Gedichte

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  • Alle Beiträge und Antworten zu "Gedichte"

    Re: Gedichte

    Hausdrache - 19.10.2006, 19:49

    Gedichte
    Sodele, hiermit eröffne ich mal einen Gedichte-Strang :D und stelle ein Gedicht ein, das ich schon Vorgestern zum Besten gab. Ein humanistisches (antireligiöses) Gedicht von Theodor Storm, das in fast keiner Ausgabe zu finden ist motz1 :

    Neuer Glaube

    Größer werden die Menschen nicht.
    Doch unter den Menschen
    größer und größer wächst
    die Welt des Gedankens.
    Strengeres fordert jeglicher Tag
    von den Lebenden.
    Und so sehen es alle,
    die zu sehen verstehen:

    Aus dem Glauben des Kreuzes
    bricht ein andrer hervor;
    selbstloser und größer.
    Dessen Gebot wird sein:
    Edel lebe und schön,
    ohne Hoffnung künftigen Seins
    und ohne Vergeltung,
    nur um der Schönheit des Lebens willen.
    (Theodor Storm)

    Gruß
    Hausdrache



    Re: Gedichte

    Talley - 20.10.2006, 08:39

    Re: Gedichte
    Dann präsentiere ich auch das einzige Gedicht, dass ich gänzlich auswendig rezitieren kann. Christian Morgenstern:

    Palmström, etwas schon an Jahren
    Wird an einer Straßenbeuge
    Und von einem Kraftfahrzeuge
    Überfahren.

    „Wir war,“ spricht er sich erhebend
    Und entschlossen weiterlebend
    „Möglich, wie dies Unglück, ja,
    Dass es überhaupt geschah.“

    „Ist die Staatskunst anzuklagen
    In Bezug auf Kraftfahrwagen?
    Gab die Polizeivorschrift
    hier dem Fahrer freie Trift?“

    „Oder war vielmehr verboten,
    hier Lebendige zu Toten
    Umzuwandeln. Kurz und schlicht,
    Durfte hier der Kutscher nicht?“

    Eingehüllt in feuchte Tücher
    Prüft er die Gesetzesbücher
    Und ist sich ziemlich schnell im Klaren:
    Wagen durften dort nicht fahren.

    Und er kommt zu dem Ergebnis:
    Nur ein Traum war das Erlebnis.
    Denn so schließt er messerscharf
    Ja nicht sein kann, was nicht sein darf.



    Re: Gedichte

    Das Tier - 20.10.2006, 15:50

    Einmal direkt...
    Vergiss es

    Also pass auf, wenn ich sterbe, will ich
    keine Tränen, sieh nur zu, dass ich
    abgeräumt werde, ich hatte ein
    erfülltes Leben, und wenn überhaupt einer
    eine Startvorgabe hatte, dann ich.
    Ich hatte sieben oder acht Leben
    in einem. Mehr kann man
    nicht wollen.
    Am Ende sind wir alle gleich
    also bitte keine Reden
    es sei denn, du willst sagen:
    Er wettete auf Pferde
    und darauf verstand er sich
    sehr gut.

    Du bist nach mir dran, und
    ich weiß schon jetzt etwas
    das du nicht weißt.
    Vielleicht.

    Hank Bukowski



    Re: Gedichte

    Das Tier - 20.10.2006, 15:50

    ..einmal verwinkelt
    Todesfuge

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
    wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
    wir trinken und trinken
    wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
    Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
    der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
    er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne und er pfeift seine Rüden herbei
    er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
    er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
    wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
    wir trinken und trinken
    Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
    der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
    Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

    Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr anderen singet und spielt
    er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
    stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
    wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
    wir trinken und trinken
    ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
    dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

    Er ruft spielt süsser den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
    er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
    dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

    Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
    wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
    wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
    der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
    er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
    ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
    er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
    er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

    dein goldenes Haar Margarete
    dein aschenes Haar Sulamith

    Paul Celan



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 22.10.2006, 12:39


    Mein Lieblingsgedicht von Ringelnatz:

    Du weißt nicht mehr wie Blumen duften,
    kennst nur die Arbeit und das Schuften-
    ...so geh'n sie hin die schönsten Jahre,
    am Ende liegst Du auf der Bahre
    und hinter Dir da grinst der Tod:
    Kaputtgerackert - Vollidiot! pillepalle



    Re: Gedichte

    Das Tier - 22.10.2006, 16:07

    Die Worte des Wahns
    Drei Worte hört man bedeutungschwer
    Im Munde der Guten und Besten,
    Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer,
    Sie können nicht helfen und trösten.
    Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht,
    So lang er die Schatten zu haschen sucht.

    So lang er glaubt an die Goldene Zeit,
    Wo das Rechte, das Gute wird siegen,
    Das Rechte, das Gute führt ewig Streit,
    Nie wird der Feind ihm erliegen,
    Und erstickst du ihn nicht in den Lüften frei,
    Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.

    So lang er glaubt, daß das buhlende Glück
    Sich dem Edeln vereinigen werde,
    Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick,
    Nicht dem Guten gehöret die Erde.
    Er ist ein Fremdling, er wandert aus,
    Und suchet ein unvergänglich Haus.

    So lang er glaubt, daß dem irdschen Verstand
    Die Wahrheit je wird erscheinen,
    Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand,
    Wir können nur raten und meinen.
    Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort,
    Doch der freie wandelt im Sturme fort.

    Drum edle Seele, entreiß dich dem Wahn,
    Und den himmlischen Glauben bewahre.
    Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
    Es ist dennoch, das Schöne, das Wahre!
    Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor,
    Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.

    Friedrich Schiller



    Re: Gedichte

    Das Tier - 23.10.2006, 18:29

    Die Worte des Glaubens
    Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer,
    Sie gehen von Munde zu Munde,
    Doch stammen sie nicht von außen her;
    Das Herz nur gibt davon Kunde.
    Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
    Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.

    Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
    Und würd' er in Ketten geboren,
    Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
    Nicht den Mißbrauch rasender Toren!
    Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
    Vor dem freien Menschen erzittert nicht!

    Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
    Der Mensch kann sie üben im Leben,
    Und sollt' er auch straucheln überall,
    Er kann nach der göttlichen streben,
    Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
    Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.

    Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
    Wie auch der menschliche wanke;
    Hoch über der Zeit und dem Raume webt
    Lebendig der höchste Gedanke,
    Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
    Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

    Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer,
    Sie pflanzet von Munde zu Munde,
    Und stammen sie gleich nicht von außen her,
    Euer Innres gibt davon Kunde.
    Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
    So lang er noch an die drei Worte glaubt.



    Nachtrag: Die "drei Worte des Wahns" waren die Antwort auf dieses Gedicht.



    Re: Gedichte

    Seelchen - 23.10.2006, 19:20

    Hund und Katze
    Miezel, eine schlaue Katze,
    Molly, ein begabter Hund,
    wohnhaft an demselben Platze,
    hassten sich aus Herzensgrund.

    Schon der Ausdruck ihrer Mienen,
    bei gesträubter Haarfrisur,
    zeigt es deutlich, zwischen ihnen
    ist von Liebe keine Spur.

    Doch wenn Miezel in dem Baume,
    wo sie meistens hin entwich,
    friedlich dasitzt, wie im Traume,
    dann ist Molly ausser sich.

    Beide lebten in der Scheune,
    die gefüllt mit frischem Heu.
    Alle beide hatten Kleine,
    Molly zwei und Miezel drei.

    Einst zur Jagd ging Miezel wieder
    auf das Feld. Da macht es bumm.
    Der Herr Förster schoß sie nieder,
    ihre Lebenszeit ist um.

    Oh wie jämmerlich miauen
    die drei Kinderchen daheim.
    Molly eilt sie zu beschauen,
    und ihr Herz geht aus dem Leim.

    Und sie trägt sie kurz entschlossen
    uu der eignen Lagerstatt,
    wo sie nunmehr fünf Genossen
    an der Brust zu Gaste hat.

    Mensch mit traurigem Gesichte,
    sprich nicht nur von Leid und Streit.
    Selbst in Brehms Naturgeschichte
    findet sich Barmherzigkeit.

    Wilhelm Busch



    Re: Gedichte

    Seelchen - 23.10.2006, 19:43

    Nachtgedanken
    Mein Lieblingsgedicht....

    Denk ich an Deutschland in der Nacht,
    dann bin ich um den Schlaf gebracht,
    ich kann nicht mehr die Augen schließen,
    und meine heißen Tränen fließen.

    Die Jahre kommen und vergehn,
    seit ich die Mutter nicht gesehn,
    zwölf Jahre sind schon hingegangen,
    es wächst mein Sehnen und Verlangen.

    Mein Sehnen und Verlangen wächst,
    die alte Frau hat mich behext,
    ich denke immer an die alte,
    die alte Frau, die Gott erhalte.

    Die alte Frau hat mich so lieb,
    und in den Briefen, die sie schrieb,
    seh ich, wie ihre Hand gezittert,
    wie tief das Mutterherz erschüttert.

    Die Mutter liegt mir stets im Sinn,
    zwölf Jahre flossen hin,
    zwölf lange Jahre sind verflossen,
    seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

    Deutschland hat ewigen Bestand,
    es ist ein kerngesundes Land,
    mit seinen Eichen, seinen Linden,
    werd ich es immer wiederfinden.

    Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
    wenn dort nicht die Mutter wär,
    das Vaterland wird nie verderben,
    jedoch die alte Frau kann sterben.

    Seit ich das Land verlassen hab,
    so viele sanken dort ins Grab,
    die ich geliebt, wenn ich sie zähle,
    so will verbluten meine Seele.

    Und zählen muß ich, mit der Zahl
    schwillt immer höher meine Qual,
    mir ist, als wälzten sich die Leichen
    auf meine Brust, aber gottlob, sie weichen.

    Gottlob, durch meine Fenster bricht
    französisch heitres Tageslicht,
    es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
    und lächelt fort die deutschen Sorgen.

    Heinrich Heine



    Re: Gedichte

    sünnerklaas - 23.10.2006, 23:12


    Du träumst von einer besseren Welt?
    Bis jung und du denkst, sie liegt Dir zu Füßen?
    Du lernst und lernst
    und nichts ist es wert?
    Doch: Du lernst ein's:
    Ist egal, was Du machst -
    es ist immer verkehrt!

    Du wirst geboren,
    kannst nicht gehen und laufen,
    kannst nichts sagen doch etwas spür'n:
    dass die Leut etwas über Dich sagen...
    Ganz der Papa, ganz die Mama, doch wenn's drauf ankommt,
    merkst Du schon, knapp neugeboren:
    Es ist egal, was Du machst -
    Es ist immer verkehrt!

    Du lernst lieben, Du lernst kennen,
    das weibliche Geschlecht.
    Du lernst spüren
    die Nähe eines Menschen
    doch liebt der andere Dich?
    Du möchtest es beweisen,
    den anderen spüren lassen.
    Doch spürt er dies?
    Nein, du hast Dich verrannt,
    bist unglücklich verliebt.
    Sie sagt Dir, sie liebt den Ali . und sagt zu Dir:
    'Ist egal, was Du machst -
    es ist immer verkehrt'.

    Und so treibt es Dich
    in die hohe Politik,
    man wählt Dich, man erwartet,
    dass Du etwas tust.
    Doch Deine Frau
    und Deine Partei lassen Dich gleich fühlen:
    ist egal, was Du machst,
    es ist immer verkehrt.

    Lässt Dich aufstellen,
    die Leute wollen Dich führen,
    doch der Führer der Leut'
    bist Du.
    Und merkst sehr schnell - so einfach ist Politik doch nicht
    Du sehnst Dich nach Politik und gutem Leben,
    möchtest Familie haben und sein frei.
    Aber mit eins Deine Frau ruft,
    sie möchte frei sein - mit ihren Kindern und zahlen dafür seist Du!

    Doch in Speyer . beim Kammergericht mit einem,
    fragt der Kaiser
    worin der Streit nur beruht.
    Da antwortet einer
    aus den letzten Reuhen
    es wäre egal, was passiere, es wäre immer verkehrt.

    ...leider kenne ich den Autor nicht - ist aber ein Gedicht, dass, so denke ich, vielen hier aus dem Herzen spricht :mrgreen:



    Re: Gedichte

    Talley - 24.10.2006, 08:43

    Wunderschön
    Ehrlich gesagt, ich hätte icht gedacht, dass der Gedichtsstrang so schön wird. Danke an alle und besonderen Dank an Jadziza für den Heine und den Busch, den ich noch gar nicht kannte.

    Hier der etwas gekürzte, aber trotzdem noch lange Beginn der gereimten Geschichte "Balduin Bählam oder der verhinderte Dichter", auch von Wilhelm Busch.

    Wie wohl ist dem, der dann und wann
    Sich etwas Schönes dichten kann!
    Der Mensch, durchtrieben und gescheit,
    Bemerkte schon seit alter Zeit,
    Daß ihm hienieden allerlei
    Verdrießlich und zuwider sei.
    Die Freude flieht auf allen Wegen;
    Der Ärger kommt uns gern entgegen.
    Gar mancher schleicht betrübt umher;
    Sein Knopfloch ist so öd und leer.
    Für manchen hat ein Mädchen Reiz,
    Nur bleibt die Liebe seinerseits.
    Doch gibt's noch mehr Verdrießlichkeiten.
    Zum Beispiel läßt sich nicht bestreiten:
    Die Sorge, wie man Nahrung findet,
    Ist häufig nicht so unbegründet.
    Kommt einer dann und fragt: »Wie geht's?«
    Steht man gewöhnlich oder stets
    Gewissermaßen peinlich da,
    Indem man spricht: »Nun, so lala!«
    Und nur der Heuchler lacht vergnüglich
    Und gibt zur Antwort: »Ei, vorzüglich!«
    Im Durchschnitt ist man kummervoll
    Und weiß nicht, was man machen soll. -

    ...

    So auch der Dichter. - Stillbeglückt
    Hat er sich was zurechtgedrückt
    Und fühlt sich nun in jeder Richtung
    Befriedigt durch die eigne Dichtung.
    Doch guter Menschen Hauptbestreben
    Ist, andern auch was abzugeben.
    Der Dichter, dem sein Fabrikat
    Soviel Genuß bereitet hat,
    Er sehnt sich sehr, er kann nicht ruhn,
    Auch andern damit wohlzutun;
    Und muß er sich auch recht bemühn,
    Er sucht sich wen und findet ihn;
    Und sträubt sich der vor solchen Freuden,
    Er kann sein Glück mal nicht vermeiden.
    Am Mittelknopfe seiner Weste
    Hält ihn der Dichter dringend feste,
    Führt ihn beiseit zum guten Zwecke
    In eine lauschig stille Ecke,
    Und schon erfolgt der Griff, der rasche,
    Links in die warme Busentasche,
    Und rauschend öffnen sich die Spalten
    Des Manuskripts, die viel enthalten.
    Die Lippe sprüht, das Auge leuchtet,
    Des Lauschers Bart wird angefeuchtet,
    Denn nah und warm, wie sanftes Flöten,
    Ertönt die Stimme des Poeten. -

    »Vortrefflich!« ruft des Dichters Freund;
    Dasselbe, was der Dichter meint;
    Und, was er sicher weiß zu glauben,
    Darf sich doch jeder wohl erlauben.
    Wie schön, wenn dann, was er erdacht,
    Empfunden und zurechtgemacht,
    Wenn seines Geistes Kunstprodukt,
    Im Morgenblättchen abgedruckt,
    Vom treuen Kolporteur geleitet,
    Sich durch die ganze Stadt verbreitet:
    Das Wasser kocht. - In jedem Hause,
    Hervor aus stiller Schlummerklause,
    Eilt neu gestärkt und neu gereinigt,
    Froh grüßend, weil aufs neu vereinigt,
    Hausvater, Mutter, Jüngling, Mädchen
    Zum Frühkaffee mit frischen Brötchen.
    Sie alle bitten nach der Reihe
    Das Morgenblatt sich aus, das neue,
    Und jeder stutzt, und jeder spricht:
    »Was für ein reizendes Gedicht!«
    Durch die Lorgnetten, durch die Brillen,
    Durch weit geöffnete Pupillen,
    Erst in den Kopf, dann in das Herz,
    Dann kreuz und quer und niederwärts
    Fließt's und durchweicht das ganze Wesen
    Von allen denen, die es lesen.
    Nun lebt in Leib und Seel der Leute,
    Umschlossen vom Bezirk der Häute
    Und andern warmen Kleidungsstücken,
    Der Dichter fort, um zu beglücken,
    Bis daß er schließlich abgenützt,
    Verklungen oder ausgeschwitzt.
    Ein schönes Los! Indessen doch
    Das allerschönste blüht ihm noch.
    Denn Laura, seine süße Qual,
    Sein Himmelstraum, sein Ideal,
    Die glühend ihm entgegenfliegt,
    Besiegt in seinen Armen liegt,
    Sie flüstert schmachtend inniglich:
    »Göttlicher Mensch, ich schätze dich!
    Und daß du so mein Herz gewannst,
    Macht bloß, weil du so dichten kannst!«

    Oh, wie beglückt ist doch ein Mann,
    Wenn er Gedichte machen kann!



