Was mir passiert ist...

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    Re: Was mir passiert ist...

    Innocence - 20.07.2005, 17:44

    Was mir passiert ist...
    Ich weiß nicht so genau,wie ich anfangen soll... Vielleicht mal mit dem Wesentlichen?! Ich heiße Alex und bin heute 21 Jahre alt. Mir ist nicht soviel Grausames widerfahren wie vielen von euch,aber ich habe gelernt, dass auch mir etwas Schlimmes angetan wurde..noch vor 2 Jahren hätte ich hier nie im Leben was reingeschrieben, weil ich dachte, ich hätte nicht das Recht dazu, weil es vielen Anderen viel schlimmer ergangen ist. Ich wurde nicht missbraucht. Bei mir waren es von einander unabhängige Vergewaltigungen. Allerdings ohne den Psychoterror eines Missbrauchs.

    Ich bin 1998 im Juli/August 2 Wochen mit einer Jugendfreizeit nach Biscarosse/Frankreich gefahren. (Dmals war ich 13, bin aber im September 14 geworden) Dort hatte ich auch schnell Anschluß gefunden. Wir sind immer zu viert losgezogen. Die Anderen waren alle älter als ich. Die Jüngste (nach mir) war 15. Wir sind jedenfalls an einem Abend wieder zusammen los und wollten uns mit ner anderen Gruppe am Strand treffen. Ich weiß nicht mehr warum,aber ich saß irgendwann allein am Strand und hab auf die anderen gewartet (ich glaube,eine hatte ihre Jacke vergessen)... Dann kam ein junger Franzose...schätzungsweise 19 oder 20. Er hat sich neben mich gesetzt und mich angebaggert - aber naiv wie ich war, hab ich das zuerst nicht gemerkt. Erst als er anfing mich anzufassen merkte ich, dass da irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Deshalb wollte ich dann auch weggehen. Ich bin aufgestanden - aber er hat mich festgehalten und wieder zu Boden geworfen...er hat versucht mich zu küssen und ich konnte mich nicht wehren. Er war doch so viel stärker als ich!!!! Ich hatte solche Angst!!! Er hat mich überall angefasst und meinen Rock nach oben geschoben...Ab dem Moment habe ich um mein Leben, meine Würde und meine Unschuld gekämpft. Ich habe geschrien und um mich geschlagen, gekratzt und gebissen...Er hat mir so fest ins Gesicht geschlagen, dass ich dachte,mir fliegt der Kopf weg! Ich habe Sternchen gesehen und war halb bewusstlos. Es war wie Julia Roberts in "Pretty Woman" sagt: Irgendwann wird wohl jeder Mann im Laufe seines Lebens mal zur Seite genommen und ihm wird gezeigt, wie er einer Frau ins Gesicht zu schlagen hat! Von da an, konnte ich mich nicht mehr wehren...ich war fast bewusstlos, nur meine Schmerzen haben mich noch wach gehalten - und die ANGST! Ich wusste,ich habe keine Chance gegen ihn. Dann hat er seine Hose runtergezogen und ich lag nur da und habe geweint. Bevor er aber in mich ... rammen konnte, kam einer der Jungs, mit denen wir verabredet waren und hat mich gerettet! Er hat ihm die Nase gebrochen und wohl auch mehrere Rippen (dem Knacken und Krachen nach zu urteilen). Ich hatte ne aufgeplatzte Lippe, etliche Blutergüsse am ganzen Körper und ne Platzwunde am Kopf. Ich musste meinem "Retter" das Versprechen abnehmen, niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. Ich meine, ich war erst 13, total verschüchtert, total durcheinander und habe kaum ein Wort Französisch gesprochen und vor allem habe ich mich geschämt! Und ich wollte ... ich weiß nicht, ob ich ins Wasser ging, um den Dreck abzuwaschen,oder ob ich mir das Leben nehmen wollte...aber ich bin mit meinen Kleidern,an denen der Dreck von diesem Wichser klebte, ins Wasser gelaufen bis Albert (so hieß mein Retter) mich wieder da raus holte.Den anderen und den Betreuern haben wir erzählt, ich sei in eine Schlägerei hineingeraten -was ja auch nur zum Teil gelogen war. Als ich aus dem Urlaub nach Hause kam, war ich der festen Überzeugung, dass diese Version der Geschichte stimmt. Ich habe es verdrängt! Und ich war ziemlich gut darin...
