Idomeneo/Berliner Oper

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    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    chero - 26.09.2006, 19:31

    Idomeneo/Berliner Oper
    Hallo,

    wie steht ihr denn zu der Entscheidung, daß die Oper "Idomeneo" in Berlin aus aktuellem Anlass abgesagt wurde?

    Ist es Eurer Meinung nach total überzogen diese Vorsichtsmaßnahmen durchzuführen, sollte man nicht sowieso mal mehr bei den Inszenierungen darauf achten, ob man irgendwelche Menschen damit verletzt und nicht erst wenn es brandaktuell ist?

    Wie seht ihr das?


    Viele Grüße
    Chero



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 26.09.2006, 20:57


    Kann mich exilierte, fernsehlose Ignorantin mal jemand aufklären, worum es geht????
    Habe nichts gehört oder gelesen..... :?: :oops:
    Canti :hearts:



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    chero - 26.09.2006, 21:43


    Hallo Canti,

    habe dir nun einfach mal einen Beitrag aus einer x-beliebigen Zeitung hier aus dem Internet verlinkt. Ich hoffe es klappt :oops:

    http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=5fd54477b1f556000ec7a881468207f3&em_cnt=977278

    Wie gesagt, das ist nur ein Beispiel von wohl einigen. Nur damit du etwas Hintergrundwissen hast, was ich meine


    Viele Grüße
    Chero



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    rugero - 26.09.2006, 21:54


    Hallo chero,
    ich sehe es auch so wie du, man sollte sicher die Inszenierungen daraufhin mal überprüfen, was sie für Reaktionen hervorrufen könnten.
    Problematisch ist aber, sich hier in ein Korsett zu zwängen und auf alle Verletzlichkeiten achten zu wollen. Dann können wir das Theater, den freien Gedankenaustausch, die Rede vergessen. Du siehst ja, auch hier im kleinen Forum gibt es schon Verletzlichkeiten und der Begriff "fremd" wird direkt negativ besetzt. Einem Kind ist vieles fremd, aber es erobert sich seine Welt und dadurch wird das Fremde begreifbar und wird zum Teil des Neuen.

    Liebe Grüße rugero



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    dola - 26.09.2006, 22:50


    Da ich selbst mal einen sehr harten und strapaziösen Kampf um die Ausübung meiner Meinungsfreiheit durzustehen hatte, reagiere ich "allergisch" auf derlei Scheren im Kopf.

    M.E ist es bedenklich, dass die Ängste, die hinter der Entscheidung stehen, bereits so um sich greifen. Das Recht auf Freiheit der Meinung und Kunst gehört zu den zivilisatorischen Errungenschaften, für die Generationen von Mitmenschen weltweit oft ihr Leben gelassen haben. Es kann m. E. nicht sein, dass fanatisierte Hohlköpfe und Verblendete mit Gewaltbereitschaft mit dem Ziel, sog. "Gottesstaaten" - und damit meine ich nicht nur eine Couleur - Einfluss auf das nehmen, was in unserer Gesellschaft an Freiheiten erreicht ist.

    So wie ich das mitbekommen habe, geht es nicht um Geschmacksfragen, über die man vortrefflich streiten und debattieren und sich auch aufregen kann und auch nicht darum, dass gläubige Christen oder Moslems vielleicht einen Bogen um das Stück machen wollen (was unbenommen bleibt) oder vielleicht auch artikulieren, dass es ihnen missfällt, sondern schlichtweg um Angst vor der Ausübung eines Grundrechts, weil vielleicht Terror droht.

    Dem Vorschub zu leisten erachte ich als bedenklich.
    grüße,
    dola



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Steven Grlscz - 26.09.2006, 23:22


    Uneingeschränkte Zustimmung, liebe Dola!

    Grundsätzlich (und in zugegebenermaßen unangemessener Kürze) finde ich es entsetzlich, dass wir zunehmend dazu neigen, eigene Errungenschaften in nachgerade vorauseilendem Gehorsam schnellstmöglich über Bord zu werfen. Das Getöse um die Mohammed-Karikaturen gellt mir noch unangenehm aufdringlich in den Ohren - beinahe noch unangenehmer aber war mir die pervertierte political correctness, mit der auf die (ohnehin zweifellos geschürte) Empörung hierzulande reagiert wurde. Letztlich, so schien es, geriet sogar die Pressefreiheit durch einen Akt idiotischer Selbstzensur hier in Deutschland weitestgehend unter die Räder, weil sich kaum eine Zeitung traute, die ursächlichen Zeichnungen abzudrucken.

    Manche Reaktionen auf Benedicts Regensburger Äußerungen wiederum haben - pervers genug - letztlich nur demonstriert, dass dem Zitat aus dem 15. Jahrhundert (?) offensichtlich heute noch Gültigkeit innewohnt: mit Gewalt, gar Mord wurden die bewussten Einlassungen des Papstes beantwortet...

    Zur Vertiefung empfehle ich Henryk M. Broders "Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken"!



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 04:35


    Manchmal ist es doch wirklich besser, nicht alles mitzubekommen...danke trotzdem für die Aufklärung!
    Ich kann mich Dola und Steven natürlich nur anschliessen :bravo: und zitiere Brecht: "Wahrlich , wir leben in finsteren Zeiten....."
    Neulich habe ich in Italien auf der Piazza der herrlcihen Stadt Ferrara eine überlebensgrosse Statue des christlichen Fanatikers Girolamo Savonarola gesehen. Dieser Mönch und Bussprediger hat in der Hochblüte wunderbarster Kunst im Florenz der Renaissance versucht, die Menschen für ienen Gottesstaat zu mobilisieren und dabei alle Errungenschaften damaliger Kultur als lästerlich und zerstörungswert verdammt. Selbst Künstler wie Botticelli sind sienem Fanatismus erlegen und bevor er schliesslich selbst auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, kam es zur Vernichtung von Kunstwerken, Bücherverbrennungen etc pp.
    Allein beim Anblick dieser Statue mit dem stieren Blick und der menschenveachtenden Gestik hat mich das Grauen befallen und môgen seine Motive noch so hehr gewesen sein!Daran muss ich jetzt eben beim Lesen dieser Posts wieder denken.
    Hier in Frankreich gab es ja auhc sehr heisse Diskussionen um die "anti-moslemischen" Karrikaturen in den Zeitungen. Das Tragen von Kopftüchern in den Schulen ist hier z.B.verboten, weil es als unzulässige religiöse Beeinflussung der Schüler gilt! Da hier sehr viele Muslime leben, ist das Thema immer aktuell.

    Dem Terror sogar schon in vorauseilendem Gehorsam in der Kunst Vorschub leisten, negiert den ureigenen Sinn der Kunst als freien Geistesausdruck.Wer das tut, führt sich selbst ad absurdum. :d_neinnein:
    Allerdings will ich das nicht auf diese spezielle Inszenierung bezogen haben, denn ich kenne sie nicht und kann mir durchaus vorstellen, dass Neuenfels die wunderbare Musik des Idomeneo um der Selbstdarstellung willen in den Hintergrund gedrängt hat und es daher vielleicht nicht allzu schade drum ist... :roll: Das ist aber nur eine blinde Vermutung ohne Tatsachenkenntnis. Am Prinzip ändert das gar ncihts.
    Und Mozart mit seiner Freigeisterei wäre sicher einverstanden gewesen, gegen Fanatismus und (Selbst-) Zensur einzutreten!
    Cantilene :hearts:



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Silje - 27.09.2006, 07:01


    Die Reaktionen der Oper Berlin entsprechen mal wieder dem typischen Duckmäusertum der Deutschen und ich finde es u.a. ein Unding, daß in dem Zusammenhang nur wieder von den zu befürchtenden Reaktionen der Moslems gesprochen wird. Wer denkt evtl. auch mal an verletzte Gefühle der Christen oder Buddhisten. ?
    Abgesehen davon gestehe ich der Kunst viele Freiheiten zu. Sie darf provozieren und sich unbeliebt machen.
    Nun aber wieder den Kopf einzuziehen anstatt sich dem offenen Dialog zu stellen widert mich schon fast an.



    Gruß,

    Silje



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    EmmyNoether - 27.09.2006, 08:09

    Re: Idomeneo/Berliner Oper
    chero hat folgendes geschrieben:
    sollte man nicht sowieso mal mehr bei den Inszenierungen darauf achten, ob man irgendwelche Menschen damit verletzt und nicht erst wenn es brandaktuell ist?

