Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

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    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    Anonymous - 17.09.2006, 00:10


    :twisted: Lasst den Papst in Ruhe und lest was er sagt
    wenn Ihr dann was zu sagen habt merkt Ihr auf einmal das über 50 Staaten islamischer herkunft Scheisse labern und verurteilen
    wie doof muss man sein um den text so zu verstehn
    das war nur eine wiederholung sprich erklärung die ewig alt ist
    na ja ist halt eine frage von kultur und Bildung



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 17:45

    Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM
    „Glaube, Vernunft und Universität – Erinnerungen und Reflexionen“,

    Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.“ Vorlesung von Papst Benedikt an der Universität Regensburg.

    Regensburg (www.kath.net) Papst Benedikt XVI. hat am Dienstag kurz nach 17 Uhr an der Regensburger Universität eine Vorlesung zum Thema „Glaube, Vernunft und Universität – Erinnerungen und Reflexionen“ gehalten. Der Heilige Vater sprach vor Wissenschaftern und Studierenden. Wir dokumentieren die Vorlesung im Wortlaut.

    http://www.kath.net/detail.php?id=14655

    Sehr geehrte Damen und Herren!

    Es ist für mich ein bewegender Augenblick, noch einmal am Pult der
    Universität zu stehen und noch einmal eine Vorlesung halten zu dürfen.
    Meine Gedanken gehen dabei zurück in die Jahre, in denen ich an der
    Universität Bonn nach einer schönen Periode an der Freisinger Hochschule
    meine Tätigkeit als akademischer Lehrer aufgenommen habe. Es war –
    1959 – noch die Zeit der alten Ordinarien-Universität.

    Für die einzelnen Lehrstühle gab es weder Assistenten noch
    Schreibkräfte, dafür aber gab es eine sehr unmittelbare Begegnung mit
    den Studenten und vor allem auch der Professoren untereinander. In den
    Dozentenräumen traf man sich vor und nach den Vorlesungen. Die Kontakte
    mit den Historikern, den Philosophen, den Philologen und natürlich auch
    zwischen beiden Theologischen Fakultäten waren sehr lebendig.

    Es gab jedes Semester einen sogenannten Dies academicus, an dem sich
    Professoren aller Fakultäten den Studenten der gesamten Universität
    vorstellten und so ein wirkliches Erleben von Universitas möglich wurde:
    Daß wir in allen Spezialisierungen, die uns manchmal sprachlos
    füreinander machen, doch ein Ganzes bilden und im Ganzen der einen
    Vernunft mit all ihren Dimensionen arbeiten und so auch in einer
    gemeinschaftlichen Verantwortung für den rechten Gebrauch der Vernunft
    stehen – das wurde erlebbar.

    Die Universität war auch durchaus stolz auf ihre beiden Theologischen
    Fakultäten. Es war klar, daß auch sie, indem sie nach der Vernunft des
    Glaubens fragen, eine Arbeit tun, die notwendig zum Ganzen der
    Universitas scientiarum gehört, auch wenn nicht alle den Glauben teilen
    konnten, um dessen Zuordnung zur gemeinsamen Vernunft sich die Theologen
    mühen.

    Dieser innere Zusammenhalt im Kosmos der Vernunft wurde auch nicht
    gestört, als einmal verlautete, einer der Kollegen habe geäußert, an
    unserer Universität gebe es etwas Merkwürdiges: zwei Fakultäten, die
    sich mit etwas befaßten, was es gar nicht gebe – mit Gott. Daß es auch
    solch radikaler Skepsis gegenüber notwendig und vernünftig bleibt, mit
    der Vernunft nach Gott zu fragen und es im Zusammenhang der
    Überlieferung des christlichen Glaubens zu tun, war im Ganzen der
    Universität unbestritten.

    All dies ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich kürzlich den von
    Professor Theodore Khoury (Münster) herausgegebenen Teil des Dialogs
    las, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeologos wohl
    1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über
    Christentum und Islam und beider Wahrheit führte.

    Der Kaiser hat wohl während der Belagerung von Konstantinopel zwischen
    1394 und 1402 den Dialog aufgezeichnet; so versteht man auch, daß seine
    eigenen Ausführungen sehr viel ausführlicher wiedergegeben sind als die
    Antworten des persischen Gelehrten. Der Dialog erstreckt sich über den
    ganzen Bereich des von Bibel und Koran umschriebenen Glaubensgefüges und
    kreist besonders um das Gottes- und das Menschenbild, aber auch immer
    wieder notwendigerweise um das Verhältnis der „drei Gesetze“: Altes
    Testament – Neues Testament – Koran.

    In dieser Vorlesung möchte ich nur einen – im Aufbau des Dialogs eher
    marginalen – Punkt behandeln, der mich im Zusammenhang des Themas Glaube
    und Vernunft fasziniert hat und der mir als Ausgangspunkt für meine
    Überlegungen zu diesem Thema dient. In der von Professor Khoury
    herausgegebenen siebten Gesprächsrunde (???????? – Kontroverse) kommt
    der Kaiser auf das Thema des Djihad (heiliger Krieg) zu sprechen.

    Der Kaiser wußte sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in
    Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, in der
    Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte
    natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen –
    Bestimmungen über den heiligen Krieg.

    Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von
    „Schriftbesitzern“ und „Ungläubigen“ einzulassen, wendet er sich in
    erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem
    Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner.
    Er sagt: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du
    nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat,
    den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“.

    Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch
    Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und
    zum Wesen der Seele. „Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht
    vernunftgemäß (?? ????) zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der
    Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers.

    Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur
    guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um
    eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm,
    nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man
    jemanden mit dem Tod bedrohen kann…“.

    Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch
    Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes
    zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den
    Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewachsenen Byzantiner
    ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott
    absolut transzendent.

    Kommentar: Die „Evidenz eines Satzes“ in Gegensatz (hingegen) zu einem „absolut transzendenten Gott“ zu setzen ist an sich schon sehr eigenwillig und kaum nachvollziehbar. Diese gegensätzliche Verbindung aber auf die moslemische Lehre zu beziehen lässt nur den Schluss zu, dass eben die GEGENSÄTZLICHKEIT dabei zu betonen Absicht der Formulierung ist.

    Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der
    Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten
    französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn
    so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort
    gehalten sei und daß nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu
    offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Idolatrie treiben.

    Kommentar: Die Formulierungen „der Wille IHRES Gottes und UNSERE Kategorien“ definieren unüberwindbare Schranken – da damit ABSOLUT (da in Bezug auf Gott) festgestellt wird: Ihr GOTT ist nicht unser GOTT. Im Islam wird die Feststellung relativiert auf „Euer GLAUBE ist nicht unser GLAUBE“.
    Die Behauptung: „Gott (ALLAH) wäre nicht durch sein eigenes Wort gehalten“, ist nichts anderes als zu behaupten, der Gott der Muslime wäre „unter anderem“ ein wortbrüchiger Lügner (Gott bewahre). Ist mit „unser“, nicht katholische Kategorität“ sondern allgemein „menschliche“ gemeint – wird damit ausgesagt, dass nur Menschen, welchen die Vernunft kein Maßstab ist, solchem Gott anzuhängen bereit sind … in jedem Falle, kann man verstehen, allerdings ist der Gebrauch des weiten Verstandes dabei angezeigt, dass Muslime sich entweder beleidigt fühlen müssen und/oder ihr Glaube verfälscht dargestellt wird.

    Hier tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der
    konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz
    unmittelbar herausfordert. Ist es nur griechisch zu glauben, daß
    vernunftwidrig zu handeln dem Wesen Gottes zuwider ist, oder gilt das
    immer und in sich selbst? Ich denke, daß an dieser Stelle der tiefe
    Einklang zwischen dem, was im besten Sinn griechisch ist und dem auf der
    Bibel gründenden Gottesglauben sichtbar wird.

    Kommentar: Damit wird gesagt – hier scheiden sich die christlichen und muslimischen Geister im Denken und in ihrer Religionspraxis. Die einen (die Christen) werden vom Gott der Vernunft in ihrem Denken und Handeln geleitet und die anderen (die Muslime) wären einem potentiellen Lügner und Irrationalisten als Gott ausgeliefert. Der Qur’anvers (im Kontext betrachtet):
    „Niemandem steht es zu zu glauben, es sei denn mit Allahs Erlaubnis. Und Er läßt (Seinen) Zorn auf jene herab, die ihre Vernunft (dazu) nicht gebrauchen wollen.“ [10:100] zeigt gerade die Verknüpfung der Bestimmung Gottes, mit dem freien menschlichen Willen und der Vernunft in NUR einem einzigen Vers auf anschaulichste und möglichst verständliche Weise.

    Den ersten Vers der Genesis abwandelnd, hat Johannes den Prolog seines
    Evangeliums mit dem Wort eröffnet: Im Anfang war der Logos. Dies ist
    genau das Wort, das der Kaiser gebraucht: Gott handelt mit Logos. Logos
    ist Vernunft und Wort zugleich – eine Vernunft, die schöpferisch ist und
    sich mitteilen kann, aber eben als Vernunft. Johannes hat uns damit das
    abschließende Wort des biblischen Gottesbegriffs geschenkt, in dem alle
    die oft mühsamen und verschlungenen Wege des biblischen Glaubens an ihr
    Ziel kommen und ihre Synthese finden.

    Im Anfang war der Logos, und der Logos ist Gott, so sagt uns der
    Evangelist. Das Zusammentreffen der biblischen Botschaft und des
    griechischen Denkens war kein Zufall. Die Vision des heiligen Paulus,
    dem sich die Wege in Asien verschlossen und der nächtens in einem
    Gesicht einen Mazedonier sah und ihn rufen hörte: Komm herüber und hilf
    uns (Apg 16, 6 – 10) – diese Vision darf als Verdichtung des von innen
    her nötigen Aufeinanderzugehens zwischen biblischem Glauben und
    griechischem Fragen gedeutet werden.

    Dabei war dieses Zugehen längst im Gang. Schon der geheimnisvolle
    Gottesname vom brennenden Dornbusch, der diesen Gott aus den Göttern mit
    den vielen Namen herausnimmt und von ihm einfach das Sein aussagt, ist
    eine Bestreitung des Mythos, zu der der sokratische Versuch, den Mythos
    zu überwinden und zu übersteigen, in einer inneren Analogie steht.

    Der am Dornbusch begonnene Prozeß kommt im Innern des Alten Testaments
    zu einer neuen Reife während des Exils, wo nun der landlos und kultlos
    gewordene Gott Israels sich als den Gott des Himmels und der Erde
    verkündet und sich mit einer einfachen, das Dornbusch-Wort
    weiterführenden Formel vorstellt: „Ich bin’s.“

    Mit diesem neuen Erkennen Gottes geht eine Art von Aufklärung Hand in
    Hand, die sich im Spott über die Götter drastisch ausdrückt, die nur
    Machwerke der Menschen sind (vgl. Ps 115). So geht der biblische Glaube
    in der hellenistischen Epoche bei aller Schärfe des Gegensatzes zu den
    hellenistischen Herrschern, die die Angleichung an die griechische
    Lebensweise und ihren Götterkult erzwingen wollten, dem Besten des
    griechischen Denkens von innen her entgegen zu einer gegenseitigen
    Berührung, wie sie sich dann besonders in der späten Weisheits-
    Literatur vollzogen hat.

    Heute wissen wir, daß die in Alexandrien entstandene griechische
    Übersetzung des Alten Testaments – die Septuaginta – mehr als eine bloße
    (vielleicht wenig positiv zu beurteilende) Übersetzung des hebräischen
    Textes, nämlich ein selbständiger Textzeuge und ein eigener wichtiger
    Schritt der Offenbarungsgeschichte ist, in dem sich diese Begegnung auf
    eine Weise realisiert hat, die für die Entstehung des Christentums und
    seine Verbreitung entscheidende Bedeutung gewann.

    Zutiefst geht es dabei um die Begegnung zwischen Glaube und Vernunft,
    von rechter Aufklärung und Religion. Manuel II. hat wirklich aus dem
    inneren Wesen des christlichen Glaubens heraus und zugleich aus dem
    Wesen des Hellenistischen, das sich mit dem Glauben verschmolzen hatte,
    sagen können: Nicht „mit dem Logos“ handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider.

    Hier ist der Redlichkeit halber anzumerken, daß sich im Spätmittelalter
    Tendenzen der Theologie entwickelt haben, die diese Synthese von
    Griechischem und Christlichem aufsprengen. Gegenüber dem sogenannten
    augustinischen und thomistischen Intellektualismus beginnt bei Duns
    Scotus eine Position des Voluntarismus, die schließlich dahinführte zu
    sagen, wir kennten von Gott nur seine Voluntas ordinata.

    Jenseits davon gebe es die Freiheit Gottes, kraft derer er ja auch das
    Gegenteil von allem, was er getan hat, hätte machen und tun können. Hier
    zeichnen sich Positionen ab, die denen von Ibn Hazn durchaus nahekommen
    können und auf das Bild eines Willkür-Gottes zulaufen könnten, der auch
    nicht an die Wahrheit und an das Gute gebunden ist.

    Kommentar: Die Befehle Gottes im Alten Testament, Völker samt ihren Tieren auszurotten – ist nicht Hinweis auf die Willkürlichkeit Gottes? Ibn Hazm, als ein umstrittener muslimischer Theologe hat EINE extreme exegetische Position eingenommen, welche eben eine, doch nicht DIE islamische Position muslimischer Gelehrsamkeit bezeichnet.

    Die Transzendenz und die Andersheit Gottes werden so weit übersteigert,
    daß auch unsere Vernunft, unser Sinn für das Wahre und Gute kein
    wirklicher Spiegel Gottes mehr sind, dessen abgründige Möglichkeiten
    hinter seinen tatsächlichen Entscheiden für uns ewig unzugänglich und
    verborgen bleiben.

    Kommentar: Den muslimischen Gott mit Abgrundhaftigkeit zu belegen, die christliche, vielleicht auch menschliche (unsere) Vernunft als reines Spiegelbild des göttlichen Logos zu begreifen, scheint eher die muslimische Vorstellung in diesem Zusammenhang zu bestätigen, dass es sich bei solchen Denken um diabolische Selbstüberhebung, um die Beigesellung im eigentlichen Sinne handelt.

    Demgegenüber hat der kirchliche Glaube immer daran festgehalten, daß es
    zwischen Gott und uns, zwischen seinem ewigen Schöpfergeist und unserer
    geschaffenen Vernunft eine wirkliche Analogie gibt, in der zwar die
    Unähnlichkeiten unendlich größer sind als die Ähnlichkeiten, daß aber
    eben doch die Analogie und ihre Sprache nicht aufgehoben werden (vgl.
    Lat IV).

    (Kommentar: „Demgegenüber“ ist im Lichte obigen Verständnisses daher nicht wirklich angebracht (außer, um den Islam, der noch dazu falsch dargestellt wird, zu diskreditieren). Die islamische Auffassung, dass „Gott nichts gleich sei – oder auch nur ähnlich“ bezieht sich auf das absolute Wesen Gottes, nicht jedoch auf Seine Eigenschaften oder Namen. Zwar sind auch jene in ihrer Erhabenheit unerreicht, aber dennoch durch, besser gesagt NUR durch Analogie für den Menschen, den Gläubigen erfassbar.

    Dies, lieber Josef, ist und war immer die ISLAMISCHE Position - nämlich Transzendenz und Immanenz im ewigen Schöpfungsmoment vereint zu wissen, aber doch getrennt zu erkennen. Und darin liegt (göttliche, unfehlbare?) Impertinenz - dem (historischen) Islam eine unangemessene Position zuzuweisen, die man, geprägt von heutigem globalen Wahnsinn, allerdings nur allzugerne als wahr ansehen möchte - und die ISLAMISCHE Position zur KATHOLISCHEN zu machen und dabei zu verschweigen, dass die KATHOLISCHE Sicht sich offenbar der ISLAMISCHEN angepasst hat (Gepriesen Sei der Herr). Das wird Dir von beiden Seiten - wie man sieht und noch sehen wird - bedauerlicherweise ziemlich übel genommen.

    Doch - vielleicht wird man es zu deichseln wissen, daraus doch noch etwas FÜR die Menschheit und deren Bedürfnis und Recht nach "Frieden unter den Völkern" zu drehen. Unverschämt ist und bleibt es allemal - und würdig find ich`s auch nicht, Dein Vorgehen - doch der Mut dabei, verdient Respekt! Du hättest KLARERE und vor ALLEM EINDEUTIGERE Worte finden können und nicht ins brennende Öl noch zündelnde Rede giessen müssen. Oder ist's die von dunklen Zeiten her bekannte Taktik die dahinter steht: "Schürt die Gewalt, bis dass es nimmer geht - und hofft dann auf die reuige Umkehr der Menschen und Rückkehr zur Kirche - oder der Heimkehr zu Gott! = STIRB!?"
    Denn was hilft es, wenn die Philosophen, die Denker doch noch die Entschärfung im Fall zu stande bringen und die Völker nebstbei einander die Welt um die Ohren sprengen? Dein Vorgehen, Bruder Josef, und das der Selbstmordbomber ist einander analogisch durchaus entsprechend - und nicht unendlich in seinen Abstufungen voneinander getrennt. Kannst DU das verstehen? (Bei anderen wage ich nicht mal mehr auf Verständnis zu HOFFEN!)
    Doch vielleicht - wer weiss - ist doch - so wie Allah es Sich Selbst hat vorgeschrieben - "entgegen aller Vernunft" - Seine Barmherzigkeit vor Seiner Gerechtigkeit - für Seine Geschöpfe - im Diesseits erlebbar! Klar doch, oder?
    So möge der ALLMÄCHTIGE und BARMHERZIGE GOTT - ALLAH - der nach den Absichten Seiner Diener bemisst - diesen ihren guten Teil im Diesseits und im Jenseits zukommen lassen - und die Menschen, die sich leiten lassen, allesamt SEINEN schönen Weg führen. AMIN! Anmerkung von M.M.Hanel)


    Gott wird nicht göttlicher dadurch, daß wir ihn in einen reinen und
    undurchschaubaren Voluntarismus entrücken, sondern der wahrhaft
    göttliche Gott ist der Gott, der sich als Logos gezeigt und als Logos
    liebend für uns gehandelt hat und handelt. Gewiß, die Liebe „übersteigt“
    die Erkenntnis und vermag daher mehr wahrzunehmen als das bloße Denken
    (vgl. Eph 3, 19), aber sie bleibt doch Liebe des Gottes-Logos, weshalb
    christlicher Gottesdienst ????? ??????? ist – Gottesdienst, der im
    Einklang mit dem ewigen Wort und mit unserer Vernunft steht (vgl. Röm
    12, 1).

    Dieses hier angedeutete innere Zugehen aufeinander, das sich zwischen
    biblischem Glauben und griechischem philosophischem Fragen vollzogen
    hat, ist ein nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich
    entscheidender Vorgang, der uns auch heute in Pflicht nimmt. Wenn man
    diese Begegnung sieht, ist es nicht verwunderlich, daß das Christentum
    trotz seines Ursprungs und wichtiger Entfaltungen im Orient schließlich
    seine geschichtlich entscheidende Prägung in Europa gefunden hat.

    Kommentar: Woran kann man das erkennen? Dass die entscheidende Prägung (der Kirche) des „Christentums“ eine CHRISTLICHE war? An dem, was den Arianern, Azteken, den Sioux und Apachen, den Franzosen, den Protestanten, den Juden, den Deutschen, den Russen, den Hutus und Tutsis, den Irakern (nach zeitlicher Abfolge geordnet) im Namen des Christentums geschah? An der Gesamtlage der Menschheit (kurz vor der ökologisch-okonomischen Apokalypse stehend), welche von der größten Religionsgemeinschaft (dem Christentum) spirituell in den globalen Holocaust geführt wird? Und wenn schon nicht dahin geführt wird, so doch KEINERLEI ernstzunehmende HANDLUNGEN erkennen lässt, diesen zu verhindern?! Nun – ENTSCHEIDEND war die Prägung allemal, das ist und bleibt korrekt.

    Wir können auch umgekehrt sagen: Diese Begegnung, zu der dann noch das
    Erbe Roms hinzutritt, hat Europa geschaffen und bleibt die Grundlage
    dessen, was man mit Recht Europa nennen kann. Der These, daß das
    kritisch gereinigte griechische Erbe wesentlich zum christlichen Glauben
    gehört, steht die Forderung nach der Enthellenisierung des Christentums
    entgegen, die seit dem Beginn der Neuzeit wachsend das theologische
    Ringen beherrscht. Wenn man näher zusieht, kann man drei Wellen des
    Enthellenisierungsprogramms beobachten, die zwar miteinander verbunden,
    aber in ihren Begründungen und Zielen doch deutlich voneinander
    verschieden sind.

    Die Enthellenisierung erscheint zuerst mit den Grundanliegen der
    Reformation des 16. Jahrhunderts verknüpft. Die Reformatoren sahen sich
    angesichts der theologischen Schultradition einer ganz von der
    Philosophie her bestimmten Systematisierung des Glaubens gegenüber,
    sozusagen einer Fremdbestimmung des Glaubens durch ein nicht aus ihm
    kommendes Denken. Der Glaube erschien dabei nicht mehr als lebendiges
    geschichtliches Wort, sondern eingehaust in ein philosophisches System.
    Das Sola Scriptura sucht demgegenüber die reine Urgestalt des Glaubens,
    wie er im biblischen Wort ursprünglich da ist.

    Metaphysik erscheint als eine Vorgabe von anderswoher, von der man den
    Glauben befreien muß, damit er ganz wieder er selber sein könne. In
    einer für die Reformatoren nicht vorhersehbaren Radikalität hat Kant mit
    seiner Aussage, er habe das Denken beiseite schaffen müssen, um dem
    Glauben Platz zu machen, aus diesem Programm heraus gehandelt. Er hat
    dabei den Glauben ausschließlich in der praktischen Vernunft verankert
    und ihm den Zugang zum Ganzen der Wirklichkeit abgesprochen.

    Die liberale Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts brachte eine zweite
    Welle im Programm der Enthellenisierung mit sich, für die Adolf von
    Harnack als herausragender Repräsentant steht. In der Zeit, als ich
    studierte, wie in den frühen Jahren meines akademischen Wirkens war
    dieses Programm auch in der katholischen Theologie kräftig am Werk.

    Pascals Unterscheidung zwischen dem Gott der Philosophen und dem Gott
    Abrahams, Isaaks und Jakobs diente als Ausgangspunkt dafür. In meiner
    Bonner Antrittsvorlesung von 1959 habe ich mich damit
    auseinanderzusetzen versucht. Dies alles möchte ich hier nicht neu
    aufnehmen. Wohl aber möchte ich wenigstens in aller Kürze versuchen, das
    unterscheidend Neue dieser zweiten Enthellenisierungswelle gegenüber der
    ersten herauszustellen.

    Als Kerngedanke erscheint bei Harnack die Rückkehr zum einfachen
    Menschen Jesus und zu seiner einfachen Botschaft, die allen
    Theologisierungen und eben auch Hellenisierungen voraus liege: Diese
    einfache Botschaft stelle die wirkliche Höhe der religiösen Entwicklung
    der Menschheit dar. Jesus habe den Kult zugunsten der Moral
    verabschiedet. Er wird im letzten als Vater einer menschenfreundlichen
    moralischen Botschaft dargestellt.

    Kommentar: Harnacks Aussage wird wohl von den Muslimen geteilt. Bloss ein (t) wäre noch einzufügen.

    Dabei geht es im Grunde darum, das Christentum wieder mit der modernen
    Vernunft in Einklang zu bringen, eben indem man es von scheinbar
    philosophischen und theologischen Elementen wie etwa dem Glauben an die
    Gottheit Christi und die Dreieinheit Gottes befreie. Insofern ordnet die
    historisch-kritische Auslegung des Neuen Testaments die Theologie wieder
    neu in den Kosmos der Universität ein: Theologie ist für Harnack
    wesentlich historisch und so streng wissenschaftlich.

    Kommentar: Ist nun europäische Vernunft doch nicht mit der katholischen vereinbar?

    Was sie auf dem Weg der Kritik über Jesus ermittelt, ist sozusagen
    Ausdruck der praktischen Vernunft und damit auch im Ganzen der
    Universität vertretbar. Im Hintergrund steht die neuzeitliche
    Selbstbeschränkung der Vernunft, wie sie in Kants Kritiken klassischen
    Ausdruck gefunden hatte, inzwischen aber vom naturwissenschaftlichen
    Denken weiter radikalisiert wurde.

    Diese moderne Auffassung der Vernunft beruht auf einer durch den
    technischen Erfolg bestätigten Synthese zwischen Platonismus
    (Cartesianismus) und Empirismus, um es verkürzt zu sagen. Auf der einen
    Seite wird die mathematische Struktur der Materie, sozusagen ihre innere
    Rationalität vorausgesetzt, die es möglich macht, sie in ihrer Wirkform
    zu verstehen und zu gebrauchen: Diese Grundvoraussetzung ist sozusagen
    das platonische Element im modernen Naturverständnis.

    Auf der anderen Seite geht es um die Funktionalisierbarkeit der Natur
    für unsere Zwecke, wobei die Möglichkeit der Verifizierung oder
    Falsifizierung im Experiment erst die entscheidende Gewißheit liefert.
    Das Gewicht zwischen den beiden Polen kann je nachdem mehr auf der einen
    oder der anderen Seite liegen. Ein so streng positivistischer Denker wie
    J. Monod hat sich als überzeugter Platoniker bzw. Cartesianer bezeichnet.

    Dies bringt zwei für unsere Frage entscheidende Grundorientierungen mit
    sich. Nur die im Zusammenspiel von Mathematik und Empirie sich ergebende
    Form von Gewißheit gestattet es, von Wissenschaftlichkeit zu sprechen.
    Was Wissenschaft sein will, muß sich diesem Maßstab stellen. So
    versuchen dann auch die auf die menschlichen Dinge bezogenen
    Wissenschaften wie Geschichte, Psychologie, Soziologie, Philosophie sich
    diesem Kanon von Wissenschaftlichkeit anzunähern.

    Wichtig für unsere Überlegungen ist aber noch, daß die Methode als
    solche die Gottesfrage ausschließt und sie als unwissenschaftliche oder
    vorwissenschaftliche Frage erscheinen läßt. Damit aber stehen wir vor
    einer Verkürzung des Radius von Wissenschaft und Vernunft, die in Frage
    gestellt werden muß. Darauf werden wir zurückkommen. Einstweilen bleibt
    festzustellen, daß bei einem von dieser Sichtweise her bestimmten
    Versuch, Theologie „wissenschaftlich“ zu erhalten, vom Christentum nur
    ein armseliges Fragmentstück übrigbleibt.

    Kommentar: Da widersprechen die Muslime nicht.

    Aber wir müssen mehr sagen: Der Mensch selbst wird dabei verkürzt. Denn
    die eigentlich menschlichen Fragen, die nach unserem Woher und Wohin,
    die Fragen der Religion und des Ethos können dann nicht im Raum der
    gemeinsamen, von der „Wissenschaft“ umschriebenen Vernunft Platz finden
    und müssen ins Subjektive verlegt werden. Das Subjekt entscheidet mit
    seinen Erfahrungen, was ihm religiös tragbar erscheint, und das
    subjektive „Gewissen“ wird zur letztlich einzigen ethischen Instanz.

