neelana, also ist sie nach Vaters Willen jetzt mein Besitz!“ fauchte Torrel. Er versuchte möglichst drohend zu klingen, in der Hoffnung, Simeon damit abschrecken zu können.
    „Was weißt du schon von Vaters Willen?! Du hast schließlich die letzten fünf Jahre seines Lebens verpasst! Ich dagegen war bei ihm, aber trotzdem hat er mich deutlich spüren lassen, was für ein mieser Ersatz ich doch für dich bin.“ Simeons Stimme klang nur gedämpft durch die dicke Eichentür, doch sein Zorn war wie üblich unverkennbar
    Trotzdem schien er aufzugeben. Von der Tür her vernahm Torrel ein wütendes Schnauben, dann zog Simeon polternd ab. Erleichtert schloss er die Augen. Dann ließ er Zettel und Buch rasch in einer der Taschen seines Reiseumhangs verschwinden. Für ihn stand fest, dass niemand dies lesen durfte – es sei denn er wollte es.
    Viel zu groß war der Schock über das Gelesene und viel zu sehr grübelte er nun über allerlei wirren Vermutungen.

    Von einer tiefen inneren Unruhe getrieben stand Torrel auf.
    Dann trat er zur Tür und verließ das Zimmer, nicht ohne sie jedoch hinter sich zu verriegeln.
    Er ließ das Haus hinter sich und lief über den Hof zu den Ställen. Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, doch er entschloss sich trotzdem zu einem Ausritt. Er wollte die dunklen Gedanken vertreiben.
    Rasch suchte er den Himmel nach Regenwolken ab, als er keine entdeckte nickte er zufrieden und schlüpfte in den dunklen Stall. Einen Moment lang wunderte er sich, dass keine Laterne brannte und war versucht eine zu entzünden, dann aber dachte er an die zurückliegenden Jahre und erinnerte sich, wie gerne er früher im Dunkeln ausgeritten war und dass er damals auch niemals Licht gehabt hatte. Sein Vater hatte ihm die nächtlichen Ausritte verboten und so hatte er grundsätzlich in der Dunkelheit gesattelt.
    Die Umrisse des Stalls waren ihm noch immer sehr vertraut und so fand er problemlos den Weg zur Sattelkammer. Als er sein Pferd aufzäumte und es schließlich zur Stalltür führte überkam ihn das alte Gefühl der Aufregung. Damals war es die übliche Spannung gewesen, etwas Verbotenes zu tun, heute war es einfach nur ein Nachhall der Erinnerung.
    Die Hufe des Pferdes klapperten laut auf den Steinen des Hofes und Torrel erwartete schon, Simeon würde herausgestürmt kommen, um ihm erneut Dutzende von Vorwürfen zu machen, doch im Haus blieb es ruhig und so schwang Torrel sich auf den Rücken seines treuen Reittieres und trieb es auf den Pfad, der vom Gut wegführte.
    Nach wenigen Metern lenkte er es nach rechts, einen kleinen Hügel hinauf, vor dem sich die Landschaft schier endlos ausbreitete, nur hin und wieder von anderen Gehöften unterbrochen.
    Ganz von selbst fiel es in einen sanften Trab, der schnell in einen Galopp überging.
    Als Torrel der Wind ins Gesicht schlug fühlte er sich frei. Er wurde eins mit seinem Pferd, spürte die Bewegung der wirbelnden Hufe und das rhythmische Spiel der Muskeln.
    Sein Kopf war wie leergefegt, vergessen all die düsteren Gedanken.
    Die Landschaft um ihn herum verschwamm zu einem einzigen grünen Wirbel ohne jegliche Kontur.
    Nur am Rande bemerkte er, dass sein Pferd langsamer wurde, doch als es schließlich stehen blieb, kehrte er in die Realität zurück und sein Blick erfasste sofort den Grund für den ungewollten Halt – sie standen vor dem Wald der tausend Tode.
    Torrel zuckte unwillkürlich zusammen.
    Das Schicksal kennt wirklich seltsame Wege. dachte er Jetzt stehe ich am Tag von Neelanas Tod vor dem Ort, der ihn ihr brachte.
    Torrel war fünf Jahre nicht mehr hier gewesen, doch der Wald jagte ihm noch immer Angst ein. Sein Herz pochte wild in seiner Brust und in ihm tobte der Wunsch, die Zügel herumzureißen und davon zu preschen, aber er zwang sich ruhig zu bleiben.
    Er umklammerte die Zügel so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten und seine Hände sich verkrampften, doch der Schmerz erschien ihm als tröstlich. Er war ein Anker zur Wirklichkeit und er zeigte ihm, dass er noch am Leben war, während sein Geist ihm das Gegenteil vorgaukelte.
    „Neelana!“ rief er laut „Hörst du mich? Es ist sicher kein Zufall, dass meine Schritte mich heute hierher geleitet haben. Ich sehe das Zeichen und ich nehme es an, hörst du? Ich schwöre dir, dass ich herausfinden werde, was dich getötet hat! Und wenn es das letzte ist, was ich tue!“
    Das Pferd, nervös geworden durch Torrels Angst, war bei seinem Geschrei nahezu in Panik ausgebrochen und hatte versucht ihn abzuwerfen und loszustürmen, doch er hatte mühsam die Kontrolle behalten können. Nun aber ließ er die Zügel locker, klammerte sich an den Sattelknauf und ließ sich davontragen.