    Wenn Kunst ängstlich darauf bedacht ist, nicht zu verletzen, nicht zu provozieren, nicht zu schockieren, sofort verstanden zu werden, brauchen wir sie nicht mehr.
    Es wäre keine Kunst mehr, sondern Dekoration.

    Ich empfinde die Absage als unrühmliche Selbstzensur und als Sieg des Terrorismus.

    Ob die besagte Inszenierung (unabhängig von der aktuellen Problematik) sinnvoll ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.
    Ich bin kein großer Opernkenner, also korrigiert mich, wenn es nicht stimmt: die "appen" Köpfe der Religionsstifter sind nicht zwingend im Werk angelegt.
    Es drängt sich mir der Verdacht auf, daß sie eher der Selbstinszenierung des Regisseurs dienen...
    Dies wäre wohl ein Grund zur Diskussion, aber nicht zur Absetzung aus aktuellem Anlaß.

    Nun steckt irgendwo in mir auch eine Realpolitikerin, und die sagt:
    was wäre, wenn das Stück gegeben würde, und wenn wirklich etwas passierte? Wenn wir 98 Tote zu beklagen hätten? 20 Kinder dabei?
    Viele hätten es vorher gewußt! Viele würde sich fragen: mußte das sein? Viele würde sich wundern, wie man "in diesen Zeiten so etwas machen kann". Vermutlich würden die Köpfe rollen, die jetzt beschlossen haben, daß es in der Oper keine rollenden Köpfe geben soll.

    Gruß v. Emmy



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 08:28


    VORSICHT - SATIRE:

    Ein Tollstück - mit Volldampf zurück - ins Mittelalter - wo fanatische Eiferer jede Freiheit als Teufelswerk verdammten!

    Schuhe aus! Auf die Knie! Ihr dummen Un-Gläubigen! Freiheit ist das, was erlaubt ist!

    Oder war das mit der Freiheit, vor allem in der Kunst, etwa anders?

    Zensur gehört in die (Papp-)Köpfe!



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 08:51


    Ja sorry, aber dann koennen wir uns doch bald alle zu Hause einsch... und ueberhaupt keinen Fuss mehr vor die Tuere setzen!

    Hier in Grossbritannien hat das ja noch ganz andere Dimensionen, hat man ja letztens bei der Flughafenaktion gesehen. Bei allem Verstaendnis fuer den Sicherheitsgedanken und der Uebersensibilisierung aufgrund 09/11:

    Wenn man mal richtig dahinter gesehen hat, gab es nicht EINEN stichhaltigen Beweis, dass da wirklich was geplant war. Das ganze Gebaeude war auf einer riesigen Vermutung aufgebaut, noch dazu pro-amerikanische Stimmungsmache und damit nur einem politischen Selbstzweck dienend (kommt im Moment auch sehr gelegen, aber das fuehrte hier zu weit). Ich weiss jetzt nicht, wie die Berichterstattung in Deutschland ausgesehen hat, aber hier war es nicht zum Aushalten. Man haette denken koennen, man kann wirklich nicht mehr vor die Tuer gehen ...

    Jetzt moegen auch wieder Leute sagen: "Ja, aber WENN was passiert waere ..." Mir geht das langsam auf die Nerven, genau wie mir dieser permanente Kniefall vor den Moslems auf die Nerven geht. Und ich bin wahrlich weder rassistisch noch religionsfanatisch in irgendeiner Richtung noch sonst irgendwas. Aber mit Verlaub: WAS soll das? In der gesamten westlichen und auch grossen Teilen der oestlichen (damit meine ich jetzt die buddhistischen Laender) Welt wird Angehoerigen der grossen Religionen die Moeglichkeit gegeben, diese auszuueben, und es wird sich peinlich darum bemueht, bloss keine religioesen Gefuehle zu verletzen, und das in letzter Zeit bis ins Groteske (s.o.) Dass es ueberall Idioten gibt, die juedische Friedhoefe schaenden, Moscheen beschmieren oder sonstwie kaputt im Hirn sind, braucht man in dem Zusammenhang nicht zu diskutieren, es geht ums grosse Ganze.
    Geht doch mal in den Iran und sagt, ihr wollt dort eine katholische Kirche bauen, da werdet ihr wahrscheinlich direkt erschossen.
    Ich weiss, das ist jetzt auch schwarzweiss, aber ich denke, Ihr versteht schon, was ich damit sagen will.

    Dieses zauderliche Schwanzeinkneifen wird doch letztlich nur dahin fuehren, dass irgendwann ueber jeden Pups nachgedacht wird und wer sich davon belaestigt fuehlen KOENNTE.

    Wer regt sich sich z.B. darueber auf, wenn auf saemtlichen Fernsehprogrammen und sonstwo permanent Homosexuelle verarscht werden? Das ist lustig und politisch korrekt? Warum wird sowas nicht mal verboten? Da greift der Gedanke der Meinungsfreiheit und der Freiheit der "Kunst" (wobei ich das manchmal zu bezweifeln wage) komischerweise immer.

    In dem Zusammenhang schoenes Beispiel hier aus Glasgow: Christopher Street Day, die oertliche Feuerwehr sollte Flyer verteilen waehrend der Parade. Zwei Feuerwehrmaenner, beides Katholiken, haben sich geweigert, weil es ihre religioesen Gefuehle verletzt hat. Wisst Ihr, was denen passiert ist? Die sind vom Dienst suspendiert worden wegen Widersetzung gegen die Anordnung ihres Vorgesetzten. Wohlgemerkt: Es ging NICHT um wichtige Dinge wie Wahrung der Sicherheit auf der Parade o.ae., sondern um Verteilung von "pro-schwulen" Flyern. Nun mag man sich drueber streiten, ob die Einstellung dieser Maenner hinterwaeldlerisch ist, auch darueber, was ihre Religion in ihrem Job zu suchen hat (dann wiederum: WARUM muss aber die FEUERWEHR Flyer verteilen???). Aber mal ganz ehrlich: Wenn es deren religioese Gefuehle verletzt als Katholiken, kraeht da kein Hahn nach. Waeren es zwei muslimische Feuerwehrmaenner gewesen, haetten die sofort die gesamte islamische Gemeinde hinter sich gehabt, und wahrscheinlich haette man den CSD abgesagt, weil man ja nicht das Risko eingehen will, dass da irgendwo 'ne Bombe explodiert.

    Ich finde das gelinde gesagt zum k***, und dieser vorauseilende Gehorsam muss doch endlich mal aufhoeren! Das ist das alte Prinzip vom kleinen Finger und der ganzen Hand ...

    Sorry, aber mich regt das kolossal auf ...



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 09:29


    Gut gebrüllt LÖWIN ! Du hast meine uneingeschränkte Sympathie!


    Ciao :love: Principe



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Silje - 27.09.2006, 09:48


    Wenn Madonna sich in ihrer Giga-show ans Kreuz schlagen lässt und evtl. dazu noch singt: "When you call my name, it's like a little prayer..." , dann regt sich (zu Recht) höchstens Mal die evangelische Landesbischöfin auf und der Papst gibt einen knappen Kommentar. Doch...wo sind die Christen, die dann auf die Straße gehen, die skandieren: Nieder mit Madonna !! Wo ist die Presse, die sich überschlägt mit Meldungen und Kommentaren und zum Protest aufruft ??? Wo ist dann das Management von Madonna und sie selbst, die dann voller Buße einen Versöhnungsdialog mit den christlichen Kirchen sucht ?? Diese Frau verdient Millionen mit der ätzenden und provokativen Selbstdarstellung ,und in Berlin wird eine Mozartoper abgesetzt, da es angeblich Hinweise zu eventuellen Unmutsäußerungen einiger radikalen Moslems gegeben hat.

    Das ist die Doppelmoral, mit der wir heute anscheinden leben müssen.


    Silje



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Rolando - 27.09.2006, 10:39


    Ich frage mich seit geraumer Zeit: Wo leben wir eigentlich?

    Seit wann müssen wir uns vorschreiben lassen, welche Opern wir aufführen dürfen - sollen - können und welche nicht ? Und das. wo diese z.B. schon seit Jahrhunderten aufgeführt wird und deren Text und Darstellung nicht erst seit gestern bekannt ist.