    So aber verlieren Ethos und Religion ihre gemeinschaftsbildende Kraft
    und verfallen der Beliebigkeit. Dieser Zustand ist für die Menschheit
    gefährlich: Wir sehen es an den uns bedrohenden Pathologien der Religion
    und der Vernunft, die notwendig ausbrechen müssen, wo die Vernunft so
    verengt wird, daß ihr die Fragen der Religion und des Ethos nicht mehr
    zugehören. Was an ethischen Versuchen von den Regeln der Evolution oder
    von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht ganz einfach nicht aus.

    Kommentar: Auch hierbei stimmen die Muslime – grob gesagt – zu.

    Bevor ich zu den Schlußfolgerungen komme, auf die ich mit alledem hinaus
    will, muß ich noch kurz die dritte Enthellenisierungswelle andeuten, die
    zurzeit umgeht. Angesichts der Begegnung mit der Vielheit der Kulturen
    sagt man heute gern, die Synthese mit dem Griechentum, die sich in der
    alten Kirche vollzogen habe, sei eine erste Inkulturation des
    Christlichen gewesen, auf die man die anderen Kulturen nicht festlegen
    dürfe.

    Ihr Recht müsse es sein, hinter diese Inkulturation zurückzugehen auf
    die einfache Botschaft des Neuen Testaments, um sie in ihren Räumen
    jeweils neu zu inkulturieren. Diese These ist nicht einfach falsch, aber
    doch vergröbert und ungenau. Denn das Neue Testament ist griechisch
    geschrieben und trägt in sich selber die Berührung mit dem griechischen
    Geist, die in der vorangegangenen Entwicklung des Alten Testaments
    gereift war.

    Gewiß gibt es Schichten im Werdeprozeß der alten Kirche, die nicht in
    alle Kulturen eingehen müssen. Aber die Grundentscheidungen, die eben
    den Zusammenhang des Glaubens mit dem Suchen der menschlichen Vernunft
    betreffen, die gehören zu diesem Glauben selbst und sind seine ihm
    gemäße Entfaltung.

    Damit komme ich zum Schluß. Die eben in ganz groben Zügen versuchte
    Selbstkritik der modernen Vernunft schließt ganz und gar nicht die
    Auffassung ein, man müsse nun wieder hinter die Aufklärung zurückgehen
    und die Einsichten der Moderne verabschieden. Das Große der modernen
    Geistesentwicklung wird ungeschmälert anerkannt: Wir alle sind dankbar
    für die großen Möglichkeiten, die sie dem Menschen erschlossen hat und
    für die Fortschritte an Menschlichkeit, die uns geschenkt wurden.

    Das Ethos der Wissenschaftlichkeit ist im übrigen Wille zum Gehorsam
    gegenüber der Wahrheit und insofern Ausdruck einer Grundhaltung, die zu
    den Grundentscheiden des Christlichen gehört. Nicht Rücknahme, nicht
    negative Kritik ist gemeint, sondern um Ausweitung unseres
    Vernunftbegriffs und -gebrauchs geht es. Denn bei aller Freude über die
    neuen Möglichkeiten des Menschen sehen wir auch die Bedrohungen, die aus
    diesen Möglichkeiten aufsteigen und müssen uns fragen, wie wir ihrer
    Herr werden können.

    Wir können es nur, wenn Vernunft und Glaube auf neue Weise
    zueinanderfinden; wenn wir die selbstverfügte Beschränkung der Vernunft
    auf das im Experiment Falsifizierbare überwinden und der Vernunft ihre
    ganze Weite wieder eröffnen. In diesem Sinn gehört Theologie nicht nur
    als historische und humanwissenschaftliche Disziplin, sondern als
    eigentliche Theologie, als Frage nach der Vernunft des Glaubens an die
    Universität und in ihren weiten Dialog der Wissenschaften hinein.

    Nur so werden wir auch zum wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen
    fähig, dessen wir so dringend bedürfen. In der westlichen Welt herrscht
    weithin die Meinung, allein die positivistische Vernunft und die ihr
    zugehörigen Formen der Philosophie seien universal. Aber von den tief
    religiösen Kulturen der Welt wird gerade dieser Ausschluß des Göttlichen
    aus der Universalität der Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten
    Überzeugungen angesehen.

    Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den
    Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen.

    Kommentar: Uneingeschränkte Zustimmung aus den Reihen der Muslime ist zu dieser Aussage zu erwarten.

    Dabei trägt, wie ich zu zeigen versuchte, die moderne
    naturwissenschaftliche Vernunft mit dem ihr innewohnenden platonischen
    Element eine Frage in sich, die über sie und ihre methodischen
    Möglichkeiten hinausweist.

    Sie selber muß die rationale Struktur der Materie wie die Korrespondenz
    zwischen unserem Geist und den in der Natur waltenden rationalen
    Strukturen ganz einfach als Gegebenheit annehmen, auf der ihr
    methodischer Weg beruht. Aber die Frage, warum dies so ist, die besteht
    doch und muß von der Naturwissenschaft weitergegeben werden an andere
    Ebenen und Weisen des Denkens – an Philosophie und Theologie.

    Für die Philosophie und in anderer Weise für die Theologie ist das Hören
    auf die großen Erfahrungen und Einsichten der religiösen Traditionen der
    Menschheit, besonders aber des christlichen Glaubens, eine
    Erkenntnisquelle, der sich zu verweigern eine unzulässige Verengung
    unseres Hörens und Antwortens wäre. Mir kommt da ein Wort des Sokrates
    an Phaidon in den Sinn.

    In den vorangehenden Gesprächen hatte man viele falsche philosophische
    Meinungen berührt, und nun sagt Sokrates: Es wäre wohl zu verstehen,
    wenn einer aus Ärger über so viel Falsches sein übriges Leben lang alle
    Reden über das Sein haßte und schmähte. Aber auf diese Weise würde er
    der Wahrheit des Seienden verlustig gehen und einen sehr großen Schaden
    erleiden.

    Der Westen ist seit langem von dieser Abneigung gegen die grundlegenden
    Fragen seiner Vernunft bedroht und kann damit nur einen großen Schaden
    erleiden. Mut zur Weite der Vernunft, nicht Absage an ihre Größe – das
    ist das Programm, mit dem eine dem biblischen Glauben verpflichtete
    Theologie in den Disput der Gegenwart eintritt.

    Kommentar: Dazu ist die Kooperation der Muslime durchaus zu erwarten – doch nur in Ausnahmefällen in der Rolle als Steigbügelhalter und Knappe.

    „Nicht vernunftgemäß (mit dem Logos) handeln ist dem Wesen Gottes
    zuwider“, hat Manuel II. von seinem christlichen Gottesbild her zu
    seinem persischen Gesprächspartner gesagt.

    Kommentar: Warum wird uns die Antwort seines Gesprächspartners vorenthalten? Sie kann – wenn der Geist des Islams nicht der Vergewaltigung unterzogen wurde, im Sinn nicht anders lauten als: „Subhanallah - Dies ist wohl ein Beweis, dass Eurer Gott und unser Gott – ALLAH – der EINZIGE ist!“

    In diesen großen Logos, in
    diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere
    Gesprächspartner ein. Sie selber immer wieder zu finden, ist die große
    Aufgabe der Universität.

    Kommentar: Diese Einladung sprechen die Muslime schon seit 1400 Jahren aus. Gerne unterstützen wir auch die Universität bei der ihr hiermit übertragenen Aufgabe. Doch rechnen wir nicht mit der Annahme dieser Einladung und des Angebots.



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 17:46


    Islamkritik
    Ein Papst gibt sich geschlagen

    Kein Papst hat sich mehr um den Dialog der Kulturen bemüht und den Westen härter kritisiert. Und dennoch musste sich Benedikt XVI. jetzt dafür entschuldigen, dass er bewusst missverstanden wurde. Die Fanatiker triumphieren. Ein Plädoyer für klare Worte.

    http://www.welt.de/data/2006/09/17/1039759.html


    UMSTRITTENE PAPSTÄUSSERUNGEN


    Die neuerlichen Äusserungen des Papstes, mit denen Benedikt den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos aus dem 14. Jahrhundert zitiert, stossen bei den Muslimen weltweit auf Ablehnung und entfachen wie bereits die Karikaturen in Dänemark zuvor eine hasserfüllte Stimmung und unterstützen eine bewusst lancierte Kampagne gegen den Islam und seine Gläubigen.
    Interessant hierbei ist es jedoch vor allem zu beobachten, wie der Westen auf solche Äusserungen reagiert. Für viele stellen diese lediglich die Aufforderungen zum Dialog dar, allerdings aus einer rein kritischen Haltung; hierzu seien die Muslime laut westlichen Journalisten jedoch nicht in der Lage, da sie wieder einmal nur überempfindlich, überhitzt und aggressiv drohend reagieren würden. Man spricht auch von der wütenden Antwort der muslimischen Massen. Hier wird das Opfer als Täter dargestellt, dass ja selber schuld sei an solchen Vorkommnissen.

    Der Besuch des Papstes in Deutschland war nicht ein Besuch des ganzen Deutschlands, sondern ein Besuch Bayerns. Die Antworten von Frau Merkel, Herrn Stoiber und Co. auf die als Beleidigung empfundenen Zitate sind irreführend und blödsinnig, da diese seine Aussagen verharmlosen und es gleichzeitig bedeutet, dass sie ihm zustimmen.
    Es ist gleichermassen eine Arroganz und Überheblichkeit mancher westlicher Medienleute und auch Politiker wie Stoiber und Merkel zu behaupten, 1,3 Milliarden Muslime auf der Welt hätten wieder einmal alles falsch verstanden. Eine grosse deutsche Tageszeitung des Boulevard in Deutschland unterstützt diese These, indem sie darzulegen versucht, dass Vertreter der Muslime z.B. in der Türkei zugeben, den ganzen Text des Papstes gar nicht richtig gelesen zu haben.

    Der jetzige Papst als ehemaliger Chef der Glaubenskongregation im Vatikan war stets bekannt als Hardliner; doch in der jetzigen Position wäre es spätestens angebracht, Toleranz zu predigen und den seit einigen Jahrzehnten mühsam geführten Dialog zwischen dem Vatikan und den Muslimen nicht leichtsinnig durch solches Fehlverhalten aufs Spiel zu setzen.
    Er muss seine Wortwahl genauer denn je abwägen, dies fordert sein Beruf als ehemaliger Professor und nun als Papst mit weitreichender Macht und der Möglichkeit zur Meinungsmache für viele Gläubige.
    Spricht er den Muslimen die Vernunft ab, so soll er nicht vergessen, dass die Scheiterhaufen der Inquisition nicht gerade Freudenfeuer der Vernunft waren. Und wer das orthodoxe Byzanz als Kronzeugen heranzieht, wird sich auch an den vierten Kreuzzug von 1204 erinnern lassen müssen, bei dem die päpstlichen Horden den Byzantinern ihren orthodoxen Kopf abschlugen, als diese sich weigerten, einen katholischen aufzusetzen ( Zitat Eberhard Fehre, Westdeutsche Zeitung).
    Und wo war die Vernunft der Kirche, als Hitler einige Millionen Menschen mehrheitlich jüdische, vernichten liess? Die Muslime haben dies noch nie in Verbindung mit dem Christentum gebracht
    Präsident Bush hat innerhalb der letzten 3 Jahre dafür gesorgt, dass weit über 50 000 Menschen allein im Irak ums Leben gekommen sind und noch 4fach mehr Verletzte; später stellte sich dann heraus, dass alle seine Behauptungen und Begründungen für den Kampf gegen den von ihm sogenannten islamischen Faschismus falsch waren. Haben Muslime es gewagt, wegen des Irakkriegs eine ganze Religion anzuklagen oder in Verruf zu bringen?


    Wieder sprach er hier von Kreuzzug. Bush und seine jetzige Regierung werden hierfür verantwortlich gemacht, Muslime differenzieren sehr genau zwischen einigen Regierungschefs und deren Religionszugehörigkeit.
    Kreuzzüge in Palästina und der Versuch, die sogenannten Heiden dort zum Katholizismus zu bekehren und die Diskriminierung anderer Religionen unter Segnung des Papst Urban gehören ebenfalls in dieses Schema. Wer hat hier das Schwert eingesetzt?
    Und als die Muslime Andalusien verlassen mussten, wurden innerhalb kurzer Zeit 100 000 von ihnen umgebracht und die Strassen waren blutüberströmt; gibt es in der islamischen Geschichte ähnliches wie ja immer wieder behauptet wird?
    Die Kolonialmächte überall in Afrika und Südamerika und speziell in Südafrika sind mit der Pistole in der einen und der Bibel in der anderen Hand in diese Regionen gegangen, was Rassismus und Diskriminierung der Einheimischen zur Folge hatte;
    hier können noch vielerlei Beispiele herangezogen werden (Algerien leidet bis heute unter den Folgen des Imperialismus ).

    Schlussfolgerung:
    Versucht der Papst nicht die Probleme der katholischen Kirche wie die Flucht der Mitglieder seiner Gemeinde, das Image seiner Priester und Kardinäle sowie die Säkularisierung westlicher Gesellschaften zu verdrängen und nicht anzusprechen, in dem er mit verbalen Gewehrkugeln auf andere Religionen schiesst?
    Neben der Orthodoxie, die er ebenfalls sehr scharf angegriffen hat nach der Ernennung zum Pontifex, gebühren anderen Religionen auch Anerkennung und Respekt. Es ist für die Muslime eine Selbstverständlichkeit.


    http://www.zeit.de/online/2006/38/kommentar-rede-benedikt
    ZEIT online 15.9.2006 - 17:36 Uhr
    Zu nonchalant

    Ein Papst darf mit seinen Äußerungen nicht provozieren.
    Ein Kommentar zur Debatte um die Rede von Benedikt XVI. Von Jan Roß
    Papst Benedikt XVI. im Dom von Freising
    © Kay Nietfeld/dpa

    Ist das der nächste Karikaturenstreit, ein neuer globaler Kultur- und Religionskonflikt wie der Skandal über die respektlosen satirischen Darstellungen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung? Papst Benedikt XVI. ist unter massive muslimische Kritik für seine Regensburger Äußerungen über den Islam geraten. Der Papst will im November in die Türkei reisen; im Augenblick muss man zweifeln, ob der Besuch zustandekommen kann. Joseph Ratzinger ist dort ohnehin nicht sonderlich willkommen, weil er sich noch als Kardinal ungewöhnlich deutlich gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft ausgesprochen hat. Die Sorge reicht aber weit über irgendwelche diplomatischen Verstimmungen hinaus; die Angst geht um, es könne der Startschuss für eine gefährliche nächste Runde im „clash of civilizations“ gefallen sein.

    Es ist wichtig festzuhalten, was der Papst gesagt und was er nicht gesagt hat. Benedikt XVI. hat einen byzantinischen Kaiser der Zeit um 1400 mit feindseligen Bemerkungen über Mohammed zitiert; er hat sich diese Bemerkungen nicht zu eigen gemacht. Der Papst hat auf seiner Bayern-Reise Respekt vor der Religion gefordert, auch vor der Religion der anderen; seine Appelle zu mehr Ehrfurcht vor dem Heiligen waren ganz offenkundig eine nachträgliche pro-muslimische Stellungnahme zum Karikaturenstreit.

    Trotzdem ist die jetzige Aufregung keineswegs grundlos. Der Papst mag den ruppigen Angriff auf Mohammed nur zitiert haben. Dass er das Christentum dem Islam für überlegen hält, versteht sich von selbst. Aber er hat diese Überlegenheit mit der Vernünftigkeit des Christentums begründet, und er hat umgekehrt eine gewisse Irrationalität im Gottesbild des Islam mit dem Problem der religiös motivierten Gewalt in Verbindung gebracht. Mohammed – Heiliger Krieg – Terror: die Verbindungslinien wurden nicht wirklich anklägerisch gezogen, aber doch gewissermaßen schraffiert. Das war provozierend.

    Und provozieren darf ein Papst nicht. Es ist durchaus nicht verkehrt, den Dialog der Kulturen und Religionen auf eine etwas realistischere, härtere Basis zu stellen als unter Johannes Paul II., der hier ein bisschen zu großzügig weltumarmend war. Es ist auch nicht verkehrt, die christliche Identität zu stärken und zu meinen, dass man mit Andersgläubigen nur ins Gespräch kommen wird, wenn man selbst an etwas glaubt. Seine Weltreligionspolitik in diesem Sinne neu auszurichten, ist offenbar eine bewusste Entscheidung von Benedikt XVI. Aber die nonchalante Art, mit der er in seiner Regensburger Vorlesung gelehrten Religionsvergleich getrieben hat, hätte ihm nicht unterlaufen dürfen. Ein Papst kann nicht einfach wieder in die Professorenrolle schlüpfen und die Unverbindlichkeit der akademischen Freiheit genießen, ein Papst ist immer der Papst und muss seine Worte wägen. Man kann nur hoffen, dass kein größerer Schaden daraus entsteht.



    http://www.jungewelt.de/2006/09-15/005.php


    15.09.2006 / Ansichten / Seite 2

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    »Katholizismus ist die infantilste Religion«

    Der Übergangspapst ist abgereist, der Junior-Papst bleibt Ministerpräsident in Bayern. Und es droht ein Rückfall ins Mittelalter. Ein Gespräch mit Horst Herrmann
    * Horst Herrmann wurde nach einer Priesterausbildung 1970 Professor für katholisches Kirchenrecht an der Universität Münster. 1975 entzog ihm die deutsche Bischofskonferenz die Lehrbefugnis. Von 1981 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005 hatte er in Münster einen Lehrstuhl für Soziologie inne. Herrmann ist Mitglied des PEN-Clubs und Autor zahlreicher kirchenkritischer Bücher.

    Der Papst hat am gestrigen Donnerstag seinen Deutschland-Besuch beendet. Ist die Beobachtung richtig, daß er zwar viel über den Glauben, aber nichts zu Problemen unserer Zeit gesagt hat?


    Er hat viel in Glauben gemacht – aber alle wichtigen Aussagen vermieden. Zu innerkirchlichen Problemen kam auch nichts Neues, er ist halt verkrustet, nur ein Übergangspapst. Das Wort »Deutschland-Besuch« ist übrigens weit übertrieben, es war ein Bayern-Besuch, bei dem er Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) die Gelegenheit gab, sich als Junior-Papst aufzuspielen.

    Der Papst hat einen starken Akzent auf die Marienverehrung gelegt ...


    Wenn man die Kirchengeschichte kennt, überrascht einen das nicht. Die Marienverehrung steht heute in allen Brennpunkten des Katholizismus hoch im Kurs – warum also nicht auch in Altötting? Da kann man sich an die große Mutter wenden, die beim großen Vater um all das bittet, was der kleine infantile Katholik gerne hätte.

    Der Weltjugendtag, zu dem der Papst vergangenes Jahr nach Köln kam, wurde von fast einer Million jungen Leuten besucht. Zu seinen Messen in Bayern erschienen Hunderttausende. Ist das nicht ein Indiz für eine Renaissance des katholischen Glaubens?


    Für Soziologen ist das nachvollziehbar. Das Pendel schlägt zur anderen Seite aus. Die Geschichte der Menschheit zeigt, daß religiöse Phänomene nicht so schnell und vor allem nicht durch Aufklärung beseitigt werden. Nicht nur in den Tiefen der Bayernherzen, sondern weit darüber hinaus werden Emotionen angesprochen, nicht zuletzt auch durch die uns fremdartig anmutende Folklore des Katholizismus.

    Das hört sich bedrohlich an – droht uns jetzt ein Rückfall in die frömmelnd-verlogene Atmosphäre der 50er und Anfang der 60er Jahre? Immerhin hat Stoiber ja die Einführung von Schulgebeten gefordert.


    Nicht nur das, auch die Gesetze über Gotteslästerung sollen verschärft werden. Ich gehe sogar davon aus, daß die Gräber von uns Kirchenkritikern in 50, 60 Jahren geschändet werden, daß man unsere Namen aus den Grabsteinen auskratzt. Es ist einfach lächerlich, 200 Jahre nach Kant und 150 Jahre nach Hegel, Darwin und Nietzsche so ein dummes Zeug hören zu müssen, das sich in den mittelalterlichen Denkgrenzen hält. Das beste Beispiel dafür sind die Reden dieses Papstes, der als Intellektueller weit überschätzt wird. Ratzinger war früher mal Professor – aber als Angehöriger dieser Zunft bestreite ich, daß das mit Intellektualität gleichzusetzen ist. Wenn jemand wie er allen Ernstes behauptet, die Schöpfungslehre könne nicht widerlegt werden, dann hat er von Wissenschaftstheorie nicht die geringste Ahnung. Ich weiß gar nicht, wie sich ein so ausgestatteter Mensch überhaupt als Professor halten konnte. Wer z. B. behauptet, die Welt sei von Gott geschaffen, muß es auch beweisen und nicht von Kritikern dieser Aussage fordern, sie zu widerlegen. Genausogut könnte man die Existenz des Ungeheuers von Loch Ness behaupten und von den Kritikern verlangen, daß sie Beweise für seine Nichtexistenz vorlegen.

    Es ist mir unbegreiflich, wie jemand einen solchen Unsinn von sich geben kann. So etwas würde ich nicht einmal einem Philosophiestudenten im ersten Semester durchgehen lassen.

    Die Theologin Uta Ranke-Heinemann hat den Papst als Verbrecher bezeichnet, weil er mit seinem kirchlichen Kondomverbot für den AIDS-Tod Tausender Menschen verantwortlich ist. Teilen Sie diese Ansicht?


    Das habe ich schon vor 20 Jahren in einer Fernsehdiskussion über den Papst Johannes Paul II. gesagt. Im Gegensatz zu heute hat sich damals aber niemand über eine derartige Aussage aufgeregt. Auch daran sieht man, wie die öffentliche Meinung umgeschlagen ist. Wir dürfen nicht vergessen, daß sich eine derartige kriminelle Energie durch die gesamte Geschichte des Papsttums zieht. Da der Katholizismus die infantilste Religion der Menschheit ist, glauben viele Schafe alles, was aus Rom kommt.

    Interview: Peter Wolter

    __._,_.___

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,437299,00.html
    15. September 2006





    http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/aktuell/art297,711480.html?fCMS=42d878380b95fa6f70047956c59b3a85
    MÜNCHNER MERKUR
    16.09.2006 00:01

    Khoury: Keine Kampfansage an den Islam

    Religions-Experte: Entschuldigung des Papstes unnötig

    Der Streit um die Islam-Äußerungen des Papstes schlägt hohe Wellen. Wir sprachen mit dem Religionswissenschaftler, katholischen Priester und Islam-Experten Professor Adel Theodor Khoury (Münster), aus dessen Buch Benedikt XVI. zitiert hatte.


    Will der Papst dem Islam den Kampf ansagen?
    Khoury: Nein, auf keinen Fall, das war nicht seine Intention, und das kann man nicht ablesen von seinem Text. Das hat er nie gesagt, nirgendwo. Der Text, den er zitiert, ist weder von mir noch von ihm, sondern ein Zitat aus einem Streitgespräch am Ende des 14. Jahrhunderts. Das ist nur ein Aufhänger, um überzuleiten zu seinem Thema: "Darf die Religion Gewalt anwenden im Dienste der Religion?"

    Wäre es nicht besser gewesen, nur zu erklären, dass Religion nicht mit Gewalt durchgesetzt werden darf, als dieses Zitat zu benutzen?
    Khoury: Ja, das könnte man nachträglich sagen. Vielleicht wäre ein anderes Zitat besser geeignet. Aber das ist ein wissenschaftlicher Vortrag gewesen, vor wissenschaftlichem Publikum. Das muss man nach den wissenschaftlichen Methoden analysieren und bewerten.

    Kann man nicht trotzdem sagen, dass diese Vorlesung eine Art Steilvorlage für die islamischen Fundamentalisten ist?
    Khoury: Ja, die können bei jeder Kritik am Islam so etwas benutzen, um Aufregung zu erzeugen. Aber gut, der Text ist ja da. Seine Intention war nicht, den Islam anzugreifen.

    Können Sie denn nachvollziehen, dass es derart heftige Reaktionen gibt?
    Khoury: Nein, ich nehme an, dass diese Menschen den Text nicht gelesen haben und ihn nicht nach wissenschaftlichen Kriterien analysiert haben.

    Es gibt ja Muslime, die den Papst jetzt mit Adolf Hitler vergleichen.
    Khoury: Es gibt alles Mögliche, auch den Vorwurf der Kreuzzug-Mentalität. Das sind Anzeichen von Unüberlegtheit.

    Sehen Sie sich in dem Zusammenhang vom Papst im richtigen Kontext zitiert?
    Khoury: Ich werde nicht zitiert. Es wird aus einem Buch von mir zitiert, das in französischer Sprache 1966 in Paris erschienen ist. Aus diesem Buch hat er eben diese Passage zitiert. Und bei der Erklärung zu dieser Passage leitet er über zum Thema "Kann man Gewalt anwenden, entspricht das dem Wesen Gottes" und zitiert von mir einen Kommentar dazu. Der Papst behandelt folgende Themen: Glaube und Gewalt, Glaube und Vernunft und dann Glaube und Wissenschaft. Das ist sein Anliegen und nicht ein Angriff gegen den Islam. Das ist absolut übertrieben!

    Aber hat der Papst nicht recht, wenn er Gewaltverherrlichung im Islam anprangert?
    Khoury: Es gibt eine solche Lesart im Islam. Vielleicht ist es ein Seitenblick auf diese Lesart der radikalen Militanten unter den Muslimen. Und diese Militanten stehen in der Kritik - nicht nur bei uns im Christentum, sondern auch bei den Muslimen. Die Zeitung "Hürriyet" hat geschrieben: ,Der Papst hat den radikalen Islam abgekanzelt’. Die haben richtig gesehen, wohin die Blickrichtung geht.

    Sehen Sie jetzt die Türkeireise des Papstes im November gefährdet? Das türkische Religionsministerium verlangt eine Entschuldung des Papstes!
    Khoury: Man entschuldigt sich, wenn man einen Fehler gemacht hat. Ich sehe hier keinen Fehler. Deswegen ist eine Entschuldigung überflüssig. Das ist eine übertriebene Forderung. Ich glaube, dass die Menschen den Text nicht gelesen haben. Sie kennen den Kontext nicht. Und dann kommt es zu diesen Emotionen und Wallungen.

    Und die Türkeireise?
    Khoury: Ich weiß es nicht, ob sie gefährdet ist. Wenn die Türkei weiter in diese Richtung reagiert, könnte die Reise kippen. Aber ich hoffe, dass die Vernunft wieder die Oberhand gewinnt.

    Befürchten Sie, dass es in der islamischen Welt Exzesse geben könnte wie beim Karikaturenstreit?
    Khoury: Ja, das könnte sein. Aber das wäre wirklich deplatziert und total übertrieben. Ich hoffe, dass die großen Gelehrten wie zum Beispiel in der Azhar-Moschee in Kairo die Einsicht vertreten, dass dies alles übertrieben ist und nicht der Realität entspricht.

    Hat der Theologe Ratzinger die diplomatischen Verwicklungen nicht beachtet?
    Khoury: Ich weiß es nicht, wie man das jetzt bewerten soll. Vielleicht hätte er ein paar Worte der Differenzierung sagen sollen, um dem Zuhörer und Leser weiterzuhelfen.

    Wie wird es weitergehen?
    Khoury: Ich nehme an, dass die Sache nicht so lange dauert. Es sei denn, es gibt Menschen, die ein Interesse daran haben, dies weiter zu schüren.

    Das Gespräch führte Claudia Möllers.



