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Laclos, Choderlos de - Gefährliche Liebschaften




Laclos, Choderlos de - Gefährliche Liebschaften

Beitragvon marilu » 30.09.2006, 19:02

(Originaltitel: Les liaisons dangereuse)

Wieder ein Buch, das hier vorgestellt werden muss!!!
Sicher kennen einige die Verfilmungen als "Gefährliche Liebschaften" (mit Michelle Pfeiffer, Glenn Close und John Malkovich, die ich gerade gesehen habe :thumright:) oder "Eiskalte Engel" (Ryan Phillips, Reese Witherspoon). Ich kann nur sagen, lest die Vorlage und staunt über die Boshaftigkeit, den Zynismus und das psychologische Geschick des Autors!


Inhalt:

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»Diese "liaisons dangereuses" sind unter den erotischen und gesellschaftskritischen Romanen des französischen 18. Jahrhunderts vielleicht der klügste, kühlste, unsentimentalste. Literarisch und psychologisch glänzend, stellt er den Lebemann im damaligen Adel in letzter, zu äußerst verfeinerter und verteufelter Ausprägung dar, einen Mephisto des Salons und Napoleon der Erotik. Zu seiner Übersetzung hat Heinrich Mann ein sehr feines Vorwort geschrieben, eine glänzende Studie, in deren Schlußsätzen ein Stück Bekenntnis aufklingt.«
Hermann Hesse

Die bösen Helden sind die Marquise De Merteuil und der Vicomte De Valmont, die (vom Leben gelangweilt) ihren Zynismus in eine hoch entwickelte und mit kunstvollen Manieren ausgestattete Form von (un)menschlichem Ausdruck gebracht haben. Früher waren sie Liebhaber, gefallen sich aber jetzt gegenseitig mehr in der Rolle von Halbgöttern, deren gegenseitige Leidenschaft sich über den reinen Austausch von Sex und Emotion hinaus entwickelt hat. Wie in einem Ritual spielen sie ihre verdrehte Zuneigung aus, indem sie elaborierte Verschwörungen ausarbeiten, um die Leben ihrer weniger berechnenden Bekannten zu zerstören. Dabei fordern sie sich gegenseitig in immer exzentrischeren und heimtückischeren Manipulationen und Verrat heraus. Warum? Nun, ganz einfach, weil sie es können. Es ist ihre ganz eigene und pervertierte Art, ihre Kicks in der Sackgasse einer Kultur zu bekommen, die kurz vor der Revolution steht. Als der Vicomte feststellt, dass er von verwirrenden und echten Gefühlen zu einem seiner Opfer heimgesucht wird, betrachtet die Marquise dies als den ultimativen Verrat und plant ihre herzlose Rache.

Auszug
Du siehst, beste Freundin, ich halte Wort, und Hauben und Flitter nehmen mir nicht die ganze Zeit; ich behalte immer noch was für Dich. Und ich hab doch allein heute mehr Putz gesehn als in den vier Jahren, die wir zusammen waren; und die stolze Tanville wird sich, glaub ich, bei meinem ersten Besuch, wo ich sie ganz sicher rufen laß, mehr ärgern, als wir uns, ihrer Meinung nach, all die Male geärgert haben, wo sie in großem Staat bei uns angekommen ist. Mama hat mich bei allem um meine Meinung gefragt; sie behandelt mich längst nicht mehr so sehr als früher wie ein Schulmädchen. Ich habe meine eigene Kammerzofe, ferner ein Schlafzimmer und ein Kabinett, womit ich anfange, was ich mag, und ich schreibe Dir an einem wunderhübschen Sekretär, wovon ich den Schlüssel gekriegt habe und wo ich alles wegschließen kann, was ich will. Mama hat gesagt, ich soll sie alle Tage beim Aufstehen zu sehen kriegen, und es sei früh genug, wenn ich zum Mittagessen frisiert sei, weil wir doch immer allein wären und sie mir dann jeden Tag sagen würde, zu welcher Stunde ich nachmittags zu ihr kommen soll. Die übrige Zeit kann ich tun, was ich mag, ich habe auch eine Harfe zum Spielen und was zum Zeichnen und Bücher grade wie im Kloster, bloß daß Mutter Perpetua nicht dabeisteht und mich ausschilt und daß es bloß an mir liegt, wenn ich gar nichts tun will; aber da ich doch nicht mit meiner Sophie schwatzen und lachen kann, beschäftige ich mich lieber.

Zum Autor:

Pierre Ambroise Francois Choderlos de Laclos, geboren am 19.10. 1741 in Amiens, starb am 5.11.1803 in Tarent an einer Darminfektion. Er war Offizier, verlor aber sein Offizierspatent wegen einer Kritik am Vauban'schen Festungssystem (1786). Er war zeitweise Sekretär ses Duc d'Orléans. In der Französischen Revolution war er Jakobiner und arbeitete Robespierres Reden aus. Unter ANpoleo wurde er Artillerieoffizier, zuletzt Generalinspektor der französischen Südarmee. Berühmt wurde er durch den frivolen Briefroman "Les liaisons dangereuse". Verführung heißt das Thema dieses Romans, der die Sitten und die Verderbtheit der guten Gesellschaft vor dem Aufbruch der Französischen Revolution schildert. Der Vicomte de Valmont und die Marquise de Merteuil, die Hauptcharaktere ,zählen zu den abgefeimtesten Charakteren der Weltliteratur.

Meine Meinung:

Erstmal zu der Ausgabe, die ich hier vorstelle:
die Übersetzung von Heinrich Mann hat mir sehr gut gefallen! Dieser Briefroman liest sich flüssig (trotz seines Alters). 14 Kupferstiche veranschaulichen de erhabendsten und erschreckendsten Szenen des Buches.