    Mit jedem Schritt den wir zurück machen, geben wir dem Terror nach und somit Raum zur Entfalltung, denn jedes sich Ducken bedeutet für diese Schwachköpfe ein Sieg und die kleinste Drohung reicht um ihren Willen durchzusetzen.

    Oh Mann, oh Mann......

    Rolando



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 10:54


    Als ich die Meldung gestern hörte, dachte ich, mich trifft der Schlag.
    Sind wir denn wirklich schon so weit, dass wir unser Leben nach VERMUTETEN Empfindungen radikaler Gruppen und damit einhergehenden MÖGLICHEN Reaktionen ausrichten?
    Dann hat der Terror wahrlich sein Ziel erreicht!

    Wie Epo richtig für GB darstellt, beruht die momentan "gefühlte Gefährdung" m.E.nach auch hier auf einer überzogenen, welchen Zweck auch immer verfolgenden Panikmache von Politikern und Polizei. Im Nachgang zu den versuchten Bahnanschlägen konnten man sich ja vor Statements von Politikern und Polizeigrößen gar nicht retten (Was mir angesichts noch laufender Ermittlungen als sehr unprofessionell erschien - aber das nur am Rande...).

    Ich lebe hier in Berlin mit täglichen Staatsbesuchen, vielen Demonstrationen, Großveranstaltungen und wahrlich einer Vielzahl von Ethnien. Trotzdem wage ich mich jeden Tag auf die Straße, fahre Bahn und steige in ein Flugzeug, auch wenn "arabisch aussehende Männer mit dunklen Bärten" in der Maschine sitzen.... (das Bild stammt nicht von mir, sondern von einem "besorgten" Reisenden).

    Entscheidungen wie die Absetzung einer Operninszenierung zeugen meiner Meinung nach leider von einem (typisch deutschen?) allen Eventualitäten vorbeugenden "Schwanz einkneifen" (@epo: danke für das Schlagwort) das ich nicht akzeptieren kann und will.

    mezzo



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 10:59


    Ich habe ja wirklich eine Menge an französischen Sitten und Gebräuchen zu meckern und bin auch keinesfalls für die radikale Trennung von Kirche und Staat, die hier praktiziert wird,denn die Folgen sind sehr gravierend.
    Aber was das "sich nicht von religiösen Fanatikern provozieren lassen" angeht, kann sich das ängstliche , ewig grübelnde und schamhafte Deutschland eine Scheibe abschneiden. :d_neinnein:
    Hier werden im öffentlichen Leben tatsächlich alle Religionen gleich behandelt, nâmlich als reine Privatsache . Wer gegen die Meinungsfreiheit in Zeitungen, Satiren, Theater oder Kino zu Felde zieht, hat sofort alle Pariser Intellektuellen gegen sich und die sind wirklich weiterhin eine nicht zu unterschätzende Macht in der öffentlichen Meinungsbildung. Dass die Franzosen die Amerikaner nciht sonderlcih môgen, ist ja ohnehin bekannt.

    Karikaturen des Papstes(als Nazi! das hatten wir ja schonmal) werden genauso gedruckt wie Karikaturen von Mohamed und Kopftuchtragen z.B. in Schulen oder Kindergärten ist verboten-auchwenn die ganze Gemeinde sich wehren sollte.
    Wer hier leben und arbeiten will, hat zu akzeptieren, dass das kein muslimisches Land ist(und leider auch kein christliches....) und damit basta.
    solche Dinge werden mir erst bewusst, seit ich von Deutschland weg bin, das ist sehr interessant zu beobachten.
    Ansonsten stimme ich meinen Vorrednern natürlich uneingeschränkt zu-ohne Freiheit des Denkens und damit auhc der Kunst kônnen wir uns zurück in die Sümpfe vergangener Epochen begeben und darin versinken!
    Gott bewahre uns davor!(ob er Allah oder wie auhc immer genannt wird.... ;-) )
    Canti :hearts:
    P.S. Was Silje sagt, finde ich total wichtig! Wenn die Christen sich nicht mobilisieren und für IHRE werte einstehen, werden sie früher oder später von der Gewalt radikler "Kampf-Religionen" überrollt werden. Das ist eine sehr bedrohliche Entwicklung, die uns vielleicht aber positiv gesehen zurück zu den Wurzeln unseres eigenen Glaubens und der abendländischen Kultur bringen kann.



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    lucicare - 27.09.2006, 11:30


    Ich konnte die Meldung auch kaum glauben. Wo soll so eine Haltung hinführen? Besonders bedenklich finde ich, dass unterschieden wird zwischen den besonderen Empfindlichkeiten eine bestimmten Gruppe und denen der anderen Leute. Die darf man offenbar fröhlich verletzen (je grösser der Skandal, umso besser, scheint manchmal die Devise), nur bei radikalen Islamisten ist Rücksicht angebracht. Sprich: wer mit Bomben droht, gewinnt.....


    Gruss
    lucicare



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Uralt - 27.09.2006, 11:39


    Liebe cantilene,
    im Großen und Ganzen kann ich dir zustimmen nur :
    es gibt meiner Meinung nach keine "radikalen Kampf-Religionen".
    Es gibt nur Menschen, die ihre Religion dazu benutzen, auf andere Macht ausüben zu wollen.

    In der heutigen Ausgabe der "Islamischen Zeitung" habe ich dazu gelesen:
    Der Islamwissenschaftler Prof. Reinhard Schulze von der Universität Bern sieht im Islam keine Tradition, die Gewaltakte rechtfertigt. Allerdings gebe es im Nahen und Mittleren Osten unter politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen «eine wachsende Bereitschaft, den Islam zu benutzen, unter anderem auch, um Gewaltakte zu begründen», erläuterte Schulze in einem dpa-Gespräch. Er wies aber unter anderem vor dem Hintergrund der Proteste gegen Papst Benedikt XVI. darauf hin, dass «in allen monotheistischen Religionen Gewalterfahrungen verbreitet sind». Ein Hauptproblem der Staaten im Nahen und Mittleren Ostens sei es, dass muslimische Theologen in ihren eigenen Ländern wegen der vorherrschenden autokratischen und undemokratischen Strukturen «kein Diskussionsfeld» hätten, sagte Schulze. Der Diskurs habe sich seit Jahrzehnten immer gegen einen äußeren Gegner gerichtet. «Der innerislamische Ideenwettbewerb ist zusammengebrochen», betonte Schulze. In der christlichen Tradition hätten sich die Kirchen «am Gewaltmonopol des Staates abarbeiten können». Sie könnten innenpolitisch Stellung beziehen, ihr Profil schärfen und entwickeln. «Diese Binnenkritik» sei, so Schulze, in islamischen Ländern kaum möglich. ( Ausschnitt )

    Da diese Zeitung auch einen Kultur- und einen"Berlin-Teil" hat, bin ich gespannt, wie die Muslime in Deutschland zu dem Absetzen der Oper in der nächsten Ausgabe Stellung nehmen.

    Liebe Grüße
    Uralt



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 12:17


    Liebe Uralt,

    genau so ist es. Und daher bin auch ich der Meinung, anders als cantilene z.B., dass Religion und Politik immer getrennt gehoeren. Und ich bin selbst eine glaeubige Christin, nur deckt sich meine ganz persoenliche Auslegung vielleicht nicht zwangslaeufig mit dem, was meine "Mutterkirche" (naemlich die katholische) mir manchmal weismachen moechte. Das ist aber wieder ein anderes Thema.

    Weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart ist meiner Auffassung nach jemals was Vernuenftiges dabei rausgekommen, wenn die Kirche Politik gemacht hat, und die westliche Welt ist heute nicht umsonst mehrheitlich saekular ausgerichtet. Ich will den politischen Klerikalismus jedenfalls NICHT zurueck, und ich kann auch nicht finden, dass es in Staaten, die ihn noch haben, sehr vielversprechend aussieht.
    Wobei das natuerlich ein schmaler Grat ist, denn vom Wortstamm her heisst Politik ja nun erstmal nichts anderes als Gemeinschaft oder Gesellschaft, und da gehoert die Kirche natuerlich als Organisation mit rein.

