Hinrichtungen mittels Gitfinjektion ausgesetzt

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    Re: Hinrichtungen mittels Gitfinjektion ausgesetzt

    Das Tier - 18.12.2006, 15:13

    Hinrichtungen mittels Gitfinjektion ausgesetzt
    Zitat: Das qualvolle Sterben des Angel Nieves Diaz

    Die Autopsie ergab schwere chemische Verbrennungen an beiden Armen. Am rechten Unterarm etwa 30, am linken 28 Zentimeter lang. Beide Arme waren angeschwollen. Die letzten 34 Minuten im Leben des Angel Nieves Diaz dürften Öffentlichkeit, Politik und Gerichte in den USA noch lange beschäftigen. Denn gestorben ist der 55-jährige Puertoricaner vorigen Mittwoch festgeschnallt auf eine Pritsche in der Todeszelle von Ocala im Bundesstaat Florida quälend langsam, vermutlich unter grausamen Schmerzen.

    Was schief gelaufen ist, soll jetzt eine von Gouverneur Jeb Bush eingesetzte Kommission klären. Erst hatte es geheißen, Hepatitis und eine kaputte Leber hätten das Ableben verzögert. Seit der Autopsie weiß man: Es wurde gepfuscht. In beiden Armen hatten die Giftnadeln Diaz' Vene nicht richtig getroffen. Der tödliche Cocktail tröpfelte ins Muskelgewebe, nicht in die Blutbahn.

    Hinrichtungen mit der Giftspritze sind in den USA ein seltsamer Kompromiss. Die Verfassung verbietet grausame und unmenschliche Bestrafungen. Seit der Oberste Gerichtshof in Washington Mitte der 70er Jahre ein früheres Urteil revidiert hat, fällt die Todesstrafe per Se nicht mehr darunter. Wohl aber einige Hinrichtungsmethoden. Nur zweimal wurden seit 1976 Todesschüsse abgefeuert. Drei Menschen wurden erhängt. Elf starben in der Gaskammer. Auch der elektrische Stuhl, auf dem seit der Wiedereinführung der Todesstrafe 153 Menschen starben, kam zuletzt aus der Mode. Nur Nebraska tötet noch mit Stromschlägen.

    Die übrigen 29 US-Bundesstaaten, die an der Todesstrafe festhalten, greifen entweder zur Giftnadel oder bieten diese dem Häftling als Alternative an. Die Hinrichtung durch Chemikalien galt in den USA lange als sanfter Tod. Hässliche Szenen wie etwa bei "Old Sparky", Floridas berüchtigtem elektrischen Stuhl, brauchen die Zuschauer hinter der Spiegelglaswand nicht fürchten. Nachdem in den 90er Jahren bei Hochspannungs-Hinrichtungen zwei Mal die Haare von Todeshäftlingen in Flammen standen und 2000 einem anderen das Blut aus der Nase strömte, hat Florida "Old Sparky" ins Museum gerollt. Wie andere Bundesstaaten exekutiert das sonnige Urlauberparadies seither ausschließlich mit der Giftnadel.

    Schon seit geraumer Zeit aber wachsen auch in den USA die Zweifel, ob das Hinrichten mit Chemikalien tatsächlich "humanes" Töten sei, ob die Methode dem Betroffenen wirklich grausame und unmenschliche Qualen erspare. Es ist - Europäer mag dies befremden - eine sehr technische Debatte. Drei Chemikalien werden nacheinander verabreicht. Zuerst ein Schmerzmittel, dann eines, das Lähmungen auslöst. Wenn die letzte Flüssigkeit in den Körper gelangt, die zum Herzstillstand führt, soll der Todeshäftling das Bewusstsein längst verloren haben. Es sei, sagen Befürworter, ein schmerzloser Tod.

    Wiederholt freilich haben sich Bewusstlosigkeit und das Eintreten des Todes ungewöhnlich lange hingezogen. Was Betroffene in diesen Momenten empfinden, weiß niemand. Nun hat Angel Nieves Diaz, wegen Raubmordes am Besitzer einer Striptease-Bar 1986 zum Tode verurteilt, sich vorige Woche auf der Todespritsche noch nach 24 Minuten nicht nur bewegt. Er hat auch unhörbare Worte gemurmelt. Erst eine zweite Dosis - wieder irrtümlich ins Muskelgewebe gespritzt - verursachte den Tod.