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 24.10.2006, 13:21


    Mein lieber Talley,

    das Du das berühmteste Heine Gedicht nicht kennst, das erstaunt mich jetzt wirklich. gruebel Was das Gedicht von Busch betrifft, da stimme ich Dir voll und ganz zu. Das ist wirklich wundervoll.

    So, und hier auch noch eins von Christian Morgenstein, ein Liebegedicht:

    Es ist Nacht,
    und mein Herz kommt zu dir,
    hält’s nicht aus,
    hält’s nicht aus mehr bei mir.

    Legt sich dir auf die Brust
    wie ein Stein,
    sinkt hinein,
    zu dem deinen hinein.

    Dort erst,
    dort erst kommt es zur Ruh,
    liegt am Grund
    seines ewigen Du.

    (Christian Morgenstern, gesammelte Werke, S.129, Piper-Verlag)

    Gruß
    Hausdrache



    Re: Gedichte

    Talley - 24.10.2006, 14:36


    Hausdrache hat folgendes geschrieben: das Du das berühmteste Heine Gedicht nicht kennst, das erstaunt mich jetzt wirklich. gruebel Nun, der Heine war mir natürlich bekannt, nicht aber der Busch.

    Zitat: So, und hier auch noch eins von Christian Morgenstein, ein Liebegedicht:... ...stern, mein lieber Drache, ...stern, nicht ...stein. :mrgreen:

    Hier ein weiteres aus seinen Galgenliedern:

    Es war einmal ein Lattenzaun,
    mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.

    Ein Architekt, der dieses sah,
    stand eines Abends plötzlich da -

    und nahm den Zwischenraum heraus
    und baute draus ein großes Haus.

    Der Zaun indessen stand ganz dumm
    mit Latten ohne was herum,

    ein Anblick gräßlich und gemein.
    Drum zog ihn der Senat auch ein.

    Der Architekt jedoch entfloh
    nach Afri - od - Ameriko.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 24.10.2006, 14:52


    Talley hat folgendes geschrieben: stern, mein lieber Drache, ...stern, nicht ...stein. :mrgreen:
    Mein Gott, wo bin ich heute nur wieder mit meinen Gedanken?! Unten richtig, Oben gemurkst... :mrgreen: Woran ich dabei wohl gedacht habe??? gruebel

    Gruß
    Hausdrache



    Re: Gedichte

    Seelchen - 24.10.2006, 15:12


    Hausdrache hat folgendes geschrieben:
    So, und hier auch noch eins von Christian Morgenstein, ein Liebegedicht:
    ...


    Danke Susanna....ein wunderschönes Gedicht. Mit Liebesfilmen und Liebesromanen kannst Du mich jagen...aber Liebesgedichte liebe ich. :oops:


    In ihrer Schönheit wandelt sie
    wie wolkenlose Sternennacht,
    vermählt auf ihrem Antlitz sieh
    des Dunkels Reiz, des Lichtes Pracht,
    der Dämmrung zarte Harmonie,
    die hinstirbt, wenn der Tag erwacht.

    Kein Licht zuviel, kein Schatten fehlt -
    sonst wär's die tiefe Anmut nicht,
    die jede Rabenlocke strählt
    und sanft verklärt ihr Angesicht,
    wo hold und hell die Seel erzählt
    von lieben Träumen, rein und licht.

    O diese Wang, o diese Braun,
    wie sanft, wie still, und doch beredt,
    Was wir in ihrem Lächeln schaun,
    ein frommes Wirken früh und spät,
    ein Herz voll Frieden und Vertraun,
    und Lieb, unschuldig wie Gebet.

    Lord Byron



    Re: Gedichte

    Seelchen - 24.10.2006, 15:19


    Und noch ein Heine. :oops:

    Ein Weib

    Sie hatten sich beide so herzlich lieb,
    Spitzbübin war sie, er war ein Dieb.
    Wenn er Schelmenstreiche machte,
    sie warf sich aufs Bett und lachte.

    Der Tag verging in Freud und Lust,
    des Nachts lag sie an seiner Brust.
    Als man ihn ins Gefängnis brachte,
    sie stand am Fenster und lachte.

    Er ließ ihr sagen: O komm zu mir,
    ich sehne mich so sehr nach dir,
    ich rufe nach dir, ich schmachte -
    sie schüttelt das Haupt und lachte.

    Um sechse des Morgens ward er gehenkt,
    um sieben ward er ins Grab gesenkt,
    sie aber schon um achte,
    trank roten Wein und lachte.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 24.10.2006, 19:29


    Jadzia hat folgendes geschrieben:
    Danke Susanna....ein wunderschönes Gedicht. Mit Liebesfilmen und Liebesromanen kannst Du mich jagen...aber Liebesgedichte liebe ich. :oops:

    Du wirst es nicht glauben meine Liebe, aber mir geht es genauso. Bei Schnulzen rollen sich mir die Fußnägel, nur nicht bei Liebesgedichten. :mrgreen:
    Darauf gibt es gleich mehrere von Ibn'Arabi (1165-1240), dem großen "andalusischen Meister" :D :


    Ich folge der Religion
    der Liebe,
    wohin auch immer ihre Karawane zieht,
    denn Liebe ist mir Religion und Glaube.
    --------

    Die Wange zog ich durch den Staub
    in Zärtlichkeit und Leidenschaft.
    Um meiner tiefen Liebe willen:
    Stürze mich nicht in Verzweiflung!
    --------

    Und frag sie: Weilt in Al-Halba
    die junge Frau, die Geschmeidige,
    bei deren Lächeln
    die Sonne erstrahlt?
    ----------

    Der Morgen bricht an,
    wenn sie lächelt.
    O Herr, wie blitzen
    die Perlen ihres Mundes!

    Löst sie die Haare,
    fließt die Nacht
    schwarz und dicht
    und undurchdringlich.
    -----------

    Spricht sie die Wahrheit
    und verzehrt sich nach mir,
    so heftig und quälend
    wie ich mich nach ihr,

    So werden wir, in der Hitze des Mittags,
    uns heimlich treffen
    in ihrem Zelt
    und besiegeln den unauflöslichen Bund.
    -----------

    Fern bin ich, und Verlangen
    zerrüttet meine Seele.
    Doch auch das Wiedersehen heilt mich nicht,
    denn hier und fern vergehe ich vor Sehnsucht.

    Das Wiedersehen weckt
    das Ungeahnte, nie Gedachte.
    So ist die Heilung neue Krankheit,
    die aus Ekstase frisch erwächst.

    (Aus: Ibn'Arabi, die vollkommene Harmonie, O.W.Barth Verlag)

    Gruß
    Hausdrache



    Re: Gedichte

    Seelchen - 25.10.2006, 21:51


    Krieg dem Kriege

    Sie lagen vier Jahre im Schützengraben.
    Zeit, große Zeit.
    Sie froren und waren verlaust und haben
    daheim eine Frau und zwei kleine Knaben,
    weit, weit...

    Und keiner, der ihnen die Wahrheit sagt.
    Und keiner, der aufzubegehren wagt.
    Monat um Monat, Jahr um Jahr ...

    Und wenn mal einer auf Urlaub war,
    sah er zu Haus die dicken Bäuche.
    Und es fraßen dort um sich wie eine Seuche
    der Tanz, die Gier, das Schiebergeschäft....

    Und die Horde alldeutscher Skribenten kläfft:
    Krieg! Krieg!
    Großer Sieg!
    Sieg in Albanien und Sieg in Flandern!
    Und es starben die andern, die andern, die andern ...

    Sie sahen die Kameraden fallen.
    Das war das Schicksal bei fast allen:
    Verwundung, Qual wie ein Tier, und Tod.
    Ein kleiner Fleck, schmutzigrot
    und man trug sie fort und scharrte sie ein.
    Wer wird wohl der nächste sein?

    Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen.
    Werden die Menschen es niemals lernen?
    Gibt es ein Ding, um das es sich lohnt?
    Wer ist das, der da oben thront,
    von oben bis unten bespickt mit Orden,
    und nur immer befiehlt: Morden! Morden!

    Blut und zermalmte Knochen und Dreck.
    Und dann hieß es plötzlich, das Schiff sei leck.
    Der Kapitän hat den Abschied genommen
    und ist etwas plötzlich von dannen geschwommen.
    Ratlos stehen die Feldgrauen da.
    Für wen das alles? Pro patria?

    Brüder! Brüder! Schließt die Reihn!
    Brüder! das darf nicht wieder sein!
    Geben sie uns den Vernichtungsfrieden,
    ist das gleiche Los beschieden
    unsern Söhnen und euern Enkeln.
    Sollen die wieder blutrot besprenkeln
    die Ackergräben, das grüne Gras?
    Brüder! Pfeift den Burschen was!
    Es darf und soll so nicht weitergehn.
    Wir haben alle, alle gesehn,
    wohin ein solcher Wahnsinn führt.

    Das Feuer brannte, das sie geschürt.
    Löscht es aus! Die Imperialisten,
    die da drüben bei jenen nisten,
    schenken uns wieder Nationalisten.
    Und nach abermals zwanzig Jahren
    kommen neue Kanonen gefahren.
    Das wäre kein Friede.
    Das wäre Wahn.
    Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.
    Du sollst nicht töten hat einer gesagt.
    Und die Menschheit hörts, und die Menschheit klagt.
    Will das niemals anders werden?
    Krieg dem Kriege!
    Und Friede auf Erden.

    Kurt Tucholsky



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 25.10.2006, 22:13


    Ah, der wunderbare Tucholsky. :D
    Dann schicke ich doch mal dem Krieg, den "Frieden" hinterher:

    Zitat: Holder Friede

    Nun senkt sich auf die Fluren nieder
    der süße Tran der Vorkriegszeit;
    es kehren Ruh und Stille wieder,
    getretener Quark wird weich und breit.
    Und alle atmen auf hienieden:
    Jetzt haben wir Frieden.

    Nun ist es Herbst. Die Storchenpaare
    stehn klappernd, und der Eichbaum schwankt.
    Das ist ja wohl die Zeit im Jahre,
    wo Engel sich mit Brechten zankt.
    Die Ehe wird noch oft geschieden.
    Jetzt haben wir Frieden.

    Wir wollen nur das eine wissen,
    weil uns das wirklich interessiert:
    Premierenknatsch in den Kulissen –
    ob Kortner Jeßner engagiert?
    Baut Laemmle pappene Pyramiden?
    Jetzt haben wir Frieden.

    Wir geben einer müden Masse
    zum Ansehn, was sie niemals hat.
    »In Schiffskabinen erster Klasse
    gibt es jetzt Radio, Turnsaal, Bad ... !«
    Vergessen sind die Invaliden –
    jetzt haben wir Frieden.

    Verrauscht ist Lärm und Trommelfeuer,
    verweht das Leid der Inflation.
    Wir hassen jedes Abenteuer –
    wir wollen nicht mehr. Wir haben schon.
    Wir pfeifen auf dem ersten Loche.
    Nun liegt schon alles weit entfernt ...
    Wir spielen Metternich-Epoche
    und haben nichts dazugelernt.

    Gruß
    Hausdrache



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 25.10.2006, 22:21


    Und das ist auch sehr treffend. Gut, eigentlich ist alles von Tucholksy Klasse. :oops:

    Zitat: Ideal und Wirklichkeit

    In stiller Nacht und monogamen Betten
    denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
    Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
    was uns, weil es nicht da ist, leise quält.
    Du präparierst dir im Gedankengange das,
    was du willst – und nachher kriegst dus nie ...
    Man möchte immer eine große Lange,
    und dann bekommt man eine kleine Dicke –
    C'est la vie –!

    Sie muß sich wie in einem Kugellager
    in ihren Hüften biegen, groß und blond.
    Ein Pfund zu wenig – und sie wäre mager,
    wer je in diesen Haaren sich gesonnt ...
    Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,
    der Eile und der Phantasie.
    Man möchte immer eine große Lange,
    und dann bekommt man eine kleine Dicke –
    Ssälawih –!

    Man möchte eine helle Pfeife kaufen
    und kauft die dunkle – andere sind nicht da.
    Man möchte jeden Morgen dauerlaufen
    und tut es nicht. Beinah ... beinah ...
    Wir dachten unter kaiserlichem Zwange
    an eine Republik ... und nun ists die!
    Man möchte immer eine große Lange,
    und dann bekommt man eine kleine Dicke –
    Ssälawih –!



    Re: Gedichte

    David Grün - 30.10.2006, 22:51


    Von mir ein kleines Gedichtchen, das durchaus dazu angetan ist, der dunklen Jahreszeit zu trotzen:

    Ich bin so knallvergnügt erwacht.
    Ich klatsche meine Hüften.
    Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
    Es dürstet mich nach Lüften.
    Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
    Und gratuliert mir zum Baden.
    Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
    Betiteln mich "Euer Gnaden".
    Aus meiner tiefsten Seele zieht
    Mit Nasenflügelbeben
    Ein ungeheurer Appetit
    Nach Frühstück und nach Leben.
    (Joachim Ringelnatz)

    Gruß,
    David Grün



    Re: Gedichte

    Talley - 02.11.2006, 16:11


    Ein weiteres Lieblingsgedicht. Mal ein bekanntes von Altmeister Goethe. Wunderschön passend für einen kalten Novemberabend.

    Wanderers Nachtlied – Ein Gleiches

    Über allen Gipfeln
    Ist Ruh,
    In allen Wipfeln
    Spürest du
    Kaum einen Hauch;
    Die Vögelein schweigen im Walde.
    Warte nur! Balde
    Ruhest du auch.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 03.11.2006, 15:12


    Theodor Storm:

    Welt-Lauf

    Wer der Gewalt gegenüber steht
    In Sorgen für der Liebsten Leben,
    Der wir zuletzt von seinem Ich
    Ein Teil und noch ein Teilchen geben.

    Und dürstet er nach reiner Luft,
    Er wird zuletzt ein halber Schuft.