    Um den Bogen zurueckzuschlagen: Ich finde schon, dass meine Religion in erster Linie meine Privatsache ist. Das heisst ja nicht, dass ich sie verstecken muss, und das heisst auch nicht, dass ich nicht fuer gewisse Ideale einstehe, die sich im uebrigen in allen Weltreligionen aehneln oder sogar gleich sind. Sich auf diese Werte zu besinnen, ist nichts spezifisch Christliches, sondern ein Gebot der Menschlichkeit. Menschen ihre Religion ausueben zu lassen hat was mit Toleranz zu tun. Das heisst aber noch lange nicht, dass man mit Glaubensfragen Politik machen muss - dazu ist das Gebilde meiner Auffassung nach zu stoeranfaellig, weil zu emotional gepraegt ...



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 13:55


    Ihr sprecht mir aus der Seele - danke !
    Allerdings gibt es dabei einen Aspekt, der mich sehr freut : Mit ihrem ( unfreiwilligen ? ) PR - Coup hat die Intendantin der Deutschen Oper, Frau Harms, erreicht, dass nicht nur sie und Herr Neuenfels, sondern auch und ganz besonders Mozart und sein von ihm so heiß geliebter Idomeneo in die Schlagzeilen geraten sind ! Wann hat es das zuletzt gegeben, dass ein Komponist und sein Werk die Titelseiten deutscher Tageszeitungen erobern ?
    Ich weiß, in Österreich ist das anders.
    Ich unterstelle mal, dass 90 % unserer Bevölkerung jenseits des schulpflichtigen Alters ungefähr wissen, wer Mozart war und was er tat. Von dessen Oper Idomeneo hatten bestimmt 98% noch nie etwas gehört.
    Das immerhin dürfte sich seit gestern geändert haben....
    Habt Ihr gestern in der ARD vielleicht das Quiz mit Jörg Pilawa gesehen ?
    Ein ratendes Pärchen hätte für die korrekte Beantwortung einer Frage
    ( multiple choice ) 50 000 € ( in Worten : fünfzig Tausend ) bekommen.
    Die Frage : Wie nennt man die von Leporello gesungene Arie, in der er die Liebschaften seines Herrn auflistet ?
    a ) Zettelarie b) Briefarie c ) Tabellenarie d ) Registerarie
    Offenbar hatten die Redakteure bei der Ermittlung des Schwierigkeitsgrades ein gutes Händchen. Beide Probanden einigten sich auf a, womit die exorbitante Summe verloren war !
    So viel zum Bildungsstand in puncto E - Musik....
    Ich habe mich übrigens schon vor längerer Zeit um eine Teilnahme beworben, wobei " unsere " Musik bei diesem Quiz eine untergeordnete Rolle spielt - kein Wunder.
    Ciao. Gioachino



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 15:02


    Gioachino, ich fasse es nicht! Du willst ins Fernsehen, da eine Million gewinnen und die dann Belcanto spenden?????? :dafür: Wir raten alle mit!Jeder hat ja irgendein Spezialgebiet..... :bravo:

    Liebe Epo, was die Trennung von Kirche und Staat angeht: meiner Ansicht nach ist das hier in Frankreich viel zu radikal passiert, denn das geht soweit, dass in den Schulen JEDER Religionsunterricht verboten ist. Die Kinder wissen NICHTS mehr von den Wurzeln ihrer Kultur, die ja nunmal unbestreitbar auch stark im christlichen Glauben liegen.(Ausser die Eltern schicken sie eigens in christliche Organisationen.)
    Meine Stieftöchter, alle drei studierte junge Damen mit Universitätsabschluss, wussten nicht, was Ostern ist, das muss man sich mal vorstellen! :d_neinnein:
    Wenn im Museum oder im Theater oder wo auch immer christliche Motive auftauchen, muss ICH meinem Mann erklären, was die Hintergründe sind und der hat Philosophie studiert! Ein Unding finde ich!
    Soweit kommt es dann und DAS kann ich wahrlich nicht gutheissen. :schlaumeier:
    In Deutschland scheint mir das dagegen sehr gut gelöst, denn die Kirchen haben eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und können sich zu allen Fragen äussern, aber sie machen keine Politik. sie haben auch Gelder, um z.B. die Kirchenmusik zu fördern, hier in Frankreich kann man davon nur träumen.
    Das CHristentum ist dann nur noch was für Eliten und viellicht Fanatiker-auch das ist eine Gefahr! Vom allgemeinen Werteverlust mal ganz zu schweigen. Natürlich will ich keine klerikale Politik, aber das Kind mit dem Bad ausschütten, das kann es nun auch nicht sein!

    Liebe Uralt, ich achte die islamiscvhe Kultur und Wissenschaft und sehe durchaus, dass auch die Mehrzahl der Gläubigen nicht gewaltbereit ist.
    Auch weiss ich sehr gut, dass politische Macht schon immer die Religion missbraucht hat, von den Päpsten begonnen über zahllose grausame Religionskriege in allen Kulturen.
    Aber: der Islam ist für mich trotzdem eine Gewalt-Religion, denn er tut einem grossen Teil der Menschheit Gewalt an: den Frauen!!!!! :d_neinnein:
    Selbst nette arabische Patienten meines Mannes, die uns Gewürze schenken und nach Marokko einladen, lassen ihre armen Töchter vor der Verlobung auf Jungfräulichkeit untersuchen und die MÄdchen müssen der Familie des Bräutigams ein Attest vom Arzt zeigen!!!!Und den Bräutigam selbst auszusuchen, ist dann shcon ein seltenes Privileg!

    Mâdchen werden gefangengehalten, geschlagen usw usw, wenn sie nicht den Moralvorstellungen des Islam entsprechend sich verhalten-wir erleben das sehr oft in der Praxis!
    Von den Auswüchsen mit Ehrenmord und den unförmigen Burka-Frauen mit Augenschlitz mal ganz zu schweigen!
    Da sind ja sogar die Hindu-Frauen noch besser dran und dürfen wenigstens in voller Schönheit im Sari spazieren gehen. ;-)
    Auch wenn es Gegenbeispiele gibt: mir stellt sich der Islam im täglichen Leben und auch in den Medien als eine Religion dar, die ich in meiner westlichen Denkweise zwar tolerieren, aber nicht mâchtig werden lassen will.
    Wahrscheinlich geht es den Muslimen mit George Bushs Mission vom amerikanischen Heilsbringertum unter dem Mantel der Religion nciht viel besser, aber das ändert nichts an meiner Sichtweise. :schlaumeier:
    Liebe Grüsse
    Cantilene :hearts:



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Uralt - 27.09.2006, 15:46


    cantilene hat folgendes geschrieben:
    Liebe Uralt, ich achte die islamiscvhe Kultur und Wissenschaft und sehe durchaus, dass auch die Mehrzahl der Gläubigen nicht gewaltbereit ist.
    Auch weiss ich sehr gut, dass politische Macht schon immer die Religion missbraucht hat, von den Päpsten begonnen über zahllose grausame Religionskriege in allen Kulturen.
    Aber: der Islam ist für mich trotzdem eine Gewalt-Religion, denn er tut einem grossen Teil der Menschheit Gewalt an: den Frauen!!!!! :d_neinnein:
    Liebe Grüsse
    Cantilene :hearts:

    Liebe cantilene,
    tut mir leid, wenn ich dir da noch einmal widersprechen muß. Wenn man sich mit der islamischen Religion beschäftigt, kann man fetstellen, dass sie als Religion eine ebenso friedfertige Religion ist, wie die christliche oder jüdische oder andere.
    Nicht der Islam, sondern muslimische Männer unterdrücken heutzutage ihre Frauen. Dies geschieht aufgrund ihrer kulturellen Angewohnheiten oder aus Unkenntnis über ihre eigene Religion oder aus Machtbedürfnis oder warum auch immer.
    So ist die Verschleierung des Gesichtes im Koran nicht vorgeschrieben.

    Alle drei abrahamitischen Religionen ( Judentum/Islam/Christentum) sind friedfertige Religionen - was die Menschen daraus machen steht auf einem anderen Blatt, in allen drei Religionen.

    Aber da du ja schon schreibst, dass deine Sichtweise nicht zu ändern ist, laß ich es bei den wenigen Anmerkungen.

    Liebe Grüße
    Uralt



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    dola - 27.09.2006, 17:59


    Als Bayerin, die mit der Erfahrung aufgewachsen ist und lebt, dass die Trennung Kirche - Staat nach wie vor nicht vorhanden ist, kann ich jedes Land nur beneiden, das diese Trennung im Rahmen einer funktionierenden Demokratie durchführt. Ich könnte eine Menge Details aus unserem gesellschaftlichen Leben anführen, die verdeutlichen, wie unangenehm, fortschritthemmend und schwierig es sein kann, wenn Leute, die sich irgendwie immer als mit besonderem Draht zu Gott ausgestattet wähnen, politisch zu viel Einfluss haben.