    Torrel schlief schlecht in dieser Nacht. Er hatte kaum mitbekommen, wie das Pferd ihn zurückgebracht hatte, hatte nur irgendwann die vertrauten Umrisse des Tores durch die Dunkelheit schimmern sehen und war schließlich vor dem Stall aus dem Sattel geglitten.
    Wie in Trance hatte er das Tier abgesattelt und abgerieben – wie er schließlich ins Bett gekommen war konnte er später nicht mehr sagen.
    Erst tief in der Nacht, als der Mond bereits wieder unterging, hatten sich seine Gedanken soweit beruhigt, dass er einschlafen konnte, doch der Schlaf brachte, von wirren Alpträumen durchzogen, keine Erholung. Immer wieder schreckte Torrel entsetzt hoch und hörte seine eigene Stimme geisterhaft durch das Haus hallen, während er Neelanas Namen schrie.
    Als die Sonne sich schließlich über den Horizont schob und Torrel einmal mehr schweißgebadet hochfuhr, entschloss er sich, wieder aufzustehen.
    Er trat zum Waschtisch hinüber und blickte in den Spiegel.
    Seit seinem letzten Blick in den Spiegel hatte er sich abermals verändert, dieses Mal jedoch glich sein Ebenbild wieder mehr dem alten Torrel. Dem, den Neelana gekannt hatte.
    Die Nähe zu ihrem Grab ließ Torrel ihre Gegenwart spüren, mit jeder Faser seines Körpers und seiner Seele. Und diese Tatsache ließ ihn aufleben. Die dunklen Ringe, die an diesem Tag unter seinen Augen lagen, rührten jetzt nur noch von der Müdigkeit her, sein Blick hatte wieder etwas von der alten Lebhaftigkeit zurückgewonnen, seine Lippen hatten das Lächeln wieder neu erlernt und die Härte mit jeder Sekunde ein wenig weiter zurückgedrängt.
    Torrel bemerkte, dass er noch immer seine Hosen trug – er hatte wohl am Abend zuvor nur das Hemd abgelegt, bevor er sich schlafen gelegt hatte.
    Er zuckte mit den Schultern, dann griff er nach dem Wasserkrug, der neben ihm stand und verließ das Zimmer.
    Auf seinem Weg durch das Haus begegnete ihm niemand, als er jedoch den Hof betrat und zum Brunnen hinüberlief, winkte ihm Tom aus den Schatten des Stalles.
    Torrel lächelte und erwiderte den Gruß, dann hatte er den Brunnen erreicht. Er stellte den Krug zu Boden und begann die Kurbel zu drehen, die den Eimer nach oben zog.
    Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis er endlich, inzwischen heftig schaukelnd und überschwappend den Brunnenrand erreichte. Torrel zog ihn ganz herauf und tauchte seinen Krug hinein, bis er voll war. Dann gab er dem Eimer einen leichten Stoß, der ihn über die Kante stürzen ließ. Auf seinem schier endlosen Weg nach unten rollte sich das Seil rasend schnell wieder ab. Aus dem Schacht ertönten mehrere dumpfe Schläge, die laut über den Hof hallten, jedes Mal, wenn der Eimer gegen die Wände stieß. Schließlich erklang ein Platschen aus der Tiefe und Torrel wandte sich mit einem zufriedenen Lächeln ab und kehrte ins Haus zurück.
    Der Rückweg zu seinem Zimmer verlief genauso unbehelligt, wie der Hinweg und als er die Tür hinter sich verriegelt hatte, atmete er erleichtert auf. Er wollte Simeon nicht mehr begegnen, sosehr ihn dieser Gedanke auch schmerzte.
    Er goss das Wasser aus dem Krug in das steinerne Becken des Waschtisches. Während er sich wusch, ging er seinen Plan für diesen Tag noch einmal im Kopf durch. Er hatte ihn in den frühen Morgenstunden gefasst, als er wieder einmal aufgewacht war.
    Er wollte in das nahegelegene Dorf reiten und versuchen einem der Bauern einen Ochsenkarren abkaufen, mit dem er Neelanas Habseligkeiten transportieren konnte. Und wenn möglich sollte sein Bruder nichts davon mitbekommen.
    Torrel wusste nicht, ob er die Sachen bei seinem Onkel würde unterbringen können, doch im Grunde war es egal. Sein Erbe ermöglichte ihm, in der Stadt ein Lagerhaus zu mieten oder sich gleich ein eigenes Haus zu suchen. Auch wenn er letzteres eigentlich nicht wollte, schließlich hatte er seinem Onkel seine Unterstützung versprochen.
    Mit einem Seufzen tat er den Gedanken ab, jetzt würde er erst einmal sehen müssen, dass er überhaupt einen Karren bekam.
    Er kleidete sich rasch an, verließ das Zimmer und verriegelte die Tür.
    Dann fiel ihm etwas ein. Er hatte das Geld zwar geerbt, aber nicht erhalten. Simeon hatte sich nicht an den letzten Willen ihres Vaters halten und Torrel um sein Erbe betrügen wollen. Das hatte der alte Lord sicher nicht bedacht und so musste Torrel davon ausgehen, dass sich das Geld auf dem Grundstück befand oder sich bereits in Simeons Besitz befand. Er musste mit Tom darüber reden. Hastig eilte er durch die Gänge und rannte beinahe ein junges Dienstmädchen um, das daraufhin völlig verschreckt das Tablett mit Simeons Frühstück fallen ließ und in Tränen ausbrach. Torrel wurde feuerrot und entschuldigte sich wortreich. Als er jedoch feststellte, dass er sie nicht beruhigen konnte fuhr er beschämt herum und verließ das Haus. Noch immer aufgebracht betrat er den Stall und sah sich nach Tom um. „Sucht ihr etwas, Herr?“ fragte der Alte und trat dabei aus einer der hinteren Boxen.
