Manfred Richter

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    Re: Manfred Richter

    Säbär - 13.12.2006, 14:40

    Manfred Richter
    Ich bin überhaupt erst am Anfang

    Manfred Richter schreibt über Gottfried Wilhelm Leibniz

    „Wer seid Ihr denn?“ Das ist die Frage, der Georg Wilhelm Leibniz immer wieder im Leben begegnet. Fürsten und Diener stellen sie ihm. Meistens aber stellt er sie sich selbst, und die einzige Antwort, die er für den Moment gelten lässt, heißt: „Ich stehe überhaupt erst am Anfang.“ Das ist der Augenblick vor seinem Tod.

    Manfred Richter schreibt über das Leben des großen Mathematikers aus der Perspektive eines Hinfälligen, an sein Zimmer gefesselten, der geplagt wird von offenen Geschwüren, Leibschmerzen, der eingequetscht ist in einen Lehnstuhl, mit Schraubzwingen an den Gelenken: Schmerz gegen Schmerz. Ein Vorausgeeilter und Zurückgebliebener ist dieser Leibniz, fast vergessen schon, umgeben nur von seiner Aufwartefrau Magda und seinem Sekretarius Eckhart, der ihm als Schnüffler des Herzogs beigegeben ist, und dem er seine Beichte diktiert, dass sich die Feder sträubt. Was erlaubt dieser Mann sich, den er doch heimlich verehrt? Und was erlaubt sich das Leben? Unbotmäßigkeit jedenfalls und unvollendete Erfüllung. Statt Frömmigkeit den Glauben an die von Gott verliehene Vernunft, an die von Menschen erfahrbare Einsicht.

    Mit dem filmischen Blick des erfahrenen Drehbuchautors und Dramaturgen entwirft Manfred Richter seine Szenerie zwischen Schreibpult, Fenster und Lehnstuhl, lässt aus dem Halbdunkel der flackernden Kerzen Menschen heraustreten, deren Schatten Lebenswege sind, die seine kreuzten. Aus der wundersamen Begegnung zwischen Leibniz und der noch kindlichen Prinzessin Sophie Charlotte, der späteren Königin von Preußen, wird eine Liebe bis zu ihrem Tod und darüber hinaus, so unglücklich glücklich, wie eine unerlaubte Beziehung zwischen Hofrat und Herrscherin im 18. Jahrhundert nur zu sein vermag. Ins Licht tritt die Französin Francois, bestallte Spionin des Pariser Polizeipräfekten und heißblütige Geliebte, die nicht verzeihen kann, dass ihrer Beziehung zu Leibniz ein so reales Ende beschieden sein soll, wie der Beginn surreal und übermächtig schien. Auf Christoph fällt das Licht der Erinnerung, der seinem Herrn Leibniz treuer Diener in allen Dingen des irdischen Lebens war und den der Gelehrte verriet wider Willen. Kein Preis, den er nicht zu zahlen bereit war, um sich den Traum von einer Berliner Akademie der Wissenschaften zu erfüllen. Kein Preis, den Mächtige nicht auch eingefordert hätten, sich in ihrer Macht zu erhöhen. Im Gefolge der drei erscheint die ganze Personage des Romans vom Bergmann bis zum Papst. Einen wirklichen Widersacher hat Leibniz nicht. Das ist er sich selbst - in den Grenzen seines Mutes, im Ringen um seine auf platonsche Ideale gegründeten Ideen. Manchmal auf dünnem Eis, aber doch gewitzt und devot genug, lieber tapfer, statt tollkühn zu sein, den Kopf zu senken, damit er nicht vom Hals geschlagen wird.

    Mit zuweilen lutherischer Schnoddrigkeit, einem manchmal wütenden Aufbegehren gegen Schweiß, Fieber, Gestank und Hilflosigkeit wird Leibniz dem Leser präsentiert. Ein Mann, dem die Liebe mehr widerfuhr, als dass er um sie kämpfte. Der all seinen Einfluss geltend machte, die Zentralgewalt über die deutsche Kleinstaaterei zu erheben, Protestanten und Katholiken zusammen zu führen in der frühen Vision eines in Frieden geeinten Europas, wie es in den großen Köpfen des Kontinents schon existierte und sich zu manifestieren begann unter den Dächern von Kirchen, Schlössern und Akademien. Und doch erfährt der kranke Krüppel, dass der Krieg ihn überleben wird, wie er seine Freunde und Gefährten überlebte. Auch Europa ist ganz am Anfang erst.

    Manfred Richter ist im Wechsel von äußerem und innerem Monolog eine spannungsvolle Biographie gelungen, nach deren Lektüre sich die Lust, es bei dieser Mixtur von Realität und Fiktion zu belassen, sich mit der Bereitschaft zum Rückzug auf das Faktische und Belegbare die Waage hält. „Wer seid ihr denn?“ Die Frage hat Richter mit literarischer Wahrhaftigkeit beantwortet, ohne einen Zweifel daran zu lassen, dass sie nach jeder Antwort aufs Neue gestellt werden muss.

    Henry-Martin Klemt

    Manfred Richter, „Legende Lövenix – Ein ungesicherter Bericht über die Liebe und anderes Merkwürdige im Leben des Gottfried Wilhelm Leibniz“, Roman, 376 Seiten, trafo verlag, Paperback



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