    ----------

    Halbe Arbeit

    Leibeigenschaft war nur der Rumpf,
    Nur halb erlegte man den Drachen,
    Der noch aus dem feudalen Sumpf
    Zu uns herüberrecht den Rachen;
    Behalten bleib es bessern Tagen,
    Das freche Haupt herabzuschlagen.

    (Band 1, sämtliche Werke von Theodor Storm, Seite 154 und 167)



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 07.11.2006, 21:20


    Von Joachim Ringelnatz, einem meiner Lieblingsdichter:


    PSST!

    Träume deine Träume in Ruh.

    Wenn du niemandem mehr traust,
    Schließe die Türen zu,
    Auch deine Fenster,
    Damit du nichts mehr schaust.

    Sei still in deiner Stille,
    Wie wenn dich niemand sieht.
    Auch was dann geschieht,
    Ist nicht dein Wille.


    Und im dunklen Schatten
    Lies das Buch ohne Wort.

    Was wir haben, was wir hatten,
    Was wir --
    Eines Morgens ist alles fort.

    (Joachim Ringelnatz, Das Gesamtwerk in 7 Bänden, Band 2: Gedichte, Seite 118)



    Re: Gedichte

    vonhaeften - 07.11.2006, 22:16

    Re: Einmal direkt...
    Das Tier hat folgendes geschrieben: Vergiss es

    Also pass auf, wenn ich sterbe, will ich
    keine Tränen, sieh nur zu, dass ich
    abgeräumt werde, ich hatte ein
    erfülltes Leben, und wenn überhaupt einer
    eine Startvorgabe hatte, dann ich.
    Ich hatte sieben oder acht Leben
    in einem. Mehr kann man
    nicht wollen.
    Am Ende sind wir alle gleich
    also bitte keine Reden
    es sei denn, du willst sagen:
    Er wettete auf Pferde
    und darauf verstand er sich
    sehr gut.

    Du bist nach mir dran, und
    ich weiß schon jetzt etwas
    das du nicht weißt.
    Vielleicht.

    Hank Bukowski


    Gut! Bukowskis Bücher habe ich samt und sonders gelesen. Ein sympathischer und intelligenter Schiftsteller, der zu seiner Zeit den richtigen Ton getroffen hat.

    Intereressant wäre die Frage: wie würde Bukowski heutzutage schreiben?



    Re: Gedichte

    Das Tier - 08.11.2006, 13:43

    Re: Einmal direkt...
    vonhaeften hat folgendes geschrieben: Das Tier hat folgendes geschrieben: Vergiss es

    Also pass auf, wenn ich sterbe, will ich
    keine Tränen, sieh nur zu, dass ich
    abgeräumt werde, ich hatte ein
    erfülltes Leben, und wenn überhaupt einer
    eine Startvorgabe hatte, dann ich.
    Ich hatte sieben oder acht Leben
    in einem. Mehr kann man
    nicht wollen.
    Am Ende sind wir alle gleich
    also bitte keine Reden
    es sei denn, du willst sagen:
    Er wettete auf Pferde
    und darauf verstand er sich
    sehr gut.

    Du bist nach mir dran, und
    ich weiß schon jetzt etwas
    das du nicht weißt.
    Vielleicht.

    Hank Bukowski


    Gut! Bukowskis Bücher habe ich samt und sonders gelesen. Ein sympathischer und intelligenter Schiftsteller, der zu seiner Zeit den richtigen Ton getroffen hat.

    Intereressant wäre die Frage: wie würde Bukowski heutzutage schreiben?

    Hallo vonhaeften,

    Hank wurde - das ist zumindest meine Eindruck- mit dem Alter immer milder. Nach der Aufarbeitung der Jugend konnte er wohl viele menschliche Aspekte ruhiger betrachten.

    Gruß

    Tier



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 19.11.2006, 02:49


    Da ich mit Tommy gerade das Thema in unserer "Klön- und Tratschecke" hatte und er mich offensichtlich für einen "Eisblock" hält, :mrgreen: stelle ich zur Nacht mal ein herrlich "schwülstiges" und erotisches Liebesgedicht ein:

    Zitat: Manfred Ach

    ICH WILL DICH

    Ich will
    deine Nasenflügel beben lassen,
    deine Lippen mit Blut anfüllen,
    den Schweiß in deine Haare treiben,

    ich will
    im Steigbügel deiner Ohren sitzen,
    durch deine Mundhöhle wandern,
    in deinem Delta eine Strömung sein,

    ich will
    in deinem Leib das Cello streichen,
    aus deinen Augen Funken schlagen
    und in deinem Herzen einen Gong,

    ich will
    der Frühling sein in deinem Garten,
    der Sommerwind auf deiner Haut,
    die Wintersonne, wenn’s dich friert,

    ich will
    den Weizen deiner Brüste ernten,
    mich an deinem Lächeln wärmen
    und in deinem Herzen überwintern herz1

    buona notte e dolci sogni
    Susanna



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 20.11.2006, 15:09


    Und noch eins :D :

    Theodor Storm
    (1817-1888)

    DU WILLST ES NICHT IN WORTEN SAGEN

    Du willst es nicht in Worten sagen;
    Doch legst du's brennend Mund auf Mund,
    Und deiner Pulse tiefes Schlagen
    Tut liebliches Geheimnis kund.

    Du fliehst vor mir, du scheue Taube,
    Und drückst dich fest an meine Brust;
    Du bist der Liebe schon zum Raube
    Und bist dir kaum des Worts bewußt.

    Du biegst den schlanken Leib mir ferne,
    Indes dein roter Mund mich küßt;
    Behalten möchtest du dich gerne,
    Da du doch ganz verloren bist.

    Du fühlst, wir können nicht verzichten;
    Warum zu geben scheust du noch?
    Du mußt die ganze Schuld entrichten,
    Du mußt, gewiß, du mußt es doch.

    In Sehnen halb und halb in Bangen,
    Am Ende rinnt die Schale voll;
    Die holde Scham ist nur empfangen,
    Daß sie in Liebe sterben soll.



    Re: Gedichte

    sünnerklaas - 25.11.2006, 02:11


    Eines meiner Lieblingsgedichte...
    Zitat:
    Erich Kästner: Marschlied 1945

    In den letzten dreißig Wochen
    zog ich sehr durch Wald und Feld.
    Und mein Herz ist so durchbrochen,
    daß man's kaum für möglich hält.
    Ich trag' Schuhe ohne Sohlen,
    und der Rucksack ist mein Schrank.
    Meine Möbel hab'n die Polen
    Und mein Geld die Dresdner Bank.
    Ohne Heimat und Verwandte,
    und die Stiefel ohne Glanz -
    ja, das wär nun der bekannte
    Untergang des Abendlands!
    Links, zwei, drei, vier,
    links zwei, drei -
    Hin ist hin! Was ich habe,
    ist allenfalls:
    links, zwei, drei, vier,
    links, zwei, drei -
    ich habe den Kopf, ich hab'
    ja den Kopf
    noch fest auf dem Hals.

    Ich trag Schuhe ohne Sohlen.
    Durch die Hose pfeift der Wind.
    Doch mich soll der Teufel holen,
    wenn ich nicht nach Hause find'.
    In den Fenstern, die im Finstern
    lagen, zwinkert wieder Licht.
    Freilich nicht in allen Häusern.
    Nein, in allen wirklich nicht...
    Tausend Jahre sind vergangen
    samt der Schnurrbart-Majestät.
    Und nun heist's: Von vorn anfangen!
    Vorwärts marsch! Sonst wird's zu spät!
    Links, zwei, drei, vier,
    links zwei, drei -
    Hin ist hin! Was ich habe,
    ist allenfalls:
    links, zwei, drei, vier,
    links, zwei, drei -
    ich habe den Kopf, ich hab'
    ja den Kopf
    noch fest auf dem Hals.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 29.11.2006, 16:26


    Hallo Jonas,

    könntest du bitte nochmal Dein Gedicht einstellen? Ich habe den Beitrag aus Versehen beim Rumfummeln versemmelt...
    Heute scheint nicht mein Tag zu sein. :oops: :?

    Gruß
    Hausdrache



    Re: Gedichte

    Jonas - 29.11.2006, 18:37


    Einer so reizenden Dame verzeihe ich fast alles.
    ;)

    Esther Dischereit

    Die Liebe ist die Herbstzeitlose
    Sie muß ich nicht plazieren
    in der Zeit
    Sie sitzt am Fluß

    Ich flog auf goldenen Schwingen
    Dädalus hinterher
    Wir stürzten ins Meer
    Als Jonas uns Hilfe anbot

    Wir sagten ja und
    nahmen Platz auf
    dem Flugzeugträger

    (Gedichte gegen den Krieg)



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 02.12.2006, 21:25


    Und mal wieder eins von Tucholsky :D

    Schall und Rauch

    Der Name ists, der Menschen zieret,
    weil er das Erdenpack sortieret –
    bist du auch dämlich, schief und krumm:
    Du bist ein Individuum.

    Hier sieht man nun den Dichter walten.
    Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,
    nein, er benamset auch sein Kind –
    und nennt es Borkman oder Gynt.

    Wie aber, wenn er in den Dramen
    gediegne bürgerliche Namen
    benutzt und jener Bürger klagt,
    damits der Richter untersagt?

    »Du wirst dich von dem Namen trennen!
    Mußt du ihn grade Barnhelm nennen?«
    Der Richter schüttelt das Barett:
    »Der Name macht den Kohl nicht fett!«

    Und kurz: Wir werden was ertragen!
    Schon sieht man Doktor Tassow klagen,
    mit ihm in trautestem Verein
    den Grünkramhändler Wallenstein.

    Dem Dichter fällt in seine Leier
    auch der Ap'theker Florian Geyer –
    dem Dichter grausts mit einem Mal:
    Er numeriert sein Personal.

    Wie nennt man nun die Rechtsgelehrten,
    die uns mit diesem Spruch beehrten?
    Wie nennt man also dies Gericht?
    Hier weiß ich keinen Namen nicht.



    Re: Gedichte

    Sharif - 06.12.2006, 18:29


    Eine Fabel, die ich mal geschrieben habe!

    Entfliehe der Unmündigkeit

    Ein tüchtiger Bär lebt mit einem Fuchs zusammen,
    der Listige von Beiden lässt sich bedienen,
    dies jedoch, stört den anderen nimmer,
    darum könnte der listige Fuchs jedes Mal grienen,
    auch wenn die Lügen sich ins Herz des Bären rammen.

    Das Wohl des Fuchses ist dem Bären wertvoll,
    genau deshalb erfüllt er jeden Wunsch,
    selbst bei Wind und Wetter, das stört ihm nimmer,
    weil er jenen mag, zieht er keinen Flunsch,
    egal wie qualvoll.

    Einzig eine Amsel beendet dies,
    durch ihren befreienden Gesang,
    dient der Bär dem Fuchs nun nimmer,
    nichts ändert mehr dies, auch nicht der Lobgesang,
    deshalb geht es dem einsamen Fuchs, jetzt ziemlich mies.

    Nach dieser Tat eilt der Bär zu seinem Erlöser
    und bietet der Amsel sein Heim,
    denn er dankt ihr für immer,
    doch ein neuer Tyrann ist daheim
    und die Gutgläubigkeit ist der Auslöser.

    Ein unbestechlicher Verstand ist eine der mächtigsten Gaben,
    dennoch wird diese Kostbarkeit selten genutzt,
    aus diesem Grund gibt es Dummheit immer
    und wird von Heuchlern ausgenutzt,
    deshalb nutzte deinen Verstand und zertrete diese Schaben.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 13.12.2006, 00:57


    Und hier eins der wundervollen Liebesgedichte des berühmten Petrarca an seine Laura herz1 :

    Né così bello il Sol già mai levarsi Sonett 112

    (Er schreibt Sennuccio, wie Laura ausgesehen am Tag, als er sich in sie verliebte)

    Nie ging so schön die Sonne auf am Morgen,
    wenn völlig nebellos der Himmel lachte,
    noch tat der Regenbogen, der entfachte,
    so viele Farben von der Luft sich borgen;

    als ich beseligt schien und traumgeborgen
    am Tag, der mich zum Joch der Liebe brachte,
    durchs Antlitz glücklich, nirgend nachgemachte,
    das Gott gespendet, um mich zu versorgen.

    Ich sah Sie sanft die Augen so verdrehen,
    daß jeder Anblick mir seit jener Stunde
    verleidet schien, der nicht der Ihre wäre.

    Ich sah, Sennuccio, sah mich selber flehen
    um Sicherheit vor einer Todes-Wunde,
    die ich von neuem jeden Tag begehre.

    Francesco Petrarca (1304-1374)



    Re: Gedichte

    intihaar - 13.12.2006, 16:20

    phantasus
    arno holz: phantasus (1898)

    schönes, grünes, weiches gras.
    drin liege ich.
    mitten zwischen butterblumen!

    über mir,
    warm,
    der himmel:
    ein weites, zitterndes weiß,
    das mir die augen langsam, ganz langsam
    schließt.

    wehende luft, ... ein zartes summen.

    nun bin ich fern
    von jeder welt,
    ein sanftes rot erfüllt mich ganz,
    und deutlich spür ich,
    wie die sonne mir durchs blut rinnt -
    minutenlang.

    versunken alles. nur noch ich.

    selig.



    Re: Gedichte

    Das Tier - 13.12.2006, 16:48

    Der doppelte Hermann Hesse
    Jeder ist allein

    Voll von Freunden war mir die Welt
    Als noch mein Leben licht war;
    Nun, da der Nebel fällt,
    Ist keiner mehr sichtbar.

    Wahrlich, keiner ist weise,
    Der nicht das Dunkel kennt,
    Das unentrinnbar und leise
    Von allen ihn trennt.

    Seltsam, im Nebel zu wandern!
    Leben ist Einsamsein.
    Kein Mensch kennt den andern,
    Jeder ist allein.





    Absage

    Lieber von einem Faschisten erschlagen werden
    Als selber Faschist sein!
    Lieber von einem Kommunisten erschlagen werden
    Als selber Kommunist sein!

    Wir haben den Krieg nicht vergessen. Wir wissen,
    Wie das berauscht, wenn man Trommel und Pauke rührt.
    Wir sind taub, wir werden nicht mitgerissen,
    Wenn ihr das Volk mit dem alten Rauschgift verführt.
    Wir sind weder Soldaten noch Weltverbesserer mehr,
    Wir glauben nicht, dass "an unserem Wesen
    Die Welt müsse genesen".
    Wir sind arm, wir haben Schiffbruch gelitten,
    Wir glauben alle an die hübschen Phrasen nicht mehr,
    Mit denen man uns in den Krieg gepeitscht und geritten -
    Auch die Euren, rote Brüder, sind Zauber und führen zu Krieg und Gas!

    Auch Eure Führer sind Generäle,
    Kommandieren, schreien und organisieren,
    Wir aber, wir hassen das,
    Wir trinken den Fusel nicht mehr,
    Wir wollen Herz und Vernunft nicht verlieren,
    Nicht unter roten noch weissen Fahnen marschieren.
    Lieber wollen wir einsam als "Träumer" verderben
    Oder unter Euren blutigen Brüderhänden sterben,
    Als irgend ein Partei- und Machtglück geniessen
    Und im Namen der Menschheit auf unsere Brüder schiessen!