    „Ja, dich habe ich gesucht, mein Guter.“ erwiderte er. „Ich muss mit dir über mein Erbe sprechen.“
    „Aber doch nicht hier, Herr!“ flüsterte Tom, sichtlich erschrocken und sah sich dabei furchtsam um. „Die Wände haben überall Ohren. Folgt mir in die Sattelkammer, dort ist es sicherer.“ Torrel hielt die Sorge des Mannes für übertrieben, dennoch sah er sich misstrauisch um bevor er ihm schließlich folgte.
    Tom ließ ihn eintreten, warf noch einen vorsichtigen Blick in den Stall und schloss dann leise die Tür.
    „Ihr könnt Euch sicher denken, Herr, dass Euer Bruder nicht sonderlich erbaut war, als er Eures Vaters letzen Willen las.“
    Torrels Gesicht verzog sich zu einer freudlosen Grimasse.
    „Aber Euer Vater hatte damit gerechnet. Ihr seht überrascht aus, Herr, aber Simeon war schon länger so...seltsam. Schon bevor Euer Vater starb und so sorgte er vor. Er wies mich an, das Geld zu verstecken. So viel Geld! Das Testament noch einmal für Euch abzuschreiben, daran hatte er jedoch nicht gedacht. Er wusste sicher auch nicht, dass ich schreiben kann..“ Die Stimme des alten Knechtes verlor sich in der Stille und Dunkelheit der Sattelkammer. (Sie hatten keine Laterne entzündet.)
    „Ja doch, Tom, das hast du gut gemacht.“ sagte Torrel. Er bemühte sich, die leichte Ungeduld in seiner Stimme zu verbergen. Er kam sich in diesem Moment unheimlich gierig vor, doch er wollte Neelanas Besitz endlich in Sicherheit wissen, und das war in Simeons Haus unmöglich.
    Er brauchte den Karren und darum brauchte er das Geld!
    „Ja, das habe ich gut gemacht.“ murmelte Tom „Das habe ich wirklich..“
    Torrel war froh um die Dunkelheit, als er entnervt die Augen verdrehte.
    „Tom?“
    „Ja, Herr?
    „Wo...ich meine, wo ist es denn nun versteckt. Ich brauche das Geld dringend, weißt du. Ich muss das Eigentum meiner Schwester hier fortschaffen, bevor Simeon noch eine Dummheit begeht.“
    Torrel spürte mehr, als dass er sah, wie Tom nickte. „Natürlich, Herr, natürlich. Verzeiht dem alten Tom, er ist manchmal ein wenig vergesslich. Aber er ist den Vargas-Lords treu, das ist er immer gewesen. Schon Eures Vaters Vater hatte mich in seinen Diensten.“ Geschäftig wuselte er nun an Torrel vorbei zum Rückwand der Sattelkammer. Hier befand sich eine zweite Tür, die in eine separate Futterkammer weiterführte. Dort war auch der Heuboden.
    Torrel stutze. Sein Vater würde das Geld doch nicht auf dem Heuboden versteckt haben? Dort wo jeder es finden konnte?
    Gerade wollte er Tom fragen, doch da merkte er, dass dieser schon längst eilig durch die Tür verschwunden war, ohne abzuwarten, ob Torrel ihm folgte.
    Rasch schlüpfte nun auch er durch die enge Tür und folgte Tom, der, wie er sah, bereits die Leiter zum Boden hinaufstieg. Also doch!
    Sorge überkam Torrel. Was wenn jemand zufällig all das Geld gefunden hatte? Was wenn es nun fort war? Wie sollte er dann..? Er zwang sich, den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Die Angestellten seines Vaters waren immer treu und ehrlich gewesen. Sie würden nicht stehlen. Und sein Vater würde auch sicher kein so offensichtliches Versteck gewählt haben, dass jeder darüber stolperte.
    Auf dem Boden war es finster, das Holz knarrte leise.
    Torrels Blick schweifte durch die Dunkelheit, während er versuchte Tom ausfindig zu machen. Langsam gewöhnten seine Augen sich an die Lichtverhältnisse und schließlich machte er Toms gebeugte Gestalt in einer der hintersten Ecken ausfindig. Er winkte ihn heran.
    Torrel folgte der Aufforderung und huschte geduckt unter der tiefen Decke zu ihm hinüber.
    Er und Neelana hatten oft hier oben gespielt. Als dann Simeon auf die Welt kam, war es ihnen verboten worden. Stattdessen hatten sie auf den Kleinen aufpassen müssen. Neelana hatte das toll gefunden. Sie hatte ihn bemuttert und hatte mit Torrel Familie spielen wollen, aber ihm war das zu mädchenhaft gewesen. Er tat sonst alles für seine Schwester, aber das war ihm doch zu weit gegangen.
    Tom winkte nun ungeduldig und Torrel, der ihn immer noch nicht erreicht hatte, beschleunigte seine Schritte.