    FAZ 16.9.2006 (Stand 17.9.2006, 9.oo Uhr)

    Islam-Kritik

    Benedikt bedauert: Recht so?

    16. September 2006
    Papst Benedikt XVI. hat am Samstag sein Bedauern darüber ausgedrückt, daß seine umstrittenen Äußerungen zum Islam von Muslimen als Beleidigung aufgenommen worden sind. Was meinen Sie: War dies die richtige Reaktion auf die heftigen Proteste aus der muslimischen Welt?


    Benedikt bedauert: Recht so?


    Ja, der Papst zeigt Größe: 425 Stimmen

    13,04 %

    Nein, seine Kritik war berechtigt: 1267 Stimmen

    38,88 %

    Ja, er mußte die Lage entschärfen: 602 Stimmen

    18,47 %

    Es ist ein Zeichen von Schwäche: 211 Stimmen

    6,47 %

    Er hilft, die Welt zu versöhnen: 117 Stimmen

    3,59 %

    Der Kampf der Kulturen geht dennoch weiter: 637 Stimmen

    19,55 %

    Insgesamt wurden 3259 Stimmen abgegeben



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 18:27


    Quote: :twisted: Lasst den Papst in Ruhe und lest was er sagt
    wenn Ihr dann was zu sagen habt merkt Ihr auf einmal das über 50 Staaten islamischer herkunft Scheisse labern und verurteilen
    wie doof muss man sein um den text so zu verstehn
    das war nur eine wiederholung sprich erklärung die ewig alt ist
    na ja ist halt eine frage von kultur und Bildung
    Hey - Frechdachs?!

    Redest Du mit mir, mit uns, mit . . .? - oder versprühst Du Deine westlich verlorene Vernunft einfach ziellos in den virtuellen Raum?

    Der obige Artikel ( http://www.iphpbb.com/board/ftopic-93510334nx17659-158.html ) wurde von einer erzkatholischen Institution mitverfasst.
    (Pax Christi Deutsche Sektion der katholischen Friedensbewegung mit Informationen zur Landminenkampagne und zum zivilen Friedensdienst.
    www.paxchristi.de/) und wurde hier zu Dokumentationszwecken zum Anlassfall hereingestellt.

    Also brems Dich ein und bleib', resp. werde höflich, so wie es HIER am board usus ist.

    Quote: wie doof muss man sein um den text so zu verstehn Die Antwort dazu gibt der folgende "doofe" Zeitungsartikel.



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 18:30


    WESTDEUTSCHE ZEITUNG 15.9.2006

    Westdeutsche Zeitung: Benedikt und der Islam
    von Eberhard Fehre

    Düsseldorf (ots) - Nichts liebt das religiöse Gefühl so sehr wie seine Beleidigung. Die fast reflexhafte Empörung ist dabei keineswegs ein Privileg des Islam. Aber wer den Papst in seinen Regensburger Ausführungen ernst nimmt - und das will er ja wohl genommen sein -, der wird darin natürlich eine radikale Kritik am Islam sehen müssen.

    Benedikt spricht dem Islam die Gebundenheit an die Vernunft ab und setzt das Christentum als Vernunftsreligion dagegen. Darüber lässt sich durchaus streiten. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass griechische Philosophie und römisches Recht, dass Renaissance und Aufklärung einen jahrhundertelangen Kampf führen mussten, um das Christentum halbwegs kompatibel zu machen mit dem, worauf wir als abendländisches Erbe zu Recht stolz sind. Die Scheiterhaufen der Inquisition waren wohl nicht gerade Freudenfeuer der Vernunft. Und wer das orthodoxe Byzanz als Kronzeugen heranzieht, wird sich auch an den vierten Kreuzzug 1204 erinnern lassen müssen, bei dem die päpstlichen Horden den Byzantinern ihren orthodoxen Kopf abschlugen, als diese sich weigerten, einen katholischen aufzusetzen. Etwas weniger Selbstgerechtigkeit und etwas mehr Demut täte also gut - beiden Seiten.
    Aber wer mit ewigen Wahrheiten handelt, kann wohl nicht anders, als die Konkurrenz madig zu machen. Und es stimmt ja, dass der Islam - anders als das Christentum - nicht durch das Fegefeuer einer radikalen Aufklärung gegangen ist. Gewiss aber war es nicht Benedikts Absicht, die politischen Konflikte im moslemischen Raum in den zweifelhaften Rang eines heilsgeschichtlichen Endkampfes zu heben, wie es Ideologen auf beiden Seiten gerne tun. Doch genau dies scheint wieder einzutreten. Das ist Unfug, und ein gefährlicher dazu. Denn die Probleme sind so schon ernst genug.

    Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

    Rückfragen bitte an: Westdeutsche Zeitung Nachrichtenredaktion Telefon: 0211/ 8382-2526 redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 19:43


    http://www.taz.de/pt/2006/09/16/a0227.1/text
    Die Vernunft für sich gepachtet

    Mit seinen Äußerungen zum Islam hat Papst Benedikt in Regensburg eine theologische Brandrede gehalten. Zum Glück stehen auf säkularer Seite schon die Feuerlöscher bereit
    Die Rede des Papstes an der Universität Regensburg stand ganz im Zeichen der Einheit von Glauben und Vernunft und dem Anspruch, christliche Theologie lehre auch "den rechten Gebrauch der Vernunft". Politisch unterstrich der Papst dieses Vorhaben mit dem programmatischen Satz: "Eine Vernunft, die dem Glauben gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen." Oder einfacher gesagt: Vernünftig ist es nicht, Religionen den Dialog zu verweigern oder ihnen die Dialogfähigkeit abzusprechen. Das freilich würden auch aufgeklärte Religionsferne oder Religionslose unterschreiben.

    Wie der Papst aus Bayern jedoch den Anspruch auf einen Dialog begründete, ist abenteuerlich und läuft auf eine getarnte Abwertung aller anderen Religionen hinaus. Zunächst zitierte er einen Münsteraner Islamwissenschaftler, der den Dialog eines christlichen Kaisers mit einem gebildeten Perser im Byzanz des 14. Jahrhunderts kommentiert hat. Die beiden diskutierten über die Bibel und den Koran. Zwar räumte der christliche Kaiser zunächst ein, dass der Koran jede Gewalt in Glaubenssachen ablehnt (Sure 2,256). Zugleich behauptete er aber, die spätere Entwicklung des Islam habe nur "Schlechtes und Inhumanes" in die Welt gebracht, darunter auch die Verbreitung des Glaubens durch Gewalt, durch den Dschihad. Um das zu belegen, zitierte Ratzinger nochmals den Münsteraner Professor, der sich seinerseits auf einen französischen Kollegen berief. Der hatte mit Bezug auf den legendären Ibn Hassan (625-670) vertreten, Gott sei allmächtig und somit weder an die Vernunft noch an sein eigenes Wort gebunden. Ibn Hassan war ein Sohn Alis, des Begründers der schiitischen Variante des Islam.

    Was wollte uns der Papst mit dieser kurvenreichen Beweisführung mitteilen? Im Unterschied zur Einheit von Glauben und Vernunft im Christentum stehe "der" Islam mit der Vernunft auf Kriegsfuß. Oder krasser: "Wir" haben eine vernünftige Religion, "die anderen" sind vernunftlos Gläubige, also Fanatiker wie die sich geißelnden Schiiten, die man von Fernsehbildern her kennt. Soll derlei Grobzeug die Basis abgeben für die eingangs beschworene Absicht zum Dialog zwischen Kulturen und Religionen?

    Die Verknüpfung von christlicher Religion und griechischer Philosophie - also Religion und Vernunft - ist zwar von der Bibel gedeckt ("am Anfang stand das Wort"), wurde aber erst auf dem Konzil in Nicäa (325) dogmatisch festgeschrieben. Seither gilt Christus als "wesensgleich" ("homousios") mit Gott, und die Vermittlung läuft durch Sprache und Vernunft, was im Griechischen Logos heißt. Fast 900 Jahre später wurde 1215 auf dem vierten Laterankonzil "die Realpräsenz" von "Leib und Blut" Christi im Ritual des Abendmahls dogmatisch fixiert. Mit Büchern zur Begründung von "Wesensgleichheit" und "Realpräsenz" kann man mehrere Bibliotheken füllen. Die fein gehäkelte Argumentation des Papstes gibt einen Eindruck davon, auf wie dünnem Eis man sich bewegt: Ratzinger zufolge meint der Kern des christlichen Glauben, "dass es zwischen Gott und uns, zwischen seinem ewigen Schöpfergeist und unserer geschaffenen Vernunft eine wirkliche Analogie gibt, in der zwar die Unähnlichkeiten unendlich größer sind als die Ähnlichkeiten, dass aber eben doch die Analogie und ihre Sprache nicht aufgehoben werden". Wie man die "unendliche Unähnlichkeit" und die "Ähnlichkeit" bzw. "Analogie" zusammendenken soll, ist weniger eine Frage der Vernunft als eine reine Glaubenssache. Oder eine intellektuelle Zumutung.

    Abenteuerlich ist, dass der Papst mit solchen Dogmen zumindest implizit die Überlegenheit des christlichen Glaubens gegenüber den anderen Religionen beanspruchen möchte: Der christliche Gott ist der vernünftige Gott, was ja im Umkehrschluss nur bedeutet: Der Gott der anderen Religionen ist vernunftfern oder vernunftlos.

    Wollte man die aparte päpstliche Beweisführung auf den Katholizismus selbst anwenden, könnte man einfach zurückfragen, warum etwa das Dogma von der "Realpräsenz", das 1215 beschlossen wurde, vernünftiger oder vernunftnaher sein soll als die anderen Beschlüsse jenes Konzils. Und diese haben es in sich. Sie machten die Theologie für Jahrhunderte zu einer "Polizeiwissenschaft" (Lothar Baier). Kirche und Theologie folgten der "Vernunft" und der "Logik" von Kreuzzugsparolen: "Taufe oder Tod". Mit Berufung auf den Bibelsatz "nötige sie hereinzukommen!" (Lukas 14,23) begründete zum Beispiel Bernard von Clairvaux die gewaltsame Bekehrung. Auf dem Konzil von 1215 erklärte die Kirche den Katherern und den Waldensern buchstäblich den Krieg und ließ sie ausrotten. Dasselbe Konzil ordnete die Inquisition an und schrieb Juden vor, einen gelben Stern zu tragen. Es verurteilte auch die englische Magna Charta, die ein Widerstandsrecht gegen königliche Willkür einräumte.

    Natürlich würde jeder Vernünftige - ob Katholik oder nicht - einräumen, dass man Benedikt XVI., den heutigen Katholizismus und die heutige Kirche nicht mit dem Hinweis auf Kreuzzüge, Zwangstaufen, Ketzerverfolgung und Hexenverbrennung im Mittelalter moralisch herabsetzen oder vom Dialog ausschließen kann. Doch mit seiner ebenso listigen wie rabulistischen und die offene Polemik vermeidenden Beweisführung, wonach die anderen Religionen an einem Vernunftdefizit leiden, leistet der Papst alles andere als einen Beitrag zum Dialog der Religionen und Kulturen. Mit seiner Rede über "Glaube, Vernunft und Universität" versuchte er, Feuer mit Benzin zu löschen. Sein "Regensburger Manifest" (so die FAZ) ist eine in Samt verpackte Brandpredigt.

    Die Feuerlöscher stehen auf der säkularen Seite. Einen Monat nach den Attentaten vom 11. September 2001 erhielt Jürgen Habermas den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In seiner Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche konkurrierte Habermas nicht "um den schnellsten Schuss aus der Hüfte" bei der Interpretation der Ereignisse und verprügelte nicht den "Islamismus", sondern hielt eine Rede über "die Spannung zwischen säkularer Gesellschaft und Religion".

    Er wies daraufhin, dass Religionsfreiheit und weltanschaulicher Pluralismus nur den Gläubigen unter den Bürgern zumuten, "ihre Identität gleichsam in öffentliche und private Anteile aufzuspalten". Wenn Gläubige von der säkularen Öffentlichkeit gehört werden wollen und wenn sie ihre Ansprüche an diese öffentlich formulieren, müssen sie vom religiösen auf einen säkularen Diskurs umstellen, um verstanden zu werden. Um diese Einseitigkeit zu bekämpfen, muss die säkulare Seite sich öffnen und Sensibilität entwickeln für "die Artikulationskraft religiöser Sprachen". Damit goss Habermas kein Benzin ins Feuer. Er dürfte mit den "religiösen Sprachen" etwas mehr und etwas anderes gemeint haben als das rechthaberisch-überhebliche Herzitieren von Dogmen im Namen der Vernunft.

    RUDOLF WALTHER

    taz vom 16.9.2006, S. 11, 241 Z. (Kommentar), RUDOLF WALTHER



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 20:04


    Dokumentation
    http://www.ftd.de/politik/international/113709.html
    Erklärung des Papstes zu Islam-Äußerungen

    Mit einer Erklärung hat der Papst auf die Aufregung und Empörung über eine Rede reagiert, in der den Islam angesprochen hatte. Hier die Erklärung des Vatikans zu den umstrittenen Äußerungen in Auszügen:

    "Der Heilige Vater hat in keiner Weise beabsichtigt, sich das von ihm in seiner Rede in Regensburg wiedergegebene Urteil des byzantinischen Kaisers Manuel II. Paläologos zu eigen zu machen, und er hat es auch nicht vor. Er hat es lediglich als Gelegenheit benutzt, um in einem akademischen Zusammenhang und, wie aus einer vollständigen und aufmerksamen Lektüre des Textes hervorgeht, um einige Gedanken zum Thema der Beziehung von Religion und Gewalt im Allgemeinen zu entwickeln und um zu einer klaren und radikalen Ablehnung der religiösen Begründung von Gewalt zu gelangen, von welcher Seite sie auch immer kommen mag....

    Der Heilige Vater bedauert zutiefst, dass einige Stellen seiner Rede beleidigend für die Gefühle der muslimischen Gläubigen geklungen haben könnten und in einer Weise aufgefasst worden seien, die in keiner Weise mit seinen Absichten übereinstimmten. Andererseits hat er angesichts der tiefen Religiosität der muslimischen Gläubigen die westliche säkularisierte Kultur ermahnt, dass sie "die Verachtung Gottes und den Zynismus, der die Verhöhnung des Heiligen als ein Freiheitsrecht betrachtet", vermeiden.

    Indem er gegenüber denjenigen, die sich zum Islam bekennen, seinen Respekt und seine Hochachtung unterstreicht, wünscht er, dass ihnen geholfen wird, den wirklichen Sinn seiner Worte zu begreifen, damit sie diesen schwierigen Moment überwinden und ihr Bekenntnis zum einzigen Gott verstärken."


    dpa, 16.09.2006
    © 2006 Financial Times Deutschland



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.09.2006, 20:07


    Internationale Pressestimmen
    Entschuldigen? Wofür?
    Viele Kommentatoren europäischer Tageszeitungen sind irritiert über die Empörung, die Papst Benedikts Äußerungen über den Islam hervorgerufen haben. Aber einige von ihnen üben auch Kritik am Oberhaupt der katholischen Kirche.

    http://www.ftd.de/meinung/kommentare/113660.html



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 18.09.2006, 11:13


    http://cms.freidenker.org/index.php?id=248

    »Religions- und Kirchenkritik - Papst zum Islam sachlich falsch
    von Juan Cole

    Die Rede Papst Benedikts in der Universität Regensburg, in der er von
    Islam und Djihad spricht, hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

    Die Ansprache ist komplexer und feinsinniger, als in der Presse
    dargestellt. Aber am meisten irritiert, dass der Papst einiges am Islam
    sachlich falsch auffasst.

    Er stellt fest, dass in dem von ihm angeführten Text, der Polemik eines
    byzantinischen Kaisers gegen den Islam, der Koran [2:256] mit der
    Aussage zitiert wird: „Es gibt keinen Zwang in Glaubenssachen“. Benedikt
    behauptet, dass dies ein früher Vers aus der Zeit sei, als Mohammed noch
    machtlos war.

    Seine Behauptung ist nicht korrekt. Die Zweite Sure ist eine Medina-Sure
    aus der Zeit, als Mohammed bereits als Führer der Stadt Yathrib (später
    als Mekka oder „die Stadt“ des Propheten bekannt) fest etabliert war.
    Der Papst meint, dass ein junger Mohammed in Mekka vor dem Jahr 622
    (ohne Macht) Gewissensfreiheit zuließ aber später im Leben befahl, dass
    seine Religion mit dem Schwert ausgebreitet würde. Aber da die Zweite
    Sure tatsächlich aus der Medina-Periode stammt, als Mohammed bereits an
    der Macht war, ist diese Theorie nicht haltbar.

    Tatsächlich drängt der Koran an keiner Stelle darauf, dass der religiöse
    Glaube irgend jemandem mit Gewalt aufgezwungen wird. Was er über die
    Religion sagt, ist folgendes:

    „[2:62] All denen - seien es Gläubige, Juden, Christen oder Sabäer
    (Mohammed hält sie für die Johanneschristen / Anm. in „Der Koran - Das
    heilige Buch des Islam“, München 1959) - , wenn sie nur an Gott glauben,
    an den Jüngsten Tag und das Rechte tun, wird einst Lohn von ihrem Herrn,
    und weder Furcht noch Traurigkeit wird über sie kommen.”

    Die Idee des heiligen Krieges oder Djihad (bei der es um die
    Verteidigung der Gemeinschaft oder höchsten um die Errichtung der
    Herrschaft der Muslime geht, aber nicht um das zwangsweise Bekehrung
    einzelner zum Glauben oder die Verbreitung des Glaubens durch Gewalt)
    ist also keine koranische Lehre. Die Doktrin wurde viel später
    ausgearbeitet, und zwar an der Front zwischen der Umayyaden-Dynastie und
    dem Kaiserreich von Byzanz, lange nach dem Tode des Propheten.
    Tatsächlich war es im Anfang schwer, sich dem Islam anzuschließen, und
    Christen, die Muslime werden wollten, wurden routinemäßig abgewiesen.
    Der tyrannische Gouverneur des Irak, al-Hajjaj, war berüchtigt für seine
    Zurückweisung von Antragstellern, weil er Nicht-Muslime höher besteuern
    konnte. Arabische Muslime hatten den Irak erobert, der damals weitgehend
    heidnisch, zoroastrisch, christlich oder jüdisch war. Aber man warb
    nicht um Konvertiten und mit Sicherheit setzte man nicht die eigene
    Religion zwangsweise durch.

    Der Papst versucht zu argumentieren, dass Gewissenszwang mit echtem,
    vernunftbegründetem Glauben unvereinbar ist. Er nimmt den Islam als
    Beispiel für das Erzwingen eines vernunftlosen Glaubens.

    Aber durch die mittelalterliche Polemik, auf die er sich verließ, wurde
    er irregeleitet.

    Tatsächlich vertritt auch der Koran einen vernunftbegründeten Glauben,
    sowie er auch Zwang in der Religion verbietet. Gewalt wird im Koran nur
    befürwortet, wo es um die Selbstverteidigung gegen die Versuche der
    Heiden von Mekka geht, die muslimische Gemeinschaft zu beseitigen.

    Der Papst sagt, dass Gott im Islam tranzendent und jenseits der Vernunft
    ist, und von ihm nicht erwartet werden kann, dass er vernünftig handelt.
    Er stellt dieser Konzeption von Gott die des Johannesevangeliums
    gegenüber, wo Gott der Logos, die dem Universum innewohnende Vernunft ist.

    Doch in der muslimischen Theologie und Philosophie gab es viele Schulen.
    Die Mu’tazilitische Schule behauptete genau das, was der Papst sagt,
    nämlich dass Gott handeln muss, so wie es der Vernunft und dem Guten des
    Menschen entspricht. Die Herangehensweise der Mu’tazlitischen Schule ist
    im Zaidismus und in der Zwölferschia irakischer und iranischer Art noch
    lebendig. Dagegen besteht die Aschari-Schule darauf, dass Gott jenseits
    der menschlichen Vernunft ist und daher nicht rational erfasst werden
    kann. (Ich denke, dass der Papst finden dürfte, dass Tertullian und
    vielleicht auch Johannes Calvin mehr mit dieser Ansicht sympathisieren
    als er selbst.)

    Was den Koran betrifft, so appelliert dieser ständig an die Vernunft
    beim Erkennen Gottes, lehnt Götzendienst und Heidentum ab und fragt:
    „Urteilt Ihr nicht vernünftig?“, „Versteht Ihr nicht?“ (a fala ta`qilun?)

    Allerdings gibt es im Christentum eine lange Geschichte des den Menschen
    mit Zwang auferlegten Glaubens, darunter auch den Heiden im
    spätrömischen Reich, die zwangsweise bekehrt wurden. Und es gab die
    Episode der Kreuzzüge.

    Eine weitere Ironie besteht darin, dass das mit Vernunft argumentierende
    scholastische Christentum ein wichtiges Erbe aus dem Islam bezog. Im 10.
    Jahrhundert gab es sehr wenig Scholastik in der christlichen Theologie.
    Der Einfluss muslimischer Denker wie Averroes (Ibn Rushd) and Avicenna
    (Ibn Sina) bewirkte, dass Aristoteles und Plato in die christliche
    Theologie eingeführt würden. An einem bestimmten Punkt hatten sich
    christliche Theologen in Paris sogar gespalten in Anhänger des Averroes
    und solche des Avicenna, und sie lieferten sich gegenseitig heftige
    Polemiken.

    Und zum Schluss: Dieser byzantinische Kaiser Manuel II ? Die Byzantiner
    waren durch lateinische Raubzüge während des vierten Kreuzzuges
    geschwächt worden, wodurch es gewissermaßen Rom war, das zuerst Gewalt
    übte. Und er beendete seine Tage als Vasall des Ottomanischen Reiches.

    Der Papst war sachlich im Irrtum. Er sollte sich bei den Muslimen
    entschuldigen und sich bessere Berater für christlich-muslimische
    Beziehungen suchen.

    Quelle des Originals: http://www.juancole.com posted by Juan @ 9/15/2006
    06:24:00 AM



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 18.09.2006, 17:23


    "Nur Schlechtes und Inhumanes"Peter Bürger 18.09.2006 Telepolis

    Ist die Regensburger Vorlesung des Papstes ein Erweis von praktischer Unvernunft oder eine gezielte Beihilfe zum US-amerikanischen Kulturkampfparadigma?

    Der deutsche Papst hat mit akademischen Zitaten einen Sturm der Empörung in der islamischen Welt ausgelöst. Die Zitate stammen aus Aufzeichnungen des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologos über das Streitgespräch mit einem persischen Gelehrten im Jahr 1391: Der Kaiser übt sich in christlichem Eigenlob, wobei ihm der Verweis auf die Schlechtigkeit und Inhumanität der Religion des Propheten Mohammed gute Dienste leistet.

    Der Papst hat also eigentlich nichts von dem, was nun für großen Unfrieden sorgt, selbst gesagt. Er zitiert in seinem Vortrag nur ganz unschuldig:
    Quote: Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.
    Welcher Eingebung folgt diese Zitatauswahl? Hat der einstige Universitätstheologe Joseph Ratzinger nicht sorgfältig genug bedacht, dass er nunmehr Papst der katholischen Weltkirche ist und als prominenter Seelsorger nicht so ohne weiteres neutral dozieren kann? Oder steckt hinter der umstrittenen Passage – was noch viel schlimmer wäre – durchaus Methode?

    "Alles hat seine Zeit"

    Platonisch inspirierte Theologen wie der Papst (Joseph Ratzinger und die "neoliberale" Weltordnung) suchen an erster Stelle das "zeitlos Wahre und Gültige". Doch wenn ein Papst spricht, tut er es in einem konkreten zeitgeschichtlichen Zusammenhang. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird in der westlichen Massenkultur eine "islamische Gefahr" beschworen. Seit fünf Jahren stehen Muslime unter Generalverdacht. Immer wieder werden von ihnen kollektiv Distanzierungserklärungen eingefordert, was man mit Blick auf die westlichen Kriegsunternehmungen und Folteraktivitäten der letzten Jahre von Christen nicht verlangt.

    Wer islamische Freunde hat, bekommt etwas mit von unglaublichen Diskriminierungen im Alltag. Die arabische Welt sieht sich nicht nur als Globalisierungsverlierer. Wo es wie im Irak reiche Erdölvorkommen gibt, dürfen "christliche" Industrienationen nach Bedarf einmarschieren. Aktuell, nach der großflächigen Bombardierung des Libanon, schwebt das Damoklesschwert des Krieges über dem Iran.

    "Alles hat seine Zeit", heißt es im biblischen Buch des Predigers. Es mag viele unpassende Zeitpunkte für die antiislamischen Zitate in der Papst-Vorlesung geben. Es mag viele unpassende Zeitpunkte für antiislamische Zitate in einer Papst-Vorlesung geben. Die gegenwärtige Kriegsplanungsphase ist ganz sicher der denkbar ungünstigste Zeitpunkt. Am 12. September, dem Datum der besagten Ausführungen des Papstes, feierten die deutschsprachigen Katholiken übrigens das Fest "Mariä Namen". Papst Innozenz XI. hat es 1683 in der römischen Kirche eingeführt, zum Dank für den Sieg der christlichen Soldaten über die Türken bei Wien. Die Rettung des Abendlandes war also das Tagesthema.

    Der Gegensatz zum polnischen Vorgänger

    Ratzingers Vorgänger Papst Johannes Paul II. fühlte sich ganz geschwisterlich besonders mit den beiden anderen Religionen verbunden, die Abraham als Urvater erinnern. Gegenüber den Juden hat er um Verzeihung gebeten für all die unaussprechlichen Gräuel, die Christen Juden in der Geschichte angetan haben. Bei seinen Besuchen in der Türkei, im Sudan, in Marokko, Tunesien, Ägypten und Syrien betonte Johannes Paul II. ebenso herzlich die Geschwisterlichkeit mit dem Islam. Er sah ein verwandtes Sozialethos und gemeinsame Werte beim Aufbau einer gerechten Gesellschaft:


    --------------------------------------------------------------------------------

    Die Begegnung mit den Muslimen muss über einfaches Teilen des täglichen Lebens hinausgehen. Sie muss echte Zusammenarbeit ermöglichen.

    In der Omaijiden-Moschee in Damaskus drückte er 2000 seinen dringlichen Wunsch nach Versöhnung aus:


    --------------------------------------------------------------------------------

    Für jedes Mal, wo Christen und Muslime einander verletzt haben, müssen wir die Vergebung des Allmächtigen erflehen und auch einander verzeihen.

    1986, 1993 und am 24. Januar 2002 hat dieser Papst die Weltreligionen zum gemeinsamen Friedensgebet nach Assisi eingeladen. Das letzte Treffen wurde zu Recht als Gegenprogramm zum Kreuzzug der Bush-Administration aufgefasst. Es diente nicht der Belehrung des Islam. Zusammen mit Muslimen und nicht als ihr Schulmeister erklärte der Papst aus Polen, die Religion dürfe niemals als Entschuldigung oder Rechtfertigung für Krieg und andere Formen der Gewalt missbraucht werden. Einen solchen Friedensweg hat der deutsche Papst durch seine umstrittene Vortragsgestaltung nicht gerade gefördert. Er trägt Verantwortung dafür, dass die Folgen seiner Unachtsamkeit Früchte der Arbeit seines Vorgängers nicht zunichte machen.