    Ich hab dann so weiter vor mich hin gelebt, aber es hat mich auch verändert. Ich war ängstlicher und zurückgezogener. Ich war sehr schüchtern habe von mir aus kein Gespräch begonnen. Ich hab mich in die hinterste Ecke zurückgezogen und versucht, so wenig wie möglich aufzufallen Ich habe all die Zeit über kein einziges Mal an diese "Beinahe-Vergewaltigung" gedacht...aber irgendwann haben sich meine Gefühle einen Weg gesucht - und ich habe angefangen, mich zu schneiden. Keine tief klaffenden Wunden,sondern Kratzer,die einfach nur höllisch wehtaten...ich hatte zum ersten Mal die Kontrolle über meine Schmerzen...ich konnte in den Momenten bestimmen,wer mir wehtut und wie und warum und wann... Aus dieser Zeit habe ich auch einige Narben zurückbehalten, die aber immer blasser werden. Es hat nie jemand bemerkt,wie beschissen es mir ging...und auch heute beherrsche ich dieses Spiel perfekt!
    Aber plötzlich habe ich die Bilder wieder vor mir gesehen! Ich war mit der Schule zum Schüleraustausch nach Valence (ich weiß nicht mehr in welchem Jahr...es könnte Ende 1999 oder Anfang 2000 gewesen sein) und wir waren am Meer. Wir sind natürlich verbotener Weise auch ins Meer gegangen ... da wir keine Badesachen dabei hatten, sind wir mit unsern Klamotten ins Wasser gegangen. Und in dem Moment sind die ersten Bilder wieder aufgetaucht! Ich war wieder einmal mit meinen Kleidern im Wasser und am Ufer stand jemand und schrie: Komm sofort da raus! Damals konnte ich mit den Bildern nichts richtiges anfangen. Sie waren auch sehr verschwommen. Ich hatte einfach das Gefühl,dass etwas nicht stimmt. Dass etwas Schlimmes passiert ist oder passieren wird. Ich kann es gar nicht beschreiben. Aber es kamen immer mehr Erinnerungen an den Urlaub zurück. Und Bilder...ich hatte Alpträume, wurde immer ängstlicher und schreckhafter. Bin in der Schule abgestürzt. Und wusste nicht mehr,was ich tun soll. Wollte mir mehrmals das Leben nehmen - aber ich war immer zu feige (oder zu stark?) Ich hatte zuviel Angst vor dem Tod. Und ich dachte vor allem, ich habe kein Recht, mich so zu fühlen,es ist ja schließlich nix passiert. Er hat mich ja gar nicht vergewaltigt. Die Stimme in meinem Kopf die immer wieder sagte: "Aber er hätte es getan! Du hast keinen Grund dich dafür verantwortlich zu machen, dich dafür zu schämen!" Diese Stimme hab ich ignoriert. ich hatte ja auch immer noch meine "Kratzer", die ein Ventil für meine seelischen Qualen waren. Aber irgendwann hab ich mir gesagt, dass er nicht diese Macht über mich haben darf. Dass ich das nicht zulassen darf. Und ich habe aufgehört, mich zu schneiden. Ich habe es geschafft, aufzuhören. (das war 2001)
    Im Sommer 2001 bin ich nach Trier gezogen, um eine Ausbildung zur Musikalienhändlerin anzufangen. Und dann hab ich versucht, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich habe auch überlegt, zu einer Beratungsstelle zu gehen,habe mich aber nicht getraut,weil ich dachte, ich habe kein Recht dahin zu gehen. Die,die dort sind, haben viel Schlimmeres erlebt als ich und die hätten mit Sicherheit das Gefühl, ich würde mich über sie lustig machen. Also habe ich mich einer Freundin anvertraut. Wir waren beide betrunken und haben uns Geheimnisse erzählt. Es fiel mir so unendlich schwer, das alles auszusprechen, aber es hat gut getan,mit jemandem darüber zu reden. Nicht mehr alleine zu sein.
    Von da an hab ich gelegentlich mal jemandem davon erzählt - nur den Männern, mit denen ich zusammen war, den habe ich nie auch nur ein Wort davon gesagt. Das war natürlich kein Zustand. Und ich habe diese "Beziehungen" immer wieder sehr schnell beendet, weil ich mich emotional überhaupt nicht darauf einlassen konnte. Ich war nicht in der Lage, jemandem zu vetrauen. Beim Sex hab ich mich einfach ausgeklinkt und mir die ganze Zeit über eingeredet: Es ist doch gar nicht so schlimm.
    Im Februar 2003 habe ich dann tatsächlich geglaubt, mein Leben wieder im Griff zu haben.
