Heiko Laux - Renaissance des Ich

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    Re: Heiko Laux - Renaissance des Ich

    Anonymous - 13.12.2006, 10:31

    Heiko Laux - Renaissance des Ich
    Manchmal muss man auf Distanz zu den Dingen gehen. Fünfundfünfzig Meter sollten dafür genug sein. Im Restaurant des Berliner Funkturms, dem kleineren, aber älteren Bruder des Fernsehturmes, sitzt Heiko Laux und schlürft genüsslich Kaffee. Seine Entspanntheit wirkt ehrlich, dabei hätte er allen Grund, einen doppelten Whiskey zu trinken nach dem Umbruch im Kanzleramt: Neues Büro, neue Artists und auch eine neue Wohnung.
    Macht in der Summe der einzelnen Teile ein neues Album, ‚Waves’, das mit seiner Fokussierung auf die Essenz des Techno mühelos Anschluss an seinen Meilenstein, ‚Sense Fiction’ findet. "Voll auf die Mütze", nennt Heiko das. Wir ziehen den Hut.

    Seine Wohnung, das Label und sein Studio würde er nie wieder gleichzeitig wechseln, hatte er 2002 noch gesagt: "So etwas macht man einfach nicht, das ist Scheiße!" Doch vier Jahre später macht er es trotzdem noch mal. Ein Meinungswechsel, der die Dancefloors beglücken wird. Es sind die Umbrüche, die sich bei Heiko in grandiosen Alben niederschlagen. "Sense Fiction" entstand während der Umzugsphase von Hessen nach Berlin. Die Musik hatte bewiesen, dass sie ein wichtiger Faktor in Heikos Leben darstellt. Gab es bereits bei "Ornaments" (2002) Andeutungen, dass Heiko mit mehr Instrumenten wie Saxophon oder Kontrabässen arbeiten würde, so war sein Projekt Offshore Funk, das er zusammen mit Theo Schulte gründete, die logische Weiterführung: Viele analoge Instrumente, ein reiches Arrangement und eine chromglänzende Produktion. Nach zwei Offshore Funk-Alben verspürte Heiko den Drang, seinen Techno-Wurzeln Tribut zu zollen. Mit dem Umbruch Im Kanzleramt war der richtige Zeitpunkt gekommen, das auch zu verwirklichen. "Ich habe mit Musik schon mehr als einmal meine Seele repariert", hatte er einmal gesagt und mit "Waves" sollte das nicht anders sein.


    RL: Es gab eine Zeit, in der du alle Kreativität deinem Offshore Funk-Projekt mit Theo widmen wolltest. Was hat sich verändert? Wieso jetzt ein Heiko Laux-Album?

    HL: Es war mir total wichtig, ein Heiko-Laux-Album zu machen. Bei Offshore Funk war auch ein ganz gutes Stück Theo mit drin, mir haben bei einigen Sachen einfach die Skills gefehlt. Theo hat beim Programming und bei den Samples viel Wissen reingebracht. Wenn ich an bestimmte Streicher-Samples gedacht habe, dann zog sie Theo förmlich aus dem Hut, weil er eine unglaubliche Library besitzt. Die Ursache für mein neues Album lag aber nicht in einer Identitätskrise begründet, sondern ich hatte große Lust, wieder selbst etwas zu machen, um zu wissen, ob es alleine im Studio noch Spaß macht.

    RL: Hast du dazu wieder deinen Synthie-Park aktiviert?

    HL: Diesmal ist alles digital entstanden, vielleicht klingt es nicht so ‚rich’ wie mit analogen Instrumenten, aber dafür auch sauberer. Es gibt auch keine 909-Rides und keine markanten Tribal-Loops. Das Produzieren hatte auch ein gewisses ‘Sense-Fiction’-Feeling, also eine Reduzierung auf das Wesentliche. Es ging um simple Patterns und einfaches Composing. Das war überhaupt das Krasseste an dem neuen Album, Sachen auch mal weg zu lassen. Es war schon mal voller und breiter, aber diesmal wollte ich bewusst die üblichen Beschleuniger weglassen.

    RL: Wie hat Theo reagiert? War das schon ein kleiner Schock?

    HL: Er hat mich natürlich schon ermutigt, aber sein Gesichtsausdruck verriet auch ein wenig Enttäuschung. Aber ich hatte total Lust auf Techno, ich wollte in die Richtung ‚voll auf die Mütze’ gehen. Insofern war es ganz gut, dass ich das alleine gemacht habe. Als ich ihm aber meine letzten Sachen vorgespielt habe, meinte er, dass er mit Offshore Funk gerne einen härteren Weg gehen würde. Ich habe damit kein Problem.

    RL: Die Offshore Funk-Sachen waren immer sehr sauber produziert. Bei deinem neuen Album hast du den Dirt-Faktor wieder entdeckt. Musstest du dich sehr zurücknehmen bei Offshore?