    Franz von Assisi und ein dialogbereiter Sultan

    Der Geist von Assisi hat eine lange Vorgeschichte. Im Jahr 1219 machte sich der besitzlose Christ Franziskus von Assisi auf eine lange Reise ins Heilige Land. Er musste vor Ort miterleben, wie die Kreuzfahrer unter frommen Sprüchen das dreckige Kriegshandwerk ausübten. Man empfand den kleinen Mann aus Italien, der sozusagen privat und ohne Auftrag der Amtskirche gekommen war, im christlichen Heerlager als Störenfried. Ohne Waffen ging er zum Sultan Malik-al-kamil (1218-1238) nach Ägypten. Und er wurde freundlich empfangen.

    Thomas von Celano erzählt später, der Sultan wäre von diesem ganz anderen Christen beeindruckt gewesen und hätte ihm gerne zugehört. Die Begegnung fand unter gegenseitigem Respekt statt. Vielleicht war der Sultan sogar der Großherzigere von beidem. Beim Abschied sorgte er für die Sicherheit von Franziskus und soll gesagt haben: "Bete für mich, dass Gott mir gnädig jenes Gesetz und jenen Glauben offenbare, die ihm mehr gefallen." Leider haben die ersten Franziskanerbrüder in Marokko dann um 1220 die Weisungen ihres Ordensgründers in den Wind geschlagen und kräftig über den Propheten Mohammed hergezogen. Der von Papst Benedikt in Regensburg zitierte byzantinische Kaiser befand 1391 ebenfalls, das sei die geeignete Dialogform.

    "Den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"

    Im Zuge der antiislamischen Kulturkampfpropaganda meinen viele Leute in westlichen Ländern, sie würden den Koran kennen: "Ein gewalttätiges Buch, das eine gewalttätige Geschichte hervorgebracht hat." Nun gibt es in der Bibel, die die Christen lesen, äußerst gewalttätige Stellen – bis hin zu "Heiligen Kriegen" und dem "gottwohlgefälligen" Zerschmettern von Kinderköpfen.

    Die Kirchengeschichte ist seit dem vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung voller Gewalt, Kriegskult und Kriegstheologie. Selbst Vorgänger des Papstes haben auf das Privileg unblutiger Priesterhände verzichtet und die Kriegsrüstung angelegt. Wer gegen den Islam zu Felde ziehen will, würde also unzählige Argumente finden, auch das Christentum als Religion der Gewalt zu beschimpfen. Nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 1099 sangen die christlichen Waffenträger das folgende Kreuzfahrerlied:
    Quote: Von Blut viel Ströme fließen, indem wir ohn´ Verdrießen das Volk des Irrtums spießen – Des Tempels Pflastersteine, bedeckt sind vom Gebeine, der Toten allgemeine – Jerusalem frohlocke!
    Als diese blutrünstigen Strophen erklangen, hatten die christlichen Kreuzritter gerade unzählige "Ungläubige" im Namen "Gottes" abgeschlachtet. Der moderne Krieg mit all seinen neuartigen Massenvernichtungsmethoden ist nirgendwo anders entstanden als auf dem Boden der "abendländisch" geprägten Kultur. Die erste Atombombe wurde mit "christlichen" Gebeten und nicht unter Koran-Rezitationen auf den Weg gebracht. Im 20. Jahrhundert hat Deutschland unter Beweis gestellt, dass man in einem christlich geprägten Land ohne großen Aufschrei der Bevölkerung und unter Beteiligung von mehreren hunderttausend getauften Tätern mehr als sechs Millionen Menschen fabrikmäßig ermorden kann. Die deutsche katholische Bischofskonferenz hat damals mit keinem Sterbenswörtchen für die jüdischen Opfer Partei ergriffen.

    In Ruanda haben sich, während Muslime verfolgte Menschen aufnahmen, sehr viele Katholiken am Völkermord beteilt. Der Religionsexport hat in diesem so christlichen Land Afrikas also keine überzeugenden Früchte gezeigt. Den mit Abstand größten Anteil am weltweiten Rüstungshalt bestreitet heute noch immer die so genannte christliche Welt. Nach alldem sollte man meinen, die christlichen Theologen wären noch lange mit der Frage beschäftigt, was denn eigentlich in der großartigen Geschichte des christlichen Abendlandes falsch gelaufen ist. Dabei könnte ihnen – zumal im Gespräch mit anderen historisch belasteten Religionen – ein Wort des Galiläers Jesus von Nazareth gewiss eine gute Weisung sein: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?" (Matthäus-Evangelium 7,3)

    Nun meine ich durchaus nicht, Gewalt fördernde Überlieferungen und speziell auch Repressalien gegen Christen in der islamischen Welt seien nur ein kleiner "Splitter". Doch die Gegenseite, zumal wenn sie selbst so viel Dreck bzw. Blut am Stecken hat, sollte bei einer anderen Religion zumindest jene Nachsicht walten lassen, die sie für sich selbst so großzügig in Anspruch nimmt. Das Wort Islam ist dem Wort "Selam" (Frieden) verwandt. Darum grüssen Muslime in friedlicher Absicht, wie es die AL-Furqan-Sure beschreibt:


    --------------------------------------------------------------------------------

    Und die Diener des Allerbarmers sind diejenigen, die sanftmütig auf der Erde schreiten; und wenn die Unwissenden sie anreden, sprechen sie friedlich (zu ihnen).

    Das Offenbarungsbuch des Islam verbindet das Lebensrecht jedes Menschen mit einer ungeteilten Menschheit:


    --------------------------------------------------------------------------------

    Wer einen Menschen umbringt, handelt so, als habe er alle Menschen umgebracht. Wer aber eines einzigen Menschen Leben rettet [...], sei es, als habe er das Leben aller Menschen erhalten.
    Sure 5,33

    Die Gemeinsamkeit der drei Religionen, die sich auf Abraham berufen, wird sehr betont, z.B. in der AL-Imran Sure:


    --------------------------------------------------------------------------------

    Im Namen Gottes. Sprich: Ihr Leute der Schrift [Juden, Christen], kommt herbei zu einem Wort, das zwischen uns und euch gleich ist: dass wir niemanden außer Allah [Gott] dienen und dass wir ihm nichts an die Seite setzen und dass nicht die einen von uns die anderen an Stelle Allahs zu Herren nehmen.

    In seiner Regensburger Vorlesung hat der Papst eine singuläre Position der islamischen Theologie zitiert, für die sich im Übrigen unzählige Parallelen aus der christlichen Theologiegeschichte anführen ließen. Danach soll Allah nicht der zuverlässige "Allerbarmer", sondern ein unberechenbarer Willkürgott sein, der "nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei. [...] Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben." Der Papst sagte direkt anschließend: "An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert." Dass Muslime eine solche Folge von Gedankengängen gegenwärtig auch als Aufkündigung eines gemeinsamen "Glaubens an den einen Gott" missverstehen können, sollte nicht verwundern. Sie sind es gewohnt, von evangelikalen Hetzern aus den USA namentlich als Götzendiener charakterisiert zu werden. Es war deshalb dringend notwendig, dass zunächst Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone im Namen des Papstes die Achtung des muslimischen "Bekenntnis zum einzigen Gott" zum Ausdruck gebracht hat.

    "Glaube und Vernunft"

    Nun hieß das eigentliche Thema von Benedikt XVI. im Regensburger Hörsaal "Glaube und Vernunft". Publizisten wie Peter Seewald, der mit Joseph Ratzinger schon 1996 ein Buch-Interview geführt hat, loben ja unentwegt seine überragende Geisteskraft. Ein ganzes Schreiberheer, das von der Bandbreite und Tiefe in der katholischen Theologie wohl wenig zur Kenntnis nimmt, folgt ihm darin. Doch einen wirklich inspirierenden Impuls für das Gespräch zwischen Theologie und aufgeklärter Moderne haben die Berichterstatter in der Papst-Vorlesung gar nicht ausmachen können.

    Dass eine rein mathematische Weltbetrachtung die Erde in einen gruseligen Ort verwandelt, wissen auch viele Menschen außerhalb des Christentums. Sollte man schließlich heute, nachdem an katholischen Schulen seit Jahrzehnten eine wissenschaftlich verantwortliche Biologie unterrichtet wird, für ein wohlwollendes Wort zur Evolutionslehre wirklich noch besonderen Beifall klatschen? Der Theologe und Glaubenshüter Joseph Ratzinger hat es für eine verbindliche katholische Lehre erklärt, dass die jungfräuliche Geburt Jesu in einem wörtlichen biologischen Sinn zu verstehen sei. Er hätte nun in Regensburg einmal exemplarisch darlegen können, was dies im Zeitalter der Gentechnologie bedeutet und welche Heilsbotschaft die historisch singuläre Ausklammerung des männlichen Chromsomensatzes für die gesamte Menschheit in sich birgt.

    Als katholischer Christ muss ich mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass die Aufklärung zwar in weiten Teilen der Theologie des 20. Jahrhunderts angenommen worden ist, aber an den Toren Roms weiterhin um Einlass bitten muss. Dass der islamische Kulturkreis dringend einen eigenständigen Weg der Aufklärung braucht, wird auch von vielen Muslimen gesehen. Doch will der Westen die von ihm unabhängige islamische Aufklärung wirklich? Kommen ihm Rückständigkeiten nicht sehr entgegen? Seit Jahren jedenfalls werden – als Ergebnis westlicher Schmähungen und Demütigungen – alle Kräfte, die in islamischen Ländern um geistige Offenheit ringen, zurückgedrängt. Im Iran hat man z.B. einen hochkarätigen Intellektuellen, der George Bush jun. geistig weit überlegen war, kurzerhand ersetzt. Über die nachfolgenden "Erträge" kann man sich auf der Website des iranischen Präsidenten informieren.

    Freundlicherweise hätte nun der Papst in seinem Vortrag anmerken können, dass z.B. das Arabische um 800 "so etwas wie eine wissenschaftliche Weltsprache" (Josef Pieper) gewesen ist. Die späte Aristoteles-Rezeption des christlichen Abendlandes ist erst über Werke islamischer Gelehrter wie Avicenna (geb. 980 in Persien) oder Averroes (geb. 1126 in Cordoba) vermittelt worden. Christliche Dogmen der Alten Kirche, die mit Hilfe griechischer Philosophenkategorien formuliert worden sind, können islamische Theologen (und die meisten Christenmenschen) allerdings bis heute nicht nachvollziehen. "Ein göttliches Wesen in drei Personen" (Dreifaltigkeit), das halten sie für einen Widerspruch zum Monotheismus. "Göttliches und menschliches Wesen, unvermischt und ungetrennt in einer Person" (Christus-Dogma), das erscheint ihnen bedenklich nahe an der mythologischen Vorstellung von Gottmenschen zu liegen. Wer dem Islam als christlicher Theologe nicht mit Polemik begegnen möchte, kann also den Versuch unternehmen, auf sehr anspruchsvolle Fragen einzugehen.

    Religion ohne Zwang?

    Der vom Papst zitierte Kaiser Manuel II. Palaeologos bemängelt am Islam vor allem die Verbreitung der Religion mit Hilfe des Schwertes. Benedikt XVI. erinnert in seiner Rede immerhin noch an die Koran-Sure 2, 256: "Kein Zwang in Glaubenssachen." Doch da diese Sure ja in der Frühzeit eines noch machtlosen und wenig einflussreichen Islam entstanden ist, kann man ihr vielleicht nicht so recht trauen?

    Mit seiner Praxis der Religionssteuer für Andersgläubige ist der islamische Imperialismus in historischer Hinsicht toleranter gewesen als das Heilige Römische Reich der Christen. Wie die Bibel kennt auch der Koran so etwas wie einen heiligen Krieg. Doch für die Gläubigen und die breite Frömmigkeitstradition gilt der große Dschihâd. Dieser ist kein Waffengang, sondern ein inneres Glaubensringen und – übersetzt – eine "Anstrengung auf dem Weg Gottes". Streiten ließe sich bestimmt über die Frage, ob in der Geschichte mehr Schwerter auf der Seite islamischer Glaubensverbreiter oder christlicher Missionare gestanden haben. Tatsache ist jedoch, dass der Islam neuerdings die katholische Kirche in der Rangfolge der mitgliederstärksten Weltreligionen nicht in einer Epoche der Schwertmission überholt und vom Spitzenplatz verdrängt hat.

    Der vom Papst besonders verehrte hl. Augustinus fand es an seinem Lebensabend ganz richtig, das staatliche Schwert gegen die Mitglieder eine abgespaltenen Kirche ziehen zu lassen. Der hl. Thomas von Aquin, der für das zweite Jahrtausend das maßgebliche Paradigma römischer Theologie formuliert hat, hielt die Ausrottung abtrünniger Gläubiger ebenfalls für eine Aufgabe der staatlichen Macht. Als auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) erstmals ein "Dekret über die Religionsfreiheit" zur Abstimmung stand, waren viele Bischöfe der Ansicht, nun habe eine Irrlehre der Französischen Revolution Einzug in ihre Kirche gehalten.

    Im spanischen Franco-Faschismus hämmerte man den Kindern noch bis vor wenigen Jahrzehnten den römischen Katechismus unerbittlich in den Kopf hinein. Autobiographische Zeugnisse aus dieser Zeit sind erschütternd. Zum katholischen Netzwerk "Opus Dei" sind skandalöse Vorgänge hinsichtlich der Ausübung von Zwang in religiösen Angelegenheiten dokumentiert. Über Frauen im Priesteramt dürfen Katholiken nach Ansicht von Joseph Ratzinger gar nicht wohlwollend diskutieren. Wenn ein Theologe wie Eugen Drewermann die augustinische Vorstellung von einer Sprache Gottes in der Seele jedes Menschen auch tiefenpsychologisch beleuchtet, wird er alsbald kalt gestellt.

    Im ganzen deutschen Sprachraum wird kein einziger (!) katholischer Universitätstheologe gegenwärtig die biologische Jungfräulichkeit Marias öffentlich in Zweifel ziehen. Es würde nämlich unverzüglich ein Verlust des Lehrstuhls folgen, auch wenn der Theologe im Anschluss an die Kirchenväter eine überzeugende geistliche Auslegung des besagten Glaubensbildes vorlegt. Ich meine als katholischer Christ, meine Kirche hätte bei Voten für einen modernen, zeitgemäßen Islam allen Grund, sich in Demut, Geduld und eigenen Vorwärtsschritten zu üben.

    Was will der deutsche Papst?vWird er die Chance der Stunde ergreifen?

    Papst Johannes XXIII. wurde ob seines großen Herzens und seiner angstfreien Frömmigkeit weltweit auch von vielen Atheisten geliebt. Sein intellektueller Verbündeter und Nachfolger Paul VI. hat unermüdlich einen gerechten "Fortschritt der Völker" eingeklagt und die Finanzierung des gigantischen Militärapparates als Mord an den Armen der Erde entlarvt. Der polnische Papst Johannes Paul II. hat innerkirchlich einen autoritären Kurs eingeschlagen, doch im Sinne seiner unmittelbaren Vorgänger hielt er am katholischen Antikapitalismus und an der Ächtung des Krieges fest. Die Geschwisterlichkeit aller Religionen und Kulturen in einer globalisierten Welt war sein besonderes Anliegen.

    In all diesen Fragen lässt Benedikt XVI. die Entschiedenheit der Päpste der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bislang noch vermissen. Deshalb wird der jubelnde Papismus auf unseren Straßen einstweilen auch nur die übrig gebliebenen katholischen Milieus und einige hysterische Jugendliche bestärken, ohne neue Aufbrüche zu bewirken. Ganz sicher ist, dass ein Sozialkatholizismus auf bayrischem Volksparteiniveau zu Beginn des dritten Jahrtausends die Kirche nicht zum Anwalt der Armen auf der Erde machen kann. Aus der Sicht sehr vieler Menschen Afrikas und anderer Kontinente wäre Europa als Täter zu identifizieren. Doch ein solch unbequemes Thema wird den Gläubigen nicht zugemutet.

    Kehrt mit dem deutschen Papst ein selbstgerechter Katholizismus zurück, der Europa in den Mittelpunkt stellt, von den Völkern der Erde nichts mehr lernen will und obendrein eine bestimmte Philosophie heilig spricht, die anderen christlichen Kirchen ganz fremd ist? Das ist leider nicht ganz ausgeschlossen. Wirklich schlimm wäre es, wenn ein neuer katholischer Eurozentrismus dem antiislamischen Kulturkampf zuarbeiten würde. Das Kulturkampfparadigma ist derzeit die bedeutsamste Kriegsideologie auf dem Globus. Man hat es in den USA zur Durchsetzung ökonomischer und geostrategischer Interessen ersonnen. Sollte dem Papst bei der Ausarbeitung seiner Regensburger Vorlesung wirklich nicht bewusst gewesen sein, was derzeit in der Weltgeschichte gespielt wird?

    Nun muss einem Papst wie jedem anderen Menschen zugestanden werden, dass er nicht unfehlbar ist und lernen kann. Im günstigen Fall könnte aus seiner Unachtsamkeit auch Gutes erwachsen. Da Benedikt XVI. den Kaiser Manuel II. Palaeologos bezüglich einer vernunftgemäßen Religion zustimmend zitiert und dessen polemische Zitate zum Islam nur vage kommentiert hat, war die selbstbewusste Einforderung einer Klarstellung auf Seiten der Muslimen sehr berechtigt. Aus den Kritiken wissen wir jetzt, dass man Benedikt XVI. sogar verdächtigt hat, ein Verbündeter Washingtons zu sein. Am Sonntag hat der Papst persönlich sein "tiefes Bedauern" über die Wirkungen seines Vortrags ausgedrückt und positive Reaktionen aus der islamischen Welt erhalten. Die Stunde, durch Zuhören, Begegnung und Gesten der Freundschaft den Faden von Johannes Paul II. wieder aufzunehmen, ist jetzt.

    Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23565/1.html



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 20.09.2006, 15:00


    http://www.al-sakina.de/inhalt/artikel/vernunft_glaube/vernunft_glaube.html

    Glaube, Vernunft, Gewalt – Gedanken zur Debatte um die Papstrede

    Der Konflikt um die Papstrede ruft wieder einmal auf beiden Seiten die Kulturkämpfer auf den Plan. Dabei ist die Rede kein Anlass zu aufgeregten Demonstrationen, sondern zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Das Verhältnis der Religion zur Gewalt und das von Glauben und Vernunft sind zwei Themen, die Islam und Christentum gleichermaßen beschäftigen.

    von Silvia Horsch

    Die Handlungsmuster des Karikaturenstreits scheinen sich in der Kontroverse um die Rede von Papst Benedikt XVI. zu wiederholen: muslimische Geistliche und empörte Politiker, die sich mehr oder weniger angemessen äußern, aufgebrachte Demonstranten, vereinzelt sogar Angriffe auf Kirchen und als trauriger Höhepunkt die Ermordung einer Nonne in Mogadischu. Viele der muslimischen Stimmen belegen, dass das 1993 von Samuel Huntington erfundene Kulturkampf-Paradigma in der islamischen Welt weitgehend verinnerlicht wurde – mit der fatalen Folge, dass die Prophezeiung sich selbst zu erfüllen droht. Die Kulturkämpfer des Westens stehen selbstverständlich auch wieder im Ring: „Unsere Freiheit ist bedroht“ und „Der Islam will die Welteroberung“ lautet der Aufschrei. Im Szenario der Kulturkampf-Front zwischen Islam und Westen wird der Papst unversehens zu einem „Anwalt der säkularen westlichen Welt“ (FAZ) – ob er das selbst so sehen würde, ist allerdings mehr als fraglich.

    Unheimlich vertraute Bilder
    Noch eine Parallele ist augenfällig: Politische und/oder religiöse Gruppierungen schüren den Konflikt, um sich als Anwalt der „islamischen Sache“ zu profilieren. Diesmal waren auch noch alte Rechnungen zu begleichen: In der Türkei ist die Ablehnung der EU-Mitgliedschaft des Kardinals Ratzinger noch gut in Erinnerung. Und da schimpft man auch schon mal, ohne die Rede überhaupt gelesen zu haben. Immerhin produziert der Kirchenstaat keine Produkte, die man boykottieren könnte, und der Papst ist im Gegensatz zu Dänemark um Deeskalation bemüht und hat bereits sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, so dass die Zeichen diesmal auf Entspannung stehen.

    Ein mittelalterliches Zitat
    Der Papst zitierte in dieser Rede, in der es um das Verhältnis von Vernunft und Glauben ging, einen byzantinischen Kaiser aus dem 14. Jahrhundert, der im Religionsgespräch mit einem muslimischen Gelehrten verlauten lässt, dass alles Neue in der Botschaft des Propheten „nur Schlechtes und Inhumanes“ sei, „wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Das ist für eine christliche Schrift zum Islam aus dem Mittelalter keine überraschende Aussage. Der Papst bezeichnet die Äußerung als „schroff“, das Zitat wird dadurch jedoch noch nicht als unzutreffend oder auch nur undifferenziert gewertet, denn man kann ja auch schroff die Wahrheit sagen. Für den weiteren Verlauf der Argumentation – die Ausbreitung der Religion durch Gewalt ist unvernünftig und Unvernunft ist dem Wesen Gottes zuwider – muss die Aussage als gültig stehen bleiben.

    Einseitigkeit und Unkenntnis
    Die von muslimischer Seite zu Recht kritisierte Einseitigkeit entsteht nicht nur dadurch, dass kein Wort verloren wird über Gewalt in der Geschichte der Kirche – Gewalt, die einem Papst, der lange der Nachfolgeorganisation der Inquisition vorstand, eigentlich besonders präsent sein müsste. Die Einseitigkeit entsteht vor allem auch durch die fehlende Antwort des muslimischen Gesprächpartners. Wäre diese überliefert, hätte er wohl erläutert, dass der Islam den Krieg zwar nicht grundsätzlich verbietet, eine zwangsweise Bekehrung zum Glauben aber ablehnt. Der zitierte Vers „Es gibt keinen Zwang im Glauben“ gehört nicht zu den Versen aus den frühen mekkanischen Suren, “aus der Zeit, in der Mohammad selbst noch machtlos war”, wie der Papst meint, sondern stammt aus einer späteren, medinensischen Sure. Ebensowenig gehört der Vers zu denen, die von muslimischen Gelehrten als abrogiert (mansûkh) eingestuft wurden. Historisch gesehen wurde Krieg zwar von muslimischen Herrschern als Mittel eingesetzt, um das Reich zu vergrößern, eine Zwangsmission erfolgte dabei jedoch nicht. Dies belegen nicht zuletzt die bis heute bestehenden christlichen Gemeinden in der arabischen Welt, aus deren Reihen wohl auch aus diesem Grund Kritik an der Papstrede zu hören war.

    Dschihad und „Heiliger Krieg“
    Auf mangelnde Kenntnis der islamischen Lehre verweist auch die Verwendung der europäischen Begriffsprägung aus dem 19. Jahrhundert vom „Heiligen Krieg“. Im deutschen Sprachgebrauch geht diese Formulierung auf die Befreiungskriege zurück: Der Krieg für das Vaterland und die Freiheit war nicht nur für den Dichter Ernst Moritz Arndt ein „heiliger Krieg“. Dem Islam gilt Krieg als ein Übel (fasâd), das zwar bisweilen das kleinere ist, dem jedoch nie die Qualität des Heiligen zukommt. Ohnehin wird man, wenn man im Islam nach einer dem Christentum entsprechenden Kategorie der „Heiligkeit“ sucht, die vom „Profanen“ zu unterscheiden ist, auf eine Leerstelle stoßen. Der Begriff “Dschihad” ist jedenfalls korrekt mit „Bemühung“, „Anstrengung“ oder auch „Kampf“ zu übersetzen.
    Die Position des Gelehrten Ibn Hazm zur absoluten Transzendenz Gottes, die ihn an keine menschliche Kategorie und auch nicht sein eigenes Wort binde, wird durch den Bezug auf die Gewalt in einen irreführenden Kontext gestellt. Selbst wenn der Mensch Gott nicht auf sein eigenes Wort festlegen kann (die Mu’atazila war da übrigens anderer Meinung), so hat er sich doch selbst festgelegt: „Euer Herr hat sich zur Barmherzigkeit verpflichtet.“ (Sure 6,54). Und wie es an unzähligen Stellen im Koran heißt: „Und Gott bricht sein Versprechen nicht“ ...

    Konferenzieren statt demonstrieren
    Einseitigkeit und Unkenntnis lautet also die berechtigte Kritik an der Zitat-Wahl und der bisher nicht erfolgten inhaltlichen Korrektur. Der Papst ist in Sachen Islam eben nicht unfehlbar – darin ist jedoch kein Anlass zu aufgeregten Demonstrationen zu sehen, sondern einer zur inhaltlichen Diskussion. Die Vertreter der islamischen Welt hätten eine Konferenz vorschlagen können: Ein christlich-islamisches Gespräch zum Verhältnis der Religionen zur Gewalt und zu dem von Glauben und Vernunft. Der Papst und andere hochrangige Vertreter der christlichen Kirchen träfen zusammen mit muslimischen Gelehrten aus Kairo, Ghom und Kuala Lumpur. Stattfinden könnte diese erweiterte Neuauflage des mittelalterlichen Religionsgesprächs am gleichen Ort: in Byzanz, das heute Istanbul heißt, der Stadt auf zwei Kontinenten, die wie keine zweite für die enge Verbindung von Orient und Okzident steht.

    Eine solche Konferenz hätte Aussicht auf Erfolg, wenn beide Seiten auf den beliebten Reflex verzichten würden, sich gegenseitig ihre Untaten vorzurechnen oder sogar der anderen Seite noch die geistige Urheberschaft der eigenen Verbrechen anzulasten (und etwa zu behaupten, die katholischen Könige Spaniens hätten mit Reconquista und Inquisition nur ein „muslimisches Rezept“ (FAZ) angewandt). Dass die Taten von Angehörigen und bisweilen selbst von Repräsentanten der Religionen nicht zwangsläufig mit deren Lehren im Einklang stehen, sollte eigentlich keine Frage mehr sein. Realität ist mit Realität zu vergleichen und Ideal mit Ideal, alles andere ist entweder Apologetik oder Propaganda. Auch sind unterschiedliche Meinungen innerhalb einer Religion zu berücksichtigen – gerade was den Islam angeht, der (in der sunnitischen Ausprägung der Mehrheit) keine oberste Autorität kennt.

    Mittelalterliche Parallelen
    Eine sachliche und offene Debatte, in der keine Seite dünnhäutig auf Kritik reagiert, würde aufschlussreiche Ergebnisse zutage fördern. In der Frage nach den religiösen Positionen zu Gewalt und Krieg könnte etwa ein Vergleich der von muslimischen Gelehrten vorgetragenen Legitimierungen des “Dschihad as-saif” (Kampf/Bemühung mit dem Schwert) mit den Lehren vom Gerechten Krieg interessante Parallelen offenbaren. Auch eine Gegenüberstellung des Konzepts vom „Haus des Islam“ und dem „Haus des Krieges“ (Dar-ul Islam/Dar-ul Harb) und der Respublica Christiana böte aufschlussreiche Vergleichspunkte. Der christlichen Ordnung des Mittelalters zufolge war der Boden nicht-christlicher, heidnischer Völker christliches Missionsgebiet und der Boden islamischer Reiche „feindliches Gebiet, das durch Kreuzzüge erobert und annektiert werden konnte. Solche Kriege haben nicht nur eo ipso eine justa causa, sondern sind, wenn sie vom Papst erklärt werden, sogar heilige Kriege.“ [1]. Parallelen bestehen in der jeweiligen Zweiteilung der Erde in christliches/islamisches und heidnisches/nichtislamisches Gebiet. Während im christlichen Konzept der Missionsauftrag Gewalt rechtfertigt, wenn durch den Papst einem christlichen Fürsten heidnisches Gebiet zur christlichen Mission zugewiesen wird, war das Ziel der von muslimischen Herrschern geführten Kriege nicht die Ausdehnung des Glaubens, sondern des Herrschaftsgebietes.