    M.E. stellt diese Errungenschaft der Trennung sogar einen Schutz gegen religiös - fanatische Strömungen dar (worunter ich inzwischen nicht mehr nur den Islamismus subsummiere, sondern durchaus auch so manche militante amerikanische Christenbewegung, die sind keinen Fatz besser, wenn auch velleicht noch nicht ganz so mächtig). Wer es verinnerlicht hat, kann sehr frei und intensiv seine jeweilige Transzendenz und persönliche Glaubensumsetzung leben und die Suche nach Gottes Normen mit klarem Kopf angehen. Kirchen würden als moralische Mahner und Stimme derer, die benachteiligt sind, glaubwürdiger, ähnlich den alten Propheten, die den Königen immer wieder mal den Kopf gewaschen haben.

    Bietet die französische Schule denn kein Unterrichtsfach mit religiös - phlilosophischen Themen an? kann ich mit gar nicht vorstellen. So etwas, finde ich, sollte es schon geben.

    Ich bin selbst gläubig, aber ich verabscheue politische Macht religiöser Institutionen zutiefst und das, denke ich, mit guten historischen und auch zeitgenössischen Gründen. ich verabscheue deshalb auch Verbote kultureller Ergüsse, es sei denn, es verletzt Schutznormen für nicht voll Entscheidungsfähige, z. B. Kinder, irgendwie anderweitig Schutzbefohlene oder ist faschistisch, sprich, darauf gerichtet, Menschen qua Geburt als unwert einzustufen.

    So etwas sehe ich im Gebrauch der Symbole in dieser Inszenierung zunächst nicht. Warum sollte ein gläubiger Mensch dadurch beleidigt sein, dass irgendwer sein Symbol anders sieht und einsetzt?

    @epo:
    in der sache mit diesen Feuerwehrlern bin ich zwiegespalten und auch befangen. Einerseits halte ich auch nicht viel von Disziplinarmaßnahmen in bezug auf Fragen persönlicher Gesinnung, aber die Einstellung dieser beiden Herren ist leider nicht nur hinterwäldlerisch, sondern faschistoid, darauf ausgerichtet, Homosexuelle als Menschen zweiter Klasse anzusehen. Wenn sich die Institution dazu entschließt, mit ihrer Aktion zu verdeutlichen, dass Schwule und Lesben bei ihr willkommen sind, gehört das irgendwie zum europäischen Menschenbild und ist ein Bekenntnis für die Menschenrechte. Dass sie auf die Impertinenz einzelner Mitglieder reagiert und auf Dienstpflicht pocht, kann ich hier wiederum sehr gut nachvollziehen.

    Grüße, dola



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 22:35


    Uralt hat folgendes geschrieben:

    Liebe cantilene,
    tut mir leid, wenn ich dir da noch einmal widersprechen muß. Wenn man sich mit der islamischen Religion beschäftigt, kann man fetstellen, dass sie als Religion eine ebenso friedfertige Religion ist, wie die christliche oder jüdische oder andere.
    Nicht der Islam, sondern muslimische Männer unterdrücken heutzutage ihre Frauen. Dies geschieht aufgrund ihrer kulturellen Angewohnheiten oder aus Unkenntnis über ihre eigene Religion oder aus Machtbedürfnis oder warum auch immer.
    So ist die Verschleierung des Gesichtes im Koran nicht vorgeschrieben.

    Alle drei abrahamitischen Religionen ( Judentum/Islam/Christentum) sind friedfertige Religionen - was die Menschen daraus machen steht auf einem anderen Blatt, in allen drei Religionen.

    Diese Aussage kann ich nur voll und ganz unterstützen.

    LG
    mezzo



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 27.09.2006, 23:12


    Schön und gut, liebe Uralt. Aber ebenso, wie man die Bibel unterschiedlich auslegen kann, bis hin zur Leugnung der Evolution ( evangelikale Bewegung, besonders in den USA ), geschieht das gewiss auch mit dem Koran ( Stellung der Frau, Heiliger Krieg, siebzig ( ? ) Jungfrauen im Paradies für den "Märtyrer " usw. ). Ohne eine Epoche der
    A u f k l ä r u n g , wie sie Europa beschieden war, werden alle muslemisch geprägten Staaten im gesellschaftspolitischen Mittelalter verharren.

    Wer die prekäre Situation der drei Opernhäuser in Berlin kennt, wird nicht umhin können, Frau Kirsten Harms ob ihrer spektakulären Aktion zu beglückwünschen ! Nicht nur alle Zeitungen, nein, auch Funk und Fernsehen reißen sich um sie, die vor einer halben Stunde bei Günther Jauch in stern - tv auf mich einen eher schwachen Eindruck machte.
    Das seit dem Weggang von Christian Thielemann kränkelnde Haus an der Bismarckstraße ist in den Schlagzeilen : Zur Wiederaufnahme des Idomeneo
    im Dezember ( ? ) haben sich der Bundesinnenminister und alle islamischen Konferenzteilnehmer von heute angesagt!
    Wer sagt`s denn ? :welcome:
    Ciao. Gioachino



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 28.09.2006, 05:10


    Über Religion soll man ja bekanntlich nicht streiten, weil es zu nichts führen kann, aber bevor hier ein falsches Bild entsteht, nochmal:
    Ich habe nichts gegen den Islam an sich, habe nichtmal den Koran gelesen und kann von daher kaum mitreden.
    Ich erlebe nur seine Auswirkungen in unserer derzeitigen Welt und auf die verzichte ich dankend. :d_neinnein: Aber, liebe Uralt und Mezzo: der Satz von der "Gewalt-Religion" war zu extrem und missverständlich, den nehme ich zurück!
    Hâtte ich im 15 JH als Jûdin in Spanien oder als Protestantin in Italien gelebt, würde ich wahrscheinlich genauso über den Katholizismus denken.
    Als Muslimin in Gaza ginge es mir ähnlich mit dem Judentum usw.
    Will sagen: ich bin ein Kind meiner Zeit,Kultur Erziehung und die sträubt sich nunmal gegen das , was ich an muslimischen Auswüchsen erlebe.
    DAS will ich bei uns nciht haben und daher: Wehret den Anfängen!Toleranz hört da auf, wo sie die Freiheit der anderen, sprich insbesondere der Frauen, beschneidet.
    Dass das nciht der Islam an sich als philosophisches Gebäude tut, nehme ich gerne zur Kenntnis, und respektiere das.
    Es hilft aber in diesem Fall nciht weiter, denn wie Gioachino so treffend sagt: am Grossteil der islamischen Welt ist die Aufklärung inclusive der Deklaration der Menschenrechte leider vorbeigegangen.

    Und was die drei abrahamitischen Religionen angeht: allein von diesen Dreien sind alle Religionskriege, Verfolgungen Andersgläubiger, Missionsfeldzüge,heilige Kriege, Kreuzzüge etc ausgegangen-das muss doch einen Grund haben!
    Hat man je gehört, dass die Buddhisten oder Hindus dergleichen in diesem Unfang iniziiert haben?
    Das Prinzip des EINEN ALLMäCHTIGEN Gottes scheint in unseliger direkter Verbindung zu patriarchalischen Denkstrukturen und Machtmissbrauch zu stehen.