    Tom hockte vor ein paar noch verschnürten Heuballen, was Torrel Anlass zu gelinder Verwunderung gab – wer sollte sich die Mühe machen, die schweren Ballen bis hier nach hinten zu tragen? Der Boden war sehr lang und es wäre reine Kraftverschwendung, das Heu bis nach hinten zu bringen und dann auch jedes Mal von dort bis nach vorne wieder hinausbringen zu müssen. So weit im hinteren Teil lag darum nicht einmal mehr loses Heu auf dem Boden. Tom zückte sein Messer und begann die Schnüre durchzuschneiden, die den Ballen hielten. Torrel runzelte die Stirn. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
    Dann fielen die ersten Büschel Heu herunter und Torrel verstand – in den Heuballen waren Kisten verborgen. Seines Vaters Geldkisten, die, wie er wusste, bis zum Rand gefüllt waren. Und er konnte in der Dunkelheit mindestens vier Ballen ausmachen!
    Nach so viel hatte sich die Summe auf dem Papier nun doch nicht angehört. Ungeduldig beobachtete er, wie Tom sich abmühte und kam sich dabei erneut sehr gierig vor. Er versuchte seine Gedanken wieder auf die Tatsache zu lenken, dass er damit Neelanas Besitz schützen wollte, doch es gelang ihm nicht gänzlich das Gefühl abzuschütteln.
    Schließlich wurde ihm die Warterei zu viel und er schob Tom zur Seite. „Du hast mir sehr geholfen, mein Guter, aber nun ruhe deine alten Knochen ein wenig aus und lass mich das machen.“ Tom lachte leise. „Ihr sprecht mit mir wie mit Eurem Ross, Herr.“ Torrel lachte pflichtbewusst mit ihm.
    Die Dunkelheit verbarg die Röte, die sich auf seine Wangen schlich und er arbeitete verbissen weiter, bis er schließlich alle Kisten aus dem Heu befreit hatte. Es waren insgesamt sechs.
    Torrel ließ sich zurückfallen. Fassungslos starrte er die Kisten an.
    „Warum?“ fragte er dann leise. „Ich habe das Erbe ausgeschlagen, Simeon sollte das alles hier gehören – es müsste...nach dem Gesetz... Warum hat er es mir vermacht?“ Er wusste nicht genau, ob er mit sich selbst oder mit Tom gesprochen hatte, doch der Alte antwortete leise:
    „Er befürchtete schon seit längerem, dass der junge Herr euch mit solcher..“ er suchte nach Worten. „Solcher Abweisung begegnen würde.“ Torrel lachte trocken auf. „Ja, ´Abweisung´ ist eine gute Formulierung. Auch wenn ich denke, ´Hass´ trifft es etwas besser.“
    „Nicht doch Herr!“ setzte Tom an, doch Torrel schüttelte so heftig den Kopf, dass Tom es selbst in den tiefen Schatten wahrnehmen musste.
    „Nun gut, Herr.“ sagte er dann „Ich denke, Ihr solltet so schnell wie möglich aufbrechen. Simeon, verzeiht mir, der junge Herr, könnte sich sonst noch zu etwas hinreißen lassen, dass er später bereuen würde.“
    „Mit dem kleinen Unterschied, dass er es nicht bereuen würde.“ sagte Torrel dumpf.
    Dann konzentrierte er sich wieder auf seine gegenwärtige Situation.
    „Tom, ich denke wir sollten die Truhen noch hier oben lassen, bis ich mir im Dorf einen Wagen besorgt habe. Und bevor ich dorthin aufbreche muss ich meine Sachen packen. Lass uns zum Haus zurückgehen – und möglichst ohne dass uns jemand sieht.“
    Tom antwortete nicht, setzte sich aber gehorsam in Bewegung.
    Als Torrel die Stalltür öffnete schlugen ihm laute Stimmen entgegen. Erschrocken blieb er stehen und versuchte zu verstehen, worum es ging.
    „…bist nicht der älteste Sohn des alten Mannes, es ist unser Recht, den Hof in Besitz zu nehmen!“
    Torrel stockte der Atmen. Den Hof in Besitz nehmen? Was ging dort draußen vor? Mit wild klopfendem Herzen wartete Torrel auf Simeons Antwort.
    „Ihr habt Recht,“ ertönte gleich darauf dessen Stimme „Ich bin nicht der älteste Sohn, aber ich bin der Erbe dieses Hofes und das setzt euer Recht außer Kraft.“
    Jetzt endlich begriff Torrel, was die Männer - er wusste inzwischen, dass es mehrere waren, denn er konnte sie tuscheln hören - hier wollten. In Ilarion gab es ein uraltes Gesetz, dass in der Zeit der Eroberung durch die „Nachbarn hinter dem Meer“ entstanden war, wie man die Menschen des Mondschein-Archipels noch heute nannte. Damals hatten Fremde die Höfe der Bauern und die Häuser der Bürger besetzt und eine der letzten Amtshandlungen des damaligen Königs, Leonard dem zweiten, war es gewesen ein Gesetz zu erlassen, dass dem Volk Ilarions das Recht gewährte, ihre Häuser wieder in Besitz zu nehmen, sollten die Besetzer sterben und ihre ältesten Söhne sich außer Haus befinden.
    Es war ein armseliges Gesetz und bis heute wusste niemand, wie der König auf eine solch unsinnige Idee gekommen war, doch das Gesetz war nie abgeschafft worden. Niemand hatte es je genutzt.
    Draußen auf dem Hof war das Gemurmel verstummt und der Anführer sprach erneut. „Wir wollen deinen großen Bruder sprechen, bestätigt er uns, dass du an seiner Stelle das Erbe angetreten hast, so werden wir gehen und dir den Hof lassen.“
    Simeon antwortete nicht und so holte Torrel tief Luft und trat aus dem Stall.