    Ein wichtiger Punkt, der festzuhalten wäre (und damit vielleicht auch mal in das Bewusstsein westlicher Kommentatoren einziehen könnte), ist der, dass es sich in beiden Fällen um historische Konzepte handelt. Das im 9. Jahrhundert entwickelte Konzept vom „Haus des Islam“ und „Haus des Krieges“, das weder koranisch noch in Aussagen des Propheten verankert ist, war von Beginn an eines unter mehreren. Die hanafitische Rechtsschule sah ein abweichendes Konzept vor, das auch ein „Haus des Vertrages“ kannte. Die binäre Opposition „Islam oder Krieg“ hat sich daher nicht erst zu Beginn des 20. Jahrhundert mit dem Bündnis des Osmanischen Reiches und der Mittelmächte in Praxis wie Theorie erledigt. Die überwiegende Mehrheit der Gelehrten geht schon lange davon aus, dass militärischer Dschihad nur im Verteidigungsfall zur Anwendung kommen darf. Die Tatsache, dass sich radikale Gruppen bis heute auf das alte Konzept berufen, rechtfertigt nicht seine Darstellung als integralen oder gar zentralen Bestandteil der islamischen Lehre – es sei denn, man macht Extremisten zu den maßgeblichen Repräsentanten einer Religion. Dann können wir uns aber auch das Christentum vom Ku-Klux-Clan erklären lassen.

    Christentum, Vernunft und die Rolle des Islam
    Fast noch interessanter wäre die zweite Frage dieser Konferenz: die nach dem Verhältnis von Vernunft und Glauben. In seiner Rede hat der Papst die Enthellenisierung des Christentums als Zurückdrängung der Vernunft kritisiert. Die Wahl eines östlichen Vertreters des Christentums als Beispiel für die Synthese zwischen Griechen- und Christentum ist vielleicht nicht zufällig: In der westlichen christlichen Tradition erfolgte die Hellenisierung des Christentums durch die Vermittlung des Islams – wesentlich über muslimische Philosophen in Andalusien, allen voran Ibn Ruschd (Averroes), für den die Harmonie von Vernunft und Glaube, Philosophie und Religion ein zentrales Anliegen war.

    Die „geschichtlich entscheidende Prägung“ die das Christentum nach Papst Benedikt in Europa erhalten hat, beruht eben nicht allein auf dem Zusammentreffen von „biblischem Glauben und griechischem philosophischen Fragen“ mit dem „Erbe Roms“: auch das islamische Erbe Andalusiens und Siziliens tritt hinzu. Dies wäre zu betonen gewesen, hätte der Papst seine eigene Forderung nach interreligiösem Dialog in seiner Rede auch einlösen wollen. Wer von der Verbindung griechischen Wissens mit westlichem Christentum sprechen will, kann von der Rolle der muslimischen Philosophie nicht schweigen, die das griechische Wissen nicht nur „konserviert“, sondern kreativ weiterentwickelt hat. Für die Idee vom „christlichen Abendland“ scheint eine solche Verdrängungsleistung jedoch elementar zu sein.

    Was früher heftig bekämpft wurde, wird heute einfach ausgeschlossen, und die Erinnerung drängt sich auf an Gemälde des Spätmittelalters und Renaissance, die Thomas von Aquin als Sieger über Averroes zeigen, der gekrümmt und mit zusammengeschlagenem Buch zu seinen Füßen liegt. (Benozzo Gozzoli, „Triumph des Hl. Thomas von Aquin über Averroes“ (1468/84) Bild >>; Francesco Traini, „Der Triumph des Hl. Thomas von Aquin“ (circa 1340) Bild >>) Solche Abwehrreaktionen offenbaren, was sie verbergen sollen: dass Thomas von Aquin seine Synthesen ohne die Auseinandersetzung mit den Schriften des Ibn Ruschd nicht hätte entwickeln können, dass die christlich-lateinische Scholastik ohne den Einfluss der islamischen Philosophie nicht denkbar gewesen wäre. Möglicherweise ist in dem verdrängten Wissen um die Tatsache, dass das westeuropäische Christentum dem Islam einen guten Teil seiner Vernunft verdankt, ein uneingestandener Grund dafür zu sehen, dass sich der Papst mithilfe des beanstandeten Zitats an anderer Stelle – in der Frage der Gewalt – vom Islam abzugrenzen versucht.

    Dass die Auseinandersetzung um das Verhältnis von Vernunft und Religion für das Christentum eine gefährliche ist, hat nicht erst die Religionskritik der Aufklärung gezeigt, sondern schon die unitarischen Bewegungen der Jahrhunderte zuvor. Besonders prekär wurde die Begründung rational nicht erklärbarer Dogmen wie dem von der Dreieinigkeit und des Gottessohns in der Begegnung mit dem Islam. Nicht zufällig fiel einem Aufklärer wie Friedrich Nicolai auf, dass für die Zunahme unitarischer Positionen im 12. und 13. Jahrhundert „auch besonders der nähere Umgang der Christen mit den Mahometanern, durch die Kreuzzüge im Orient, und durch die Eroberungen der Mauren in Spanien“ [2] verantwortlich zu machen sei: Der Islam galt einigen Aufklärern als Muster einer vernünftigen und natürlichen Religion: Leipzig, Reimarus, Lessing und Condorcet wären hier etwa zu nennen. Leider ist dieser auffällige Umstand bisher noch nicht Anlass gewesen, die im Westen herrschende Meinung über das Verhältnis von Islam, Vernunft und Aufklärung kritisch zu befragen. Aber auch das könnte man auf dieser Konferenz ja mal besprechen.

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    Literaturhinweise:
    Der Einfluss des Islam auf das europaeische Mittelalter. Montgomery Watt
    Ohne die islamische Philosophie haette es weder Scholastik noch Aufklaerung geben koennen! Frieder Otto Wolf [pdf]
    Der Islam und die Quellen der Aufklaerung. Christoph von Wolzogen [html]
    Islamische Philosophie. Ulrich Rudolph

    Fussnoten:

    [1] Carl Schmitt: Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum.
    [2] Friedrich Nicolai: Versuch über die Beschuldigungen, welche dem Tempelherrenorden gemacht worden. (1782)



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 20.09.2006, 15:08


    Herzlichen Dank an Silvia Horsch, für diesen hervorragenden Artikel - hervorragend in Stil & Inhalt



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    Anonymous - 21.09.2006, 13:47


    islam.de - Druckdokument - Donnerstag, 21.09.06
    http://www.islam.de/6821.php

    islam.de 2006 - Alle Rechte vorbehalten Donnerstag, 21.09.2006

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    Kritischer Dialog:

    Ein muslimischer Versuch die Papst-Vorlesung zu verstehen - Von Mohamed Laabdallaoui
    Warum sprach der Papst überhaupt über den Islam? Worin haben die Muslime den Papst falsch verstanden?

    Um das Verhältnis von „Glaube und Vernunft“, um „Reflexionen und Erinnerungen“ sollte es in der Vorlesung von Papst Benedikt XVI. gehen. Der Zuhörer, auch der muslimische Zuhörer, durfte einen nicht nur akademisch interessanten Vortrag erwarten, sondern vor allem Gedanken eines ausgewiesenen Schriftgelehrten und die Weisheit eines erfahrenen Zeitzeugen.

    Im Großen und Ganzen hielt sich die Vorlesung thematisch denn auch an das Programm, das der Titel vorzeichnete. Nur ist in der anschließenden Diskussion der eigentliche Inhalt der Vorlesung hinter die bekannten Passagen aus der Einleitung in den Hintergrund getreten. Die Muslime ärgern sich über die von ihnen so empfundene Verunglimpfung ihres Propheten Muhammad und auch sonst darüber, dass ein Papst am Beginn des 21. Jahrhunderts solcherlei Aussagen unkommentiert zitiert, die man als Muslime im Dialog mit der Christenheit doch langsam zu überwinden hofft. Diese Zitate, die Entrüstung der Muslime und die verhaltenen Beschwichtigungsversuche des Vatikans wurden zu den Schlagzeilen, die die Diskussion beherrschen.

    Was waren die zentralen Aussagen der Regensburger Vorlesung?

    Papst Benedikt XVI. ging es in Regensburg in erster Linie um das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Er wollte beide nicht etwa miteinander versöhnen, denn dies ist nicht nötig, ist doch der Glaube eine selbstverständliche Dimension der Vernunft und beide im hellenischen Begriff Logos ursprünglich miteinander verbunden. Die moderne Vernunft ist lediglich um diese Dimension verkürzt worden. Der Glaube ist ein Teil der Vernunft ebenso wie die Theologie ein Teil des Wissenschaftsspektrums ist. Der Papst spricht in diesem Zusammenhang vom Verhältnis der christlichen Theologie zur griechischen Philosophie und von den drei Enthellenisierungswellen des Christentums. Er fordert eine Wiedererkennung der tief liegenden Gemeinsamkeiten von Christentum und Hellenismus, er sieht gar eine Wesensverwandtschaft zwischen ihnen und in ihrer nicht zufälligen Begegnung das, was aus dem orientalischen Urchristentum die europäische Religion und aus Europa das christliche Europa machte.

    Hätte es der Papst hierbei belassen, wäre sein Besuch in Deutschland als Versuch in Erinnerung geblieben, das moderne Europa mit sich selbst zu versöhnen, indem es in seiner Vernunft seinen Glauben wiederentdeckt. Und vielleicht wäre sein eindrucksvoller Ruf „Die Sache mit dem Menschen geht nicht auf ohne Gott“ aus einer Predigt Tage zuvor die herausragende Schlagzeile über seinen Besuch geblieben.

    Doch der päpstliche Ruf nach der Erweiterung des modernen westlichen Vernunftsbegriffs um die religiöse Dimension, seine Mahnungen, dass sich Ethik und Gemeinschaft aus Evolutionstheorie, Psychologie und Soziologie allein nicht hinreichend ergeben könnten und seine Betonung, unter Ausschluss des Göttlichen werde der dringend notwendige Dialog der Kulturen und Religionen nicht möglich sein – all das ist in der Berichterstattung und Diskussion weitgehend untergegangen.

    Schade. Solche Stimmen sind nicht oft zu vernehmen in einer allzu hektischen und auf das Politische, Ökonomische und Sinnliche fixierten medialen Welt. Auch als Muslime können wir uns doch nur freuen, wenn an Gott erinnert wird. Wir können uns vor allem auch freuen, wenn gerade der Papst Versuche zur Versöhnung der modernen Wissenschaften mit Gott unternimmt, hat doch die katholische Kirche durch ihre einstige Wissenschaftsfeindlichkeit entscheidend dazu beigetragen, dass der europäische Wissenschaftsraum von Glaube und Gottbezogenheit „entleert“ wurde. Man könnte den Muslimen vorwerfen, dieses zentrale Anliegen des Papstes vereitelt zu haben, indem sie so viel Aufhebens um eine Passage gemacht haben, die doch nur als Einleitung zum eigentlichen Thema gedacht war. Auch wenn die Auswahl der Passage unglücklich war, die Muslime hätten doch etwas mehr Gelassenheit zeigen und es bei einem vernehmbaren Raunen belassen können.

    Den Muslimen wird denn auch von vielen Seiten vorgeworfen, sie hätten die streitbaren Passagen missverstanden und aus ihrem Zusammenhang gerissen. Aber ist dies tatsächlich so? Hat der Papst seine Beispiele nicht bewusst ausgewählt? Ist es vorstellbar, dass er die Empörung der Muslime nicht absehen konnte? Und sind die streitbaren Sätze nicht doch struktureller Bestandteil der Vorlesung? Stimmt es wirklich, dass die Muslime Benedikt XVI. nicht richtig verstanden oder gar „absichtlicher Fehldeutung“ (Kardinal Lehmann) unterzogen haben? Nachdem ich zunächst nur kurze Auszüge aus der Vorlesung zur Kenntnis genommen hatte, habe ich mir deshalb die Mühe gemacht, den Text vollständig zu lesen und den Papst richtig zu verstehen.

    Warum sprach der Papst überhaupt über den Islam?

    Die Einleitung des Papstes erwähnte den Islam nicht nur beiläufig, sondern ganz typisch für eine Einleitung war es seine Rechtfertigung für die Relevanz des Vortrags. Dabei hätte es sicher viele Gründe gegeben, im heutigen Europa über das Verhältnis von Theologie und Wissenschaft zu sprechen, das wissen Muslime ebenso gut wie Christen. Auch hätte der Papst sicher viele treffende Zitate in der europäischen Geschichte und in der Geschichte des Heiligen Stuhls finden können, Zitate die dann von echter Relevanz für Europa gewesen wären, bewegt sich der Hauptteil der Vorlesung doch ausschließlich im europäischen Kontext, wo das Verhältnis von Glaube und Vernunft so schwierig ist wie in keinem anderen Kulturkreis.

    Der Papst entzog sich hier jedoch der Konfrontation mit dem Eigenen und projizierte dieses vornehmlich christlich-europäische Problem in den Islam, um es dann souverän aus der Ferne behandeln zu können. Damit erfand er leider nichts Neues: Es gehört seit jeher zur Wahrnehmung des Islam durch das christliche Europa, dass es eigene Probleme und Sehnsüchte in ihn hinein projiziert. So spielt der Harem in der europäischen Vorstellung von der islamischen Welt eine viel größere Rolle als bei den Muslimen. Das Problem Europas mit seinem Klerus und folgerichtig auch die Notwendigkeit der Aufklärung nach europäischem Vorbild, das Problem des Schriftverständnisses und die Notwendigkeit der historisierenden Hermeneutik analog zur Bibelhermeneutik: der Islam ist in der Vorstellung eines großen Teils des europäischen Geistes dem „dunklen“ mittelalterlichen Christentum verblüffend ähnlich: Der Islam als das dunkle Alterego der eigenen Vergangenheit. Warum also das eigene Problem über den Umweg der fernen Geschichte angehen, wenn es sich doch an einem gegenwärtigen Phänomen anschaulich darstellen lässt?

    Doch ist es nicht nur diese freudianische Interpretation der päpstlichen Einleitung allein, die ihren Zusammenhang mit dem gesamten Vortrag erklärt. Auch wenn es um ein europäisches Problem ging, so war die Vorlesung doch auch an die Adresse der Muslime gerichtet. Eine Aufforderung an die Muslime, ihre Theologie den Erfordernissen der Vernünftigkeit anzupassen. Man könnte dem Papst auch böswillig unterstellen, er habe die stereotype Wahrnehmung des Islam in Europa bestätigen und auffrischen wollen.

    Worin haben die Muslime den Papst falsch verstanden?

    Was hat der Papst nun über den Islam gesagt, worin ihn die Muslime falsch verstanden haben sollen? Er hat Manuel II., einen byzantinischen Kaiser, mit den Worten zitiert, Muhammad habe „nur Schlechtes und Inhumanes“ gebracht und vorgeschrieben, „den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“. Die Glaubenverbreitung durch Gewalt sei jedoch „widersinnig“, und „nicht vernunftgemäß zu handeln“ sei dem Wesen Gottes zuwider. Papst Benedikt XVI. erklärte im Nachhinein, dies sei nur ein Zitat und gebe keineswegs seinen eigenen Standpunkt wieder. Dann hört man hier und da, dieses Zitat sei aus seinem Zusammenhang gerissen worden. Ist dies tatsächlich so?

    Zunächst gilt die grundsätzliche Regel, wonach ein unkommentiertes Zitat auch seine Bestätigung bedeutet, zumal wenn es wie im vorliegenden Fall in die eigene Argumentation eingebunden ist. Betrachtet man den unmittelbaren Textzusammenhang des Zitats in der Vorlesung, dann hat man aber das Gefühl, dass der Papst diese Aussage nicht nur bestätigen, sondern eher noch bekräftigen wollte. Bevor er zu dem eigentlichen Zitat kommt, führt er nämlich einen kurzen Vorspann an, der sich wie eine Vorwegnahme von Gegenargumenten gegen das Zitat liest. So zum Beispiel das Argument, der Koran verbiete den Zwang in Glaubenssachen oder der Islam respektiere den Glauben der Schriftbesitzer. Letzteres seien Einzelheiten, also nicht wesentlich zum Thema gehörend. Das Verbot des Glaubenszwangs stamme aus der Zeit, als Muhammad noch schwach war und sei in den späteren Gesetzen zum „Heiligen Krieg“ aufgehoben worden. Und im Absatz davor erwähnt er, bei der Lektüre des langen Textes habe ihn dieser Punkt sogar „fasziniert“. Das ist nun sogar deutlich mehr als eine Bestätigung. Mir ist natürlich klar, dass der Papst nicht von der Formulierung zum Propheten „fasziniert“ war, sondern von der Aussage, nicht vernunftgemäß zu handeln sei dem Wesen Gottes zuwider. Aber für jemanden, der den Papst nicht kennt, ergibt sich dies nicht selbstverständlich aus dem Text.

    Kardinal Lehmanns „Erklärungen“ wollen nur ablenken

    Dem Papst ging es um Glaube und Vernunft und er hat ganz klar den Islam als Beispiel für ein Missverhältnis zwischen beiden vor Augen. Dies zu bekräftigen zitiert er auch Ibn Hazm, einen berühmten andalusischen Gelehrten des 11. Jahrhunderts, mit einer entsprechenden Aussage über das Wesen Gottes. Diese Aussage wird wiederum kommentarlos angeführt. Schon oben hatte der Papst Manuel II. so zitiert, dass die Behauptung im Raum blieb, nach islamischer Auffassung könne Gott auch vernunftwidrig handeln. Dies bestätigt er noch einmal durch den – aus dem thematischen Zusammenhang gerissenen – Verweis auf diesen großen muslimischen Gewährsmann. Dann fährt er fort und erkennt an dieser Stelle einen „Scheideweg im Verständnis Gottes“: Auf der einen Seite das Gottes- und Religionsverständnis der Muslime, auf der anderen den „auf der Bibel gründenden Gottesglauben“, der sich in tiefem Einklang befindet zu „dem, was im besten Sinn griechisch ist“. Der genannte „Scheideweg“ fordere uns überdies „heute ganz unmittelbar“ heraus. Damit ist klar: die Relevanz des Themas sieht der Papst durch die Abwesenheit der Vernunft in der islamischen „Gottesvorstellung“ und „Religionsausprägung“ gegeben.

    Worin besteht im Text der Vorlesung der „Scheideweg“ sonst, wenn nicht in diesem Punkt? Hier bleibt uns auch Kardinal Lehmann die Antwort schuldig, wenn er das Gegenteil behauptet. Er erklärt, es sei in der Vorlesung darauf angesprochen, „dass es auf Seiten aller Religionen der Reflexion auf die universale Verbindlichkeit der Vernunft bedarf“, was zwar zutreffen mag, aber nicht mehr als eine diplomatische Ablenkung vom eigentlichen Streitpunkt ist.

    Das Zitat Manuels II. war also ganz und gar nicht nur beiläufig eingebaut und auch nicht „gar nicht so gemeint“. Für die Vorlesung insgesamt macht sie nur Sinn, wenn man sie zumindest im Großen und Ganzen als Meinung des Papstes auffasst. Da spielt es kaum eine Rolle, dass er es mit eigenen Worten nicht so formuliert hätte, dass er zum Beispiel die Worte „nur Schlechtes und Inhumanes“ zur Umschreibung der Botschaft Muhammads sicherlich nicht benutzt hätte. Als seine eigene Meinung stellt er jedenfalls die historisch falsche Behauptung der gewaltsamen Bekehrung zum Islam auf und führt sie auf den Propheten Muhammad zurück. Und damit bestätigt er wieder einmal die Rhetorik vom „islamischen heiligen Krieg“, die Europa und vor allem die christliche Religion ungebrochen pflegt, auch Kardinal Lehmann bei der Verteidigung des Papstes am 19. September. Doch der Begriff des „Heiligen Krieges“ ist und bleibt ein Begriff aus der christlichen Geschichte, auch wenn der christliche Präsident der USA zurzeit mit seiner Kreuzzugsrede drohte, ihn von dort in die Gegenwart zu holen. Durch die ständige Wiederholung dieser Fehlübersetzung von Djihad wird sie nicht weniger falsch.

    Als Muslim gehöre ich zu jener Schule, die den Koran gerne interpretiert und auch gerne hinter den unmittelbaren Wortsinn zu schauen versucht. Aber dafür müssen sich Anhaltspunkte aus dem Text selbst, aus den historischen und aktuellen Umständen des Textes oder, um mich in die Begrifflichkeit dieses Kontextes einzureihen, aus der „Vernunft“ ergeben. Genauso sollten wir bereit und offenherzig genug sein, vom Wortlaut der päpstlichen Vorlesung abzusehen und sie umzuinterpretieren. Dazu muss es aber konkrete Anhaltspunkte geben. Diese fehlen jedoch im Text selbst gänzlich. An dieser Stelle geht es mir nicht darum, ob dies tatsächlich der persönlichen Meinung des Papstes entspricht – dass dies nicht so ist hat er ja bereits eindeutig erklärt – sondern um das, was der Text sagt, der ja allein die Muslime empört hat und dessen Falschverständnis man ihnen vorwirft.

    Die Muslime stört auch nicht die Aussage des byzantinischen Kaisers, denn die hat ihren eigenen historischen und textlichen Zusammenhang. Die christlich-islamische Diskussion der damaligen Zeit wurde ja auch von Seiten der Muslime durchaus schroff geführt. Und so manche ihrer Aussagen könnte heute an geeigneter Stelle unkommentiert zitiert für Empörung auf der christlichen Seite sorgen. Deshalb ist eine ausführliche Erläuterung zur Aussage Manuels II., wie sie Kardinal Lehmann anführt, zwar historisch sehr interessant und lesenswert, sie führt aber im aktuellen Zusammenhang an der Sache vorbei. Für die Reflexionen Manuels II. war sie ja ohnehin nur „marginal“, wie Papst Benedikt XVI. selbst in seiner Vorlesung erklärt hat. Sie war aber nicht marginal für den Textaufbau der päpstlichen Vorlesung.

    Der Vatikan hat die Entrüstung der Muslime vernommen und ist nun um Beschwichtigung bemüht. Von offizieller Stelle hieß es, man wolle den Muslimen die Aussagen des Papstes „erklären“. Eine „diplomatische Offensive“ soll dazu helfen. Seine Aussagen seien in den Medien falsch wiedergegeben worden. Nun ist der Papst kein Oberschullehrer, aber den berühmten oberschullehrerhaften Tonfall hat der Vatikan hiermit gut getroffen.

    Aristoteles, Ibn Ruschd und die christliche Philosophie

    Ebenso wie der Papst Wissenschaftsfeindlichkeit und den „heiligen Krieg“ in die Sphäre des Islam und damit geschickt aus der eigenen Geschichte hinausmanövriert, genauso fährt er im Hauptteil seiner Vorlesung fort und spricht vom tiefen Einklang zwischen dem christlichen Glauben und der hellenischen Philosophie. Seine Ausführungen über die Enthellenisierungswellen, die erst mit der Reformation beginnen, lesen sich so, als sei das Christentum schon immer rational gewesen im hellenischen Sinn. Im „besten hellenischen Sinn“, denn sie umfasste ja auch die Dimension des Göttlichen. Dass Aristoteles im christlichen Mittelalter Westeuropas erst durch Ibn Ruschd, einem ausgewiesenen Aristoteliker unter den muslimischen Philosophen bekannt wurde, dass die Aussöhnung der christlichen Theologie mit Aristoteles auch eine Aussöhnung mit Ibn Ruschd war, dass schon viele Historiker die Inspiration der christlichen Scholastik durch die islamische Scholastik verifiziert haben, dass das Christentum im Zusammenhang mit der Entdeckung der Vernunft dem muslimischen Andalusien sehr viel zu verdanken hat, alles das klingt in der Vorlesung an keiner Stelle an, obwohl es durchaus hätte anklingen können, wenn der Papst schon das Vernunftsproblem auch mit der islamischen Welt in Verbindung bringt. Wie hätte er auch, stünde es doch im Widerspruch zu der genannten Identifizierung des „Scheidewegs“ zwischen dem Christentum des Logos und der islamischen Vorstellung vom vernunftswidrig handelnden Gott.

    Als Muslime sind wir es inzwischen mehr als gewohnt, dass unsere Religion mit Attributen und einer Terminologie versehen wird, die Europa aus seiner eigenen Geschichte kennt. Das stört mich inzwischen nicht mehr, auch wenn es mich nervt. Aber spätestens seit Papst Johannes Paul II. haben wir Muslime großen und unmittelbaren Respekt vor diesem höchsten Amt der christlichen Welt und vor seinem Inhaber. Deshalb ist diese Vorlesung des Papstes irgendwo doch verletzend. Sonst wäre sie für mich wohl genauso unbedeutend geblieben, wie die bekannten Aussagen Berlusconis zur zivilisatorischen Überlegenheit Europas gegenüber dem Islam.

    Ohne die unglücklichen Zitate hätte die Vorlesung eine fruchtbare Diskussion anstoßen können

    Es wäre viel interessanter gewesen, sich mit den eigentlichen Thesen der Vorlesung auseinander zu setzen, etwa mit der Wesensverwandtheit des christlichen Europa mit der hellenischen Philosophie, mit der Beziehung des byzantinisch-orientalischen Christentums zum Hellenismus und zum christlichen Europa, und vor allem mit der These der Entleerung des modernen Vernunftsbegriffs um den Gottesbezug und sich hier vor allem mit Kant zu beschäftigen, mit dem wir Muslime uns übrigens theologisch sehr gut anfreunden können.

    Wir könnten in diesem Zusammenhang die Frage stellen, warum Europa das Christentum der Kreuzzüge, Inquisition, Zwangsbekehrungen und Hexenverbrennungen, des Dreißigjährigen Krieges nur durch die weitgehende Abkehr von der weltlichen Relevanz der Religion überwinden konnte, die schließlich in den vom Papst kritisierten Vernunftbegriff mündete. Warum musste Europa diesen Weg gehen? Hat das etwas mit der spezifischen Beziehung der Christen zu ihrer Schrift zu tun, mit der Institutionalisierung der Religion in der Kirche, oder gar mit ihrem Verständnis von der Immanenz des Göttlichen? Was versteht der Papst genau unter einem „weiten Vernunftsbegriff“ und warum hat sich Europa für den verengten statt für ihn entschieden?

    Als Europa dann in vollem Vertrauen auf die „verengte“ menschliche Vernunft den Menschen an die Stelle Gottes gesetzt hatte, war der Weg zum Wahnsinn des „Übermenschen“ sehr kurz: die brutale Unterwerfung der restlichen Welt, Nationalismus und Rassismus, Stalin, Hitler, wobei bei der Unterwerfung der Welt zu Beginn die Kirche ja noch durchaus in ihrem Sinne mitgewirkt hatte. Seit den Zweiten Weltkrieg erlebt Europa, vielleicht zum ersten Mal in seiner langen Geschichte, eine Phase der Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenwürde – so nimmt es jedenfalls wahr, wenn man in Europa lebt. Wie nachhaltig sind die ethischen Werte dieser so oft beschworenen Wertegemeinschaft Europas, die bisher nur sechzig Jahre gehalten hat und hier und da schon zu bröckeln beginnt? Was ist problematisch an der „engen“ Vernunft der europäischen Moderne? Ist es tatsächlich so, um es mit dem bei uns Religiösen so beliebten Satz Heideggers zu sagen, dass nur ein Gott die Welt retten kann?