Und nun zu dem Buch selbst. Ich habe selten etwas gelesen, das so böse ist (mit Ausnahme des "Grafen von Monte-Christo" vielleicht). Wir sehen hier einen Spiegel des Adels im 18. Jahrhundert.
Jahrhunderte, in denen der Adel tun und lassen konnte, was er wollte, gipfeln in dekadentem Lebensstil. Zwei Personen wetten aus Langeweile, Hochmut und Eitelkeit darum, eine unschuldige Frau zu zerstören. Der Gedanke daran, diese "gute Seele" zu korrumpieren, gibt ihrem sonst sinnfreien Leben so etwas wie einen Inhalt. Das Ausmaß an Rücksichtslosigkeit, Banalität und Ehrgeiz ist fast unfassbar.
Welch eine Überraschung auch für den Leser, als der Vicomte de Valmont feststellt, dass er fähig ist, Gefühle zu empfinden. Sein Umgang mit dieser sentimentalen Regung und das ständige Anwachsen derselben sind sehr lesenswert.
Der Zeitpunkt für das Entdecken seiner Menschlichkeit ist jedoch genauso ungünstig wie die Situation, in der er sie entdeckt, denn die Marquise de Meteuil kann nichts mehr erfreuen als ihren Rivalen am Boden zu sehen.

Obwohl das Buch ein erotischer Romann ist, steht für mich die Gesellschaftskritik im Mittelpunkt. Auf jeder Seite springt sie einem direkt ins Auge. Absolut fabelhaft! :clap:
Dieses Buch zählt eindeutig zu meinen ewigen "TopTen"!!! :laola:

:stern: :stern: :stern: :stern: :stern:

Bild

Die beiden oben erwähnten Filme setzen natürlich sehr unterschiedliche Akzente, ergreifen aber das wesentliche so gut, dass ich sie im "Filmethread" nicht mehr vorstellen werde. Sie sind ebenso wie die Romanvorlage wunderbar!
Zuletzt geändert von marilu am 14.04.2007, 18:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Katia » 30.09.2006, 19:49

Schon mein zweites negatives Posting heute:

Nein, ich mag dieses Buch nicht! Ich habe eine andere Übersetzung (Hans Kauders) als Marilu, allerdings ebenfalls mit Kupferstichen, wahrscheinlich denselben. Erotischer Roman? Nun gut, explizit wird er natürlich nie, viel verblüffender fand ich, wie böse die Protagonisten sind. Nur zum Vergnügen wird mit den Gefühlen, der Zunkunft, dem Glück eines jungen Mädchens gespielt. Dekadenz ist hier wirklich das richtige Wort. Die Briefromanform fand ich künstlich und nicht unbedingt leserfreundlich, das geht mir allerdings meistens so. Ich fand den Inhalt, die Gesellschaftskritik (die der Hauptpunkt des Romans ist, soweit sind wir uns einig) zu "veraltet" um wirklich Gefallen an dem Buch finden zu können, ich habe es aus historischem Interesse gelesen, aber für mich konnte ich nichts darin finden.

Schöne Rezi, Marilu, auch wenn wir über das Buch unterschiedlicher Meinung sind. Ach ja, die Filme kenne ich mal wieder nicht...

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Beitragvon marilu » 30.09.2006, 20:11

Katja,
ich wusste ja bereits aus dem BT, dass du mit dem Buch nicht warm wurdest.

Gerade Klassiker fördern sehr unterschiedliche Wahrnehmungen.
Mir hat das Buch wohl insbesondere deshalb so gut gefallen, weil ich kurz vor der Lektüre zusammen mit Freundinnen ein Referat über "Erotische Literatur" gehalten habe und dementsprechend viel über das Genre und seine Bedeutung wusste.
Wahrscheinlich habe ich das Buch deshalb mit ganz anderen Erwartungen gelesen. Mir war sehr bewusst, dass in der damaligen Zeit erotische Romane als Vehikel für Gesellschaftskritik benutzt wurden und nicht zum Vergnügen dienten. Gerade die Tatsache, dass diese Romane unter der Hand gehandelt wurden, verbreiteten die Kritik weiter als andere Schriften gekonnt hätten. Anders als Katia empfand ich die Briefform als sehr abwechslungsreich und passend.

Aber ich stimme Katia zu, dass Personen mit Interesse an historischen Lebensumständen hier eine reiche Fundgrube finden werden.
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Beitragvon Katia » 30.09.2006, 22:22

Mir war klar, dass es sich nicht um einen erotischen Roman in dem Sinne handelt, wie wir das heute verstehen. Ich muß zugeben, nicht viel Literatur gelesen zu haben, die vor 1800 geschrieben worden ist, und in dieselbe gesellschaftkritische Schiene fallen eigentlich nur Gullivers Reisen, die mir (bis auf den vierten Band) sehr, sehr gut gefallen haben.
Ich wußte vorher nicht sehr viel über das Buch, dass es seinerzeit skandalös war, und war sehr überrascht davon, wie böse es ist - ich habe das nicht vorher und nicht nachher gelesen, wie Menschen einfach nur aus Spaß so mit den Gefühlen und der Zukunft eines jungen Mädchens spielen. Für mich war das viel skandalöser als alle Erotik, die der Roman enthält.

Gerade habe ich nochmal unsere Postings im BT gelesen und festgestellt, dass ich da fast wörtlich dasselbe geschrieben habe wie gerade eben :roll:

Ich will übrigens auf keinen Fall abraten von diesem Buch, ich finde es gut, dass ich es gelesen habe, eben weil es ein interessantes Zeitdokument ist und auch wichtig für die Literaturgeschichte.

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