    Liebe Dola, als Nicht-Bayrin kann ich da kaum mitreden , denn ich habe in Deutschland die Rolle der Kirchen im gesellschaftlichen Leben eher sehr positiv erlebt, bin allerdings nicht katholisch. ;-)

    Es gibt hier an den staatlichen Kindergärten/Schulen wirklich KEINERLEI Religionsunterricht. Alle Äusserungen diesbezüglich sind verboten, Kreuze oder ähnliche Symbole dürfen nirgens aufgehängt werden, Kirchenlieder nicht gesungen, Krippenspiele nicht gemacht werden etc pp. Dafür muss man seine Kinder in Eigeninitiative in einen kirchlichen Unterricht schicken und da hier die Schule bis nachmittags 17 Uhr dauert..... und Sport und Spiel, Musik und Hausaufgaben angesagt sind....und Kinder wenig Lust auf so was Uncooles wie religiöse Erziehung haben....
    Mittwoch sollte für solche Aktivitäten ursprünglich mal frei sein, das gilt aber nur noch für die Kleinen, die natürlcih dann auch viel lieber spielen!
    Ganz wichtiges Kultur-und Gedankengut und ein Stück spiritueller Identität geht da im Laufe der Generationen immer weiter verloren. Ich finde das katastrophal! Und das hat nicht das Geringste damit zu tun, dass ich eine christliche Staatsreligion einführen will,(Gott bewahre uns vor evangelikalen Auswüchsen à la Amerika!) ich will nur unsere spirituelle Identität nciht verlieren,denn die brauchen die Menschen in einer so materialisierten Welt erst recht! Frankreich ist in meinen Augen bereits ein potentielles "Missionsland" geworden, denn viele(auch hochgebildete) Menschen wissen nichts mehr über die christlichen Wurzeln unserer Kultur.
    Und einen persönlcihen Vorteil für Dich solltest Du nicht übersehen:
    bei euch werden regelmässig Messen/Oratorien aufgeführt, die auch aus staatlichen Geldern(Kirchensteuer, hier undenkbar!) mitfinanziert werden.
    Dort finden viele Sänger in Deutschland ein Einkommen oder wenigstens ein Haupt-Betätigungsfeld, sich zu produzieren. Auch bei uns im Belcanto-Ensemble gibt es etliche davon.
    All das gibt es in einem komplett sakularisierten Staat eben auch nicht. :schlaumeier:
    Lieben Gruss
    Cantilene :hearts:



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 28.09.2006, 08:34


    Himmel! 70 Jungfrauen (aber erst!?) im Jenseits! Da ist dann ja aktuell ganz schön Jungfrauen-Konjunktur angesagt - doch, wo sollen die denn alle so schnell herkommen, bei dieser heutigen "Märtyrer"-Explosion?

    Wie dem auch sei, ich bin mit meiner einzigen ehemaligen Jungfrau schon ausreichend versorgt.


    Ciao ;-) Principe



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 28.09.2006, 08:58


    Ich war übrigens gestern in der Deutschen Oper und habe mich nicht im geringsten bedroht gefühlt. War aber auch nicht Idomeneo, sondern "Das Mädchen aus dem Goldenen Westen" (mit einem wunderbaren Jose Cura).

    Über die Auslegung von Religionsgrundsätzen kann man sich trefflich streiten, da hat Gioachino recht...
    Fundamentalistische Tendenzen werden immer zu beobachten sein, es ist nur die Fragen, ob man sich diesen beugt. Übrigens bekämpfen viele islamische Länder den Fundamentalismus, um nicht den "Anschluss" an die übrige Welt zu verlieren.

    Aber zurück zur Absetzung der Oper, die ich jetzt mal versuche fachlich zu bewerten.
    Mittlerweile scheint klar zu sein, dass die "Gefährdungswarnung" eine der üblichen "Allgemeinen" war, sprich: Gefährdung nicht auszuschließen. Diese Gefährungsstufe haben sicherlich die meisten Veranstaltungen in Berlin und anderen großen Städten. Das Leben geht trotzdem weiter. Sträflich finde ich allerdings - sofern es tatsächlich so geschehen ist - die Oper mit solch einer Gefährdungsanalyse von Polizeiseite allein zu lassen. Bei nicht täglich mit polizeilichen Angelegenheiten konfrontierten Personen muss so etwas zu Überreaktionen führen.

    LG
    mezzo



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Silje - 28.09.2006, 09:15


    Heute früh in der WELT zu lesen: Die Aufführung des Idomeneo soll nun doch wieder auf den Spielplan gesetzt werden und diesmal wollen alle Vertreter islamischer Gruppierungen zusammen mit Schäuble in die Aufführung gehen. Na bitte...auf einmal Friede Freude Eierkuchen !!


    Gruß,

    Silje



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    EmmyNoether - 28.09.2006, 10:15


    Silje hat folgendes geschrieben: Heute früh in der WELT zu lesen: Die Aufführung des Idomeneo soll nun doch wieder auf den Spielplan gesetzt werden und diesmal wollen alle Vertreter islamischer Gruppierungen zusammen mit Schäuble in die Aufführung gehen.

    Hallo,

    hierzu kann ich nur zitieren, was ich in einem anderen Forum dazu gesagt habe:

    "Aber wenn ich auf dem laufenden bin, ist ja alles eh überholt, und unsere Politiker werden einträchtig mit der Islamkonferenz die Aufführung besuchen. Im Dezember. Und nicht im November.
    Man ist also einhellig der Meinung, daß es eine lobenswerte Inszenierung ist? Alle sind froh, daß sie jetzt endlich hinkönnen? Hatten vor drei Jahren leider keine Zeit, oder wie?
    Das finde ich nun wieder arg übertrieben in die andere Richtung... Meine Forderung wäre Toleranz, aber doch nicht zwangsläufig Akzeptanz!

    Wie dem auch sei: die Deutsche Oper ist in aller Munde, die Intendantin der alleinige Sündenbock, dafür kennt ihren Namen jetzt jeder, ebenso wie den des Regisseurs, die Politik konnte knallhart zeigen, daß bei ihr Terror keine Chance hat. Alle freuen sich.

    Die Musiklehrer können den Zeigefinger heben, wenn sie 14-jährigen etwas von "Oper" erzählen müssen, und sagen: "Kinners, Oper ist brandaktuell." Keiner wird darüber lachen. Morgen und übermorgen.

    Gruß v. Emmy"



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 28.09.2006, 10:27


    cantilene hat folgendes geschrieben: Ich habe nichts gegen den Islam an sich, habe nichtmal den Koran gelesen und kann von daher kaum mitreden.
    Ich erlebe nur seine Auswirkungen in unserer derzeitigen Welt und auf die verzichte ich dankend.

    Schade. Denn der Koran ist wirklich eine interessante Lektuere, und gerade als Christin ist es ungemein interessant zu lesen, wo die Gemeinsamkeiten (die uebrigens in der Ueberzahl sind) und die Unterscheide zu erkennen sind. Davon abgesehen traegt es auch zum kulturellen Verstaendnis bei. Ich finde es immer schwierig, etwas zu kritisieren, ueber dessen Hintergruende ich nur wenig weiss.
    Die "Auswirkungen in unserer heutigen Welt" sind mehrheitlich das Werk von Verblendeten und Fundamentalisten. Und natuerlich sollten wir uns umgekehrt auch an die eigene Nase fassen. Vieles, was uns vielleicht respektlos oder frauenfeindlich vorkommt, hat doch auch etwas mit unserer eigenen Tradition, der Weise, wie wir erzogen wurden, zu tun. Man kann sich eben nur schwerlich in andere Kulturen eindenken, weil man die eigene Denkweise fuer die Richtige haelt.
    Wohlgemerkt, ich rede jetzt natuerlich nicht von so Auswuechsen wie in Somalia, wo Frauen mehr oder weniger zugenaeht werden oder an ihren Beschneidungen sterben, das ist ganz klar. Beschneidung von Frauen wird aber im Koran NIRGENDS erwahnt. Hier mal ein kleines Zitat aus Wikipedia, dann wird es vielleicht klarer:
    "In der Regel wird die Genitalbeschneidung unter Berufung auf einige Hadithe im Islam religiös legitimiert. Hadith bilden neben dem Koran die zweite Quelle islamischer Gesetze. (...) Mohammed hätte dann mit der vorislamischen Tradition nicht brechen wollen, bevorzugte selbst aber deren Unterlassung. (...) Zu diesen Deutungen kommt hinzu, dass der Islam das Recht der Frau auf sexuelle Befriedigung, wenn sie verheiratet ist, ausdrücklich anerkennt. Außerdem ist einer der höchsten Werte der Scharia die „Huma“, die körperliche Unversehrtheit. Daraus lässt sich folgern, dass die weibliche Beschneidung nicht ursprünglich auf den Islam zurückzuführen ist. Gleichwohl begründen einige ihr Vorgehen mit dem Koran, obwohl die Beschneidung von Frauen in diesem nicht erwähnt wird."