    Vielleicht ergäbe sich daraus auch der Brückenschlag zur Frage, was heute im Unterschied zu Europa in der islamischen Welt wirklich drängend ist: nicht ihr Verhältnis zur Vernunft – mit ihr befindet sich der islamische Geist seit jeher in vergleichsweise guter Harmonie – sondern ihr Verständnis der Schrift. Wo liegen im islamischen Kontext die Ursachen für politischen Fatalismus, religiöse Starre, wirtschaftliche Lethargie, kulturelle Hilflosigkeit?

    Die Frage allerdings, warum zum Beispiel die „christlichen“ USA und das „jüdische“ Israel mit Kampfbombern und die „muslimischen“ Terroristen mit Zugbomben Zivilisten töten, diese Frage können weder Theologie noch Philosophie beantworten, auch wenn wir den Islam noch so sehr mit dem „Heiligen Krieg“ in Verbindung zu bringen versuchen. Hier sind Soziologen, Psychologen und Politikwissenschaftler sicher die besseren Berater. Ich würde mich aufrichtig freuen, wenn diese unselige Ära des „Diskurses“ endlich vorbei ist.

    Im Diskurs Europas und der islamischen Welt, der auch Papst Benedikt XVI. in dieser Vorlesung ein Anliegen war, wird es in der nächsten Zeit vor allem um die Frage gehen, was wir voneinander lernen können. So wie Europa vor Jahrhunderten mit Neugier und Wissensdrang von der islamischen Welt gelernt hat, so sind wir Muslime heute dabei von Europa zu lernen. Allerdings ist das Lernen diesmal kein Wissenstransfer von einem Kulturraum in einen anderen, von einem Kulturalter in ein anderes. Heute sind wir eine Welt mit einer gemeinsamen Zukunft. Ob uns bei der Bewältigung dieser Zukunft das zirkuläre Geschichtsverständnis, das mit den Muslimen verbunden wird, aber durchaus auch bei Goethe, Spengler und dem gläubigen Christen Toynbee zu finden ist, oder das eher fortschrittsorientierte Geschichtsverständnis, das Europa und dem Christentum zugeschrieben wird, die besseren Schlüssel hierzu liefern werden, das wird die Zukunft selbst zeigen. Es wird ein gegenseitiges Lernen vor allem auf dieser Ebene sein. Vielleicht wird es auch weniger um das Lernen selbst gehen, sondern mehr darum, endlich zu zeigen, was wir in den vielen Jahrhunderten gelernt haben.

    Aber vielleicht bietet uns Papst Benedikt XVI. hierzu doch noch eine „klare“ Gelegenheit. Ich würde mich freuen und ziehe gerne den Schwamm über diese Sache.


    Zum Autor: Mohamed Laabdallaoui (35, Deutsch-Marokkaner), Wirtschaftsingenieur und Islamwissenschaftler. Er ist seit knapp 10 Jahre Dozent für theologische Fragen beim Zentralrat der Muslimen in Deutschland und in der muslimischen commnutity ein profilierter Islamkenner unter den hier in Deutschland geborenen Muslimen. Auch als Kenner des Korans und der arabischen Sprache übersetzt er Texte und Bücher und hält seit Jahren Freitagspredigten in seiner Heimatgemeinde bei Frankfurt.

    Lesen Sie dazu auch:
    -Glaube, Vernunft, Gewalt – Gedanken zur Debatte um die Papstrede
    -Stolzes Vorurteil - TAZ Artikel zu den Papst-Äußerungen



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 23.09.2006, 14:28


    KÖLNER STADT-ANZEIGER 21.9.2006

    Der Papst, George Bush und Mohammed

    VON MATTHIAS HOENIG, 21.09.06, 11:22h

    Peter Funke, Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen (VHD).
    Konstanz - Das Programm des 46. Deutschen Historikertages war schon lange
    festgezurrt, bevor Papst Benedikt XVI. mit seiner Regensburger Vorlesung über
    Glaube und Vernunft für wütende Proteste in der islamischen Welt sorgte. Und doch
    macht das Leitthema "Geschichtsbilder" des größten geisteswissenschaftlichen
    Kongresses in Konstanz deutlich, worum es im aktuellen Streit auch geht: Um
    historisch gewachsene Vorurteile und Stereotypen von Christen über Muslime und
    umgekehrt. Eine Sektion befasst sich am Freitag mit dem "Bild des Moslems im
    westlichen und östlichen Europa in der Frühen Neuzeit". Nach Meinung von
    Historikern gibt es Parallelen zur Gegenwart.

    Sehr einseitiges Bild vom Islam
    "Seit fünf Jahren, also seit den Terroranschlägen vom 11. September, herrscht im
    Westen ein sehr einseitig negatives Bild vom Islam wie auch schon in der Frühen
    Neuzeit", sagt Prof. Gabriele Haug-Moritz (Graz). Dabei hatte in der Epoche um 1500
    bis 1700 das osmanische Reich in den besetzten eroberten Gebieten ein
    Mindestmaß an Toleranz gegenüber anderen Religionen geübt. "Mit Tributzahlungen
    kamen Christen oder Juden davon, es gab keinen extremen islamischen
    Missionseifer." Das negative Bild der Muslime in den Augen der Christen fand seinen
    Ausdruck in Türkenliedern oder der gefürchteten "türkischen Kriegsführung", einem
    Chiffre für besonders brutale Gewalt. Im 18. Jahrhundert, als das osmanische Reich
    zurückgedrängt wurde, änderten sich die Stereotypen eher ins Exotische vom Kaffee
    trinkenden Muselmanen oder der orientalischen Mode.

    Der Papst kanalisiert ganz andere Ängste
    Hochschuldozent Dr. Ludolf Pelizaeus (Mainz), Spiritus Rector der Sektion in
    Konstanz, findet in der Papstvorlesung eine schon in der Frühen Neuzeit übliche
    Methode wieder, einen anderen zu kritisieren: Den Kunstgriff, einen sehr alten Text
    zu zitieren, um die eigene Position zu untermauern und die Zuspitzung auf eine
    Person, in diesem Fall auf den Propheten Mohammed. Papst Benedikt hatte den
    byzantinischen Kaiser Manuel II. in seinem Vortrag damit zu Wort kommen lassen,
    dass bei Mohammed nur Schlechtes und Inhumanes zu finden sei wie das
    gewaltsame Verbreiten des Glaubens.
    Die Aufregungen um die Papst-Äußerungen in der islamischen Welt sieht er aber
    nicht als Rückfall in mittelalterliches Denken oder in die Frühe Neuzeit, sondern als
    Folge des bis heute nicht verwundenen Kolonialismus im 19. Jahrhundert in
    nordafrikanischen und anderen arabischen Ländern. Und er nennt die ausgefallene
    Säkularisierung, wenn in einem kurzen Zeitraum von 10 oder 20 Jahren in der Türkei
    unter Atatürk oder in Ägypten unter Nasser versucht wurde, Staat und Religion zu
    trennen. "Vor allem daraus folgt die scharfe Abkehr vom Westen", sagt Pelizaeus.
    Hinzu komme die hohe Arbeitslosigkeit und das Gefühl als Modernisierungsverlierer
    der Globalisierung dazustehen.

    Höfert: "Gefährliche religiöse Aufladung"
    Die Baseler Historikerin und Islamforscherin Dr. Almut Höfert, zuletzt in Kairo und
    jetzt am Wissenschaftskolleg Berlin tätig, sieht hinter der verhärteten Beziehung
    zwischen dem Westen und islamischer Welt strukturelle Kontinuitäten aus der
    Geschichte. Die mittelalterliche christliche Heilslehre ging von vier Weltreichen aus:
    Babylon, Persien, Griechenland und Rom. Nach dem Fall der vier Weltreiche wurde
    das Jüngste Gericht erwartet. Mit der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die
    Türken habe man diese für Vorboten des Antichristen gehalten und entsprechend
    verteufelt. Gutenberg habe zum Beispiel nicht zuerst die Bibel gedruckt, sondern eine
    Schmähschrift gegen die Türken. Mit dem Buchdruck sei eine ganz neue Qualität der
    Propaganda möglich geworden.
    Der Begriff Europa wurde laut Höfert erst, nachdem die Unitas Christiana auf den
    Kontinent zurückgeworfen war, politisch aufgeladen. Und Papstreden gegen den
    Islam als gewalttätige Religion habe es schon im 15. Jahrhundert gegeben. "Wenn
    Benedikt XVI. den katholischen Glauben als gewaltfrei hervorheben will, muss er ihn
    abgrenzen - und da ist der Papst eben wieder auf den Islam gekommen." Höfert sieht
    einen historischen Automatismus: Immer wenn Europa positiv genannt wird, dient der
    Islam als negative Abgrenzung: Demokratie versus Despotie, der westlichen Prüderie
    im 19. Jahrhundert stellte man Harems-Fantasien entgegen und dem
    wissenschaftlichen Fortschritt Rückständigkeit.

    Eine nicht ungefährliche religiöse Aufladung der Politik diagnostiziert Haug-Moritz.
    Als Beispiel nennt sie nicht nur den iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad,
    sondern auch den amerikanischen Präsidenten George Bush. Notwendig sind nach
    Auffassung der Historikerin Differenzierungen im Islam-Bild des Westens. Höfert hofft
    auf Aufklärer auf beiden Seiten: im arabischen Bereich, aber auch hier im Westen.



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 23.09.2006, 14:47


    FAZ 21.9.2006

    Kein Öl ins Feuer

    Islamische Verbände und die Papst-Rede / Von Christoph Ehrhardt

    BERLIN, 20. September. Nachtreten gegen den Papst aus Deutschland wollen sie
    nicht. "Die Sache ist für uns vom Tisch", sagt der Vorsitzende des Islamrats, Ali
    Kizilkaya, dieser Zeitung. Kizilkaya (unser Bild) und der Vorsitzende des Zentralrats
    der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, hatten am Dienstag abend die
    Regensburger Rede Papst Benedikts XVI. im Fernsehen abermals kritisiert - auf
    Nachfrage der Moderatorin. Als Erneuerung ihrer Kritik, bekräftigen beide, wollen sie
    die Äußerungen jedoch nicht verstanden wissen. Man wolle nun nach vorne
    schauen. Am nächsten Mittwoch lädt Innenminister Schäuble (CDU) zum Islamgipfel.
    "Wir müssen jetzt weiter am Dialog arbeiten", sagt Kizilkaya.
    Die Deutschen islamischen Organisationen hatten recht besonnen auf die
    Äußerungen Benedikts XVI. reagiert. Während der stellvertretende Vorsitzende der
    türkischen Regierungspartei AKP, Kapusuz, den Papst mit Mussolini und Hitler
    verglich, schrieb das Oberhaupt der Schiiten in Deutschland, Ajatollah
    Ghaemmaghami, einen offenen Brief, der mit den Worten "Eure Exzellenz,
    ehrerbietig erlaube ich mir . . ." begann und sich sachlich mit der Papst-Rede
    auseinandersetzte. Während der oberste islamische Geistliche in der Türkei,
    Bardakoglu, wortgewaltig die vermeintliche "Kreuzfahrermentalität" Benedikts XVI.
    geißelte, kritisierte der aus der Türkei stammende Kizilkaya, die Äußerungen des
    Papstes seien "kein positiver Beitrag" zum Dialog der Religionen. Organisierte
    türkischstämmigen Muslime in Deutschland äußerten die Einschätzung, die Heftigkeit
    der Reaktionen in der Türkei habe möglicherweise etwas damit zu tun, daß der Papst
    dem EU-Beitritt der Türkei skeptisch gegenüberstehe. Vielleicht habe man sich in der
    Annahme bestätigt gefühlt, der Papst habe eine antitürkische Haltung, sagen sie.
    Namentlich zitiert werden möchten sie nicht. Kizilkaya hält die radikalen Reaktionen
    in Teilen der islamischen Welt für "unverhältnismäßig". Für ihn steht die Dialogarbeit
    in Deutschland im Mittelpunkt - und die schlechte Presse für den Islam und seinen
    Propheten. Der jüngste Streit bringe in diesem Zusammenhang einen immensen
    Schaden. "Nicht alles, was ein Muslim tut, tut er aus islamischen Gründen", sagt er.
    Die Empörung in vielen Teilen der islamischen Welt habe möglicherweise auch einen
    sozialen oder politischen Hintergrund, sagt Kizilkaya, der von einer
    Empörungskampagne nichts wissen will. Trotzdem werde der Islam als
    Gewaltreligion dargestellt.
    "Der Streit über die Papst-Äußerungen hat gezeigt, daß die Beziehungen zwischen
    Muslimen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft noch nicht belastbar sind", sagt
    der Islamrat-Vorsitzende. Und Kizilkaya ist nicht der einzige, der sich bestürzt über
    die Auswüchse islamischer Reaktionen äußert. Auch der Zentralratsvorsitzende
    Köhler oder Ajatollah Ghaemmaghami haben dazu aufgerufen, die Lage nicht weiter
    zu verschärfen. Sie scheinen - wie schon beim Streit über die Mohammed-Karikaturen
    - von zwei Seiten unter Druck zu geraten. Einerseits höre ihnen die
    deutsche Öffentlichkeit nicht richtig zu, wenn sie über die Friedensbotschaft des
    Islams redeten, kritisiert Kizilkaya. Andererseits führten ausbleibende
    Integrationserfolge dazu, daß sie innerhalb ihrer Verbände an Glaubwürdigkeit
    verlieren. "Der Islam ist vom deutschen Staat immer noch nicht als
    Religionsgemeinschaft anerkannt. Die Islamkonferenz kommt ziemlich spät." Manche
    wendeten sich daher ab. Auch aus anderen Verbänden ist zu hören, daß
    antiislamische Schmähungen per E-Mail eingingen, in denen radikale Muslime sie für
    ihre gemäßigten Äußerungen als "eigentliche Nichtmuslime" angriffen.
    Maßgebliche islamische Vertreter kritisierten, daß dem Islam an sich Gewalttätigkeit
    als Wesenszug unterstellt werde. Sie deuten jedoch auch an, daß der Islam in vielen
    Teilen der Welt zu leicht zur Rechtfertigung von Gewalt und Unterdrückung
    herangezogen werden könne. Man müsse darüber reden. Aber man möchte nicht
    zitiert werden.
    Text: F.A.Z., 21.09.2006, Nr. 220 / Seite 2
    __._,_.___



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 23.09.2006, 14:50


    BERLINER ZEITUNG 22.9.2006
    Die Vernunft ist keine Jacke
    Religion und Gewaltbereitschaft: Papst Benedikt hat in Regensburg nicht nur missverständlich zitiert - sondern schlichtweg falsch
    Kurt Flasch

    Der Papst hat gesprochen. Der Papst mag unfehlbar sein, Professor Ratzinger ist es nicht. Aber ob er diesmal einen oder mehrere oder gar keinen Fehler gemacht hat, darüber kann nur urteilen, wer seine Regensburger Vorlesung als ganze liest. Wie jeder Redner hat er ein Recht darauf, nicht nur nach einzelnen Zitaten beurteilt zu werden.

    Mein Gesamteindruck: An der persönlichen Bereitschaft zum Dialog, auch mit dem Islam, braucht man nicht zu zweifeln. Der Papst trägt seine gute Absicht glaubhaft vor. Aber er konterkariert sie durch eine - diesmal sanft vorgetragene - dogmatische Defensivposition: indem er eine Einheit von Vernunft und Glauben, Griechentum und Christentum behauptet, die es so nicht gab. Und er verspielt den Erfolg durch eine Art des Umgangs mit zwei Zitaten, die man bei weniger hohen Autoritäten "dilettantisch" nennen würde.

    Wahrscheinlich gehen diese Passagen auf seine Redenschreiber zurück. Ein Papst hat andere Verpflichtungen, als mittelalterliche Quellen oder Kant zu lesen. Wenn der Papst ein wirklich regierender Papst ist, dann hat er seine Redenschreiber schon gefeuert; sie könnten in der Landseelsorge in Niederbayern nützliche Arbeit im Weinberg des Herrn leisten.

    Niemand, der die Rede liest, kann - von den Zitaten einmal abgesehen - daran zweifeln: Der Papst ist ernsthaft besorgt. Der Dialog ist eine Lebensnotwendigkeit unserer Gesellschaft. Er diagnostiziert eine "Pathologie der Vernunft und der Religion". Er sieht in Europa einen langen Verfallsprozess. Er weiß, dass er die Krise durch autoritative Akte nicht heilen kann. Daher das glaubwürdige Pathos des Ausgleichs, des Gesprächs und der Offenheit. Aber der Papst blockiert seine Absicht durch die extreme Vereinfachung der geschichtlichen Realität - des Islams, aber auch der westlichen Ideenentwicklung und seiner eigenen Kirche.

    Frommer Relativismus

    Um mit dem Islam zu beginnen: Er erscheint als vernunftfeindlich und daher gewalttätig. Sein Gottesbild sei entweder völlig unbestimmt, rein negativ, oder bloß jenseitig-fremde Willensenergie. Dieses Bild verkennt zweierlei: Erstens: Die reiche Ideenentwicklung in der arabischen Theologie und Philosophie, in der sowohl die radikale negative Theologie wie der Voluntarismus eine Strömung unter mehreren war. Zweitens: Dieselben als vernunftfeindlich kritisierten Motive des Islam kommen auch in der christlichen Welt vor. Bei großen christlichen Theologen findet sich der Gedanke, wir wüssten nicht, was Gott ist: Als der Unendliche müsse er völlig bestimmungslos gedacht werden. Christliche Theologen der göttlichen Willensmacht verbieten dem Menschen, diesem Sündenwurm, auch nur zu fragen, warum Gott dies oder jenes beschlossen hat: "Wer bist du, dass du...-"? Die Regensburger Rede, die durchaus auf die Geschichte des Christentums eingeht, gesteht dies zweite Motiv ein für die Zeit seit Duns Scotus, also ab 1300. Aber es steht im Römerbrief des Paulus, und der späte Augustinus hat es energisch fortentwickelt. In beiden Hinsichten, im Frageverbot wie im Verbot von Prädikaten, geben sich die islamische wie die christliche Tradition nichts.

    Der Papst empfiehlt die Versöhnung von Vernunft und Glaube, von Griechentum und Christentum, aber über Jahrhunderte haben seine Vorgänger gelehrt, die Vernunft müsse sich in den Glauben gefangen geben. Er zeichnet ein harmonisches Wunschbild der Geschichte des christlichen Denkens. Er übergeht alle Konflikte. Er ordnet dem Islam die bedenklichen, dem Christentum die liebenswürdigen Tendenzen zu. Dies ergibt keinen Dialog. Eine Einheit von Glaube und Vernunft hat es in der irdischen westlichen Welt nie gegeben. Der Papst fordert eine neue Weite der Vernunft, welche die Theologie einschließen müsse, aber zur Verengung der Vernunft kam es erst durch die Misserfolge der "weiten" Vernunft. Wir können heute nicht eine "weite" Vernunft wählen, wie man eine weite Jacke wählt. Das wäre der vom Papst so oft beklagte "Relativismus" in frommer Form.

    Auch die historische Perspektive der Rede stimmt nicht: Die christliche Welt des Westens hat von 400 bis 1800 die Toleranz nicht nur de facto nicht geübt; sie hat sie theoretisch verworfen. Es gibt lange Seiten des Heiligen Augustinus, in denen er die Notwendigkeit des Heiligen Kriegs begründet. Diesen Gedanken gab es in der Hebräischen Bibel, christliche Theologen haben ihn liebevoll weiterentwickelt. Der Papst lehrt, der Glaube sei eine Sache der Seele; aber viele christliche Denker, von Augustinus an bis ins hohe 19. Jahrhundert, haben diesen Gedanken zwar wiederholt, aber dann hinzugefügt: Gewiss beruhe der Glaube auf freier Zustimmung, doch seien die Menschen so in Sünden und schlechten Gewohnheiten befangen, dass wir sie mit körperlicher, auch militärischer Gewalt daraus befreit müssen, damit sie danach frei zustimmen. Augustinus beschreibt jubelnd, wie christliche Abweichler, in die Kirche zurückgetrieben von Soldaten, die er gerufen hatte, der Vorsehung gedankt hätten. Denn durch Schrecken erzogen, seien sie nun ihren Irrtum los.

    Das soll Kant gesagt haben?

    Ein anderes Beispiel: Vor einigen Monaten wurde in Afghanistan ein Moslem zum Tode verurteilt, weil er zum Christentum übergetreten war. Er kam durch diplomatische Ränke frei. Aber die muslimischen Autoritäten, die ihm nach dem Leben trachteten, haben sich genau an die christlichen Moralvorschriften des Thomas von Aquino gehalten. Thomas lehrte nämlich: Wer den christlichen Glauben verlässt, ist des Todes schuldig.

    All dies und vieles andere - auch das Te Deum des Papstes, als er von der Abschlachtung der Hugenotten in der Bartholomäusnacht erfuhr - ignoriert der Papst in seiner Suche nach Harmonie. Sein Bild von Islam und Christentum gerät darüber zur Karikatur. Diese Religionen sind aufs Ganze gesehen so unähnlich nicht; nur befinden sie sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Nachdem die Kirche im Westen Polizei und Militär nicht mehr befehligen kann, lobt sie die Religionsfreiheit, die sie noch im 19. Jahrhundert feierlich verworfen hat.

    Der Papst will kein vernunft- und kulturfeindliches Christentum, aber er zieht der christlichen Vernunft enge Grenzen: Seit Duns Scotus gab es, sagt er, gefährliche Verfallstendenzen; die Reformatoren ließen sich durch die Entwicklung der Spätscholastik zu Programmen der Trennung von Vernunft und Glauben hinreißen; auch Pascals Trennung des Gottes Abrahams vom Gott der Philosophen besteht nicht zu recht. Dann kommt der Papst auf Kant zu sprechen. Kant habe das Erbe der Reformatoren auf die Spitze getrieben. Kant, heißt es wörtlich, behaupte, er "habe das Denken beiseite schaffen müssen, um dem Glauben Platz zu machen".

    Dies Zitat ist falsch. Die versammelte bayerische Intelligenz nahm daran keinen Anstoß: Hat Kant wirklich gesagt, er habe das Denken beseitigen wollen? Das Zitat heißt richtig: "Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen". Bei Kant und in Wirklichkeit sind Denken und Wissen nicht dasselbe. Man kann sich vielerlei denken, ohne etwas zu wissen. Kant hat gesagt, was er unter Wissen verstand: Sinnliche Anschauung plus Denken. Auch "Glauben" ist hier im Kantischen Sinn zu nehmen: nicht Kirchenglaube, sondern der Vernunftglaube oder die denkende Erfahrung unbedingten Sollens in der praktischen Vernunft.

    Bis zum Beweis des Gegenteils kann ich nicht glauben, dass ein Professor von der Bildung Ratzingers Kant so elementar entstellt hätte. Ich sehe ihn vor mir, von Staatsgeschäften, Zeremonien und Folklore überanstrengt, und daneben malochen seine bleistiftkauenden Redenschreiber. Kant bestritt, dass die bisherige Metaphysik Wissen war. Ihren Anspruch, nicht "das Denken", musste er beseitigen, um für das Denken seiner praktischen Philosophie Platz zu bekommen.

    Gab es keinen besseren Zeugen?

    Ich komme zu dem inzwischen berüchtigten Zitat des griechischen Kaisers, der seine Belagerer belehrt, sie sollten nicht aus Glaubensgründen Krieg führen, das sei dem Wesen des Glaubens zuwider. Der Professor folgert aus dem Zitat 1) Es sei unangemessen, die Religion mit Gewalt zu verbreiten. 2) Der Islam denke Gott als "absolut transzendent", während das Christentum ihn denke als Vernunft und Liebe. Es vermeide, Gott in einen "undurchschaubaren Voluntarismus zu entrücken". Dem Zusammenhang nach muss man fortfahren: Darum ist das Christentum dialogbereit, der Islam nicht. Das sagt der Papst nicht. Aber es stellt den Zusammenhang her, und man muss nicht bösen Willens sein, um diese Kontrastierung herauszulesen, die den jetzigen Christen schmeicheln und Muslime verletzen kann. Zumal der Papst hinzufügt: Die Sure 2, 256 des Korans, die den Zwang in Glaubenssachen ablehne, stamme aus der frühen Zeit, als Mohammed noch machtlos war, während spätere Texte, als der Prophet Macht hatte, den heiligen Krieg empfehlen.

    Dieses Zitat und seine genaue Rolle im Gedankenfortgang bleiben rätselhaft. Ist etwa der belagerte Christenkaiser der richtige Glaubensverkünder? Gab es im Westen keinen glaubwürdigeren Zeugen? Und wenn der Papst - von sich aus historistisch relativierend, also in dieser Richtung aufklärerisch - hinzufügt, die Ablehnung des Zwangs gehöre in die Zeit der Machtlosigkeit, dann fragt es sich, ob die neue christliche Absage an die Gewalt nur die schlaue Folgerung aus der Machtlosigkeit sei. Sind die Trauben sauer, weil sie zu hoch hängen?

    Der Papst hätte ohne diesen historischen Dekor überzeugender für Religionsfreiheit argumentieren können. Aber wer Kant falsch zitiert und mit einer im Argumentationsgang entbehrlichen Stimme aus dem belagerten Byzanz der Zeit um 1400 geradezu tolpatschig-ungenau verfährt, hat den Misserfolg programmiert. Um in der realen Welt Gespräche zwischen Religionen und Kulturen anzuregen, genügen nicht edle Intentionen. Es braucht genaues Denken, philologische Präzision, historische Gerechtigkeit und politische Umsicht. Das alles mag der Papst gewollt haben. Dann hat er sich selbst einen Strich durch die Rechnung gemacht.

    Berliner Zeitung, 22.09.2006



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 23.09.2006, 15:18


    http://www.gerhard-wisnewski.de/modules.php?name=News&file=article&sid=285

    Habemus Bellum - Der Papst als ProvokateurGeschrieben am Saturday, 23.September. @ 00:05:00 CEST von wisnewski

    Papst Benedikt XVI. auf dem "Grand Chessboard"
    Von Gerhard Wisnewski

    Im September 2005 schrieb ich einen Aufsatz über den "Krieg gegen den Terror", den ich bis jetzt nicht veröffentlicht habe. Darin hieß es, dieser Krieg werde "nicht wegen des Geldes geführt. Das sind nur angenehme Nebeneffekte. Auch nicht allein um der Stabilisierung oder der Wahrung des status quo willen, also um des staatlichen Erhalts der Vereinigten Staaten willen. Vielmehr soll er gleichzeitig die anglo-amerikanische Vorherrschaft ausweiten und dem Imperium neue Ressourcen zuführen. Sprich: der Stabilisierungskrieg ist gleichzeitig auch ein Raub- und Eroberungskrieg. Der Kampf um das Öl ist aber keine ausreichende psychologische Grundlage für einen solchen Feldzug – ganz im Gegenteil. Mit einer solchen Begründung ließe sich der Krieg nicht legitimieren. Man kann die Menschen nicht aufhetzen, um Ressourcen zu erobern. Um die niedrigen Instinkte zu wecken, benötigt man vielmehr etwas Fremdes und Anderes, und das ist die Religion des Islam.