    EDIT: Beide Gedichte (s. Titel "Der doppelte Hermann Hesse") sind von Hermann Hesse



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 13.12.2006, 16:58


    Tierchen, die Autorenangaben fehlen... ;)



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 13.12.2006, 17:20


    intihaar, das Gedicht ist sehr schön. Es erinnert mich an etwas Bestimmtes. herz1



    Re: Gedichte

    intihaar - 13.12.2006, 20:27

    dann
    taufiq sajigh (1923-1971),
    "dieser unruhige junge mit den betrübten augen, die mutigste palästinensische feder überhaupt",
    freund der 'shiir' und gründer der literaturzeitschrift 'hiwar',
    'pioneer in poetry innovation', dichter, literaturkritiker und journalist,
    auch berühmt für seine hervorragende übersetzung der "four quartets" (rubaijat arba) von t. s. eliot,
    schrieb einst diese zeilen:

    was dann?

    was dann?
    er verkehrt komödie in tragödie,
    hebt die ehrfurcht der tragödie auf,
    eine gedämpfte stimme
    krächzt:
    was dann?

    meine welt ist leere,
    höhlen, schwanger mit
    was dann?

    wenn er sich eines tages zurückzieht
    und die wangen der welt gefüllt sein werden,
    schwindet die farbe aus ihnen.
    furcht blitzt auf und donner hustet:
    was dann?

    meine sommerresidenz ist leere,
    meine winterresidenz ist furcht,
    mein leben ist ein zug
    zwischen ihnen, sein pfeifen
    was dann?

    mit dem morgenkaffee
    was dann?

    bei der arbeit
    was dann?

    in den blättern
    und im bett
    was dann?

    hier wie dort
    was dann?

    er kaut das tageslicht
    was dann?

    hinterlässt keine spuren für morgen
    und ehrt die ruinen von gestern,
    von häusern und gärten,
    wäre da nicht

    was dann?

    und in diesem
    was dann?
    habe ich meine tage verbrannt.



    Re: Gedichte

    Riwka - 13.12.2006, 23:03


    Zitat:

    Rosen auf den Weg gestreut

    Ihr müsst sie lieb und nett behandeln,
    erschreckt sie nicht - sie sind so zart!
    Ihr müsst sie Palmen sie umwandeln,
    getreulich ihrer Eigenart!
    Pfeift eurem Hunde, wenn er kläfft:
    küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!

    Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
    sagt, "Ja und Amen - aber gern!
    Hier habt ihr mich - schlagt mich in Fetzen!"
    Und prügeln sie, so lobt den Herrn.
    Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
    Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!

    Und schießen sie: du lieber Himmel,
    schätzt ihr das Leben so hoch ein?
    Das ist doch Pazifisten-Fimmel!
    Wer möchte nicht gern Opfer sein?
    Und spürt ihr auch in euerm Bauch
    den Hitlerdolch, tief, bis zum Heft:
    Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!


    Theobald Tiger alias Kurt Tucholsky, erschienen in der Weltbühne 13 am 31.3.1931



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 18.12.2006, 13:57


    Erich Fried
    (1921-1988)

    Dich küssen wollen

    Dich küssen wollen
    deine Finger und deine Handflächen
    deine Lippen und deine Zunge
    deine Augen und deine Brüste
    deine Achselhöhlen und Kniekehlen
    und deinen Schoß

    Dich einatmen wollen
    und ausatmen
    und wieder einatmen beim Küssen
    dich berühren und sehen wollen
    und riechen und kosten beim Küssen

    Dich anbeten beim Küssen
    und bei jedem Gedanken daran
    dich geküßt zu haben
    und dich wieder zu küssen

    Und wissen daß du es bist
    beim Denken an dich
    und beim Küssen



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 19.12.2006, 14:53


    Und noch eins... weil es einfach zu schön ist :D

    Erich Fried
    (1921-1988)

    Wie du solltest geküsset sein
    (nach einem Gedichttitel
    von Paul Flemming,
    1609-1640) für Elisabeth

    Wenn ich dich küsse
    ist es nicht nur dein Mund
    nicht nur dein Nabel
    nicht nur dein Schoß
    den ich küsse

    Ich küsse auch deine Fragen
    und deine Wünsche
    ich küsse dein Nachdenken
    deine Zweifel
    und deinen Mut

    deine Liebe zu mir
    und deine freiheit von mir
    deinen Fuß
    der hergekommen ist
    und der wieder fortgeht

    ich küsse dich
    wie du bist
    und wie du sein wirst
    morgen und später
    und wenn meine zeit vorbei ist



    Re: Gedichte

    Riwka - 19.12.2006, 22:30


    NOCH BIST DU DA

    Wirf deine Angst
    in die Luft

    Bald
    ist deine Zeit um
    bald
    waechst der Himmel
    unter dem Gras
    fallen deine Traeume
    ins Nirgends

    Noch
    duftet die Nelke
    singt die Drossel
    noch darfst du lieben
    Worte verschenken
    noch bist du da

    Sei was du bist
    Gib was du hast

    Rose Auslaender



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 20.12.2006, 21:40


    Kriegslied - Matthias Claudius, 1778

    's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
    Und rede du darein!
    's ist leider Krieg - und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

    Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
    Und blutig, bleich und blaß,
    Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
    Und vor mir weinten, was?

    Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
    Verstümmelt und halb tot
    Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
    In ihrer Todesnot?

    Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
    So glücklich vor dem Krieg,
    Nun alle elend, alle arme Leute,
    Wehklagten uber mich?

    Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
    Freund, Freund und Feind ins Grab
    Versammleten, und mir zu Ehren krähten
    Von einer Leich herab?

    Was hülf mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
    Die könnten mich nicht freun!
    's ist leider Krieg - und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!



    Re: Gedichte

    Riwka - 21.12.2006, 00:34


    Das Eisenbahngleichnis

    Wir sitzen alle im gleichen Zug
    und reisen quer durch die Zeit.
    Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
    Wir fahren alle im gleichen Zug.
    Und keiner weiss, wie weit.
    Ein Nachbar schlaeft, ein anderer klagt,
    ein dritter redet viel.
    Stationen werden angesagt.
    Der Zug, der durch die Jahre jagt,
    kommt niemals an sein Ziel.

    Wir packen aus. Wir packen ein.
    Wir finden keinen Sinn.
    Wo werden wir wohl morgen sein?
    Der Schaffner schaut zur Tuer herein
    und laechelt vor sich hin.

    Auch er weiss nicht, wohin er will.
    Er schweigt und geht hinaus.
    Da heult die Zugsirene schrill!
    Der Zug faehrt langsam und haelt still.
    Die Toten steigen aus.

    Ein Kind steigt aus. Die Mutter schreit.
    Die Toten stehen stumm
    am Bahnsteig der Vergangenheit.
    Der Zug faehrt weiter, er jagt durch die Zeit,
    und niemand weiss, warum.

    Die I. Klasse ist fast leer.
    Ein feister Herr sitzt stolz
    im roten Pluesch und atmet schwer.
    Er ist allein und spuert das sehr.
    Die Mehrheit sitzt auf Holz.

    Wir reisen alle im gleichen Zug
    zu Gegenwart in spe.
    Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
    Wir sitzen alle im gleichen Zug
    und viele im falschen Coupé.

    Erich Kaestner



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 21.12.2006, 14:59


    DAS HOHELIED SALOMONS
    Nach dem Lateinischen der Vulgata und nach Luthers Verdeutschung von Johann Wolfgang von Goethe

    Küß er mich den Kuss seines Mundes! Trefflicher ist deine Liebe denn Wein. Welch ein süßer Geruch deine Salbe, ausgegossne Salb ist dein Nahme, drum lieben dich die Mädgen. Zeuch mich! Laufen wir doch schon nach dir! Führte mich der König in seine Kammer, wir sprängen und freuten uns in dir.

    Priesen deine Lieb über den Wein.

    Lieben dich doch die Edlen all!

    Schwarz bin ich, doch schön, Töchter Jerusalems! Wie Hütten Kedars, wie Teppiche Salomos.

    Schaut mich nicht an dass ich braun bin, von der Sonne verbrannt. Meiner Mutter Söhne feinden mich an, sie stellten mich zur Weinberge Hüterinn. Den Weinberg der mein war hütet ich nicht.

    Sage mir du den meine Seele liebt, wo du weidest? Wo du ruhest am Mittag? Warum soll ich umgehn an den Heerden deiner Gesellen.

    Weist dus nicht, schönste der Weiber, folg nur den Tapfen der Heerde, weide deine Böcke um die Wohnung der Hirten.

    Meinem reisigen Zeug unter Pharaos Wagen vergleich ich dich, mein liebgen. Schön sind deine Backen in den Spangen, dein Hals in den Ketten. Spangen von Gold sollst du haben mit silbernen Böcklein.

    So lang der König mich koset giebt meine Narde den Ruch.

    Ein Büschel Myrrhen ist mein Freund, zwischen meinen Brüsten übernachtend. Ein Trauben Kopher ist mir mein Freund in den Wingerten Engedi.

    Sieh du bist schön, meine Freundinn! Sieh du bist schön! Tauben Augen die deinen.

    Sieh du bist schön, mein Freund. Auch lieblich! Unser Bette grünt, unsrer Hütte Balcken sind Cedren, unsre Zinnen Cypressen.

    Ich bin die Rose im Thal! Bin ein May Blümgen! Wie die Rose unter den Dornen so ist mein Liebgen unter den Mädgen. Wie der Apfelbaum unter den Waldbäumen, ist mein Liebster unter den Männern. Seines Schattens begehr ich nieder sitz ich und süss ist meinem Gaum seine Frucht. Er führt mich in die Kelter, über mir weht seine Liebe. Stützet mich mit Flaschen, polstert mir mit Äpfeln denn Kranck bin ich für Liebe. Seine lincke trägt mein Haupt, seine rechte herzt mich. Ich beschwör euch, Töchter Jerusalems, bey den Rehen, bey den Hinden des Feldes, rühret sie nicht, reget sie nicht meine Freundinn bis sie mag.

    Sie ist's, die Stimme meines Freundes. Er kommt! Springend über die Berge! Tanzend über die Hügel! Er gleicht, mein Freund, einer Hinde, er gleicht einem Rehbock. Er steht schon an der Wand, siehet durchs Fenster, gucket durchs Gitter! Da beginnt er und spricht:

    Steh auf, meine Freundinn, meine Schöne, und komm. Der Winter ist vorbey, der Regen vorüber. Hin ist er! Blumen sprossen vom Boden, der Lenz ist gekommen, und der Turteltaube Stimme hört ihr im Lande. Der Feigenbaum knotet. Die Rebe duftet. Steh auf, meine Freundinn, meine Schöne, und komm. Meine Taube in den Steinritzen im Hohlhort des Felshangs. Zeig mir dein Antlitz, tön deine Stimme, denn lieblich ist deine Stimme, schön dein Antliz. Fahet uns die Füchse, die kleinen Füchse die die Wingerte verderben, die fruchtbaaren Wingerte.

    Mein Freund ist mein, ich sein, der unter Lilien weidet. Bis der Tag atmet, die Schatten fliehen, wende dich, sey gleich, mein Freund, einer Hinde, einem Rehbock, auf den Bergen Bether.

    Auf meiner Schlafstäte zwischen den Gebürgen sucht ich den meine Seele liebt, sucht ihn, aber fand ihn nicht. Aufstehen will ich und umgehen in der Stadt, auf den Märkten und Straßen. Suchen, den meine Seele liebt, ich sucht ihn, aber fand ihn nicht. Mich trafen die umgehenden Hüter der Stadt: den meine Seele liebt, saht ihr ihn nicht? Kaum da ich sie vorüber war fand ich den meine Seele liebt, ich fass ihn, ich lass ihn nicht. Mit mir soll er in meiner Mutter Haus, in meiner Mutter Kammer.

    Wer ist die herauf tritt aus der Wüsten wie Rauch Säulen, wie Gerauch Myrrhen und Weyrauch, köstlicher Spezereyen.

    Schön bist du, meine Freundinn, ja schön, Taubenaugen die deinen zwischen deinen Locken.

    Dein Haar eine blinkende Ziegenheerde auf dem Berge Gilead. Deine Zähne eine geschorene Heerde, aus der Schwemme steigend, all zwilings-trächtig, kein Misfall unter ihnen. Deine Lippen eine rosinfarbe Schnur, lieblich deine Rede! Wie der Ritz am Granatapfel deine Schläfe zwischen deinen Locken. Wie der Turn David dein Hals, gebauet zur Wehre, dran hängen Tausend Schilde, alles Schilde der Helden. Deine beyden Brüste, wie Rehzwillinge die unter Lilien weiden. Völlig schön bist, meine Freundinn, kein Flecken an dir.

    Komm vom Libanon, meine Braut, Komm vom Libanon! Schau her von dem Gipfel Amana, vom Gipfel Senir und Hermon, von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Parden.

    Gewonnen hast du mich, Schwester, liebe Braut, mit deiner Augen einem, mit deiner Halsketten einer. Hold ist deine Liebe, Schwester, liebe Braut! Trefflicher deine Liebe denn Wein, deiner Salbe Geruch über alle Gewürze.

    Honig triefen deine Lippen, meine Braut, unter deiner Zunge sind Honig und Milch, deiner Kleider Geruch wie der Ruch Libanons. Schwester, liebe Braut, ein verschlossner Garten bist du, eine verschlossne Quelle, ein versiegelter Born. Dein Gewächse ein Lustgarten Granatbäume mit der Würzfrucht. Cypern mit Narden, Narden und Saffran, Calmus und Cynnamen, allerley Weyrauch Bäume, Myrrhen und Aloe und all die trefflichsten Würzen. Wie ein Garten Brunn, ein Born lebendiger Wasser, Bäche vom Libanon. Hebe dich, Nordwind, komm, Südwind, durchwehe meinen Garten, daß seine Würze triefen.

    Er komme in seinen Garten mein Freund und esse die Frucht seiner Würze!

    Schwester, liebe Braut, ich kam zu meinem Garten, brach ab meine Myrrhen, meine Würze. Als meinen Seim, meinen Honig, Tranck meinen Wein, meine Milch.

    Esset, Gesellen! Trincket, werdet truncken in Liebe.

    Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Horch! Die Stimme meines klopfenden Freundes: Öffne mir, meine Schwester, meine Freundinn, meine Taube, meine Fromme, denn mein Haupt ist voll Taus und meine Locken voll Nachttropfen. Bin ich doch entkleidet, wie soll ich mich anziehen? hab ich doch die Füße gewaschen, soll ich sie wieder besudeln? Da reichte mein Freund mit der Hand durchs Schalter und mich überliefs. Da stund ich auf meinem Freunde zu öffnen, meine Hände troffen von Myrrhen, Myrrhen liefen über meine Hände an dem Riegel am Schloss. Ich öffnete meinem Freund aber er war weggeschlichen, hingegangen. Auf seine Stimme kam ich hervor, ich sucht ihn und fand ihn nicht, rief ihm, er antwortet nicht. Mich trafen die umgehenden Wächter der Stadt. Schlugen mich, verwundeten mich, nahmen mir den Schleier die Wächter der Mauern.

    Ich beschwör euch, Töchter Jerusalems. Findet ihr meinen Freund, wollt ihr ihm sagen, daß ich für Liebe krank bin. Was ist dein Freund vor andern Freunden, du schönste der Weiber, was ist dein Freund vor andern Freunden, daß du uns so beschwörest? Mein Freund ist weiß und roth auserkohren unter viel Tausenden. Sein Haupt das reinste Gold, seine Haarlocken schwarz wie ein Rabe. Seine Augen Taubenaugen an den Wasserbächen, gewaschen in Milch, stehend in Fülle. Würzgärtlein seine Wangen, volle Büsche des Weyrauchs, seine Lippen Rosen träufelnd, köstliche Myrrhen. Seine Hände Goldringe mit Türkisen besetzt, sein Leib glänzend Elfenbein geschmückt mit Sapphiren. Seine Beine wie Marmorsäulen auf güldenen Sockeln. Seine Gestalt wie der Libanon, auserwehlet wie Cedern. Seine Kehle voll Süßigkeit, er ganz mein Begehren. Ein solcher ist mein Liebster, mein Freund ist ein solcher, o Töchter Jerusalems.