    HL: Du kannst Theo keine Viertelstunde mit einem Track alleine lassen, ohne dass er zehn neue Spuren aufgemacht hat. Mein neues Album hat weniger Spuren, dafür mehr Muße. Offshore Funk ist aber auch ein gemeinsames Projekt, bei dem die Toleranzgrenze noch anders ist, als wenn man alleine im Studio wäre.

    RL: Was hast du für das neue Album alles benutzt?

    HL: Nicht viel, ein Laptop, ein paar Speaker und einen Synthesizer. Vieles habe ich auch in Bad Nauheim produziert, da saß ich in meinem Kämmerlein, ohne Telefon, ohne Fax, ohne Internet und die einzige Unterbrechung war, Schwimmen zu gehen. Die ersten Tracks sind im Winter in Bad Nauheim entstanden, in Berlin habe ich dann viele Skizzen neu geschrieben, die dann wiederum in Bad Nauheim Songstruktur bekamen. Das Album ist an beiden Orten entstanden.

    RL: Man hört regelrecht heraus, dass du diese minimale Herangehensweise intensiv genossen hast.

    HL: Der Unterschied zu ‚Sense Fiction’ ist, dass ich damals mehrere Wochen für einen Track gebraucht habe. Diesmal konnte ich schnell abspeichern und die Tracks auch live testen. Wie bei ‚Sense Fiction’ konnte ich mich an den Tracks nicht überhören, weil die Idee so genießbar ist, dass du wieder an den Anfang zurück willst. Das war der Anspruch an dieses Album und ich habe nicht aufgegeben, bis ich es erreicht hatte. Es wird einem nie überdrüssig und das war der gewünschte Effekt bei diesem Album. Das war bei ‚Sense Fiction’ auch schon so.

    RL: Das neue Album hat auch mehr mit "Sense Fiction" gemeinsam als z.b. "Ornaments".

    HL: Ich glaube, es steckt irgendwo in der Mitte. ‚Ornaments’ hatte diesen Offshore-Gedanken, also mehr Instrumentalisten hinzuzuziehen. Diese ‚handmade’-Idee war aber dann auch schon das Maximum, was ich alleine schaffen konnte. Mit Offshore hat sich das dann komplett erledigt, weil Theo da unheimlich viele Skills hatte, nicht nur am Saxophon. Es war oft so, dass Theo bereits die Lösung parat hatte, bevor ich das Problem überhaupt ausgesprochen hatte.

    RL: Die Zusammenarbeit mit Theo möchtest du also auch nicht missen?
    HL: Nein, überhaupt nicht, er war mein Lehrer auf eine gewisse Art. Ich habe da schon viel mitgenommen in das neue Album in Sachen Harmonie. Er ist ein sehr guter Produzent und arbeitet mit vielen anderen Musikern zusammen. Er macht jetzt auch gerade was mit Maurizio im Studio. Mein neues Album fand er ganz gut und nimmt da sogar etwas von mit für Offshore. Die Sachen, die ich im Kopf hatte, sind für ihn nun hörbar, besser als ich es ihm jemals mit Worten hätte sagen können.

    RL: Hast du auf dem neuen Album komplett alleine gearbeitet?

    HL: Der Song ‚Shared Wave’ ist zusammen mit Steve Rachmad produziert. Das ist aber auch der einzige. Der Track hat einen ziemlich tiefen, fast schon zornigen Bass, der dir auf der Tanzfläche den letzten Schubser gibt. Steve hatte noch nicht so viel Erfahrung in der digitalen Produktion, da habe ich ihm bei seinem Besuch in Berlin ein paar Sachen gezeigt. Er war begeistert und wir haben dann diesen Track zusammen gemacht.

    RL: Wie war deine Herangehensweise an das neue Album?

    HL: Mir ging es darum, die Sachen runterzufiltern, die Essenzen zu finden. Es ist immer noch das Michelangelo-Prinzip, das Hübscheste muss freigestellt werden. Das ist auf dem neuen Album noch konzentrierter passiert als bei Offshore Funk oder dem ‚Ornaments’-Album.

    RL: Es gab einige Veränderungen bei Kanzleramt und im privaten Bereich. Kannst du dazu etwas sagen?

    HL: Ich wollte raus aus dem Friedrichshain, am Boxhagener Platz. Ich habe mich da nie so wohl gefühlt. Das ist ein neu zusammengewürfelter Kiez, da ist noch kein Groove drin. Ich wollte einen Kiez, der natürlich gewachsen ist. Das Nettigkeitsniveau sollte etwas höher liegen. Als Landei, das über einem Laden groß geworden ist, kannte ich mich aus in meiner Umgebung. Diese Anonymität in Friedrichshain hat mich auch kaputt gemacht, Kreuzberg ist da schon viel geeigneter, da kriegst du viel mehr Freundlichkeit entgegengebracht. Der Umgangston ist anders. Ich kenne jetzt mehr Leute in meinem Haus, die mich schon mal nach einem Ei fragen. Außerdem ist es hier am Paul-Lincke-Ufer mit dem Wasser ganz beschaulich.