    Die Männer bemerkten ihn erst, als er sie schon fast erreicht hatte. Der Sprecher – Torrel vermutete er müsse es sein, denn er stand dicht vor Simeon und war größer und besser gekleidet als der Rest der kleinen Gruppe – entdeckte ihn zuerst und auf seinem Gesicht spiegelte sich erst Überraschung, dann Erschrecken und schließlich Zorn.
    „Überrascht es Euch, mich zu sehen?“ fragte Torrel kalt.
    „In der Stadt und auf den umliegenden Gehöften erzählt man sich Ihr wärt fortgegangen.“ erwiderte der Mann, den Torrel für den Anführer hielt.
    „Schon vor vielen Jahren!“ war ein kleinerer Mann ein, was ihm jedoch einen scharfen Blick des anderen einbrachte.
    „Nun, ich bin hier, oder nicht?“ fragte Torrel. „Und ich kann Euch bestätigen, was mein Bruder sagt. Ich habe das Erbe ausgeschlagen und bin fortgezogen und ich bin zurückgekehrt, um meiner toten Schwester zu gedenken. Und was muss ich sehen? Ihr Aasgeier wollt Euch das Gut meines Vaters unter den Nagel reißen, obwohl Ihr genau wisst, dass mein Bruder das Recht auf seiner Seite hat und ausgerechnet Neelanas Todestag sucht ihr Euch aus, um hierher zu kommen?!“ Torrels Stimme klang hart. Einige der Männer hatten den Blick gesenkt, die anderen starrten ihn trotzig an. Nach einer kurzen Pause sprach der Anführer erneut. „Woher sollten wir wissen, dass Ihr tatsächlich das Erbe ausgeschlagen habt? Hättet Ihr das nicht so hätten wir das Recht hier zu stehen und..“
    Torrel unterbrach ihn mit einer heftigen Geste. „Das hättet Ihr nicht, denn das Gehöft gehörte weder jemals Euch, noch Euren Vorfahren“ Abgesehen davon dachte ich ihr hättet Eure Informationen in der Stadt gesammelt? Dot weiß man um die Umstände meines Fortgangs und ein jeder weiß auch, dass Simeon der rechtmäßige Erbe meines Vaters ist! Schert Euch fort und kommt nur nicht auf die Idee zurückzukehren! Nicht nur das Recht steht hinter meinem Bruder, sondern auch seine Männer, seine Freunde und Bekannten und all ihre Männer. Es wäre nicht ratsam.“
    Der Mann schnaubte wütend. Ein paar endlose Augenblicke starrte er Torrel an, der sich alle Mühe gab sich seien Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, denn sein Bruder hatte nicht mehr halb so viele Freunde wie er dem Mann weiszumachen versuchte, dessen war er sich sicher, seit er Simeons Charakterwandel gesehen hatte. Dann aber drehte der Mann sich um und gab seinen Leuten ein Zeichen. Sie saßen auf und ritten vom Hof.
    Torrel seufzte erleichtert und drehte sich dann zu Simeon um.
    Der starrte ihn nur an.
    „Warum hast du das getan?“ fragte er dann, so leise, dass Torrel ihn kaum hörte. „Nach allem was ich gesagt habe seit du zurück bist.. Du musstest nicht..“
    „Simeon“ sagte Torrel leise, in einem Ton, der mehr zu sagen vermochte als tausend Worte es jemals könnten. „Ach Simeon, glaubst du denn wirklich ich hätte mich so verändert? Hast du alles vergessen was du jemals über mich wusstest? Du bist mein Bruder, Simeon!“
    Simeon sah ihn nicht an. Schweigend starrte er zu Boden, dann wandte er sich plötzlich ab und trat zwei Schritte auf das Haus zu. „Danke.“ Murmelte er, dann trat er in den Schatten des Türsturzes und verschwand.
    Torrel blieb ratlos zurück. Erneut verwirrte ihn das Verhalten seines Bruders. Als dieser zu sprechen begonnen hatte, hatte Torrel in ihm etwas von dem alten Simeon zu sehen geglaubt – dem Simeon, den er gekannt hatte bevor er fort ging. Sein plötzlicher Rückzug aber gab ihm erneut Rätsel auf.
    Er schüttelte den Kopf und schob die Hand in die Tasche. Die Münzen darin klimperten leise. Es wurde Zeit ins Dorf zu reiten und sich auf dem wöchentlichen Markt nach einem Karren umzusehen. Er wollte Neelanas Sachen noch immer fortschaffen, an einen erneuten Sinneswandel seines Bruders mochte er noch nicht glauben.