    Und wie immer, und auch bei der Bibel: Vieles ist ein exegetisches Problem. Es gibt auch vom Koran zahlreiche Uebersetzungen, und je nachdem, wer sie verfasst hat bzw. welcher Stroemung angehoerend, wird auch diese zum Selbstzweck. Kleines Beispiel, gerade interessant in Bezug auf die Frauenfrage, die in einer der Suren sehr ausfuehrlich diskutiert wird. Drei verschiedene Uebersetzungen eines und des selben Koranverses ins Deutsche, eine Version davon sogar nochmal weiteruebersetzt aus dem Englischen:

    "Männer sind die Leiter der Angelegenheiten der Frauen, weil Allah die einen den anderen überlegen gemacht hat." (Maududi).
    "Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat." (Rassoul)
    "Die Ehemänner tragen Verantwortung den Ehefrauen gegenüber wegen dem, womit Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat." (Zaidan)

    Letztere wird uebrigens auch von "Unbefangenen" (Sprachwissenschaftlern ohne muslimischen Hintergrund) als richtig angesehen, trotzdem ist es nicht zwangslaeufig die, die sich ueberall durchgesetzt hat (wobei Maududi mittlerweile von den meisten aufgeklaerten Moslems mehr als kritisch betrachtet wird).
    Das ist aber ein kulturelles oder traditionelles Problem, nicht ein Problem des Islam. Ich weiss, dass man das nicht Schoenreden kann, die von Dir beschriebenen Auswirkungen sind ja nunmal nicht wegzudiskutieren, aber im Christentum sah es leider leider lange nicht besser aus, wie Du ja selbst bemerkst. Sowas ist einfach eine Entwicklungsfrage. Da der Islam im Vergleich zum Christentum noch eine recht junge Religion ist, wird auch dort wahrscheinlich noch Zeit benoetigt, um zu "reifen". Das Problem ist nur, dass all die verblendeten Idioten leider die Mittel von heute zur Verfuegung haben :roll:

    Man sehe sich nur mal die Unterschiede in der Auslegung an, und in der ersten und zweiten Version sogar die Verallgemeinerung zu "Maennern und Frauen", gemeint ist aber wohl eher "Ehemaenner und Ehefrauen". Und jetzt bitte nicht an dem Wort "Auszeichnung" festhalten - es gibt mehrere Stellen im Koran, wo von "Auszeichnung " von Maennern und Frauen geredet wird, und es bedeutet nur, dass Maenner andere Staerken und Schwaechen haben als Frauen, nicht aber, dass sie besser sind. Genau dieses Rausgreifen von Einzelversen, ohne den Koran im Gesamtzusammenhang zu sehen, die vielen Querverweise, die es gibt, fuehren aber auf allen Seiten zu Eigeninterpretationen und Fehldeutungen ...
    Das nur als kleines Beispiel, es liesse sich beliebig fortsetzen.

    Du hast Recht, ueber Religion kann man nicht wirklich streiten, aber mir lag auch noch mal daran, an dem falschen Bild, was in westlichen Koepfen teilweise herrscht, mal was zurechtzuruecken (wahrscheinlich zwecklos ;-) )

    Sorry fuer's Threadzerlabern, aber Religion und Philosophie ist schon seit meinen Teenagerzeiten mein Steckenpferd :oops:



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Uralt - 28.09.2006, 11:00


    Danke Epo für deinen Beitrag.
    Noch ein Tipp für alle, die sich mit dem Thema "Islam" nicht nur theoretisch beschäftigen möchten :
    Am 3. Oktober ist wie jedes Jahr nicht nur unser Nationalfeiertag, sondern auch der "Tag der offenen Moscheen".
    Dort kann man sich sehr gut über den muslimischen Glauben informieren und viele Dinge kennenlernen. Wir haben schon einige Moscheen besucht und immer wieder etwas interessantes neues gefunden. Gerade das Gespräch mit den Imamen hat bei mir vieles gerade gerückt, was ich nicht verstanden hatte.

    Liebe Grüße
    Uralt



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Silje - 28.09.2006, 18:52


    Grundsätzlich finde ich es gut, offen für andere Kulturen , Religionen und Weltanschauungen zu sein. Gerade der Buddhismus hat für mich als gläubige Christin viele Glaubenselemente, die mich ansprechen.
    Aber ich bin auch der Meinung, bevor man sich nun bemüht , den Koran zu verstehen und die vielfältigen Interpretationen diskutiert, sollte man sich erst mal mit der eigenen Religion auseinandersetzen. Wieviel Halbwissen über Kirche und Glauben trägt jeder von uns mit sich rum ??
    Wer von uns kann behaupten, die Bibel /altes und neues Testament , von vorne bis hinten gelesen und verstanden zu haben ??
    Wo finden sich evtl. Gemeinsamkeiten der großen Weltreligionen, wo sind sie extrem gegensätzlich ??
    Klar...die Glaubensfrage muß jeder mit sich selbst ausmachen und ich weiß von vielen Gesprächen mit Freunden und Menschen, die mir im Beruf begegneten, wieviele offene Fragen es gibt und daß viele nur Negatives mit der christlichen Kirche verbinden.

    Ich will hier nicht missionieren, denn auch ich bin manchmal eine große Zweiflerin , aber nun spricht man in den Medien von großer Verständigung mit den Moslems und bemüht sich, die Auslegungen des Korans zu verstehen und dabei hat man sich vielleicht selbst jahrelang nicht mehr mit dem eigenen Glauben auseinandergesetzt...


    Einen Tag der offenen Moschee finde ich gut; das sollten sich die evangelische und katholische Kirche abgucken. In den Gemeinden, in denen ich bisher gelebt habe, gabs so was nie.


    Gruß,

    silje



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    dola - 28.09.2006, 21:35


    Silje hat folgendes geschrieben: Aber ich bin auch der Meinung, bevor man sich nun bemüht , den Koran zu verstehen und die vielfältigen Interpretationen diskutiert, sollte man sich erst mal mit der eigenen Religion auseinandersetzen.


    Stimme ich absolut überein und würde es vielleicht noch ergänzen mit (Herkunfts-) Identität.

    Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich in aller Zugewandtheit Menschen anderer kultureller/religiöser Herkunft und ohne Befangenheit fragen: Wie handhabt ihr das und warum bzw. aus welcher Entwicklung heraus? Meine Erfahrung ist, dass die Anworten mit viel Freude darüber, dass man sich für die Kultur z. B. einer Migrantengruppe interessiert, kommen.

    Zur Zeit hört man nur noch, dass sich angeblich unbetretbare Parallelgesellschaften gebildet haben. In der Tat, in bestimmten Vierteln oder in Asylheimen erhebt sich die Frage, ob das jetzt wirklich mitten in Deutschland und es ist spürbar, dass Strukturen ablaufen, deren Funktionieren rätselhaft erscheint, aber wenn man hingeht mit der Absicht, sich anzuhören, was diese Leute zu sagen haben, dann ist man dort willkommen.

    Man könnte ein Buch schreiben über das, was Musliminnen mit und ohne Kopftuch, mit religiösem oder säkulärem Hintergrund, kosovarische Frauen mit Studium und Familie, türkische Friseur - Azubis, bosnisch - muslimische Großeltern, die vor dem Krieg flüchten mussten, ein 19 jähriger Sohn der türkischen Familie, die bei uns im Amt putzt, und türkische und tunesische Frauen im Frauenhaus (die gehen jedenfalls nicht mehr zu ihren Prügelmännern zurück, egal, ob mit oder ohne Kopftuch) und viele mehr so umtreibt, beschäftigt und bewegt.

    Diese Art der Begegnungen im Kleinen von Büger/in zu Bürger/in geschieht öfter als man vielleicht meinen mag, nutr erhält das kaum Unterstützung durch Staat und Gesellschaft. Es ist, denke ich, unser aller Wunsch, dass z. B. die muslimischen Frauen und Mädchen ihre Rechte auch wahrnehmen können und das mit allem Freiraum in Familie, Beruf und Religion, dass die Kinder von MigrantInnen auch in der Realität Fortkommenschancen haben und auch unsere Wertschätzung.

    Das hat nichts mit "Mulitkulti - Schönreden" zu tun, es sind Hausufgaben, die alle europäischen Gesellschaften, incl. der Einwanderer selbst, zu erfüllen haben, damit der Einfluss von Haßpredigern islamistischer ( und auch rechtsextremer ) Sorte zurückgedrängt werden kann.
    Grüße,
    dola



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Anonymous - 29.09.2006, 08:51


    dola hat folgendes geschrieben:
    Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich in aller Zugewandtheit Menschen anderer kultureller/religiöser Herkunft und ohne Befangenheit fragen: Wie handhabt ihr das und warum bzw. aus welcher Entwicklung heraus?