    RL: Und was ist bei Kanzleramt passiert?

    HL: Die Insolvenz der EFA (größter Vertrieb für Indie-Musik in Deutschland, der Februar 2004 Insolvenz anmelden musste) war ein schwerer Schlag für Kanzleramt. Eigentlich hätte ich da bereits die Notbremse ziehen müssen. Ich habe mich damals schon so gefühlt wie ein Trethamster, es gab viele Releases, viele Leute mussten bezahlt werden, der Umsatz musste wachsen. Ich bin zwar mit dem Vorsatz nach Berlin gekommen, das Label zu vergrößern, aber ich musste feststellen, dass ein Mehr an Leuten und Umsatz nicht gleichzeitig mehr Idee oder mehr Qualität bedeuteten. Da musste ich dann auch Abstriche in meinem persönlichen Taste machen, gerade was K2O [mittlerweile eingestelltes Sublabel von Kanzleramt, d.A] anging.

    RL: Ronny Krieger, deine langjährige rechte Hand, hat auch Kanzleramt verlassen. Hatte das mit dem Einstellen von K2O zu tun?
    HL: Ronny hat im Alleingang das Label wieder aktiviert und den Aufbau durchgezogen. Da ist weniger Kreativität von mir eingeflossen, aber es steckte das gleiche Geld drin. Es kam der Zeitpunkt, an dem ich mich mit der Musik auf K2O nicht mehr so identifizieren konnte. Bei der Veröffentlichung von Musik auf Kanzleramt gibt es nur eine Regel, nämlich die Heiko-Laux-Regel. Ich habe die Verantwortung über das Ganze und muss daher auch die Entscheidungen treffen.

    RL: Was war mit Alexander Kowalski? Wieso kam sein aktuelles Album nicht auf Kanzleramt heraus, wie die anderen zuvor auch?

    HL: Man muss das auch aus einer gewissen Distanz betrachten. Nach mehreren Alben auf Kanzleramt hatte sich ein Künstler wie Alex bereits sehr emanzipiert. Es gibt dann nicht mehr soviel Neues, was ich für ihn tun kann. Ich überdenke meinen Job regelmäßig und wenn ein Künstler kommt und mir sein neues Album in die Hand drückt, um es nur noch pressen zu lassen, ohne dass da eine Art Austausch entsteht, dann ist das nicht mehr meine Aufgabe, da mein Einfluss auf den Künstler nur noch sehr gering ist. Mit Alex’ neuem Album gab es aber auch ein Kompatibilitätsproblem mit Kanzleramt. Nur weil es gute Vocal-Tracks sind, müssen die nicht zu Kanzleramt passen. Sein Durchbruchs-Album ‚Progress’ hat mich total umgehauen, das war noch eine gelungene Gratwanderung zwischen dem, was an Symbiose zwischen Techno und Vocal noch möglich war, ohne in den Pop abzurutschen. Aber Raps, wie auf seiner neuen Platte, haben auf Kanzleramt nichts zu suchen. Damit hätte ich die rote Linie, die ich seit über zehn Jahren aufgebaut habe, durchbrochen. Kanzleramt ist eine Marke, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Diese Entwicklung möchte ich vorantreiben.

    RL: Gehört der Newcomer Peter Horrevorts zu dieser Entwicklung?

    HL: Definitiv. Möglicherweise gibt es im nächsten Jahr sogar ein Album mit ihm. Peter ist ein sehr talentierter junger Produzent aus Holland, sein Demotrack ist nur einer von 1000 gewesen, der mich total umgehauen hat. Er ist an der Stelle, an der ich als Label am meisten für ihn tun kann. Er ist ein Gegenbeispiel für Alexander Kowalski, bei Peter kann ich noch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es um Produktion usw. geht. Alex hatte seinen Sound bereits gefunden bzw. schlug er damit eine Richtung ein, die für Kanzleramt einfach nicht mehr so geeignet war. Von Peter Horrevorts wird man noch hören, er hat interessante Vorstellungen von Sound. Viele Labels haben sich um den gerissen, ich habe den Zuschlag bekommen.

    RL: Was sind deine nächsten Projekte?

    HL: Wir haben die Kanzleramts-Webpage erweitert und Downloadsan den Start gebracht haben, die Bezahlung geht ziemlich einfach über Paypal. Ich kenne keine Indielabels, die sowas auch anbieten. Irgendwie habe ich auch von den letzten Gigs, bei denen ich aufgelegt habe, sehr viel Techno-Energie mitgenommen. Aber nicht diese Tribal-Loops oder 909-Gewitter, sondern eben moderner. Die Arme sollen trotzdem nach oben gehen auf der Tanzfläche, das ist mir schon wichtig. Ich werde auch mit der Waves - Scratch Live!-Tour demnächst auf Tour gehen. Techno ist einfach eine Ader von mir, die ich nicht verkümmern lassen möchte.

    Das Album "Waves" erscheint am 27.10.2006 via MDM/Neuton/Rough Trade



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