    Torrel kehrte erst spät aus dem Dorf zurück und die Sonne hatte ihren Höchststand bereits weit überschritten. Er hatte lange mit einem der Bauern verhandelt und letztendlich einen guten Preis erzielt. Der Bauer, dessen Karren er erstanden hatte, wollte diesen im Laufe des nächsten Tages vorbeibringen und Torrel war froh darüber – entband es ihn doch von der Pflicht, sofort mit Simeon über seine Pläne zu sprechen.
    Er seufzte leise und machte sich auf den Weg in die Küche des Hauses. Es war ein anstrengender Tag gewesen und er hatte bereits das Frühstück ausgelassen und auch für ein Mittagsmahl auf dem Markt keine Zeit gefunden. Sein Magen rumorte bereits seit einer ganzen Weile.
    In der Küche traf er auf die selbe junge Dienstmagd, die er am Morgen so sehr verschreckt hatte und auch diesmal erschrak sie zutiefst und verließ fluchtartig den Raum. Torrel runzelte die Stirn, schüttelte dann jedoch den Kopf und trat an den Herd, wo eine rundliche, ihm gänzlich unbekannte Frau in ein paar Töpfen rührte. Er fragte sich, was wohl aus der Köchin seines Vaters geworden war, die bereits auf dem Gut beschäftigt gewesen war, als er noch ein kleiner Junge war, dann aber stieg ihm der Duft des Essens in die Nase und er vergaß alte Frau und schnupperte genüsslich. Die Köchin lachte und zwinkerte ihm gutmütig zu.
    „Setzt Euch nur an den Tisch, junger Herr. Es ist gleich fertig und es ist genug da – selbst für Euren Magen, den ich ja schon vom Hof herein hörte.“ Nun war es an Torrel zu lachen und er wollte gerade Platz nehmen, als an der Tür wieder das junge Mädchen erschien.
    Sie hielt den Blick gesenkt und ihre Stimme war kaum zu vernehmen, als sie sagte: „Mein Herr wünscht Euch zu sehen. In seinem Arbeitszimmer.“ Torrel sah sie verblüfft an. Simeon wollte ihn sehen? Sein Blick streifte die Köchin, die erneut lachen musste. „Geht nur mit ihr, sie ist ein friedfertiges Mädel. Und etwas zu essen werde ich Euch schon bringen lassen, sobald es fertig ist, sogt Euch da nur nicht.“ Torrel schmunzelte, dann nickte er und wandte sich dem Mädchen zu, dass sich sofort umdrehte und wortlos vorausging.
    Torrel kam sich vor wie ein Fremder. Nicht zu wissen wohin er sich wenden sollte in dem Haus in dem er aufgewachsen war war ein ungewohntes Gefühl für ihn.
    Es verblüffte ihn sehr, dass das Mädchen schließlich vor der Tür stehen blieb, hinter der einst das Arbeitszimmer seines Vaters gelegen hatte, auch wenn er sich bewusst war, dass es ihn nicht überraschen sollte. Es war nicht verwunderlich, dass Simeon das Zimmer weiter nutzte, jetzt wo sein Vater fort war. Das Mädchen klopfte leise an die Tür. Torrel fragte sich unwillkürlich, ob alles was sie tat leise war, dann aber ertönte Simeons Stimme und sie traten ein.