    Genau so sehe ich es auch. Ich setze mich ja auch nicht mit anderen Religionen auseinander, weil ich in der eigenen instabil bin (die Zeiten habe ich allerdings auch hinter mir, halte das aber eher fuer bereichernd, weil man in der Zeit naemlich genau die richtigen Fragen stellt).
    Ganz im Gegenteil: Verstaendnis und Toleranz Anders- oder Nichtglaeubigen gegenueber betrachte ich als ganz elemanteren Teil meiner eigenen Religion, nur setzt das halt voraus, dasss man auch verstehen will und sich intensiv damit auseinandersetzt. Ich halte ueberhaupt nichts davon, missionarisch das Christentum zu verteidigen und auf den Islam zu schimpfen, wenn ich nicht mal weiss, worum es ueberhaupt geht. Und vielleicht sogar noch, wenn ich ueber die Wurzeln meines eigenen Glaubens im Grunde auch nicht so richtig viel weiss. Manche meinen ja, nur weil sie sonntags in die Kirche rennen und ein paar Kirchenlieder auswendig koennen, sind sie die besseren Christen (echt kein Witz). Hier in GB mache ich gerade die Erfahrung, dass selbst die Spaltung der christlichen Kirchen erschreckende Dimensionen hat, man hat hier als Katholik immer noch einen sehr schweren Stand und wird teilweise sogar oeffentlich angefeindet. Die Protestanten leben ihre Religion hier mit einer unglaublichen Arroganz, mit teilweise wirklich erschreckenden Ausmassen ...

    Ich habe mich z.B. erst sehr intensiv mit dem eigenen Glauben auseinandergesetzt (schon in jungen Jahren, da war ich vielleicht gerade 14 oder 15, und im Gegensatz zu den meisten Menschen meines Umfelds hatte ich in dem Alter tatsaechlich schon die Bibel gelesen und GLAUBTE zumindest, sie auch verstanden zu haben). Das hat sich dann mit 18/19 etwas geaendert, vielleicht auch beeinflusst durch den Philosophie-Unterricht. Da schien mir das alles gar nicht konsistent und ich habe sehr gezweifelt.

    Die intensive Auseinandersetzung mit anderen Religionen fand aber bei mir erst statt, nachdem ich zu meinen eigenen Wurzeln zurueckgefunden hatte. Ich habe nie nach einer "Ersatzreligion" gesucht, in der Zeit, in der ich noch instabil war. Komischerweise habe ich mal zur Konvertierung zum Buddhismus nachgedacht, als ich gerade an sich sehr stabil im eigenen Glauben war. Das mag sich sehr paradox anhoeren, war aber an einen Auslandsaufenthalt und an die Feststellung gebunden, dass die meisten Menschen sich dort, obwohl sie Buddhisten waren, fuer meinen Begriff wesentlich christlicher verhalten haben als die meisten angeblichen Christen, die ich so kannte, und zwar deutlich wahrnehmbar im Alltag und nicht nur an Weihnachten und Ostern.
    Es gab dann aber doch einiges, was mich davon abgehalten hat - nicht zuletzt das Zugehoerigkeitsgefuehl zu meinem eigenen Kulturkreis und das Wissen darum, dass es gar nicht noetig ist, irgendwas zu aendern, da die Glaubengrundsaetze eigentlich in allen Religionen gleich sind, nur sind leider viel zu viele davon abgekommen, wissen zu wenig darueber oder haben sich letztlich anderen "Werten" zugewandt.

    Es gilt aber, diese Grundwerte aller Religionen in das taegliche Leben zu integrieren, und das geht nicht, wenn man einen beschraenkten Horizont hat (und das hat nichts mit Intelligenz zu tun!), und es geht auch nicht, wenn man im Glauben aengstlich ist, denn es erfordert Stabilitaet im eigenen Denken und Tun. Und genau darum regt es mich auch auf, wenn ich hoere und sehe, wie Menschen, die diese Grundwerte mit Fuessen treten, auch noch alle Tueren geoeffnet werden.

    Womit wir wieder beim Ausgangsthema waeren ...



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Uralt - 29.09.2006, 12:11


    Silje hat folgendes geschrieben:
    Aber ich bin auch der Meinung, bevor man sich nun bemüht , den Koran zu verstehen und die vielfältigen Interpretationen diskutiert, sollte man sich erst mal mit der eigenen Religion auseinandersetzen.
    Gruß,
    silje

    Ich bin als Kind in einem tätig-christlichen Elternhaus aufgewachsen ( evangelisch). Als Jugendliche hatte ich sehr große Zweifel und habe erst viel später wieder zu meiner Religion gefunden : In einer Partnerschaft mit einem Muslim. In der Auseinandersetzung über die beiden Religionen bin ich mir meiner Wurzeln bewußt geworden und habe nun lange Zeit in einer ökumenischen Basisgruppe neu gelernt. Ich behaupte von mir, dass ich über die christliche Relgion mehr weiß als "in die Kirche gehen" und "Lieder singen". Aber erst durch die Festigung in meiner eigenen Religion konnte ich den Blick über den Tellerrand werfen und mich wirklich positiv auseinandersetzen.
    Und - die Beziehung ist nicht gescheitert an der unterschiedlichen Religion, sondern an der unterschiedlichen Lebensweise und den mitgebrachten Traditionen von beiden Partnern.

    Liebe Grüße
    Uralt



    Re: Idomeneo/Berliner Oper

    Cleopatra - 29.09.2006, 15:51


    Ich habe in einem Fernsehbericht Aufnahmen der umstrittenen Szene gesehen und ich ganz persönlich fand sie abstossend.

    Ich halte mich für sehr tolerant und man darf viel gegen meinen Glauben einwenden. Aber ich möchte keinen guillotinierten Christuskopf sehen! Und auch die Häupter der anderen Religionsstifter müssen nicht auf einem Stuhl ausgestellt werden.

    Das bedeutet, dass ich diese Inszenierung nicht gut fände, wenn ich die Oper besuchen würde. ABER es grenzt in der Tat an die Schere der Zensur, wenn einige Gruppierungen solchen Druck ausüben, dass Inszenierungen abgesetzt werden.

    Was kann man aber dagegen tun? Liegt es nicht vielleicht auch an uns, dass wir so tolerant sind? Anmerkung: Ich finde das durchaus wichtig und würde mir das überall auf der Welt so wünschen, aber wollen wir alle Früchte unserer Toleranz ernten?

    Ich habe jedenfalls begonnen, auch deutlich zu sagen, wo meine religiösen Gefühle verletzt werden.

    Bei allen Auseinandersetzungen mit anderen Religionen und Ideologien ist mir jedenfalls eine Sache klar geworden. Ich lebe in einem Land, das unglaublich stark geprägt ist vom Christentum. Das kann man nicht leugnen und gerade wer sich mit Kunst beschäftigt, kommt um eine Auseinandersetzung mit dem Christentum nicht herum.

    Wunderbare Kunstwerke wurden von Menschen erschaffen, weil sie für den Gott, an den sie persönlich glaubten, unvergängliche Werke schaffen wollten. Viele Kunstwerke wurden von der Kirche in Auftrag gegeben. Aber viele Künstler hatten auch gar keine andere Wahl als für kirchliche Auftraggeber tätig zu sein.

    Michelangelo hätte liebend gerne auf die Ausmalung der Sixtina verzichtet - aber gegen einen Papst hatte er keine Chance. Im nachhinein sollte man Julius II. dankbar sein, aber auf der anderen Seite war er ein menschenverachtender Despot.

    Alles Ding hat also zwei Seiten. So auch die Geschichte mit der Inszenierung. Mir gefällt der Ansatz nicht - aber mein Kampfgeist ist geweckt und ich finde es unglaublich, dass aus vorauseilendem Gehorsam oder vielleicht eher vorauseilender Panik eine Oper vom Spielplan genommen wird!

    Leider können wir Mozart nicht fragen, was er dazu sagen würde. Das wäre für mich ein echtes Kriterium. Wenn er sagen würde: "So nicht!", dann wäre es ein triftiger Grund. Aber dieses Politikum ist kein triftiger Grund.

    Ich bin gespannt wie es ausgeht....



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