    In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestand die dauernde Krise in einer Mischung aus Terrorismus und dem politischen Konflikt zwischen Ost und West. Heute ist es eine Mischung aus Terrorismus und dem religiösen Konflikt zwischen Christentum und Islam. Jedenfalls scheinbar. Denn anders als der politische Konflikt, ist der religiöse Konflikt 300 Jahre nach der Aufklärung gar nicht so leicht zu inszenieren. Vielmehr muß der religiöse Konflikt erst künstlich herbeigeführt werden. Das Problem: Die westlichen Gesellschaften sind weltliche Gesellschaften. Die Kirchen sind leer, die religiöse Identität schwach. Ein christliches Wir-Gefühl ist kaum vorhanden. Während die USA mit ihren radikalen Fernsehpredigern und fundamentalistischen Sekten schon seit vielen Jahren die christliche Identität aufrüsten, fehlen solche Bemühungen in Europa weitgehend. Der globale Kreuzzug gegen den Islam läßt deshalb einen Flügel hängen. Hier „wir“ Christen – dort „die“ schrecklichen Muslime - diese erwünschte Polarisierung funktioniert nur unzureichend.


    Habemus Propaganda - die religiöse Aufrüstung


    In letzter Minute wird deshalb versucht, die religiöse Identität künstlich aufzublasen. Verzweifelt versuchen Medien und Politiker, dem religiösen Feindbild Leben einzuhauchen. Besonders die verweltlichte deutsche Konsumgesellschaft scheint den Psychostrategen ein Dorn im Auge zu sein, zumal nach dem Widerstand gegen den Irak-Krieg.

    Spätestens seit der Wahl Johannes Pauls II. zum Papst ist das Papsttum eine angloamerikanische Waffe im Kampf um geopolitische Ziele. Die erste Wahl eines Nichtitalieners auf den Papstthron seit 500 Jahren diente der Destabilisierung des Ostblocks über eine religiöse Begeisterungswelle in Polen. „Mission Accomplished“ – der Ostblock ist zusammengebrochen, Johannes Paul II. gestorben, nun hätte man eigentlich erwarten müssen, daß die Katholische Kirche zu ihrer 500 Jahre alten Tradition zurückkehrt und wieder einen italienischen Papst wählt. Doch weit gefehlt: Diesmal wählte die Katholische Kirche ausgerechnet einen Deutschen zum Papst. Was einmal mehr den Eindruck bestätigt, daß Päpste an bestimmte politsiche Interessengebiete "adressiert" werden. Wahrscheinlich deshalb, um im mächtigen säkularen Kernland Europas zunächst mal überhaupt so etwas wie eine religiöse Identität zu schaffen. Gewählt wurde nicht irgendein Deutscher. Dieser Deutsche sprach von der falschen Toleranz, der "innerlichen Aushöhlung Europas" gegenüber dem Wiedererblühen des Islam. Als Benedikt XVI. traf sich Joseph Ratzinger ganz im Geheimen ausgerechnet mit einer der berühmtesten Einpeitscherinnen im Kampf gegen den Islam, der Schriftstellerin Oriana Fallaci: "In ihrem jüngsten, noch nicht übersetzten Buch, einer Art politischem Testament, rückt Oriana Fallaci ein paar Dinge gerade. Johannes Paul II. wirft sie … vor, ‚nie ein Wort gegen unsere Feinde’ gesagt zu haben. Die einzige Hoffnung des Buches war - Joseph Ratzinger." (Spiegel Online) Eine solche Geheimaudienz beim Pontifex bekommt natürlich nicht Jedermann.
    Um sie im Religionskrieg instrumentalisieren zu können, müssen die Deutschen religiös aufgerüstet werden. „Ratzingers Hauptthema ist der neuzeitliche Religionsverlust. (…) Die kirchlichen Parteigänger Ratzingers kritisieren an der neuen Europa-Architektur vor allem das Säkulare, das urkundliche Schweigen zu einem Gottesbezug“, schreibt der Internetdienst telepolis über Ratzinger/Benedikt: „Die als Antiterrorkampf deklarierte Planung neuer US-Kriege hat der verstorbene Papst Johannes Paul II. als ‚Gefahr für das Schicksal der Menschheit’ charakterisiert. Beim Kurienkardinal Ratzinger sind in den letzten Jahren andere Akzente auszumachen.“
    Laut Radio Vatikan beklagte Kardinal Ratzinger, der ehemalige Leiter der katholischen Glaubenskongregation (sprich: der Inquisition), „einen antichristlichen Werteverfall in Europa und empfahl dagegen das amerikanische Gesellschaftsmodell“. „Der Moralkonservatismus der Bush-Administration und die öffentliche Berufung von US-Politikern auf religiöse Vorstellungen finden seinen Beifall.(…) Für eine Annäherung zwischen Rom und Washington könnte Ratzinger der ideale Papst sein.“
    Das kann man wohl sagen: laut der kritischen Christenzeitung Publik Forum half Ratzinger alias Benedikt George W. Bush gar in den Sattel: Ratzinger habe „durch Briefe an die US-Bischöfe massiv in den amerikanischen Wahlkampf eingegriffen und mindestens die Wahl in drei katholisch geprägten US-Staaten entscheidend beeinflußt.“ Heute arbeiteten „der Vatikan und der Präsident des Weltimperiums, George W. Bush, leise aber effektiv zusammen.“
    Zwar ist es noch zu früh, um das Verhalten Benedikts XVI. im künstlichen Religionskrieg gegen den Islam zu beurteilen...

    Das schrieb ich, wie gesagt, ziemlich genau vor einem Jahr. Im September 2006 hatte das Warten ein Ende. Papst Benedikt, der gute "Papa Benedetto", ließ die Maske fallen. Sein wahres Ziel: Nach der Begeisterung seiner Schäflein will er diese in den künstlich entfachten Kampf der Kulturen führen. Daß der ehemalige Chef der Inquisition ausgerechnet ein mittelalterliches Zitat bemühte, um diesen Konflikt anzuheizen, ist natürlich kein Zufall. Denn genau da soll es ja hingehen: in das Mittelalter. Bei einer Rede in Regensburg zitierte er den byzantinischen Kaiser Manuel II. : „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat. Und da wirst Du nur Schlechtes und Inhumanes finden.“

    Die weltweiten Reaktionen auf diese nackte Provokation sorgten selbst "innerhalb des Heiligen Stuhls für große Besorgnis", gab laut Süddeutsche Zeitung "ein amerikanischer Vatikankenner zu verstehen." Ein päpstlicher Irrtum, ein Lapsus? Nicht doch. Kaum jemand wägt seine Worte so sorgfältig wie der Papst, noch sorgfältiger als beispielsweise der einstige Chef der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan.

    In Rom kann denn auch "kaum jemand glauben, dass der gelehrte Papst aus Deutschland nicht mit eben diesen Reaktionen gerechnet hat. 'Da muss man sich ernsthaft fragen, welche Berater er hat und warum sie ihm nicht von der Rede abgeraten haben'", zitiert die SZ den erwähnten US-Journalisten. Tja, welche Berater mögen das gewesen sein? Das Zitat dient eindeutig dazu, die dem Papst anvertraute Christenheit in den von Samuel Huntington ausgerufenen "Kampf der Kulturen" zu führen. Hat dieser Papst das Vertrauen seiner Schäflein daher verdient? Wohl kaum. Er hat sie alle und mit ihnen die ganze Welt in tödliche Gefahr gebracht. Nicht, weil nun mohammedanische Armeen gen Westen marschieren, sondern weil nun die sinistren Mechanismen des inzenierten "Kampfes der Kulturen" ablaufen können.

    Prompt griffen denn auch alle Rädchen ineinander. "Wir sagen dem Diener des Kreuzes: Warte auf die Niederlage", unkten umgehend die einschlägig bekannten "islamistischen Internetseiten" (SZ). Und natürlich ließ sich auch das Phantom-Netzwerk "Al-Qaida" nicht lumpen: „Wir setzen unseren heiligen Krieg fort. Wir werden das Kreuz zertrümmern. Wir sagen den Ungläubigen und Tyrannen: wartet, was euch heimsuchen wird“ , habe es in einer Interneterklärung der "Terrororganisation" geheißen, die von Kennern gern als Al-CIAda bezeichnet wird. Gleichzeitig kam es in der islamischen Welt zu Protesten, bei denen Papst-Puppen abgefackelt wurden. In Somalia wurde gar eine Nonne ermordet. Der Papst übte sich in kulturkämpferischer Rhetorik, indem er den Mord als "barbarisch" geißelte. Barbaren, soweit haben wir ja inzwischen verstanden, sind zum Abschuß freigegeben.

    Und während sich der Papst für seine sicherlich sorgfältig geplante Äußerung über Mohammed und den Islam entschuldigte, können sich die Hintermänner des "Kampfes der Kulturen" die Hände reiben. Die Saat ist ausgesät, das Drehbuch ist geschrieben. Der Papst hat sich zum Spielball des angestrebten globalen Konfliktes mit dem Islam gemacht. In ihm ruht nun ein äußerst verführerischer casus belli. Nach all den islamischen Protesten und Drohungen aus dem Dunkel wäre ein "islamistischer" Mordanschlag auf das Kirchenoberhaupt schließlich nur zu plausibel. Womit der ideale Einstieg in einen globalen Krieg zwischen Islam und Christentum geschaffen wäre. Gut, daß schon mal eine deutsche Armee auf dem Weg in den Nahen Osten ist.



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 23.09.2006, 15:20


    Geschichtsklitterung

    Ratzingers Regensburger Vortrag wurde von den deutschen Medien als
    hochintellektuell und brillant gepriesen. Tatsächlich ist er ein
    Beispiel plumper, unehrlicher und bösartiger Geschichtsklitterung.

    World Socialist Web Site (www.wsws.org)
    www.wsws.org/de/2006/sep2006/paps-s22.shtml

    Ratzingers Kreuzzug

    Von Justus Leicht
    22. September 2006



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 24.09.2006, 10:05


    http://www.freitag.de/2006/38/06380301.php

    Freitag 38, 22.08.2006 Im Gespräch

    Wenn der Papst den vernünftigen christlichen Gott aus dem Talar zaubert
    MOHSSEN MASSARRAT üBER DEN KRACH DER RELIGIONEN



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 24.09.2006, 17:49


    Mohammeds Schwert
    Uri Avnery, 23.9.06

    SEIT DEN Tagen, als römische Kaiser die Christen den Löwen zum Fraß hinwarfen, haben die Beziehungen
    zwischen Kaisern und Kirchenführern viele Wandlungen durchgemacht.
    Konstantin der Große, der 306 – genau vor 1700 Jahren – Kaiser wurde, machte das Christentum zur
    Staatsreligion seines Kaiserreiches, das damals auch Palästina einschloss. Jahrhunderte später teilte sich die
    Kirche in einen östlichen (orthodoxen) und einen westlichen (katholischen) Teil. Im Westen erwarb der Bischof
    von Rom den Titel Papst und verlangte vom Kaiser, sich ihm zu unterwerfen.

    Der Kampf zwischen Kaiser und Papst spielte in der europäischen Geschichte eine zentrale Rolle und spaltete
    die Völker. Es gab für beide Seiten Siege und Niederlagen. Einige Kaiser setzten den Papst ab oder vertrieben
    ihn, einige Päpste setzen den Kaiser ab oder exkommunizierten ihn. Einer der Kaiser, Heinrich IV., „ging nach
    Canossa“, stand drei Tage barfuss im Schnee vor der Burg des Papstes, bis der Papst sich herabließ, die
    Exkommunizierung aufzuheben.

    Aber es gab auch Zeiten, in denen die Kaiser und die Päpste in Frieden miteinander lebten. Heute erleben wir
    solch eine Zeit. Zwischen dem gegenwärtigen Papst Benedikt XVI. und dem gegenwärtigen Kaiser George
    Bush II. besteht eine wunderbare Harmonie. Die vor einer Woche gehaltene Rede des Papstes, die einen
    weltweiten Sturm auslöste, passt gut zu Bush’s Kreuzzug gegen den „Islamo-Faschismus“ - im Kontext des
    „Kampfes der Kulturen“.

    IN SEINER Vorlesung an einer deutschen Universität beschrieb der 265. Papst den großen Unterschied
    zwischen Christentum und Islam: während das Christentum sich auf die Vernunft gründe, verleugne der Islam
    diese. Während die Christen die Logik in Gottes Handlungen erkennen, verleugneten die Muslime jegliche
    Logik in den Taten Allahs.
    Als jüdischer Atheist habe ich nicht die Absicht, mich auf den Streitboden dieser Debatte zu begeben. Es liegt
    außerhalb meiner bescheidenen Fähigkeit, die Logik des Papstes zu verstehen. Aber ich kann eine Passage nicht
    übersehen, die auch mich betrifft, als Israeli, der in der Nähe der angeblichen Grenzlinie des „Kampfes der
    Kulturen“ lebt.

    Um den Mangel an Vernunft im Islam zu beweisen, behauptete der Papst, dass der Prophet Muhammad seinen
    Anhängern befahl, seine Religion mit dem Schwert auszubreiten. Nach Ansicht des Papstes wäre dies
    unvernünftig, weil der Glaube aus der Seele kommt und nichts mit dem Körper zu tun hat. Wie könnte also das
    Schwert die Seele beeinflussen?
    Um dies noch zu unterstreichen, zitierte der Papst ausgerechnet das Wort eines byzantinischen Kaisers, der
    natürlich zur konkurrierenden Ostkirche gehörte. Ende des 14. Jahrhunderts erzählte Kaiser Manuel II.
    Palaeologus von einem (zweifelhaften) Streitgespräch, das er mit einem nicht namentlich genannten persisch
    muslimischen Gelehrten geführt hätte. In der Hitze des Gefechtes schleuderte der Kaiser – nach seiner eigenen
    Aussage – folgende Worte gegen seinen Kontrahenten:
    „Zeig mir doch, was Mohammad Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden
    wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“

    Diese Worte geben Anlass, drei Fragen zu stellen:
    a) Warum sagte der Kaiser sie?
    b) Stimmt das denn ?
    c) Warum hat der gegenwärtige Papst diese Worte zitiert?

    ALS MANUEL II. seine Abhandlung schrieb, war er das Haupt eines Imperiums, das im Niedergang begriffen
    war. Er kam 1391 zur Macht, als dem einst so blühenden Kaiserreich nur noch wenige Provinzen geblieben
    waren, die auch schon von den Türken bedroht wurden.
    Zu diesem Zeitpunkt hatten die ottomanischen Türken bereits das Donauufer erreicht. Sie hatten Bulgarien und
    den Norden Griechenlands erobert und zweimal Europas Heere besiegt, die das östliche Kaiserreich retten
    sollten. 1453, nur wenige Jahre nach Manuels Tod, eroberten die Türken seine Hauptstadt Konstantinopel - das
    heutige Istanbul - und setzten dem Kaiserreich ein Ende, das mehr als tausend Jahre gedauert hatte.
    Während seiner Herrschaft hatte Kaiser Manuel II. die Hauptstädte Europas besucht und versucht, die
    Trommeln für Unterstützung zu rühren. Er versprach, die Kirche wieder zu vereinigen. Zweifellos schrieb er
    seine religiöse Abhandlung, um die christlichen Länder gegen die Muslime, die „Achse des Bösen“,
    anzustacheln und sie zu einem neuen Kreuzzug zu bewegen. Das Ziel war praktisch ausgerichtet, die Theologie
    diente der Politik.

    In diesem Sinn passt das Zitat genau zu den Erfordernissen des gegenwärtigen Kaisers George Bush. Auch er
    will die christliche Welt gegen den Islam, die „Achse des Bösen“, einigen. Außerdem klopfen die Türken wieder
    an die Türen Europas, dieses Mal friedlich. Es ist allgemein bekannt, dass der Papst die Kräfte unterstützt, die
    gegen den Eintritt der Türkei in die EU sind.
    STECKT IRGENDWELCHE Wahrheit in Kaiser Manuels Behauptung?
    Der Papst selbst hat Vorsicht angemahnt. Als seriöser und namhafter Theologe konnte er es sich nicht leisten,
    Texte zu fälschen. Deshalb gab er zu, dass der Koran streng verbietet, den Glauben mit Gewalt zu verbreiten. Er
    zitierte die 2. Sure, Vers 256 (seltsam für einen Papst - er meinte den Vers 257) der lautet: „In Glaubenssachen
    darf kein Zwang herrschen“.
    Wie kann man eine so simple und eindeutige Feststellung ignorieren? Der Papst behauptete einfach, dass dieses
    Gebot vom Propheten zu Beginn seiner Kariere festgelegt wurde, als er noch schwach und ohnmächtig war.
    Aber später befahl er die Anwendung des Schwertes im Dienst des Glaubens. Solch einen Befehl gibt es im
    Koran gar nicht. Mohammed rief zwar in seinem Krieg gegen feindliche - christliche, jüdische und andere –
    Stämme in Arabien zur Anwendung des Schwertes auf, als er seinen Staat aufbaute. Aber das war ein politischer
    und kein religiöser Akt; es ging grundsätzlich um Gebiete – und nicht um die Verbreitung des Glaubens.

    Jesus sagte: „An den Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Wie der Islam mit anderen Religionen umging, sollte
    mittels eines einfachen Tests beurteilt werden: Wie haben sich muslimische Herrscher mehr als tausend Jahre
    lang verhalten, als sie die Macht hatten, „den Glauben mit dem Schwert zu verbreiten“?

    Sie haben genau dies nicht getan.

    Viele Jahrhunderte lang herrschten Muslime über Griechenland. Wurden die Griechen Muslime? Versuchte
    jemand sie zu islamisieren? Im Gegenteil. Christliche Griechen besetzten die höchsten Ämter in der
    ottomanischen Regierung. Die Bulgaren, Serben, Rumänen, Ungarn und andere europäische Nationen lebten
    länger oder kürzer unter der ottomanischen Herrschaft und hielten an ihrem christlichen Glauben fest. Keiner
    zwang sie, Muslim zu werden. Alle blieben gläubige Christen.
    Die Albaner konvertierten zwar zum Islam und auch die Bosniaken. Aber keiner behauptet, dass dies unter
    Zwang geschehen ist. Sie nahmen den Islam an, um Vergünstigungen der Regierung zu erlangen und sich der
    Früchte zu erfreuen.

    1099 eroberten die Kreuzfahrer Jerusalem und massakrierten willkürlich seine muslimischen und jüdischen
    Einwohner im Namen des sanften Jesu. Zu jener Zeit - 400 Jahre nach der muslimischen Besatzung Palästinas
    waren die Christen noch die Mehrheit im Lande. Während dieser langen Periode wurden keine Anstrengungen
    unternommen, ihnen den Glauben Mohammads aufzuzwingen. Erst nach der Vertreibung der Kreuzfahrer aus
    dem Land begann die Mehrheit der Bewohner damit, die arabische Sprache und den muslimischen Glauben
    anzunehmen – und sie sind die Vorfahren der meisten heutigen Palästinenser.

    ES GIBT AUCH keinen Beweis für einen Versuch, den Juden den Islam aufzuzwingen. Wie allgemein bekannt
    ist, erlebten die Juden Spaniens während der muslimischen Herrschaft eine Blütezeit, wie sie sie nirgendwo
    beinahe bis in unsere Zeit erlebt hatten. Dichter wie Yehuda Halevy schrieben arabisch, genau wie der große
    Maimonides. Im muslimischen Spanien waren Juden Minister, Dichter, Wissenschaftler. Im muslimischen
    Toledo arbeiteten christliche, muslimische und jüdische Gelehrte zusammen und übersetzten die antiken
    griechischen, philosophischen und wissenschaftlichen Texte. Das war wirklich ein Goldenes Zeitalter. Wie hat
    das nur möglich sein können, hätte der Prophet die „Ausbreitung des Glaubens mit dem Schwert“ verordnet?
    Was dann geschah, ist aber noch bedeutsamer. Als die Katholiken Spanien von den Muslimen zurückerobert
    hatten, begannen sie eine Herrschaft des religiösen Terrors. Juden und Muslime wurden vor eine grausame Wahl
    gestellt: entweder zum Christentum zu konvertieren, massakriert zu werden oder das Land zu verlassen.
    Und wohin flohen die Hunderttausende von Juden, die sich weigerten, ihren Glauben aufzugeben? Fast alle von ihnen
    wurden mit offenen Armen in muslimischen Ländern aufgenommen. Die sephardischen „spanischen“ Juden
    siedelten in der ganzen muslimischen Welt von Marokko im Westen bis zum Irak im Osten, von Bulgarien, (im
    Norden, damals ein Teil des ottomanisch- türkischen Reiches) bis in den Sudan im Süden. Nirgendwo wurden
    sie verfolgt. Sie machten nicht die Folterungen der Inquisition, die Flammen der Ketzerverbrennungen, die
    Pogrome, die schrecklichen Massenvertreibungen durch, die in fast allen christlichen Ländern bis zum
    Holocaust stattfanden.

    Warum? Weil Mohammad ausdrücklich jede Verfolgung der „Völker des Buches“ verboten hat. In der
    islamischen Gesellschaft war ein besonderer Platz für Juden und Christen reserviert. Sie hatten zwar nicht völlig
    die gleichen Rechte, aber beinahe. Sie mussten eine besondere Steuer bezahlen, waren aber vom Militärdienst
    befreit – eine Übereinkunft, die vielen Juden sehr willkommen war. Es wurde gesagt, dass muslimische
    Herrscher die Stirne runzelten, wenn Versuche – selbst mit sanften Methoden - gemacht wurden, Juden zum
    Islam zu konvertieren, weil das weniger Steuereinnahmen bedeutete.
    Jeder ehrliche Jude, der die Geschichte seines Volkes kennt, kann gegenüber dem Islam nur große Dankbarkeit
    empfinden. Er hat die Juden 50 Generationen lang geschützt, während die christliche Welt die Juden verfolgte
    und viele Male „ mit dem Schwert“ versuchte, sie von ihrem Glauben abzubringen.

    DIE GESCHICHTE über die „Ausbreitung des Glaubens mit dem Schwert“ ist eine üble Legende, eine der
    Mythen Europas während des langen Krieges gegen die Muslime - die Wiedereroberung Spaniens durch die
    Christen, der Kreuzfahrer, der Abwehr der Türken, die beinahe Wien erobert hätten. Ich habe den Verdacht, dass
    auch der deutsche Papst ehrlich an dieses Märchen glaubt. Das würde heißen, dass das Haupt der katholischen
    Kirche - selbst ein namhafter Theologe - sich nicht die Mühe gemacht hat, die Geschichte der anderen
    Religionen zu studieren.

    Warum äußerte er diese Worte in der Öffentlichkeit? Und warum jetzt?
    Man kann sie jetzt nur auf dem Hintergrund des neuen Kreuzzugs von Bush und seiner fundamentalistischchristlichen
    Unterstützer sehen sowie seiner Slogans vom „Islamofaschismus“ und „dem globalen Krieg gegen
    den Terror“ – nachdem „Terrorismus“ ein Synonym für die Muslime geworden ist. Denn für Bush’s andere
    Helfershelfer ist dies ein zynischer Versuch, die Herrschaft über die Öl-Ressourcen der Welt zu rechtfertigen.
    Es wäre nicht das erste Mal im Laufe der Geschichte, dass ein religiöses Mäntelchen über nackte wirtschaftliche
    Interessen gebreitet wird; es wäre nicht das erste Mal, dass ein Raubzug zum „Kreuzzug“ wird.

    Die Rede des Papstes passt zu diesen Bemühungen. Wer kann uns die möglichen unheilvollen Folgen
    voraussagen? ***

    (Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz, vom Verfasser autorisiert)

    *** Well, lest mal da nach: http://www.iphpbb.com/board/viewtopic.php?nxu=93510334nx17659&p=400#400



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 27.09.2006, 13:43


    24. September 2006

    Sr. Exzellenz Karl Kardinal Lehmann
    Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
    Postfach 1560
    D - 55005 Mainz

    Ew. Exzellenz! Sehr geehrter Karl Kardinal Lehmann!

    Im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Schrift vom Gerechten Frieden, die zu den wichtigsten Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz gehört, wende ich mich an Sie aus Sorge um eben diesen Frieden mit dem Islam, worauf sich auch Ihr Vortrag beim St. Michael-Empfang, Berlin, 19. September 2006, bezieht.

    Diese Rede befasst sich mit “Chancen und Grenzen des Dialogs zwischen den abrahamitischen Religionen”. Bezogen auf den Gerechten Frieden beunruhigt mich die Einschränkung schon in der Überschrift. Da die Worte vom Lehramt her gesprochen sind, verschärft sich die Frage nach Vernunft und Glaube, die der gesamten Vorlesung von Papst Benedikt XVI. am 12. September 2006 in Regensburg zugrunde liegt.
    Sie erlauben mir, einem Kind des Krieges, meine Bedenken vorzutragen. Ich habe erlebt, wie Bomben eine Stadt in Schutt und Asche legen - die alte freie Reichsstadt Ulm an der Donau. Sie hinterließen überall zerfetzte Körper von Mensch und Tier, wie zu unserer Zeit in der Stadt Falludschah im Irak, dem Libanon durch Phosphor- und Streubomben, durch Raketen im nördlichen Israel. All das geht mir durch Mark und Bein, während mich Verstand und Glauben an manchen Worten wie auch beredtem Schweigen hoher Geistlichkeit eher verzweifeln lassen. Der englische Gelehrte, Professor Richard Keeble, bezeichnet das als Silence of Language, das Schweigen der Sprache, das umso schwerer wiegt, wenn es die Verbrechen der Gewalt mit Massaker-Sprech verbrämt - zum Beispiel “Kollateralschaden” auf das anwendet, was in Ulm am 17. Dezember 1944, in Falludschah ab 2004, im Libanon und Israel, August 2006, geschah.

    Die Fragen nach Stimmigkeit, Sinn und Zweck des Vortrags in Regensburg haben andere vielfach erörtert. Ich beziehe mich hier auf Juan Cole, Professor für moderne Geschichte des Mittleren Ostens und Südostasiens an der Historischen Abteilung der Universität von Michigan, USA. Er redigiert die ständig aktualisierte Webseite “Informed Comment” (www.juancole.com) und fasst seine Kritik an der Rede Benedikts XVI. wie folgt zusammen: “Der Papst war sachlich im Irrtum. Er sollte sich bei den Muslimen entschuldigen und sich bessere Berater für christlich-muslimische Beziehungen suchen.” Erwähnt sei auch Professor Mohssen Massarrat: “Der deutsche Papst sollte aufpassen, nicht als ein Papst , der Kriege schürt, in die Geschichte einzugehen. Der polnische Papst hat immerhin - und er tat dies ausdrücklich vor der Irak-Invasion - jeden Krieg verdammt.” (Freitag 38, 22.09.06) Uri Avnery, israelischer Publizist und ehemaliges Mitglied der Knesseth, ist in seinem Beitrag über “Mohammeds Schwert” vom 23. September 2006 noch deutlicher: “Zwischen dem jetzigen Papst, Benedikt XVI., und dem gegenwärtigen Imperator, George Bush II, besteht eine wunderbare Harmonie. Die Rede des Papstes, die einen weltweiten Sturm auslöste, fügt sich gut ein in den Kreuzzug von Bush gegen den ‘Islamo-Faschismus’, im Kontext des ‘Zusammenstoßes der Zivilisationen’ ..., wo ‘Terrorismus’ ein Synonym für Muslime wurde. Für die Bush-Abwickler ist dies der zynische Versuch, die Herrschaft über die Ölressourcen der Welt zu erringen. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte, wird eine Religionsrobe über nackte ökonomische Interessen ausgebreitet; nicht zum ersten Mal gerät eine Expedition von Räubern zu einem Kreuzzug.”
    Da Sie, sehr geehrter Herr Kardinal Lehmann, gestützt auf Ihre Berater, die Regensburger Rede theologisch vertiefen und politisch verschärfen, ist mein Brief an Sie dennoch keine Klage, vielmehr die Bitte um vernünftiges Vertrauen. Alle Menschen, gleich welchen Glaubens, welcher Sprache und Ethnie sollten gerade jetzt, vor einem möglichen Weltenbrand, für den Frieden zusammenstehen und dem widerstehen, was sich Extremisten in der Politik des Westens und den Welten des Islams aushecken, um sich wechselseitig zu Tode zu siegen. Zudem wäre es furchtbar, wenn ausgerechnet die Deutschen, die sich in den barbarischen Kreuzzügen des mittelalterlichen Europas gegen den aufgeklärten Orient eher mäßigten, den nächsten Krieg gegen die Kernländer des arabischen und iranischen Orients an vorderster Front eher anheizen als ausbremsen.