    Ich habe meine Zwischenprüfung gemacht und mit 1-2 abgeschnitten und bin wieder nach hause gefahren. Eine Freundin aus der Berufsschule (Simone) hatte Geburtstag und wir haben ein bisschen gefeiert(Simone, Melina und ich). Wir haben bei ihr zu Hause gekocht und sind anschließend zum Flughafen Hahn gefahren - dort stand(steht heute noch?!) ein Festzelt. Wir haben getanzt und getrunken und ein paar Männer kennengelernt. Mit einem von ihnen hab ich getanzt und weil es im Zelt so laut war sind wir nach draußen...zum Reden?! Mein Gott, wie naiv ich doch gewesen bin!!! Viel geredet haben wir eigentlich nicht. Kaum waren wir draußen ist er zudringlich geworden. Hat mich geküsst, mich festgehalten. Mich angefasst. Wieder war sie da: die ANGST! Und ich dachte, wenn ich mich wehre, schlägt er mich wieder - wie der andere...und trotzdem hab ich versucht mich zu wehren - und er hat mich geschlagen. Aber das war (glaube ich) mehr ein Reflex und es war auch nicht fest;ich bin mehr erschrocken,als dass es wehtat. Ich hab um mich geschlagen und geschrien, gebissen und gekratzt...und dann hab ich aufgehört. Ich wollte nur noch sterben,damit es endlich vorbei ist. Er hat mich über eine Mülltonne (!) gelegt und hat mich vergewaltigt. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr wert zu sein,als diese gottverdammte Mülltonne. Ich hab da gelegen, habe geweint und wollte nur noch sterben - während er sich von hinten in mich gebohrt hat! Als er dann fertig war,hat mich da liegen lassen und ist wieder nach drinnen gegangen.
    Ich bin noch 1-2 Minuten im Dreck liegen geblieben und auch wieder ins Zelt gegangen. Die Party war vorbei...
    Am 16.03.2003 wurde meine Seele wiedereinmal zerfetzt. Mein Körper geschunden. Mein Stolz,meine Selbstachtung,meine Würde genommen...
    Wir (meine Freundinnen und ich) sind zu Simone nach Hause gefahren und haben im Wohnzimmer gesessen,als ich plötzlich anfing zu weinen. Ich habe ihnen in dieser Nacht noch erzählt,was passiert ist.
    Am nächsten Tag habe ich Kristina, meiner besten Freundin, per SMS geschrieben,was passiert ist. Sie hat mir einen ellenlangen Brief geschrieben,dass sie am Wochenende zu mir kommt und mit mir zur Polizei geht und dass sie immer für mich da ist. Und sie kam wirklich.
    Die Anzeige war grauenvoll! Ich wollte diesem Polizisten das alles nicht erzählen. Er war so kalt. Er hat mir kein Wort geglaubt...weil ich keine genaue Uhrzeit wusste und wohl ziemlich unzusammenhängendes Zeug gefaselt habe. Ich war total durcheinander! Der kann doch nicht wirklich erwarten,dass ich mich da hin setze und im detailliert erzählen wann,wo,wie,was und warum passiert ist - oder?!
    Das hat meine Meinung über Polizisten nicht unbedingt gebessert...Ich halte sie für unfähige Arschlöcher (es gibt da natürlich auch Ausnahmen...mit einigen bin ich sogar befreundet) aber eines muss ich ihnen schon zu Gute halten: Sie haben ihn gefunden! Er kam aus Hannover. Er hat natürlich alles abgestritten. Meinte,ich wollte das Vielleicht hätte ich mich wirklich auch nur noch eine Minute länger wehren müssen,damit er verstanden hätte,dass ich NICHT will! Aber es ist sinnlos,darüber nachzudenken,denn ich habe mich nicht länger gewehrt und ich kann machen,was ich will - es ist passiert, und nichts auf der Welt wird es je wieder rückgängig machen können.
    Ich musste ein weiteres Mal zur Kripo um ihn und den Tatort auf Bildern zu identifizieren,was ziemlich umständlich war,da ich zu dem Zeitpunkt wieder zurück nach Saarbrücken gezogen war,wegen meiner Arbeit. Als ich dann das zweite Mal dort war hat mich eine Frau vernommen. Die war sehr nett und hat mich unterstützt.
    Das Verfahren wurde eingestellt - aus Mangel an Beweisen.
    Ich war 2 Mal zum Gespräch in einer Beratungsstelle und habe dort an Vortragsabenden teilgenommen,aber durch den Umzug ist das alles im Sande verlaufen. Diese Gespräche haben sehr gut getan. Als ich das erste Mal dort war wollte ich gar nicht reingehenAls ich wieder rauskam war ich fix und fertig! Und Carsten, mein bester Freund und damaliger Arbeitskollege und Keyboarder unserer Band, stand vor der Tür und hat auf mich gewartet!!!
    DANKE an alle, die mir in dieser schweren Zeit geholfen haben und immer für mich da waren!
    Ich bin zwar noch nicht wieder in der Lage,ein normales Leben zu führen...habe immer noch Alpträume und Panikattacken und es gibt Tage,da weiß ich nicht,woher ich die Kraft nehmen soll,weiterzumachen, aber ich weiß,dass meine Freunde da sind und mich auffangen! Und ich hoffe,dass ich irgendwann wieder LEBE - statt nur ÜBERlebt zu haben...

    Ich wünsche allen,die Kraft, eines Tages wieder ein Leben führen zu können!!!

    LG Alex



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