    Wohin ging dein Freund, du schönste der Weiber? Wohin wandte sich dein Freund, wir wollen ihn mit dir suchen. Mein Freund ging in seinen Garten hinab, zu den Würzbeeten, sich zu weiden im Garten, Lilien zu pflücken. Mein Freund ist mein und ich bin sein der unter Lilien sich weidet.

    Schön bist du, meine Freundinn, wie Thirza! Herrlich wie Jerusalem! Schröcklich wie Heerspitzen. Wende deine Augen ab von mir, sie machen mich brünstig.

    Sechzig sind der Königinnen, achzig der Kebsweiber, Jungfrauen unzählig. Aber Eine ist meine Taube, Eine meine Fromme. Die einzige ihrer Mutter, die köstliche ihrer Mutter. Sie sahen die Mädgen, sie priesen die Königinnen und Kebsweiber, und rühmten sie.

    Wer ist die hervorblickt wie die Morgenröthe? Lieblich wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Heerspitzen.

    Zum Nußgarten bin ich gangen zu schauen das grünende Tal. Zu sehen ob der Weinstock triebe, ob die Granatbäume blühten.

    Kehre! Kehre! Sulamith! Kehre! Kehre! Daß wir dich sehen. Seht ihr nicht Sulamith wie einen Reihen Tanz der Engel? Schön ist dein Gang in den Schuhen, o Fürstentochter, deiner Lenden gleiche Gestalt wie zwo Spangen, Spangen des Künstlers Meisterstück. Dein Nabel ein runder Becher der Fülle, dein Leib ein Weizenhaufen umsteckt mit Rosen. Dein Hals ein elfenbeinerner Turn, deine Augen wie die Teiche zu Hesbon am Thore Bathrabbim, deine Nase der Turn Libanon schauend gegen Damaskus. Dein Haupt auf dir wie Carmel, deine Haarflechten wie Purpur des Königs in Falten gebunden. Wie schön bist du, wie lieblich! du Liebe in Wollüsten. Deine Gestalt ist palmengleich, Weintrauben deine Brüste. Ich will auf den Palmbaum steigen, sagt ich, und seine Zweige ergreifen. Laß deine Brüste seyn wie Trauben am Weinstock, deiner Nasen Ruch wie Äpfel. Dein Gaum wie guter Wein, der mir glatt eingehe, der die schlafenden geschwätzig macht.

    Ich bin meinem Freunde, bin auch sein ganzes Begehren!

    Komm, mein Freund, laß uns aufs Feld gehn, auf den Landhäusern schlafen. Früh stehn wir auf zu den Weinbergen, sehen ob er der Weinstock blühe, Beeren treibe, Blüten die Granatbäume haben. Da will ich dich herzen nach Vermögen.

    Die Lilien geben den Ruch, vor unsrer Tür sind allerlei Würze, heutige, fernige. Meine Liebe bewahrt ich dir!

    Hätt ich dich, wie meinen Bruder, der meiner Mutter Brüste saugt. Fänd ich dich draus ich küßte dich, niemand sollte mich höhnen. Ich führte dich in meiner Mutter Haus, daß du mich lehrtest! Tränkte dich mit Würzwein, mit Most der Granaten.

    Wer ist die herausgeht aus der Wüsten, sich gesellet zu ihrem Freund?

    Unterm Apfelbaum weck ich dich, wo deine Mutter dich gebahr, wo dein pflegte, die dich zeugte.

    Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn starck wie der Todt ist die Liebe. Eifer gewaltig wie die Hölle. Ihre Glut Feuer-Glut, eine fressende Flamme. Viel Wasser können die Liebe nicht löschen, Ströme sie nicht ersäufen. Böt einer all sein Haab und Gut um Liebe man spottete nur sein.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 23.12.2006, 15:05


    Ich bin zwar keine Gläubige, aber dieses Stück hat es mir angetan und es passt zum Fest :D :

    Das hohe Lied der Liebe

    Wenn ich mit Zungen
    der Menschen und Engel rede,
    die Liebe aber nicht habe
    - dröhnender Gong bin ich
    oder lärmende Zimbel.
    Und wenn ich Prophetenrede habe
    und weiß die Geheimnisse alle
    und alle Erkenntnis,
    und wenn ich allen Glauben habe
    - zum Bergeversetzen -
    die Liebe aber nicht habe
    - so bin ich nichts.
    Und wenn ich all mein
    Hab und Gut veralmose
    und meinen Leib
    zum Verbrennen ausliefere,
    die Liebe aber nicht habe
    - so nützt es mir nichts.

    Die Liebe ist langmütig.
    Gütig waltet die Liebe,
    nicht ehrneidig.
    Die Liebe eifert nicht;
    sie macht sich nicht wichtig.
    Sie benimmt sich nicht mißfällig;
    sie sucht nicht das Ihre.
    Sie läßt sich nicht aufreizen;
    sie rechnet das Übel nicht vor.
    Sie freut sich nicht über das Unrecht;
    doch sie freut sich mit an der Wahrheit.
    Alles hält sie aus.
    Alles glaubt sie;
    alles hofft sie;
    alles durchharrt sie.

    Die Liebe geht nie zugrunde. (...)

    Jetzt also bleiben
    Glaube, Hoffnung, Liebe - diese drei:
    Ihrer Größtes aber ist die Liebe.

    1. Korintherbrief, 13,1-13 (Übersetzung: Fridolin Stier)



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 27.12.2006, 21:23


    Durch Liebe ward das Bittre süß und hold,
    Durch Liebe ward das Kupfer reines Gold,
    Durch Liebe ward die Hefe rein und klar,
    Die Liebe bot der Krankheit Heilung dar,
    Durch Liebe wird belebet, wer entschlafen,
    Durch Liebe werden Könige zu Sklaven ...
    Die Liebe macht das tote Brot zur Seele,
    Macht ewig die vergängliche, die Seele!

    Maulana Dschelaladdin RUMI (1207-1273) :D



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 01.01.2007, 16:37


    Auguste Kurs
    (1815-1892)

    Zu spät

    Hab' an die Dornen nicht gedacht,
    Als ich die Rose brach,
    Die Blätter sanken über Nacht,
    Der Dorn mich blutig stach.

    Hab' an den Winter nicht gedacht
    Im Frühlings-Sonnenstrahl,
    Nun schwand die duft'ge Blumenpracht
    Und öd' ist's allzumal.

    Hab' an das Scheiden nicht gedacht,
    Als ich mein Lieb umfing,
    Nun kommt der Trennung kalte Nacht,
    Die Rosenzeit verging.

    Daß ich an's Ende nicht gedacht,
    Das macht mir bittern Schmerz,
    Das Leid ist kommen über Nacht,
    Und bricht mir nun das Herz.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 03.01.2007, 13:09


    Und mal wieder ein Tucholsky :D :

    An einen Bonzen

    Einmal waren wir beide gleich.
    Beide: Proleten im deutschen Kaiserreich.
    Beide in derselben Luft,
    beide in gleicher verschwitzter Kluft;
    dieselbe Werkstatt – derselbe Lohn –
    derselbe Meister – dieselbe Fron –
    beide dasselbe elende Küchenloch ...
    Genosse, erinnerst du dich noch?

    Aber du, Genosse, warst flinker als ich.
    Dich drehen – das konntest du meisterlich.
    Wir mußten leiden, ohne zu klagen,
    aber du – du konntest es sagen.
    Kanntest die Bücher und die Broschüren,
    wußtest besser die Feder zu führen.
    Treue um Treue – wir glaubten dir doch!
    Genosse, erinnerst du dich noch?

    Heute ist das alles vergangen.
    Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen.
    Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren,
    du lachst über Straßenhetzer und Narren.
    Weißt nichts mehr von alten Kameraden,
    wirst aber überall eingeladen.
    Du zuckst die Achseln beim Hennessy
    und vertrittst die deutsche Sozialdemokratie.
    Du hast mit der Welt deinen frieden gemacht.

    Hörst du nicht manchmal in dunkler Nacht
    eine leise Stimme, die mahnend spricht:
    »Genosse, schämst du dich nicht –?«



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 13.01.2007, 23:37


    Es wird allerhöchste Zeit für einen der ganz großen "Iren", William Butler Yeats -> http://de.wikipedia.org/wiki/William_Butler_Yeats anfleh_11 :

    William Butler Yeats - to his heart, bidding it have no fear

    To his heart, bidding it have no fear
    Be you still, be you still, trembling heart,
    remember the wisdom out of the old days:
    Him who trembles before the flame and the flood,
    and the wind that blows through the starry ways,
    let the starry winds, the flame and the flood
    cover over and hide, for you have no part
    with the lonely, majestical multitude.

    Sei still, sei still, mein zitterndes Herz,
    erinnere dich an die Weisheit aus alter Zeit:
    Wer zittert vor der Flamme und der Flutwelle,
    und den Windenböen durch bestirnte Wege,
    soll die bestirnten Winde, die Flamme und die Flut
    sich zurückziehen lassen, denn er hat keinen Anteil
    an der einsamen, majestätischen Vielheit.

    -----------------------------------------------------

    cast a cold eye
    on life, on death,
    horseman, pass by!

    Kalt blicke du
    auf Leben, Tod,
    Reiter, reit zu!



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 18.01.2007, 09:52


    Kurt Tucholsky:

    Joebbels

    Wat wärst du ohne deine Möbelpacker!
    Die stehn, bezahlt un treu, so um dir rum.
    Dahinter du: een arma Lauseknacker,
    een Baritong fort Jachtenpublikum.
    Die Weiber – hach – die bibbern dir entjejen
    un möchten sich am liebsten uffn Boden lejen!
    Du machst un tust und jippst da an ...
    Josef, du bist 'n kleener Mann.

    Mit dein Klumpfuß – seh mal, bein andern
    da sacht ick nischt; det kann ja jeda ham.
    Du wißt als Recke durch de Jejend wandern
    un paßt in keen Schützenjrahm?
    In Sportpalast sowie in deine Presse,
    da haste eine mächtich jroße Fresse.
    Riskierst du wat? – De Schnauze vornean.
    Josef, du bist 'n kleener Mann.

    Du bist mit irgendwat zu kurz gekomm.
    Nu rächste dir, nu lechste los.
    Dir hamm se woll zu früh aus Nest jenomm!
    Du bist keen Heros, det markierste bloß.
    Du hast 'n Buckel, Mensch – du bist nich richtich!
    Du bist bloß laut – sonst biste jahnich wichtig!
    Keen Schütze – een Porzellanzerschmeißer,
    keen Führer biste – bloß 'n Reißer,
    Josef,
    du bist een jroßer Mann –!



    Re: Gedichte

    intihaar - 18.01.2007, 17:45

    qabbani
    nizar qabbani (1923-1998),
    syrischer diplomat und dichter,
    befasste sich in seinen gedichten zunächst mit liebe, erotik und frauen, suchte in der lyrik neue ausdrucksmöglichkeiten
    und betrat nach dem junikrieg auch politisches terrain;
    er ist den arabern einer ihrer liebsten dichter,
    und seine gedichte werden in der schule bis heute vielfach auswendig gelernt, obgleich sein werk in vielen staaten verboten ist -
    sein wohl berühmtes gedicht ist die 'qasidat balqis',
    gewidmet seiner zweiten ehefrau,
    die ermordet wurde im zuge des libanesischen bürgerkriegs,
    und die eine anklage an sämtliche arabische regierungschefs beinhaltet -
    ja, qabbani war ein meister der liebe und der klage:

    ich hoffe, du magst ihn (vorwort)

    zu deinem geburtstag
    du, mein mondschein,
    dachte ich darüber nach,
    was ich dir schenken soll.
    alle möglichkeiten schienen mir begrenzt.
    du, für deine augen
    würde ich mein ganzes leben geben.
    wie kann ein mensch seiner geliebten eine freude machen?
    und ihrem herzen seine schönsten wünsche zeigen?
    mit blumen?
    das ist ein ritual,
    das ich nicht mag.
    mit parfum?
    es gibt keine frau,
    die es nicht hätte.
    deshalb, zu deinem geburtstag,
    werde ich dir, meine herrin,
    einen gedichtband schicken.
    ich hoffe, du magst ihn.

    die schwiegersöhne gottes

    kaum ein herrscher,
    der in diese stadt kam,
    der die menschen nicht am freitag zur moschee rief.
    in seiner tüchtigen rede sagte er,
    er sei der stellvertreter gottes auf erden,
    der von gott gereinigte,
    und der beste freund gottes.

    kein herrscher,
    der in diese erniedrigte, traurige, zerbrochene stadt kam,
    der nicht verkündete,
    er sei der persönliche vertreter und der sprecher gottes.
    ist es mir erlaubt,
    gott zu fragen:
    hast du ihnen die vollmacht erteilt,
    gestempelt und unterschrieben,
    diese nation wie einen frosch zu häuten
    und auf dem nacken dieses volkes zu sitzen
    in alle ewigkeit?

    hast du ihnen befohlen, dieses land zu zerstören
    und uns wie kakerlaken zu zerquetschen?
    auf gottes befehl
    treten sie uns mit stiefeln,
    mit gottes erlaubnis.
    wenn man einen herrscher der ihren fragt:
    wer hat dich zum herrscher über diese nation ernannt?
    sagt er zu uns:
    ihr unwissenden!
    wisst ihr nicht, wisst ihr denn nicht,
    dass ich der schwiegersohn gottes geworden bin?

    ich will schreien:
    oh gott! hast du den finanzminister ernannt?
    warum sonst ist überall die armut ausgebrochen?
    warum ist die geduld zu ende?
    warum ist die lage immer schlimmer geworden?
    warum ist müll zur hauptmahlzeit geworden?
    warum findet der vogel nichts in unserem land außer abfall?
    ist die brotpreiserhöhung eine angelegenheit gottes?

    ich möchte fragen wie ein kind:
    oh du erbarmer,
    barmherziger und ernährer der vögel,
    der insekten, der hühner und der küken,
    hast du diese haie erschaffen?
    hast du sie im meer freigesetzt,
    damit sie menschen fressen?
    ist die verteuerung der bohnen, kichererbsen
    des eingelegten und der kräuter eine angelegenheit gottes?
    ist die verteuerung des todes und der särge eine angelegenheit gottes?
    warum sonst essen die großen kaviar
    und wir schuhsohlen?
    warum sonst trinken die offiziere whisky
    und wir schlamm?
    warum sonst unterscheidet der arme in unserem land nicht mehr zwischen brot und halbmond?
    warum sonst begehen die kinder schon im bauch ihrer mütter selbstmord?

    ich muss den erhabenen gott fragen:
    hast du sie gelehrt,
    aus unseren häuten trommeln zu machen,
    unsere frauen gefangen zu nehmen
    und auf uns zu reiten
    statt auf pferden und eseln?
    ich muss den erhabenen gott fragen:
    hast du ihnen befohlen,
    uns die knochen zu brechen,
    unsere stifte zu zerbrechen,
    uns subjektiv und objektiv zu töten
    und den blumen zu verbieten,
    auf den feldern zu wachsen?

    ich muss fragen:
    oh gott, hast du ihnen einen blankoscheck gegeben,
    damit sie versailles und
    das vereinigte königreich kaufen,
    damit sie basel, die hängenden gärten
    und die hofpresse kaufen?
    hast du ihnen einen blankoscheck gegeben,
    damit sie den britischen thron
    und die paläste kaufen,
    damit sie die frauen im käfig wie vögel
    und den grünen mond am himmel
    von nissapur kaufen?

    ich muss dich fragen:
    oh gott, hast du dich tatsächlich
    mit ihnen allen verschwägert?
    ist es so:
    wer sein volk ermordet,
    wird der schwiegersohn gottes?