    Der Fall hat die Debatte über die Todesstrafe in den USA neu belebt. "Widerlich" nannte die Diaz-Anwältin Suzanne Myers Keffler, die bei der Hinrichtung anwesend war, die Agonie ihres Mandanten. "Es klingt, als wäre er zu Tode gefoltert worden", urteilte der Mediziner Jonathan Groner, Professor an der Ohio State Medical School. Gouverneur Bush lässt nun nach Wegen suchen, solche Vorfälle künftig zu verhindern. Das hat vorigen Freitag auch ein Bundesgericht für Kalifornien angeordnet. Dort gilt nach einer Pannenserie seit Februar ein Moratorium für Hinrichtungen. Richter Jeremy Fogel befand nun, das Risiko unzulässiger Schmerzen sei zu hoch, das kalifornische System der Gift-Exekutionen "kaputt", es könne aber "repariert" werden.

    Gegner der Todesstrafe bestreiten das. Nun sei klar, dass auch die Hinrichtung mittels Giftnadel grausam und unmenschlich sei, sagen sie. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach deshalb vom "wichtigsten Tag in der Geschichte der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren". Zumindest die Vorbehalte dürften weiter wachsen. Auch in Maryland, South Dakota, Missouri, Oklahoma und North Carolina wird über die Giftnadel gestritten. Klagen dürften irgendwann den Obersten Gerichtshof erreichen, der zuletzt die Todesstrafe für Minderjährige und geistig Behinderte abgeschafft hat. Auch in Umfragen sinkt der Rückhalt für die Todesstrafe seit Jahren, ebenso die Zahl der Hinrichtungen und die der Todesurteile. Das Unbehagen wächst.

    Quelle: fr-aktuell.de

    Wenngleich die Aussetzung zu begrüßen ist frage ich mich, wie ernsthaft die Todesstrafe als "menschlich" zulässig erklärt wird, nur weil das Kriterium "schmerzfrei" erfüllt ist.



    Re: Hinrichtungen mittels Gitfinjektion ausgesetzt

    Critic - 22.12.2006, 03:27


    Wenn man die Todesstrafe dann tatsächlich abschaffen würde, dann tut man es aber noch aus den falschen Gründen. Nicht weil man denkt, daß , sondern man glaubt, sie sei eigentlich immer noch gerechtfertigt, man kenne aber keine Möglichkeit, um diese in Einklang mit den eigenen vermeintlichen Idealen zu vollstrecken.

    Die Todesstrafe ist eigentlich eine Perversion:
    - Sie widerspricht den Idealen der Grüdungsväter der USA. Seine Unabhängigkeitserklärung rechtfertigte 1776 der Kontinentalkongreß damit, daß unveräußerliche Rechte -- eben auch das Recht auf Leben -- bedroht seien.

    - Auch was die Verantwortung des Henkers angeht: Die Gesellschaft meint, die TS sei notwendig. Gleichzeitig aber will sie die eigene Verantwortung dafür abgeben, indem sie dem Täter allein diese zuschreibt, und auch die Verantwortung des Henkers, indem sie mehrere Henker beteiligt, von denen Keiner wissen kann, ob er jetzt den entscheidenden Knopf gedrückt hat. Dies, weil sowohl die Gesellschaft als auch der Henker im Grunde wissen, daß Töten (hier: ohne Not, da man des Verbrechers ja bereits habhaft geworden ist und er keine Bedrohung mehr darstellt) ethisch gesehen verwerflich ist.

    Ansonsten gibt es eben genauso auch die Gegenposition, daß die Todesstrafe, wenn sie als Abschreckung dienen soll, oder eben aus den biblischen Maßstäben, mit denen sie gerechtfertigt wird, grausam sein müsse. Es könnte also passieren, daß man irgendwann erklärt, man nehme in Kauf, daß der Delinquent unter Qualen stirbt, oder daß man - zu diesem Zwecke - eigentlich Todesarten wiedereinführen sollte, die grausamer und abschreckender seien, etwa das Grillen auf dem elektrischen Stuhl bei nicht direkt tödlicher Spannung oder das "Hängen von unten auf", wie es im Iran praktiziert wird und so ziemlich für jeden Todeskandidaten mit minutenlangem Todeskampf verbunden ist.

    [Wer weiß, wohin die Reise geht? In den USA fordern Volksvertreter, das Tragen von Hosen, aus denen der Slip herauslupft, mit sechs Monaten Knast zu bestrafen, oder sogar, ungehorsame Kinder wieder steinigen zu dürfen. Andererseits hat man in den USA auch schon immer viel für die "Dehumanisierung des Strafvollzugs" getan, gibt es eben Verwahranstalten für Kranke (Drogenabhängige sind eben keine Kriminellen), Kleinkriminelle und auch für Schwerverbrecher, in denen Bedingungen herrschen wie in der Legebatterie, auch "Superknäste", die absolut ausbruchssicher sind. Der dortige Insasse stellt keine Bedrohung mehr für die Öffentlichkeit dar, ist perfekt "entmenscht", und es ist obendrein immer noch billiger, ihn 40 Jahre lang durchzufüttern als ihn von Staats wegen umzubringen. Wer weiß, was sich durchsetzen wird...]



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