    Das Zimmer sah noch genauso aus, wie Torrel es in Erinnerung hatte. Die Möbel waren wuchtig und dunkel, an den Wänden reihten sich Bücherregale und vor dem großen Fenster stand der Schreibtisch. Dahinter saß Simeon.
    „Lass uns allein, Angelica.“ sagte er, sie verneigte sich leicht und verließ den Raum. Minutenlang herrschte Schweigen zwischen den beiden Brüdern, dann sprach Simeon erneut.
    „Setz dich bitte Torrel, das kann eine Weile dauern.“ Torrel tat wie ihm geheißen und setzte sich in einen der klobigen Sessel Simeon gegenüber. Noch einmal sahen sie sich lange an.
    „Es tut mir leid, Torrel.“ Simeon sah seinen Bruder nicht an, doch der kannte ihn gut genug um zu wissen, dass es ihm ernst war, obwohl sie sich fünf Jahre lang nicht gesehen hatten.
    „Ich war wütend auf dich - Götter das wirst du gemerkt haben.“ Er lachte nervös. „Du warst fortgegangen und ich nahm es dir übel, dass du mich bei Vater zurückließest. Ich wusste schon damals, dass es schwierig werden würde, nur mit uns beiden. Ich würde dich ihm niemals ersetzen können. Vor allem aber wollte ich nicht, dass du gehst, weil ich wusste wie sehr du mir fehlen würdest. Ich war im Grunde nicht wütend auf dich, ich hatte nur Angst, Angst nicht mit Vater umgehen zu können, Angst, nie wieder von dir zu hören. Nach und nach habe ich die Gründe verdrängt, wollte nicht wahr haben, dass ich mich fürchtete, wollte mir nichts anmerken lassen. Ich entwickelte einen tiefen Zorn auf dich. Ich schätze, das war einfach leichter, als sich all das einzugestehen.“
    Er machte eine lange Pause, dann sprach er erneut.
    „Als ich deine Stimme hörte, auf dem Hof, als du mit Tom sprachst.. da kamen einfach all die Gefühle wieder hoch. Die Gefühle, die ich all die Jahre so erfolgreich von mir fern gehalten hatte. Die Trauer um Neelana, die Sehnsucht nach dir und schließlich auch den Schmerz, den Vaters Abweisung und dann sein plötzlicher Tod mir bereiteten.
    Ich hasse dich nicht, Torrel.“ Seine Stimme versagte.
    Torrels Augen schimmerten feucht.
    „Das weiß ich, Simeon. Dabei hätte ich es verdient. Bitte verzeih mir, dass ich dir nie geschrieben habe. Ich war so.. Neelanas Tod hat etwas in mir zerbrochen und ich konnte es nicht ertragen hier zu bleiben. In der vertrauten Umgebung in der mich alles an sie erinnerte. Und ich konnte den Gedanken an dich nicht ertragen. Bitte versteh mich nicht falsch, ich liebte dich sehr und ich tue es noch, du warst nur einfach Neelana so ähnlich.. Verzeih mir Simeon!“
    „Wenn du auch mir verzeihen kannst..“
    Torrel stand auf, Simeon folgte seinem Beispiel und sie umarmten einander.