    Re: Gedichte

    intihaar - 18.01.2007, 23:07

    fried
    erich fried (1921-1988),
    von susanna schon so wohlig zitiert,
    stellte sich, wie so viele, auch eine der elementarsten fragen:
    "was ist leben?"
    seine antworten sind lesens- und fühlenswert,
    wobei: das "wollen" spielt das leben doch, in manchen aspekten,
    noch ein stück weit an die wand:

    was ist leben?

    leben
    das ist die wärme
    des wassers in meinem bade

    leben
    das ist mein mund
    an deinem offenen schoße

    leben
    das ist der zorn
    auf das unrecht in unseren ländern

    die wärme des wassers
    genügt nicht
    ich muss auch drin plätschern

    mein mund an deinem schoß
    genügt nicht
    ich muss ihn auch küssen

    der zorn auf das unrecht
    genügt nicht
    wir müssen es auch ergründen

    und etwas
    gegen es tun
    das ist leben

    (bei dir sein) wollen

    bei dir sein wollen
    mitten aus dem was man tut
    weg sein wollen
    bei dir verschwunden sein

    nichts als bei dir
    näher als hand an hand
    enger als mund an mund
    bei dir sein wollen

    in dir zärtlich zu dir sein
    dich küssen von außen
    und dich streicheln von innen
    so und so und auch anders

    und dich einatmen wollen
    immer nur einatmen wollen
    tiefer tiefer
    und ohne ausatmen trinken

    aber zwischendurch abstand suchen
    um dich sehen zu können
    aus ein zwei handbreit entfernung
    und dann dich weiterküssen



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 19.01.2007, 15:50


    ah intihaar, was für herrliche Gedichte... ich zittere... herz1
    Da kann ich einfach nicht wiederstehen:

    Erich Fried
    (1921-1988)

    Das richtige Wort

    Nicht Schlafen mit dir
    nein: Wachsein mit dir
    ist das Wort
    das die Küsse küssen kommt
    und das das Streicheln streichelt
    und das unser Einatmen atmet
    aus deinem Schoß
    und aus deinen Achselhöhlen
    in meinen Mund
    und aus meinem Mund
    und aus meinem Haar
    zwischen deine Lippen

    und das uns die Sprache gibt
    Von dir für mich
    und von mir für dich
    eines dem anderen verständlicher
    als alles

    Wachsein mit dir
    das ist die endliche Nähe
    das Sichineinanderfügen
    der endlosen Hoffnungen
    durch das wir einander kennen

    Wachsein mit dir
    und dann
    Einschlafen mit dir



    Re: Gedichte

    sünnerklaas - 20.01.2007, 23:18


    Hausdrache hat folgendes geschrieben: ah intihaar, was für herrliche Gedichte... i


    ...das, was ich jetzt hier hineinstelle, ist leider nicht so romantisch - aber eben gut... :lol:

    Der Furz

    von
    Georg Kreisler


    Alles nichts wie Scheiße,
    Sprach der Staatssekretär,
    Alter Leute Steiße
    riechen ordinär,
    und wenn sie da sitzen,
    und behördlich schwitzen,
    kriecht ein Furz durch den Mund,
    ganz ohne Grund,
    stinkt sich gesund
    und tritt dann den Dienstweg an mit Pedanterie,
    das ist Demokratie!

    Er rieselt ins morsche Gehirn
    Eines senilen Ministers,
    pieselt als Schweiß durch die Stirn,
    und der Minister kriegt Durst
    und leckt sich die Lippen dabei
    steigt ihm der Furz bis zum Halse,
    er niest und er ächzt und er schnaubt und er sprüht.
    Und dann wird es auch dem Minister zu dumm,
    er macht eine Pause,
    möcht' gern nach Hause,
    hält sich den Bauch
    und dann lässt er den Furz an der richtigen Stelle heraus.
    Und jetzt ist der Furz nicht mehr nur Geschwätz,
    sondern ein Gesetz.
    Zwar noch immer Scheiße, aber präzisiert,
    daher wird der Furz jetzt sauber registriert.
    Kommt in eine Mappe
    Mit einer schönen Klappe
    Und einer Nummer am Schurz,
    trifft auch ganz kurz
    Brüdergefurz
    Und kriegt einen Stempel, dem geht jeder auf den Leim
    nämlich das Wort "geheim".

    Er kommt ins Parlament,
    dort wird er manchmal gerochen,
    aber impotent
    wird über ihn debattiert.
    Dann sagt ein Redner: "Hohes Haus,
    dieser Furz muss raus!"
    Und das sind die richtigen Worte,
    die kriegen viel Applaus.

    Dann wird der Furz dem Volk geschenkt.

    Alles nichts wie Scheiße, sprach der Staatssekretär,
    aber diese Scheiße ist jetzt im Verkehr,
    weil sie so bequem ist,
    weil sie kein Problem ist,
    schlucken wir sie ganz frei,
    furzen dabei
    selber entzwei,
    was uns zum Menschen macht,
    anstatt nur zum Vieh.
    Das ist Demokratie.



    Re: Gedichte

    Das Tier - 22.01.2007, 16:44


    Die Schnupftabaksdose

    Es war eine Schnupftabaksdose
    Die hatte Friedrich der Große
    Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
    Und darauf war sie natürlich stolz.
    Da kam ein Holzwurm gekrochen.
    Der hatte Nußbaum gerochen
    Die Dose erzählte ihm lang und breit.
    Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.
    Sie nannte den alten Fritz generös.
    Da aber wurde der Holzwurm nervös
    Und sagte, indem er zu bohren begann
    "Was geht mich Friedrich der Große an !"




    Im Park

    Ein ganz kleines Reh stand am ganz kleinen Baum
    still und verklärt wie im Traum.
    Das war des Nachts elf Uhr zwei.
    Und dann kam ich um vier
    Morgens wieder vorbei.

    Und da träumte noch immer das Tier.
    Nun schlich ich mich leise - ich atmete kaum -
    gegen den Wind an den Baum,
    und gab dem Reh einen ganz kleinen Stips.
    Und da war es aus Gips





    vom guten Ringelnatz.



    Re: Gedichte

    Spargel - 24.01.2007, 14:29


    Wird Zeit, dass ich hier auch ein Gedicht einstelle. A le Hopp.

    Spargel aus Herbsleben, von Ulf Annel

    Hör ich in Herbsleben den Spargel schießen,
    fangen meine Geschmacksknospen an zu sprießen.
    Wenn man Spargel aus Herbsleben isst,
    passiert's, dass man die Umwelt völlig vergisst.
    Es kribbelt der Körper, vom Zeh bis zur Stirn.
    Da muss man nicht denken, man braucht kein Gehirn.
    Und ist das Gehirn genüsslich verreißt.
    Dann darauf noch einen Spargel-Geist.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 01.02.2007, 11:55

    Ibn Arabi:
    Und hier eines der schönsten Gedichte :D von Muhyiddin Ibn Arabi (1165-1240), der "größte Meister", aus dem Vorwort seines Werkes Fusus al-Hikam (Die Weisheit der Propheten). Im Umschlagtext des Buches steht dazu:
    "Die Fusus al-Hikam, das populärste Werke von Ibn Arabi, handeln von der einen grenzenlosen Weisheit, die gleichzeitig einzigartig in sich selbst ist und vielgestaltig in ihrer Verkörperung durch die Linie der Propheten von Adam über Moses und Jesus bis hin zu Mohammed. Als solches ist dieses außergewöhnliche Werk ebenso eine Darlegung der innersten Bedeutung der Existenz des Menschen und seiner Fähigkeit zur Vervollkommnung, wie auch eine esoterische Auslegung des Korans und aller drei abrahamitischen Religionen."

    Welche Herrlichkeit!
    Ein Garten inmitten der Flammen!
    Mein Herz hat sich für jegliche Form geöffnet:
    Es ist eine Weide für Gazellen,
    und ein Kloster für christliche Mönche,
    und ein Tempel für Götzenbilder,
    und die Kaaba der Pilgernden,
    und die Tafeln der Tora, und das Buch des Korans.
    Ich folge der Religion der Liebe:
    Welchen Weg die Kamele der Liebe auch einschlagen,
    das ist meine Religion und mein Glaube.

    Susanna



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 06.02.2007, 14:17


    Sturmnacht! - Sturmnacht!
    (nach Emily Dickinson)

    manchmal ist das Glück ein Feuerwerk
    pulsierend und laut und voller Farben
    am Himmel,
    in der Nacht,
    manchmal will ich explodieren
    in dir,
    in deinen Armen,
    in der wilden See,
    will eintauchen,
    untertauchen und atmen
    dich atmen, einatmen und
    verschlingen und wieder loslassen,
    treiben lassen und Dir folgen
    unsichtbar, still und leise
    und dann wieder auftauchen
    und dich in die Tiefe reißen
    immer wieder
    und immer wieder
    dich in die Tiefe reißen! bussi2



    Re: Gedichte

    witty - 06.02.2007, 17:10


    Rainer Maria Rilke

    Wie soll ich meine Seele halten, daß
    sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
    hinheben über dich zu andern Dingen?
    Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
    Verlorenem im Dunkel unterbringen
    an einer fremden stillen Stelle, die
    nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefenschwingen.
    Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
    nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
    der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
    Auf welches Instrument sind wir gespannt?
    Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
    O süßes Lied.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 09.02.2007, 14:48


    Christian Morgenstern (1871-1914)

    HEIMAT

    Nach all dem Menschenlärm und -Dust
    in dir, geliebtes Herz, zu ruhn,
    so meine Brust an deiner Brust,
    du meine Heimat nun!

    Stillherrlich glänzt das Firmament
    in unsrer Augen dunklen Seen,
    des Lebens reine Flamme kennt
    kein Werden und Vergehn.



    Re: Gedichte

    Seelchen - 13.02.2007, 12:28


    Mal wieder ein Wilhelm Busch...;)

    Früher, da ich unerfahren
    Und bescheidner war als heute,
    Hatten meine höchste Achtung
    Andre Leute.

    Später traf ich auf der Weide
    Ausser mir noch andre Kälber,
    Und nun schätz ich, sozusagen,
    Erst mich selber.

    Wilhelm Busch



    Re: Gedichte

    Seelchen - 13.02.2007, 12:35


    Es ging der fromme Herr Kaplan,
    Nachdem er bereits viel Gutes getan,
    In stiller Betrachtung der schönen Natur
    Einst zur Erholung durch die Flur.
    Und als er kam an den Waldessaum,
    Da rief der Kuckuck lustig vom Baum:
    »Wünsche guten Abend, Herr Kollege!«
    Der Storch dagegen, nicht weit vom Wege,
    Steigt in der Wiese auf und ab
    Und spricht verdrießlich: »Plapperapapp!
    Gäb's lauter Pfaffen lobesam,
    Ich wäre längst schon flügellahm!«

    Man sieht, daß selbst der frömmste Mann
    Nicht allen Leuten gefallen kann.

    ;)

    Wilhelm Busch



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 14.02.2007, 15:10


    Da wir heute Valentinstag haben, ein Gedicht zum Anlass und alles Gute für alle Liebenden :D

    In deiner Liebe Zauberbann

    In deiner Liebe Zauberbann
    Behagt mir's allzuwohl,
    Ich denke nicht von fern daran,
    Daß ich ihn lassen soll:
    Es hält sein Glück der Weise fest,
    Und bettet d'rin sich weich,
    Und läßt der Liebe wonnig Nest
    Nicht um ein Königreich.

    Ist nicht dein Auge süß und klar,
    Die Wange weich und rund?
    Ist glänzend nicht dein gold'nes Haar
    Und honigsüß dein Mund?
    Ist nicht erquickend und gelind
    An deiner Brust die Ruh'?
    Bist du nicht ganz ein Götterkind,
    Du holde Kleine du?

    Da draußen wogt die wilde See,
    Da weh'n die Winde kühl;
    Du bettest mich, o milde Fee,
    In blumiges Gewühl!
    Da draußen ist das Leben hohl
    Und leer und blütenarm,
    Bei dir so traulich freudevoll,
    So reich und liebewarm!

    D'rum denk' ich nicht von fern daran,
    Daß ich dich lassen soll;
    In deiner Liebe Zauberbann
    Behagt mir's allzuwohl.
    Es hält sein Glück der Weise fest,
    Und bettet d'rin sich weich,
    Und läßt der Liebe wonnig Nest
    Nicht um ein Königreich!

    Robert Hamerling (1830-1889)



    Re: Gedichte

    Jonas - 17.02.2007, 13:24


    Heinrich Heine

    Da hab ich viel blasse Leichen
    Beschworen mit Wortesmacht;
    Die wollen nun nicht mehr weichen
    Zurück in die alte Nacht.

    Das zähmende Sprüchlein vom Meister
    Vergaß ich vor Schauer und Graus;
    Nun ziehn die eignen Geister
    Mich selber ins neblichte Haus.

    Laßt ab, ihr finstern Dämonen!
    Laßt ab, und drängt mich nicht!
    Noch manche Freude mag wohnen
    Hier oben im Rosenlicht.

    Ich muß ja immer streben
    Nach der Blume wunderhold;
    Was bedeutet' mein ganzes Leben,
    Wenn ich sie nicht lieben sollt?

    Ich möcht sie nur einmal umfangen
    Und pressen ans glühende Herz!
    Nur einmal auf Lippen und Wangen
    Küssen den seligsten Schmerz!

    Nur einmal aus ihrem Munde
    Möcht ich hören ein liebendes Wort -
    Alsdann wollt ich folgen zur Stunde Euch,
    Geister, zum finsteren Ort.

    Die Geister haben's vernommen,
    Und nicken schauerlich.
    Feins Liebchen, nun bin ich gekommen;
    Feins Liebchen, liebst du mich?



    Re: Gedichte

    witty - 20.02.2007, 23:27


    Ich bringe heute mal ein Gedicht von einem von mir persönlich sehr verehrten türkischen Dichter.

    Die Sache mit Tahir und Zühre

    Es ist keine Schande, Tahir zu sein oder Zühre,
    Es ist nicht einmal eine Schande, aus Liebe zu sterben,
    Das Wichtigste ist, Tahir und Zühre sein zu können,
    und zwar von Herzen.

    Kann es eine Schande sein zu sterben?
    zum Beispiel wenn man vor den Barrikaden kämpft,
    zum Beispiel, wenn man aufbricht den Nordpol zu erkunden?
    zum Beispiel, wenn man in seinen Andern ein Serum ausprobiert?

    Es ist keine Schande weder Tahir zu sein noch Zühre,
    Es ist nicht einmal eine Schande aus Liebe zu sterben.

    Du liebst die Welt ohne Vorbehalt,
    doch merkt sie es nicht,
    du willst dich nicht trennen von dieser Welt,
    doch sie wird sich trennen von dir,

    also nur weil du den Apfel magst,
    muss der Apfel dich nicht auch mögen,
    was würde Tahir von seiner Eigenschaft als Tahir einbüssen,
    wenn Zühre sagen wir, Tahir nicht mehr liebt
    oder nie geliebt hätte?
    Es ist keine Schande weder Tahir zu sein noch Zühre,
    Es ist nicht einmal eine Schande, aus Liebe zu sterben.

