Obdachlose Frauen mit psychischer Erkrankung

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    Re: Obdachlose Frauen mit psychischer Erkrankung

    sternchen - 25.12.2006, 15:37

    Obdachlose Frauen mit psychischer Erkrankung
    Über die Lebenssituation und vor allem das Ausmaß an seelischen Erkrankungen bei obdachlosen Frauen gibt es wenig wissenschaftlich gesicherte Daten, vor allem in Deutschland. Zwar fallen diese Frauen im Einzelfall besonders auf und erregen dann nicht selten Verwunderung oder lösen entsprechend abfällige Bemerkungen aus, aber statistisch und damit sozialpolitisch gesehen schienen sie bisher kein Thema - lange Zeit. Das beginnt sich zu ändern. Es sind ja - wie erwähnt - zwei Bereiche, die bei den Obdachlosen deutlich zunehmen, zum einen die junge Generation im Allgemeinen und zum anderen Frauen im Speziellen. Nachfolgend deshalb die Ergebnisse einer neuen Untersuchung aus dem Raum Tübingen. Im Einzelnen (nach I. Torchalla, F. Albrecht, G. Buchkrämer und G. Längle, 2004):

    Bei dieser Untersuchung müssen zwei besondere Aspekte berücksichtigt werden: 1. das weibliche Geschlecht und 2. die erfasste Region. Letzteres verpflichtet zu besonderer Vorsicht bzw. Interpretation der gewonnenen Ergebnisse. Denn bisher wurden entsprechende Untersuchungen nur bei Wohnungslosen in Großstädten durchgeführt, jetzt auch in einer kleineren Universitätsstadt am Rande eines städtischen Ballungsraumes. Deshalb - das sei schon hier vorweggenommen - sind bei dieser Untersuchung großstädtische Strukturen und Milieus wie beispielsweise in München, Berlin oder Hamburg nicht aufzufinden. So existieren in kleineren Gemeinden weder Pensionen noch betreute Wohnprojekte für wohnungslose Frauen (es wird jeweils für den Einzelfall individueller Wohnraum gesucht) und es gibt auch keine Sammelnotunterkünfte für Frauen oder solche, die dauerhaft auf der Straße leben. Das ist übrigens bei wohnungslosen Männern auch in kleineren Gemeinden durchaus anders.

    Dafür gibt es ein Problem, das alle Untersuchungen auszeichnet: Obdachlose lassen sich so oder so schwer erreichen, Frauen ganz besonders. Deshalb wird man auch nicht von einer repräsentativen Studie ausgehen können, auch wenn sich die Schicksale meist ähneln.

    Ein trautes Heim ist ein Heim, in das man sich heim traut (Robert Lemke).


    Das Durchschnittsalter der befragten Frauen in Großstädten liegt meist nur gering unter dem der Männer (in Hamburg beispielsweise Männer: 42 Jahre, Frauen: 40 Jahre). Die Frauen in der Tübinger Untersuchung sind mit 29 Jahren deutlich jünger als Frauen in anderen (Ballungs-)Gebieten und auch deutlich jünger als wohnungslose Männer in der eigenen Region. Vor allem ältere Frauen sind unterrepräsentiert. Man vermutet, dass Ältere zurückgezogener leben (und deshalb noch schwerer zu erfassen sind), eher in Großstädte abwandern oder dass im vorliegenden Falle eine kleinere Universitäts-Stadt auf junge wohnungslose Frauen eine besondere Anziehungskraft ausüben könnte.

    Die meisten waren ledig, keine war verheiratet; immerhin hatte fast ein Drittel einen Partner. Auffällig war - trotz des geringen Alters - eine hohe Trennungsrate. Dies unterstreicht, dass gescheiterte Paarbeziehungen für den Wohnungsverlust bei Frauen von besonderer Bedeutung sein könnten. Trotz der hohen Trennungsrate lebten diese Frauen nicht sozial isoliert, alle hatten Kontakte zu Angehörigen und/oder Freunden. Zwei Drittel hatten übrigens Kinder, die teilweise bei anderen lebten. Das besagt, dass die entsprechenden Hilfen nicht nur auf alleinstehende Personen, sondern auch auf alleinstehende Frauen mit Kindern zugeschnitten sein sollten.

    Die schulischen und beruflichen Qualifikationen waren niedrig. Ein Viertel hatte keinen Schulabschluss, drei Viertel keine abgeschlossene Ausbildung. Die meisten waren nicht oder nur geringfügig erwerbstätig und lebten von der Sozialhilfe (durchschnittliches monatliches Einkommen: 475,- €, einschließlich der Bezüge für die Kinder).

    Das Durchschnittsalter zu Beginn der aktuellen Wohnungslosigkeit betrug 27 Jahre. Dabei fiel auf, dass nicht wenige bereits mit 13 bis 18 Jahren , d. h. sehr jung in die Wohnungslosigkeit geraten waren (ein warnender Hinweis auf die weiter unten ausgeführte Erkenntnis: Es werden immer häufiger junge Menschen obdachlos). Ein Drittel wohnte ohne mietrechtliche Absicherung bei Freunden oder Bekannten, was häufig mit sexuellen Gegenleistungen verbunden war (und zusätzliche Belastungen jeglicher Art mit sich zu bringen pflegt). Solche Konstellationen bezeichnet man als „verdeckte Wohnungslosigkeit„. Immerhin lebte keine der zum Untersuchungszeitpunkt erfassten Frauen auf der Straße, was aber einige für ihre Vergangenheit durchaus zugaben.

    Wie kommt es nun zur Wohnungslosigkeit von weiblichen Betroffenen? Fast die Hälfte gab als Auslöser zwischenmenschliche Konflikte mit den Eltern oder dem Partner an, wobei Gewalt-Erfahrungen keine geringe Rolle spielen. Dies scheint also ein besonderes und bisher nicht adäquat berücksichtigtes Problem zu sein. Meist konzentriert man sich auf die aktuelle Wohnungslosigkeit und nicht auf die vorausgegangenen Ursachen. Dabei hatten 3 von 4 dieser Frauen ihr Elternhaus in sehr jungem Alter verlassen, was sie teilweise direkt in die Wohnungslosigkeit führte. Konkrete Motive waren neben innerfamiliären Problemen (starrer Erziehungsstil, Konflikte zwischen den Eltern) vor allem sexueller Missbrauch. Mit anderen Worten: Der Auszug von zu Hause ist kein natürlicher Abnabelungsprozess, sondern eine Flucht aus der unerträglichen Herkunftsfamilie und damit eine fürs Erste gelungene, mittelfristig oder dauerhaft aber dann doch tragische Lösung. Ein Viertel dieser - meist sehr jungen - Frauen gab auch an, dass psychische Probleme an der Entstehung der Wohnungslosigkeit beteiligt waren. Hier wäre eine rechtzeitige professionelle Betreuung sicher heilsam gewesen - doch es kam nicht dazu, wie so oft bei später Wohnungslosen.

    Im Übrigen finden sich auch beim männlichen Wohnungslosen ähnliche Gründe für die spätere Obdachlosigkeit: Konflikte mit Eltern und Partnerin (jeder zweite Fall), gefolgt von Suchterkrankungen, finanziellen Nöten und Arbeitslosigkeit. Was Männer und Frauen unterscheidet, ist vor allem die erwähnte Gewalt-Erfahrung und sexuelle Ausbeutung.



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