    Uh, ich stelle grade fest, das Ende ist ein bißchen kitschig geraten :veilchen:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Vuelta - 13.12.2007, 20:38


    Oh man, so wundervoll viel zu lesen... Mal schauen, wann ich es ausgedruckt bekomme :zwinker:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 13.12.2007, 23:05


    Du meine Güte, da muß ich mir echt Zeit für nehmen. Aber der Anfang ist schon mal super.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Arthea - 15.12.2007, 21:25


    :buch: :buch: :buch:
    Ich habs endlich durch und ich kann nur sagen.....wow, genial wie immer.
    Ich freu, mich darauf zu erfahren, wie es weitergeht und ob Torrel nicht vielleicht nun doch zu aktiven Part wird. :schock:

    :tanz: :tanz: :dance: *nenRabeFanClubgründe* :hilfe:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 15.12.2007, 22:44


    :ups:

    Vielen Dank, liebste Arthea! Ich freu mich, dass es dir gefällt!



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 16.01.2008, 09:45


    Das Meisterwerk sollte in einem kleinen Heftchen veröffentlicht werden. Ehrlich.

    Vielleicht gedruckt und die Blätter mit einer Spirale binden. Hier bei uns im Bürobedarfsladen kann man Seiten für ein paar Euro binden lassen. Geht ratzfatz. Habe ich gerade mit der Bachelorarbeit meiner Tochter machen lassen.
    Vorn und hinten Plastik wie ein Schnellhefter, aber in etwas besserer Ausführung. Ich weiß nicht wieviel Seiten das waren - bestimmt 30 bis 50 - für 3 Euro.

    Wie heißt das Pferd? :zwinker:

    Gegen Kitsch ist nichts einzuwenden. Das reale Leben ist hart genug, da wollen die Leserinnen ein bißchen Kitsch für die Seele haben.



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 16.01.2008, 15:16


    :ups:
    Wow, ihr schmiert mir ja wirklich Honig ums Maul :zwinker:

    Den Kitsch hab ich übrigens inzwischen ohnehin abgeändert, wobei ich grad nicht im Kopf hab, ob es nicht immernoch kitschig ist..

    Und die Ehre dem Pferd einen Namen zu geben überlasse ich mit Freuden dir :)



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 18.01.2008, 00:03


    Oh, welch' Ehre. Wie wäre es mit:

    Darion (griech.: Geschenk)
    Calx (lat.: Huf)
    Astron
    Drago ?



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 18.01.2008, 17:04


    Hört sich gut an! Vor allem Calx gefällt mir, vielen Dank!



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 19.01.2008, 21:14


    Na, da bin ich aber gespannt, ob du Calx einarbeiten kannst. :hüpf:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 20.01.2008, 11:37


    Ich guck mal, was sich machen lässt :zwinker:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Vuelta - 21.01.2008, 20:24


    Oh man... Ich hab die Seiten letztens ausgedruckt. Liegen hier neben mir auf dem Scanner, aber ich habe immer noch keine Zeit gefunden sie zu lesen. :ups:
    Am besten ihr unterhaltet euch weiterhin über die Namen der Pferde oder sonst irgendwas :lach: dann werd ich durch das gelbe "Zeichen" immer wieder daran erinnert, dass ich es noch lesen muss.... :engel:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 21.01.2008, 20:27


    Hey, du musstncht, wenn du keine Zeit hast - ich stehe nicht mit der Keule hinter dir :zwinker:
    Lass dir ruhig Zeit..



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Vuelta - 21.01.2008, 20:31


    :lach: nicht du, aber mein Gewissen!! Außerdem fand ich den ersten Teil deiner Story voll gut ( das ist aber auch fast alles was ich noch weiß ^^ ) und da will ich mir die Fortsetzung nicht entgehen lassen. Ich les das schon noch... :lach:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 21.01.2008, 20:32


    :tanz:
    Über so positives Feedback freu ich mich doch immer! :wirr:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Vuelta - 20.07.2008, 11:37


    Okay... peinlich, peinlich, aber vor ein paar Tagen hab ich die seit mehreren Monaten ausgedruckten Seiten endlich gelesen!!! :ups: :ups:

    Mal von ein gaaaaanz paar Rechtschreibfehlern abgesehen, ist das fast perfekt!! Also, ich übertreib jetzt nicht oder so :zwinker: ich mein das!! Du solltest mit deinem Talent wirklich was anfangen!! - Und auf JEDEN FALL die Geschichte zu Ende bringen!! :cyclop: :cyclop: :hüpf:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 24.07.2008, 15:26


    :wirr: Vielen Dank! :tanz:



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Cassa Dar - 24.07.2008, 18:12


    Was macht Calx?



    Re: Mein zweites Buchprojekt ;)

    Rabe - 25.07.2008, 16:34


    :ups: Ähm.. Noch nicht viel..



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