    Nazim Hikmet



    Re: Gedichte

    Jonas - 23.02.2007, 08:16


    Eduard Mörike - Frühling

    Frühling läßt sein blaues Band
    Wieder flattern durch die Lüfte
    Süße, wohlbekannte Düfte
    Streifen ahnungsvoll das Land
    Veilchen träumen schon,
    Wollen balde kommen
    Horch, von fern ein leiser Harfenton!
    Frühling, ja du bist's!
    Dich hab ich vernommen!



    Re: Gedichte

    lennox - 02.03.2007, 16:23

    die internationale
    [udDie internationale[/u] (deutscher text von emil luckhardt, 1910)

    wacht auf, verdammte dieser erde,
    die stets man noch zum hungern zwingt!
    das recht wie glut im kraterherde
    nun mit macht zum durchbruch dringt.
    reinen tisch macht mit den bedrängern!
    heer der sklaven, wache auf!
    Ein nichts zu sein, tragt es nicht länger
    alles zu werden, strömt zuhauf!

    |: völker, hört die signale!
    auf zum letzten gefecht!
    die internationale
    erkämpft das menschenrecht.

    es rettet uns kein höh'res wesen,
    kein gott, kein kaiser, noch tribun
    Uns aus dem elend zu erlösen
    können wir nur selber tun!
    leeres wort: des armen rechte,
    leeres wort: des reichen pflicht!
    unmündig nennt man uns und knechte,
    duldet die schmach nun länger nicht!

    |: völker, hört die signale!
    auf zum letzten gefecht!
    die internationale
    erkämpft das menschenrecht.

    In stadt und land, ihr arbeitsleute,
    wir sind die stärkste der partei'n
    die müßiggänger schiebt beiseite!
    diese welt muss unser sein;
    unser blut sei nicht mehr der raben,
    nicht der nächt'gen geier fraß!
    erst wenn wir sie vertrieben haben
    dann scheint die Sonn' ohn' unterlass!

    |: völker, hört die signale!
    auf zum letzten gefecht!
    die internationale
    erkämpft das menschenrecht.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 04.03.2007, 17:39


    das land
    wo milch und honig
    fließen
    ist keine
    geographische
    bestimmung
    sondern
    ein zustand
    der seele

    ------------------------------

    das weiche
    grüne
    fallen
    mit dir -
    wie ein fallen
    aus der einen
    hand gottes
    in seine
    andere

    © i.s. blumen1



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 11.03.2007, 19:37


    Louize Labe (1525-1566)

    Küss mich noch einmal, küß mich wieder, küsse
    mich ohne Ende. Diesen will ich schmecken,
    in dem will ich an deiner Glut erschrecken,
    und vier für einen will ich, Überflüsse

    will ich dir wiedergeben. Warte, zehn
    noch glühendere; bist du nun zufrieden?
    O daß wir also, kaum mehr unterschieden,
    glückströmend ineinander übergehn.

    In jedem wird das Leben doppelt sein.
    Im Freunde und in sich ist einem jeden
    jetzt Raum bereitet. Laß mich Unsinn reden:

    Ich halt mich ja so mühsam in mir ein
    und lebe nur und komme nur zu Freude,
    wenn ich, aus mir ausbrechend, mich vergeude.

    wub



    Re: Gedichte

    Seelchen - 13.03.2007, 15:40


    Flecke

    Gott, voller Weisheit, hehr und mild
    schuf uns nach seinem Ebenbild
    Gewiß, wir Menschen sind gescheit,
    doch wo ist unsre Menschlichkeit?
    Erscheint uns jemand edel, groß,
    so täuscht das: er verstellt sich bloß!
    Erst wenn er Böses tut und spricht,
    zeigt er sein wahres Angesicht!-

    Um obiges nun zu beweisen,
    laßt alphabetisch uns verreisen,
    dann kann man sehn, was so geschah!
    Wir fangen vorne an, bei A !!!

    A (Amerika)

    Amerika, du Land der Super-
    lative und dort, wo James Cooper
    zwar seinen "Lederstrumpf" verfaßte,
    man aber die Indianer haßte,
    weshalb man sie, halb ausgerottet,
    in Reservaten eingemottet,
    sich dafür aber Schwarze kaufte,
    sie schlug und zur Belohnung taufte,
    doch heute meidet wie die Pest,
    sie aber für sich sterben läßt-
    wie beispielgebend stehst du da
    für Menschlichkeit! O USA!

    B (Briten)

    Jedoch auch sie, die vielen Briten,
    die Schott- und Engländer, sie bieten
    für unser Thema Menschlichkeit
    so manchen Stoff seit alter Zeit!
    Nur waren's statt Indianer Inder,
    die sie ermordeten, auch Kinder;
    und ähnlich Schreckliches erfuhren
    danach die Iren und die Buren,
    die man durch den Entzug des Fetts
    verschmachten ließ in den Kazetts!
    Jedoch bei Völkern, welche siegen,
    wird sowas immer totgeschwiegen...

    C (Christen)

    Dann wäre da, bar jeden Ruhms,
    so manche Tat des Christentums,
    die, eben wegen seiner Lehre,
    am besten unterblieben wäre!
    Man denke da zum Beispiel an
    Inquisition zuerst und dann
    an Waffensegnung mit Gebeten,
    um andre Gläubige zu töten!
    Auch dieses: lieber Menschenmassen
    verelenden und hungern lassen,
    statt man Geburtenreglung übe-
    auch das zeugt nicht von Menschenliebe!

    D (Deutschland)

    Nun: Wollt ihr, daß im Alphabet
    es mit dem D jetzt weitergeht?
    Ist es nicht besser, wenn ich ende?
    Wascht nur in Unschuld eure Hände
    und greift, kraft eigenen Ermessens,
    zum güt'gen Handtuch des Vergessens...

    Doch hilft das Waschen nicht und Reiben:
    Die Flecke bleiben!

    Heinz Erhardt ;)



    Re: Gedichte

    Jonas - 15.03.2007, 12:14


    Rainer Maria Rilke - die Liebende

    Ja ich sehne mich nach dir. Ich gleite
    mich verlierend selbst mir aus der Hand,
    ohne Hoffnung, dass ich Das bestreite,
    was zu mir kommt wie aus deiner Seite
    ernst und unbeirrt und unverwandt.

    ... jene Zeiten: O wie war ich Eines,
    nichts was rief und nichts was mich verriet;
    meine Stille war wie eines Steines,
    über den der Bach sein Murmeln zieht.

    Aber jetzt in diesen Frühlingswochen
    hat mich etwas langsam abgebrochen
    von dem unbewussten dunkeln Jahr.
    Etwas hat mein armes warmes Leben
    irgendeinem in die Hand gegeben,
    der nicht weiß was ich noch gestern war.



    Re: Gedichte

    Spargel - 17.03.2007, 12:12


    Der Zauberlehrling (Johann Wolfgang Goethe)

    Hat der alte Hexenmeister
    Sich doch einmal wegbegeben!
    Und nun sollen seine Geister
    Auch nach meinem Willen leben.
    Seine Wort und Werke
    Merkt ich und den Brauch,
    Und mit Geistesstärke
    Tu ich Wunder auch.

    Walle! walle
    Manche Strecke,
    Daß, zum Zwecke,
    Wasser fließe
    Und mit reichem, vollem Schwalle
    Zu dem Bade sich ergieße.

    Und nun komm, du alter Besen,
    Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
    Bist schon lange Knecht gewesen:
    Nun erfülle meinen Willen!
    Auf zwei Beinen stehe,
    Oben sei ein Kopf,
    Eile nun und gehe
    Mit dem Wassertopf!

    Walle! walle
    Manche Strecke,
    Daß, zum Zwecke,
    Wasser fließe
    Und mit reichem, vollem Schwalle
    Zu dem Bade sich ergieße.

    Seht, er läuft zum Ufer nieder!
    Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
    Und mit Blitzesschnelle wieder
    Ist er hier mit raschem Gusse.
    Schon zum zweiten Male!
    Wie das Becken schwillt!
    Wie sich jede Schale
    Voll mit Wasser füllt!

    Stehe! stehe!
    Denn wir haben
    Deiner Gaben
    Vollgemessen! -
    Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
    Hab ich doch das Wort vergessen!

    Ach, das Wort, worauf am Ende
    Er das wird, was er gewesen!
    Ach, er läuft und bringt behende!
    Wärst du doch der alte Besen!
    Immer neue Güsse
    Bringt er schnell herein,
    Ach, und hundert Flüsse
    Stürzen auf mich ein!

    Nein, nicht länger
    Kann ichs lassen:
    Will ihn fassen!
    Das ist Tücke!
    Ach, nun wird mir immer bänger!
    Welche Miene! welche Blicke!

    O, du Ausgeburt der Hölle!
    Soll das ganze Haus ersaufen?
    Seh ich über jede Schwelle
    Doch schon Wasserströme laufen.
    Ein verruchter Besen,
    Der nicht hören will!
    Stock, der du gewesen,
    Steh doch wieder still!

    Willst am Ende
    Gar nicht lassen?
    Will dich fassen,
    Will dich halten
    Und das alte Holz behende
    Mit dem scharfen Beile spalten!

    Seht, da kommt er schleppend wieder!
    Wie ich mich nur auf dich werfe,
    Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
    Krachend trifft die glatte Schärfe.
    Wahrlich! brav getroffen!
    Seht, er ist entzwei!
    Und nun kann ich hoffen,
    Und ich atme frei!

    Wehe! wehe!
    Beide Teile
    Stehn in Eile
    Schon als Knechte
    Völlig fertig in die Höhe!
    Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

    Und sie laufen! Naß und nässer
    Wirds im Saal und auf den Stufen:
    Welch entsetzliches Gewässer!
    Herr und Meister, hör mich rufen! -
    Ach, da kommt der Meister!
    Herr, die Not ist groß!
    Die ich rief, die Geister,
    Werd ich nun nicht los.

    "In die Ecke,
    Besen! Besen!
    Seids gewesen!
    Denn als Geister
    Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
    Erst hervor der alte Meister."



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 20.03.2007, 15:33


    Manfred Ach

    Hautnah

    Wenn du nahe bist,
    Augenweide, Gluthauch,

    wenn dein pochendes Blut
    meine Ohren öffnet,

    wenn meine Fieberhaut
    dich anrühren kann

    und dein Atem
    meine Hände führt,

    wenn die Worte versagen
    - und beinahe das Herz -,

    geb ich gerne alles dran.
    Wie Schnee, der schmilzt.



    Re: Gedichte

    Seelchen - 20.03.2007, 17:36


    Was ist Liebe?

    Es ist Unsinn,
    sagt die Vernunft

    Es ist was es ist,
    sagt die Liebe.

    Es ist Unglück,
    sagt die Berechnung.
    Es ist nichts als Schmerz,
    sagt die Angst.
    Es ist aussichtslos,
    sagt die Einsicht.

    Es ist was es ist,
    sagt die Liebe.

    Es ist lächerlich,
    sagt der Stolz.
    Es ist Leichtsinn,
    sagt die Vorsicht.
    Es ist unmöglich,
    sagt die Erfahrung.

    Es ist was es ist,
    sagt die Liebe.

    Erich Fried



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 20.03.2007, 17:38


    ah... Seelchen, dass passt wie die Faust auf's Auge in den "Liebe-Strang". :twisted:



    Re: Gedichte

    Seelchen - 20.03.2007, 17:41


    Hausdrache hat folgendes geschrieben: ah... Seelchen, dass passt wie die Faust auf's Auge in den "Liebe-Strang". :twisted:

    Hab der Einfachheit halber, verlinkt. ;)



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 21.03.2007, 14:16


    Gioconda Belli (* 1948)

    Schokoladenlust

    Ein dunkles Schokoladenviereck
    übt auf die Zähne
    den gleichen sinnlichen Reiz aus
    wie Matsch auf die mutwilligen
    Füße der Kindheit.

    Auf der Zunge lockt die dichte,
    dunkle Masse
    Speichel aus roten Gräben.
    Die Schokolade löst sich süß
    in zähen Schlamm
    liebkost man bedächtig
    die Kanten
    des Täfelchens, bis es
    Aromen, Erinnerungen und Blumen
    den entspannten Papillen preisgibt.

    Schokoladenströme
    fließen über Zahnfleisch,
    dringen in Zwischenräume,
    Und die Lust - die wir als flüchtig kennen -
    dreht, im Mund gefangen, ihre Runden.
    Jetzt, da ich dich nicht habe,
    verzehre ich Schokolade
    um mich, ganz legitim
    und ohne Schuld,
    dem Eros hinzugeben.

    Schokolade essend denk ich
    Biss um Biss
    an deine Haut
    denke an deine Beine
    deine Füße
    denke an die
    Leckerbissen
    des Lebens.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 24.03.2007, 13:21


    William Shakespeare (1564-1616)

    Sonett 52 smatch1

    Dem reichen Manne gleich’ ich, der im stillen
    den Schlüssel führt zu den geheimen Schätzen,
    die er dem eignen Blick nicht will enthüllen,
    daß nicht Gewöhnung stumpfe das Ergötzen.

    Darum sind seltne Feste so begehrt,
    die glänzend doch das ganze Jahr bescheinen,
    wie durch Juwelen von besondrem Wert
    gemehrt der Glanz wird an den andren Steinen.

    So wahre ich dich in dem Schrein der Zeit,
    wie Festgewand dich sorgsam zu verschließen,
    um, wenn es Zeit ist, deine Herrlichkeit
    in der Enthüllung gänzlich zu genießen.

    Gesegnet bist du, der die Lust mir weckt,
    wenn offen du – mein Hoffen, wenn verdeckt.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 26.03.2007, 14:57


    Leuchtende und schöne Augen herz1

    Leuchtende und schöne Augen,
    wie kommt es, daß im selben Augenblick
    aus euch so viele neue Formen sich gebären?

    Traurig, froh, demütig, stolz, hochmütig
    zeigt ihr euch im selben Augenblick,
    so daß ihr mich zugleich mit Furcht und Hoffnung füllt.

    Und so viele süße, wilde, bittere
    Effekte kommen dann im Herzen, das für euch
    verbrannt, wann immer ihr es wollt, zusammen.

    Ihr, o Augen, seid mein Leben, seid mein Tod,
    ihr glücklichen und sanften, lieben Augen,
    drum mögt ihr immer heiter bleiben, froh und hell.

    Veronica Gambara (1485-1559)



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 26.03.2007, 22:25


    Clara Müller (1861-1905)

    Vorbei

    Und wenn du wieder zu mir trätest
    und weinend um Verzeihung bätest,
    es wird doch nimmer, wie es war:
    das Glück ist tot, das wir genossen,
    die Blüte, die sich uns erschlossen,
    ist nun verwelkt, für immerdar.

    Mir würde stets vor Augen stehen,
    wie ich so maßlos dich gesehen
    im Zorn, dem jeder Grund gebrach -
    und bei dem Kuß von deinem Munde
    gedächt ich doch der bösen Stunde,
    als er so bittre Worte sprach.

    In jener Stunde sank für immer
    der fromme Glaube mir in Trümmer,
    daß du mein Bild im Herzen trugst,
    daß ich dein tiefstes Sein besessen - - -
    vergeben kann ich - nicht vergessen:
    die Wunde brennt, die du mir schlugst.

    Nein, geh: ich hab es überwunden,
    den Frieden hab ich jetzt gefunden,
    den deine Liebe mir nicht gab.
    Geh hin, vor deinen Gott zu treten -
    und wenn ich sterbe, magst du beten
    und weinen über meinem Grab.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 27.03.2007, 15:28


    Max Dauthendey (1867-1918)

    Von dir lachen noch meine Träume

    Dein Leib ist reich gewirkt
    wie ein Feld voll Honig
    und königlicher Blumen
    Und kommt weich und heimlich
    wie der Mond in mein Bett.

    Von dir lachen noch meine Träume
    und bewachen dich.
    Und wie die Hähne kämpfen
    mit erhitztem Sporn,
    So töt' ich den,
    der dich im Traum begehrt.



    Re: Gedichte

    Spargel - 28.03.2007, 12:16


    Die Bücherverbrennung (Bertolt Brecht)

    Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen
    Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben
    Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern
    Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
    Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
    Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine
    Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
    Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
    Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt
    mich!
    Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht
    Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
    Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch,
    Verbrennt mich!



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 02.04.2007, 13:52


    Manfred Ach

    BUCHSTÄBLICH

    Mein Tagebuch,
    mein Nachtbuch.

    Ich streichle deinen Rücken,
    bemale dein Schulterblatt.

    Ich öffne dich
    mit hastigen Fingern.

    Ich blättere in dir
    bis zu der Stelle
    der letzten Eintragung.

    Ich liefere mich aus.
    Mag kommen, was kommt.



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 04.04.2007, 00:42


    Max Dauthendey (1867-1918)

    Nie war die eine Liebesnacht
    in deinem Schoß
    der andern gleich

    Nie war die eine Liebesnacht
    In deinem Schoß der andern gleich,
    Dein Leib ist ein Septembermond
    An immer neuen Früchten reich.

    Die Brüste sind ein Traubenpaar,
    Und drinnen pocht der junge Wein,
    Die Augen sind ein Himmelstor
    Und lassen meine Wünsche ein.



    Re: Gedichte

    lennox - 04.04.2007, 14:02


    bertold brecht/entdeckung an einer jungen frau

    des morgens nüchterner abschied, eine frau
    kühl zwischen tür und angel, kühl besehn
    da sah ich: eine strähn in ihrem haar war grau
    ich konnt mich nicht entschließen mehr zu gehn

    stumm nahm ich ihre brust, und als sie fragte
    warum ich, nachtgast, nach verlauf der nacht
    nicht gehen wolle, denn so war's gedacht
    sah ich sie unumwunden an und sagte

    ist's nur noch eine nacht, will ich noch bleiben
    doch nütze deine zeit, das ist das schlimme
    daß du so zwischen tür und angel stehst

    und laß uns die gespräche rascher treiben
    denn wir vergaßen ganz, daß du vergehst
    und es verschlug begierde mir die stimme



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 04.04.2007, 14:15


    Ach, der gute Brecht. Hier mein Lieblings-Gedich von ihm:

    Morgens und abends zu lesen wub

    Der, den ich liebe
    Hat mir gesagt
    Daß er mich braucht.

    Darum gebe ich auf mich acht
    Sehe auf meinen Weg und
    Fürchte von jedem Regentropfen
    Daß er mich erschlagen könnte.



    Re: Gedichte

    Seelchen - 05.04.2007, 16:57


    Osterspaziergang

    Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
    Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
    Im Tale grünet Hoffnungsglück;
    Der alte Winter, in seiner Schwäche,
    Zog sich in rauhe Berge zurück.
    Von dorten sendet er, fliehend, nur
    Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
    In Streifen über die grünende Flur;
    Aber die Sonne duldet kein Weißes,
    Überall regt sich Bildung und Streben,
    Alles will sie mit Farben beleben;
    Doch an Blumen fehlt's im Revier,
    Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
    Kehre dich um, von diesen Höhen
    Nach der Stadt zurückzusehen.
    Aus dem hohlen, finstern Tor
    Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
    Jeder sonnt sich heute so gern.
    Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
    Denn sie sind selber auferstanden;
    Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
    Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
    Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
    Aus der Straßen quetschender Enge,
    Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
    Sind sie alle ans Licht gebracht.
    Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
    Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
    Wie der Fluß in Breit' und Länge
    So manchen lustigen Nachen bewegt,
    Und bis zum Sinken überladen
    Entfernt sich dieser letzte Kahn.
    Selbst von des Berges fernen Pfaden
    Blinken uns farbige Kleider an.
    Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
    Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
    Zufrieden jauchzet groß und klein:
    Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein."

    Johann Wolfgang von Goethe



    Re: Gedichte

    carabao - 05.04.2007, 17:52


    Ich habe diesen Thread gerade erst entdeckt. Hochachtung Leute.
    Hausdrache hat folgendes geschrieben: Ach, der gute Brecht.
    Dann auch mal aus der Geburtsstadt des Grosssen BB etwas von ihm:

    In den finsteren Zeiten
    Wird da auch gesungen werden?
    Da wird auch gesungen werden.
    Von den finsteren Zeiten.

    Sie sprechen wieder von den grossen Zeiten
    (Anna weine nicht)
    Der Kraemer wird uns ankreiden.

    Sie sprechen wieder von Ehre
    (Anna weine nicht)
    Da ist nichts im Schrank, was zu holen waere.

    Sie sprechen wieder von Siegen
    (Anna weine nicht)
    Sie werden mich schon nicht kriegen.

    Es ziehen die Heere
    (Anna weine nicht)
    Wenn ich wiederkehre
    Kehr ich unter andern Fahnen wieder.



    Re: Gedichte

    Seelchen - 05.04.2007, 18:13


    Das Einzige, was ich von Brecht wirklich mag...am besten noch von Louis Armstrong, leider nur in englisch, gesungen :oops:

    Die Moritat von Mackie Messer

    Und der Haifisch, der hat Zähne
    Und die trägt er im Gesicht
    Und Macheath, der hat ein Messer
    Doch das Messer sieht man nicht.

    Und es sind des Haifischs Flossen
    Rot, wenn dieser Blut vergiesst
    Mackie Messer trägt'nen Handschuh
    Drauf man keine Untat liest.

    An der Themse grünem Wasser
    Fallen plötzlich Leute um
    Es ist weder Pest noch Cholera
    Doch es heisst: Mackie geht um.

    An'nem schönen blauen Sonntag
    Liegt ein toter Mann am Strand
    Und ein Mensch geht um die Ecke
    Den man Mackie Messer nennt.

    Und Schmul Meier bleibt verschwunden
    Und so mancher reiche Mann
    Und sein Geld hat Mackie Messer
    Dem man nichts beweisen kann.

    Jenny Towler ward gefunden
    Mit'nem Messer in der Brust
    Und am Kai geht Mackie Messer
    Der von allem nichts gewusst.

    Wo ist Alfons gleich, der Fuhrherr?
    Kommt das je ans Sonnenlicht?
    Wer es immer wissen könnte
    Mackie Messer weiss es nicht.

    Und das grosse Feuer in Soho
    Sieben Kinder und ein Greis
    In der Menge Mackie Messer, den
    Man nicht fragt, und der nichts weiss.

    Und die minderjähr'ge Witwe
    Deren Namen jeder weiss
    Wachte auf und war geschändet
    Mackie welches war dein Preis?

    Berthold Brecht



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 06.04.2007, 12:18


    Klaus Ender

    Lust... :D

    Die nackte Haut – sie zeigt Erregung,
    Erotik ist der Grund
    und in die Seele kommt Bewegung,
    die Sehnsucht tut sich kund.

    Es knistert in den Haaren,
    der Atem geht ganz schwer,
    denn das, was wir erfahren,
    das brandet wie das Meer.

    Die Wellen der Gefühle,
    sie treffen dich und mich,
    trotz Nacktheit spürt man Schwüle,
    man ist ganz außer sich.

    Der Sinn des sich Begehrens
    liegt ganz real geseh’n,
    im Nachwuchs-sich-Bescherens
    als Weltenlauf-Geschehn.



    Re: Gedichte

    Mutlu - 06.04.2007, 18:01


    Sei wie ein Fluss (im Überfluss) bei tätiger Freigiebigkeit und Hilfe
    Sei wie die Sonne in (im Verbreiten von) Erbarmen und Güte
    Sei wie die Nacht im Verdecken der Fehler von anderen.
    Sei wie ein Toter hinsichtlich Fanatismus und Harschem.
    Sei wie der Erdboden in Bescheidenheit und Genügsamkeit.
    Sei wie das Meer in Geduldsamkeit.
    Zeig dich entweder so, wie du bist oder sei so, wie du dich zeigst.

    Dschalaleddin Rumi



    Re: Gedichte

    carabao - 06.04.2007, 18:16


    Seelchen hat folgendes geschrieben: Das Einzige, was ich von Brecht wirklich mag...am besten noch von Louis Armstrong, leider nur in englisch, gesungen :oops:
    Schade, Brecht hat sehr viel geschrieben. Ich mag am liebsten die Geschichten vom Herrn Keuner.

    Hier aber nochmal etwas IMHO passendes zum Forum:

    Friedenslied

    Friede auf unserer Erde!
    Friede auf unserem Feld!
    Dass es auch immer gehoere
    Dem, der es gut bestellt!

    Friede in unserem Lande!
    Friede in unserer Stadt.
    Dass sie den gut behause
    Der sie gebauet hat!

    Friede in unserem Hause!
    Friede im Haus nebenan!
    Friede dem friedlichen Nachbarn
    Dass jedes gedeihen kann!

    Friede dem Roten Platze!
    Und dem Lincolnmonument!
    Und dem Brandenburger Tore
    Und der Fahne, die drauf brennt!

    Friede den Kindern Koreas!
    Und den Kumpeln an Neisse und Ruhr!
    Friede den New Yorker Schoffoeren
    Und den Kulis von Singapur!

    Friede den deutschen Bauern!
    Und den Bauern am Grossen Banat!
    Friede den guten Gelehrten
    Eurer Stadt Leningrad!

    Friede der Frau und dem Manne!
    Friede dem Greis und dem Kind!
    Friede der See und dem Lande
    Dass sie uns guenstig sind!

    Bert Brecht



    Re: Gedichte

    Torsten - 07.04.2007, 19:56

    Uns're Kanzlerin
    Uns're Kanzlerin
    (Melodie wie "Eine Seefahrt, die ist lustig")

    Uns're Kanzlerin ist lustig,
    uns're Kanzlerin ist schön,
    ja man kann sie in der Nähe
    und der Ferne kanzlern seh'n

    Holahi, holaho, holahiahiahia, holaho!

    Na, was kanzlert denn die Gute,
    für wen kanzlert die denn so?
    Für das Volk gibt es die Knute,
    Aktionäre werden froh.

    Holahi, holaho, holahiahiahia, holaho!

    Kanzlert Reichtum für die Reichen,
    Elend für's "Prekariat".
    Geht dafür auch über Brücken
    im "sozialen" Bundesstaat.

    Holahi, holaho, holahiahiahia, holaho!

    Kanzlert Sicherheit und hindert
    die Bedrohungen gar sehr
    durch Wanzen, Spitzel und im Innern,
    wenn's rumort, die Bundeswehr.

    Holahi, holaho, holahiahiahia, holaho!

    Und sie kanzlert auch sehr mächtig
    alle Terroristen ab.
    Mit dem Bush bringt sie so prächtig
    Krieg und Rüstung rasch auf Trab.

    Holahi, holaho, holahiahiahia, holaho!

    Doch auch sie kanzlert nicht ewig,
    einmal hat das Volk sie satt.
    Firmen wie Gasprom sorgen gnädig,
    daß sie was zu beißen hat.

    Holahi, holaho, holahiahiahia, holaho!



    Re: Gedichte

    stranger one - 07.04.2007, 20:55


    FRAGEN EINES LESENDEN ARBEITERS

    Wer baute das siebentorige Theben?
    In den Büchern stehen die Namen von Königen.
    Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
    Und das mehrmals zerstörte Babylon,
    Wer baute es so viele Male auf ? In welchen Häusern
    Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
    Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war,
    Die Maurer? Das große Rom
    Ist voll von Triumphbögen. Über wen
    Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
    Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
    Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang,
    Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
    Der junge Alexander eroberte Indien.
    Er allein?
    Cäsar schlug die Gallier.
    Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
    Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
    Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
    Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
    Siegte außer ihm?
    Jede Seite ein Sieg.
    Wer kochte den Siegesschmaus?
    Alle zehn Jahre ein großer Mann.
    Wer bezahlte die Spesen?

    So viele Berichte,
    So viele Fragen.

    Bertolt Brecht



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 08.04.2007, 00:19


    Erich Fried (1921-1988)

    In einem anderen Land

    Ich kann vielleicht
    deine Brüste nachbilden
    aus meinem Kissen
    für meine Zunge
    für meine Lippen
    und für meine Hände
    damit sie besser
    denken können an dich

    Ich kann vielleicht
    deinen Schoß nachbilden
    aus meinem Kissen
    für mein Geschlecht
    für meinen Mund
    und für mein ganzes Gesicht
    damit es sich besser
    vergraben kann in seine Sehnsucht

    Aber deine Augen
    kann ich
    aus nichts nachbilden
    auch deine Stimme nicht
    nicht deinen Atem
    nicht deinen Geruch
    und keine einzige
    von deinen Bewegungen

    Und meine Hände
    meine Lippen
    meine Zähne
    und meine Zunge
    und auch mein Geschlecht -
    das alles
    will nur dich
    und keinen Ersatz für dich

    Und auch deine Brüste
    kann ich nicht wirklich nachbilden
    und auch nicht deinen Schoß
    und wenn ich es versuche
    werde ich immer
    nur traurig
    und du
    fehlst mir noch mehr



    Re: Gedichte

    Seelchen - 08.04.2007, 13:37


    Die Beschwörung

    Der junge Franziskaner sitzt
    Einsam in der Klosterzelle,
    Er liest im alten Zauberbuch,
    Genannt der Zwang der Hölle.

    Und als die Mitternachtstunde schlug,
    Da konnt er nicht länger sich halten,
    Mit bleichen Lippen ruft er an
    Die Unterweltsgewalten.

    Ihr Geister! holt mir aus dem Grab
    Die Leiche der schönsten Frauen,
    Belebt sie mir für diese Nacht,
    Ich will mich dran erbauen.

    Er spricht das grause Beschwörungswort,
    Da wird sein Wunsch erfüllet,
    Die arme verstorbene Schönheit kommt,
    In weißen Laken gehüllet.

    Ihr Blick ist traurig. Aus kalter Brust
    Die schmerzlichen Seufzer steigen.
    Die Tote setzt sich zu dem Mönch,
    Sie schauen sich an und schweigen.

    Heinrich Heine



    Re: Gedichte

    Hausdrache - 09.04.2007, 21:44


    Manfred Ach

    Tastatur

    Dich berühren,
    dir etwas entlocken,

    eine Offenbarung
    durch Fingerspitzen,

    ein Anschlag
    aufs Leben,

    eine Erweckung
    vom Tod.



    Re: Gedichte

    witty - 12.04.2007, 16:11


    wenn die ersten sonnenstrahlen mein gesicht streicheln
    die düfte des meeres meine nase umschmeicheln
    wenn der tau schmilzt von all den pflanzen
    die schmetterlinge ihren reigen tanzen
    die vögel mit ihrem gesang berauschen
    die blumen den wunderbaren tönen lauschen
    dann ist die zeit gekommen
    in der meiner seele flügel wachsen
    um schnell zu dir zu fliegen
    um den zauber des augenblicks zu geniessen
    und mich in deinen armen zu wiegen
    bis in alle ewigkeit…

    Ein Gedicht von mir, dass mir heute früh eingefallen ist :D



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