    Fast auf den Tag genau, da Sie in Berlin redeten, überreichten Geistliche dem Weißen Haus in Washington D.C., auch im Namen ungezählter Bürgerinnen und Bürger in 350 Städten des Landes eine Declaration of Peace. Reverend Lennox Yearwood Jr. sprach Worte aus tiefem Gottvertrauen, die ich von keinem Priester in Deutschland in dieser Deutlichkeit hörte, ob katholisch, jüdisch, protestantisch oder islamisch: “Wir sind in einer Zeit der Gefahr, und alle Menschen mit Moral haben aufzustehen. Wenn wir uns jetzt im 21. Jahrhundert nicht erheben, wird es kein 22. Jahrhundert geben. Wir werden uns selbst zerstören - entweder lösen wir dies gemeinsam oder wir sterben zusammen als Narren.” Zu Beginn dieses Jahres schlossen sich die Leitungen der christlichen Gemeinschaften der USA zur größten Allianz für Frieden und Gerechtigkeit zusammen und erklärten: “Wir haben uns mit schwerer Schuld beladen, indem wir uns nicht hinreichend genug gegen den Irak-Krieg und andere Vergehen aussprachen. Wir bitten die Welt um Vergebung, die der Gewalt, Erniedrigung und Armut müde geworden ist, die unsere Nation gesät hat.” Die Leitungen der großen Kirchen in Deutschland haben diese Bitte um Vergebung mit der Sprache des Schweigens übergangen.

    Noch vor kurzem half ich zu verbreiten, was 1.800 Atomphysiker dank ihrer Vernunft und nicht wider ihren Glauben verfassten. Die meisten Unterzeichner waren US-Amerikaner (darunter fünf Nobelpreisträger) und appellierten in einem Offenen Brief an Präsident Bush an dessen Verstand: “Wir fordern Sie dringend dazu auf, öffentlich zu erklären, dass die USA die nukleare Option vom Tisch entfernt, die alle Gegner ohne Atomwaffen, gegenwärtige oder künftige, betrifft, und wir fordern auch die Menschen von Amerika dringend dazu auf, sich in dieser Sache laut und deutlich Gehör zu verschaffen.” Es geht um den erwogenen Einsatz kleiner Atomwaffen, so genannter Mini-Nukes, gegen den Iran, die wegen der Proteste mutiger US-Amerikaner in Utah und Nevada bislang nicht getestet werden konnten.

    Wenn ich hier wie dort bezeugen kann, dass diese Äußerungen und Handlungen gläubiger und vernünftiger Menschen in der deutschen Öffentlichkeit keinen Widerhall fanden - weder aus dem Mund derer, die das Lehramt einer Kirche einnehmen, noch jener, die vorgeben, politisch oder publizistisch dem Gemeinwohl zu dienen -, dann rieche ich die Schwaden der Verwesung über Glauben und Verstand solcher Amtsinhaber. Die Ermordeten und Entwurzelten des Terrors der Kriege im Zug des Global War on Terror werden bei uns ohnehin ausgeblendet und verschwiegen. Wenn man nur die Worte verwendet, die “augenblickliche Krisensituation” beruhe “wesentlich auch auf einem innerislamischen Konflikt”, kann das auf den Feldern der blutigen Verwüstungen wie Hohn klingen. Warum fehlt Ihren Worten wenigstens das Mitleid für die Opfer der Verbrechen gegen die Menschheit aus dem Westen? Im Gegensatz zur Ehrlichkeit vieler Christen in den USA, die sich der furchtbaren Massenzerstörungen in Afghanistan und dem Irak auf das schreckliche Geschehen am 11. September 2001 mehr bewusst sind als die Europäer an Hebeln der Macht. Leider stimmen auch die von Ihnen verwendeten Worte über Samuel Huntington mit der üblichen Verharmlosung überein, als handle es sich nicht um ein Auftragswerk des Pentagon zur gewaltsamen Neuordnung der Welt. Vicki Gray, früher eine führende Mitarbeiterin des State Department - ihre Ordination bei der Episcopal Church steht demnächst an -, weist das nach und sagt, die Konditionierung der lesenden Eliten für die “neue Bibel des Militarismus” ist The Clash of Civilizations and the Remaking of the World Order. In Ihrer Rede wie in fast allen veröffentlichten Äußerungen in Deutschland heißt das verharmlosend “Kampf der Kulturen”. Gray dagegen redet Klartext: “Huntingtons Buch ist wahrlich ein gefährliches Buch, eine Sorte von Mein Kampf für die GWOT [Global Wars On Terror]. Verfasst in der Mitte der Neunzigerjahre, als der Militär-Industrie-Komplex nach einem neuen ‘Feind’ suchte, der die zusammengebrochene Sowjetunion ersetzen sollte, beschreibt es qua Definition den kulturell überlegenen Westen in einem ‘Zivilisationskrieg’ mit dem Islam und, zu einem geringeren Maß, China. Alles ist schwarz und weiß, Leben und Tod, töten oder getötet werden - gut und böse. Kein Bedarf für Nuancen. Kein Bedarf für das Verstehen jenseits dessen, was sagt: Sie sind böse, wir sind gut. Einfache Geister schnappten nach solcherlei Simplizität als Erklärung für all die schlimmen Vorkommnisse in der Welt und ließen dabei sogar das weg, was Huntington als kausale Spannung zwischen Modernisierung und Fundamentalismus anerkannte.” (“The Militarization of the American Language”, Truthout/Perspective, 30.08.06)

    Ihr Vortrag führt den “so genannten ‘Größeren Mittleren Osten’ (vom Magreb bis nach Pakistan und Indonesien)” ins Feld. Tatsächlich beziehen sich diese Worte auf ein US-Gesetz und nicht auf eine allgemeine islamische “Gewaltträchtigkeit der Verhältnisse”. Sind Ihnen der Wortlaut des Gesetzes und dessen Ausführungsbestimmungen bekannt? Immerhin stützt sich das Urteil Ihrer Berliner Rede über den Islam unter anderem darauf.

    Dieses Gesetz trägt den Namen The Greater Middle East and Central Asia Act. In Deutschland ebensowenig erörtert wie alle einsehbaren Pläne derer, die nach der Welthegemonie streben. All das entspricht, wie es die US-amerikanischen Vordenker der Pax Americana unverblümt darlegen, der geopolitischen Doktrin des Briten Halford John MacKinder, dem der Deutsche Karl Haushofer nacheiferte - Hitlers Lehrmeister. Der Islam hat das Pech in den Regionen sich einst ausgebreitet zu haben, wo die meisten Ressourcen des “Blutes für die Industriezivilisation” liegen - Öl und Gas! Sie zu beherrschen ist das Ziel der US-Doktrin, das Mittel ist die geschürte, bezahlte und aufgerüstete Konfrontation durch Fanatismus samt den Projekten einer gewaltsamen “Demokratisierung” für gefügige Vasallen. In diesem Eurasien werden nämlich 60 Prozent des Weltbruttosozialprodukts erwirtschaftet; dort leben 75 Prozent der Weltbevölkerung, die sich nie einigen dürfen, wenn man diesen US-Plänen folgt.

    Diese Pläne entsprangen aber nicht in den Köpfen der radikalen Geistlichkeiten des Islam, sondern bei den Crazies, wie Ray McGovern berichtet, 27 Jahre lang Chefanalyst des CIA für diese Region. Ray McGovern gab alle seine hohen Auszeichnungen zurück mit dem ausdrücklichen Vermerk, er wolle sich nicht so schuldig machen wie die Deutschen, die Hitlers Eliten halfen, die Neuordnung der Welt durch Kriege zu besorgen.

    Wer die Frage nach der Gewalt stellt und diese Dimensionen auslässt, gießt genau das Öl ins Feuer der Radikalen, was uns alle in den Dritten Weltkrieg hineintreiben kann, einen Krieg, den führende Neocons in den USA öffentlich ankündigen. Schon nach fünf Jahren der Vergeltungskriege für 9/11 - nach Ray McGovern beschlossen in einer Sitzung der Bush-Spitzen am 30. Januar 2001 (Truthout/Perspective, 05.09.06) - sind die Zerstörungen unermesslich. Wer dazu schweigt, zieht den Verdacht auf sich, diese Kriegsführung sei gerechtfertigt, weil es gegen die “Machtansprüche der Dschihadisten” geht. Warum schweigt die katholische Kirche dazu, ausgerechnet seit Antritt des Papstes aus Bayern, Benedikt XVI.? Warum finden wir in Ihrer Rede nicht ein einziges Wort darüber, dass fast die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans alles wenige, was sie besaß, verlor und unter unerträglichen Bedingungen dahinvegetiert? Dass über 13 Millionen Iraker offiziell als DP’s geführt werden? Mehr als 6 Millionen aus dem Land geflohen sind, von den Verwüstungen der Kulturen Mesopotamiens zu schweigen. Hinter jeder brennenden Fahne und all den irrationalen, furchtbaren Szenen, die der Rede des Papstes in Regensburg folgten, steckt nicht der Dschihadismus allein, sondern die Wut, die, wenn wir dem nicht Einhalt gebieten, einmal so anschwillt wie in den weiten Russlands zwischen 1941 und 1945, als Deutschland die Welt neu ordnen wollte, den Generalplan Ost in Szene setzte und nach den Fehlschlägen die “Erde verbrannte”.

    Sollen wir das mitmachen, was seit den frühen Neunzigerjahren die “Verrückten” - die Crazies in und um das Project for a New American Century , der Neuordnung der Welt nach The Greater Middle East and Central Asia Act in aller Offenheit verkünden? Was Scientologen und Evangelikale meinen, wenn sie von Harmagedon reden? Und was Präsident George W. Bush unentwegt wiederholt: Der Global War on Terror wird das 21. Jahrhundert prägen - entweder siegen wir oder die anderen ...
    Tief bekümmert lese ich, wie in Ihrer Rede die besseren Gläubigen - die Juden und die Christen - den Gläubigen zweiten Ranges - den Muslimen - vorgeordnet werden. Wie willkürlich dies geschieht, mögen andere nachweisen. Wer einen besseren Gottglauben beschwört, nährt Unfrieden unter den Religionen. Das gilt auch für diejenigen, die sich darauf berufen, in religiöser Verbrämung den Kampf um Vorherrschaft und Ressourcen abzuwehren. Bevor Bin Laden der Todfeind des Westens wurde, war er der beste Verbündete der Bush-Dynastie. All das ist kein Geheimnis. Sie behaupten, zwischen Christentum und Islam gäbe es nicht das “Verwandtschaftsverhältnis” wie zwischen Christen und Juden. Seit dem jüdischen Krieg des Titus haben Stämme und Völker, die später dem Propheten Mohammed folgten, für das Überleben der Juden, ihrer Schriften und Traditionen gesorgt, während das christliche Europa bis ins zwanzigste Jahrhundert in regelmäßigen Abständen die Juden als Sündenböcke ausgrenzte und verfolgte. Ja, Sie erwähnen das, verehrter Herr Kardinal Lehmann, aber die Berliner Rede hört sich an, als müssten die Muslime nunmehr den Platz der Juden von Kaiser Titus über Königin Isabel Católica bis Reichskanzler Hitler einnehmen.

    Lassen Sie mich mit einem Beispiel der Versöhnung schließen. Vor kurzem wählte die Versammlung der Islamic Society of North America, die größte Dachorganisation in Kanada und den USA für rund sechs Millionen Muslime, Professor Ingrid Mattson zu ihrer Vorsitzenden. Sie wuchs in einer römisch-katholischen Familie auf und konvertierte nach gründlichem Studium christlicher, jüdischer und islamischer Schriften des Glaubens und der Vernunft zum Islam, überzeugt von der “Wärme, Würde und Großmut”, die sie unter Frauen und Männern islamischen Glaubens erfuhr. Ihre Schwester, Peggy Smith, konvertierte übrigens zum Judentum. Beide Frauen treffen sich zu allen hohen Fest- und Feiertagen mit ihren Familien. Sie streiten sich nicht über Theologisches, am allerwenigstens über die Frage, wer den besseren Gott hat, auf den sich alle drei großen Religionen aus dem Vermächtnis des Abraham berufen.

    In dieser Welt der bedrohten Natur und des bedrohten Geschlechts der Menschen widmen sich die Muslima Ingrid Mattson und die Jüdin Peggy Smith, Schwestern, die im katholischen Glauben aufwuchsen, den Aufgaben der Emanzipation aller Benachteiligten und Vergessenen, der sozialen Gerechtigkeit und des “ewigen Friedens” - hier durchaus im Sinn Kants. Ich will mir ersparen, Kant zu erläutern und lediglich darauf verweisen: Dieser Friede gründet nicht auf einem einzigen Gottesbegriff, der sich gegen das Wissen um die Geheimnisse der Natur stellt, sondern auf dem Respekt vor dem Recht und sinnvollen Regeln für das Zusammenleben der Völker, der Religionen, ganz im Sinn des Weltethos, wie es Hans Küng versteht. Genau so im übrigen wie es die Schrift vom Gerechten Frieden tut, die mich ermutigt, Ihnen meine Bedenken vorzutragen.

    Ist es nicht beachtlich, wie ausgerechnet zwei Frauen aus Kanada, jetzt in den USA, dem Papst Benedikt XVI. und Ihnen, Exzellenz und verehrter Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, eine andere Lesart des Glaubens vorführen, die lebendige Vernunft, Wärme und Würde zwischen dem Gott des Propheten Mohammed und dem des Moses verkörpern, ohne sich von den Verkündigungen aus Rom oder Regensburg in Verlegenheit bringen zu lassen? Und nicht einmal den päpstlich ergebenen Worten folgen, aus dem Mund der “mächtigsten Frau der Welt”, Kanzlerin Angela Merkel (nach Forbes, Hauspostille der Milliardäre). Sie geben zu bedenken, was George Orwell sagte: “Aber wenn das Denken die Sprache korrumpiert, dann kann die Sprache auch das Denken verderben.”

    Sie erlauben, dass ich meine Bedenken auch über die Klarsichten, meinen Verteiler im Internet, verbreite und damit auf den Wortlaut der Reden in Regensburg und Berlin verweise, die ich im Internet fand und nicht in Zeitungen, die diese wie jene verkürzten.

    Mit dem Ausdruck der Hochachtung und den besten Wünschen für Sie und die Deutsche Bischofskonferenz verbleibe ich

    Friedrich Hitzer



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 28.09.2006, 11:21


    ZENIT - Die Welt von Rom aus gesehen
    --------------------------------------------------------------------------------
    http://www.zenit.org/german/
    ZG06092509

    Publikationsdatum: 2006-09-25

    Gemeinsam die Würde des Menschen verteidigen: Ansprache von Papst Benedikt XVI. an die Vertreter des Islam (25. September 2006)

    Unsere Zeitgenossen erwarten „ein beredtes Zeugnis, das in der Lage ist, allen den Wert der religiösen Dimension der Existenz zu zeigen“

    ROM, 25. September 2006 (ZENIT.org).- Wir veröffentlichen die Ansprache, die Papst Benedikt XVI. heute, Montag, zu den offiziellen Vertretern der mehrheitlich muslimischen Staaten beim Heiligen Stuhl in Castel Gandolfo und einigen Vertretern der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Italien gehalten hat.

    Der Heilige Vater rief mit einem Zitat aus der Konzilserklärung Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen dazu auf , „das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“.

    Der interreligiöse und interkulturelle Dialog sei in der heutigen Welt von höchster Bedeutung, da es darum gehe, den „Wert der religiösen Dimension“ der menschlichen Existenz aufzuzeigen sowie „die Welt des Friedens und der Brüderlichkeit zu errichten“.

    Besonders am Herzen liegt Papst Benedikt eine tiefere Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen. Diese sei hinsichtlich der Verteidigung und der Förderung der Würde des Menschen und seiner Rechte vorrangig.



    * * *



    Herr Kardinal,
    verehrte Damen und Herren Botschafter,
    liebe muslimische Freunde!

    Ich bin erfreut, Sie bei dieser Begegnung zu empfangen. Ich habe sie gewünscht, um die Verbundenheit im Zeichen der Freundschaft und Solidarität zwischen dem Heiligen Stuhl und den muslimischen Gemeinschaften in der Welt zu festigen. Ich danke dem Herrn Kardinal Paul Poupard, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, für die Worte, die er an mich gerichtet hat. Ebenso danke ich ihnen allen dafür, dass sie meiner Einladung nachgekommen sind.

    Die Umstände, die zu diesem unserem Treffen geführt haben, sind wohlbekannt. Bereits in der letzten Woche hatte ich die Gelegenheit ergriffen, mich mit ihnen auseinanderzusetzen. In diesem besonderen Kontext möchte ich heute die ganze Wertschätzung und den tiefen Respekt bekräftigen, die ich den muslimischen Gläubigen gegenüber hege. Dabei rufe ich in Erinnerung, was diesbezüglich das II. Vatikanische Konzil sagt und für die katholische Kirche die „Magna Charta“ des Dialogs zwischen Islam und Christentum ist: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Moslems, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft“ (Erklärung Nostra aetate, 3). Da ich mich entschlossen in diese Perspektive stelle, habe ich seit dem Beginn meines Pontifikats den Wunsch geäußert, dass mit den Gläubigen aller Religionen weiterhin Brücken der Freundschaft gefestigt werden; dies zusammen mit einer besonderen Wertschätzung für das Wachstum des Dialogs zwischen Moslems und Christen (vgl. Ansprache an die Delegation von Vertretern verschiedener Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sowie anderer religiöser Traditionen, 25. April 2005).

    Wie ich in Köln im letzten Jahr hervorgehoben habe, darf der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen „nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt“ (Ansprache an die Vertreter muslimischer Gemeinden, 20. August 2005).

    In einer Welt, die vom Relativismus gezeichnet ist und zu oft die Transzendenz von der Universalität der Vernunft ausschließt, bedürfen wir unbedingt eines echten Dialogs zwischen den Religionen und Kulturen, eines Dialogs, der uns helfen kann, gemeinsam alle Spannungen in einem Geist nutzbringenden Einverständnisses zu überwinden.

    In Kontinuität mit dem von meinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. unternommenen Werk wünsche ich somit lebhaft, dass die von Vertrauen inspirierten Beziehungen, die sich seit verschiedenen Jahren zwischen Christen und Moslems gebildet haben, nicht nur fortgesetzt werden, sondern sich in einem Geist des aufrichtigen und respektvollen Dialogs weiterentwickeln, eines Dialogs, der sich auf einer immer authentischeren gegenseitigen Kenntnis gründet, der die gemeinsamen religiösen Werte mit Freude anerkennt und die Unterschiede mit Redlichkeit feststellt und respektiert.

    Der interreligiöse und interkulturelle Dialog ist notwendig, um die Welt des Friedens und der Brüderlichkeit zu errichten, die innig von allen Menschen guten Willens gewünscht wird. In diesem Bereich erwarten unsere Zeitgenossen von uns ein beredtes Zeugnis, das in der Lage ist, allen den Wert der religiösen Dimension der Existenz zu zeigen. Deshalb ist es notwendig, dass Christen und Moslems in Treue zu den Lehren ihrer jeweiligen religiösen Traditionen lernen, miteinander zu arbeiten – was schon in verschiedenen gemeinsamen Erfahrungen der Fall ist –, um jede Form der Intoleranz zu vermeiden und jeder Äußerung von Gewalt entgegenzutreten. Es ist auch unsere Pflicht als religiöse Autoritäten und politisch Verantwortliche, sie zu führen und zu ermutigen, damit sie so handeln.

    Wieder ist es nämlich das Konzil, das uns ins Gedächtnis ruft: „Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Moslems kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“ (Erklärung Nostra aetate, 3).

    Die Lehren aus der Vergangenheit müssen uns also dabei helfen, Wege der Versöhnung zu suchen, auf dass wir im Respekt der Identität und der Freiheit eines jeden eine Zusammenarbeit im Dienst an der ganzen Menschheit schaffen, die an Fürchten reich ist. Wie Papst Johannes Paul II. in seiner denkwürdigen Ansprache vor den Jugendlichen in Casablanca in Marokko sagte: „Der Respekt und der Dialog erfordern die Gegenseitigkeit in allen Gebieten, dies vor allem was die grundlegenden Freiheiten und im Besonderen die Religionsfreiheit betrifft. Sie fördern den Frieden und die Verständigung unter den Völkern“ (Begegnung mit den muslimischen Jugendlichen, 19. August 1985).

    Liebe Freunde, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es in der Situation, in der sich die Welt heute befindet, für die Christen und die Moslems eine zwingende Notwendigkeit ist, sich darum zu bemühen, gemeinsam den zahlreichen Herausforderungen entgegenzutreten, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht. Dies gilt im Besonderen für die Verteidigung und die Förderung der Würde des Menschen und für die daraus sich ergebenden Rechte. Während die Bedrohungen gegen die Menschen und den Frieden wachsen, machen Christen und Moslems ihren Gehorsam gegenüber dem Schöpfer kund, dessen Willen darin besteht, dass alle Menschen mit der Würde leben, die er ihnen verliehen hat. Dies ist möglich, wenn sie die Zentralität der Person wieder hervorheben und unermüdlich dafür arbeiten, auf dass das menschliche Leben immer respektiert wird.

    Liebe Freunde, ich wünsche von ganzem Herzen, dass der barmherzige Gott unsere Schritte auf den Wegen eines gegenseitigen und immer wahreren Verständnisses leite. In dem Moment, in dem die Moslems den geistlichen Weg des Monats des Ramadan beginnen, lasse ich allen meine herzlichen Glückwünsche zukommen und wünsche, dass der Allmächtige ihnen ein friedliches und ruhiges Leben gewähre. Der Gott des Friedens erfülle sie und die Gemeinschaften, die sie vertreten, mit dem Überfluss seines Segens.

    [ZENIT-Übersetzung aus dem Französischen; © Copyright – Libreria Editrice Vaticana]

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    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 28.10.2006, 12:37


    Antwort muslimischer Ulema:

    http://www.iphpbb.com/board/ftopic-93510334nx17659-170.html



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    Anonymous - 10.11.2006, 22:15


    Religion
    http://www.welt.de/data/2006/11/09/1104992.html
    „Islamische Grundhaltungen können uns helfen“
    Der Theologe Christian W. Troll kennt den Islam aus Anschauung und als Wissenschaftler.
    Ein Gespräch über Vernunft und Religion, die Reformfähigkeit des Islam und seine Wirkung auf das Christentum.

    Hunderte von Moslems beten in der Istiqlal-Moschee in Jakarta Foto: pa/dpa
    Christian W. Troll, geboren 1937 in Berlin, trat 1963 in den Jesuitenorden ein. Der Islamwissenschaftler ist derzeit Professor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. Davor lehrte er in Neu Delhi, Birmingham und Ankara. Von 1993 bis 1999 war er Professor für Islamische Institutionen am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom. An der Katholischen Akademie Berlin leitete Troll von 1999 bis 2001 das christlich-islamische Forum. Er berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen des interreligiösen Dialogs.



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    Anonymous - 01.12.2006, 18:10

    WIE MUSLIME?
    Ich weiss noch nicht, was mit diesen Meldungen (bei Muslimen, die sich ohnehin nicht täuschen lassen - oder Christen, welche den Unterschied ohnehin offensichtlich nicht bemerken) bezweckt wird:

    "Der Papst hätte wie die Muslime oder nach der Art der Muslime in der Blauen Moschee "gebetet", die Hände verschränkt."

    Definitiv hat er dies dem äusserlichem Anschein nach NICHT getan.

    Auch hat dies ohnehin kein Muslim erwartet, gefordert oder gehofft.
    Auch Christen denken höchstwahrscheinlich gleich in dieser Hinsicht.

    Was seine Heiligkeit innerlich gedacht hat - bleibt ohnehin sein Geheimnis, welches er mit seinen Engeln und seinem Schöpfer teilt.

    Was wird da noch folgen??



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 06.01.2007, 11:58


    Quote: http://www.jungewelt.de/2007/01-06/062.php

    06.01.2007 / Wochenendbeilage / Seite 3 (Beilage)

    Der Schwarze Kanal: Theologischer Teufelsritt
    Von Werner Pirker

    Die Abkanzelung des Islam scheint seiner Heiligkeit, Papst Benedikt
    XVI., trotz gegenteiliger Beteuerungen ein vordringliches Anliegen zu
    sein. Und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung finden die Stänkereien
    wider die morgenländische Unvernunft stets ein geneigtes Ohr. »Die
    muslimische Welt«, zitiert Heinz-Joachim Fischer genüßlich aus der
    Ansprache des Oberhauptes der katholischen Kirche an die Mitglieder der
    Kurie am 22. Dezember, »befindet sich heute mit großer Dringlichkeit vor
    einer ähnlichen Aufgabe, wie sie sich den Christen seit der Zeit der
    Aufklärung stellte und auf die das Zweite Vatikanische Konzil als Frucht
    einer langen, mühsamen Suche konkrete Lösungen für die katholische
    Kirche gefunden hat«. Der FAZ-Autor zeigt sich darüber erstaunt, daß
    diese Äußerung »in den Moscheen von Marokko bis Indonesien« keine
    Proteststürme ausgelöst habe. Wohl weil sie das Erfassungsvermögen der
    Dumpfbacken-Muslime bei weitem überfordert haben dürfte.

    Kommentar:
    Uns Muslimen ist diese typisch westlich, "gut gemeinte" (Österreichisches Sprichwort: "Gut gemeint, ist schlimmer als schlecht getan") Belehrung in Bezug auf unsere "Rückständigkeit" keineswegs entgangen. Doch nicht weil wir "Dumpfbacken" sind, gab es keine laute Reaktion, sondern weil es erstens ermüdend ist, ständig auf Anschuldigungen zu reagieren, die, wenn sie auch stets ein Körnchen Wahrheit beinhalten, doch aus völlig einseitig, verzerrter Perspektive und überheblicher Position gemacht werden und es zweitens wohl eine vernünftigere Strategie ist, auf Luft- und Schaukämpfe nicht einzutreten; jemandem, der sich ständig im Schattenboxen gegen den üblen eigenen, auf die Leinwand der Weltgeschichte geworfenen Schatten boxt, NICHT entgegenzutreten, da man getrost darauf vertrauen darf, dass diesem aufgeblasenen Kämpfer irgendwann mal die Luft ausgeht und/oder er sich selbst eins auf die arrogant erhobene Nase gibt und zu Boden geht.



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 11.02.2007, 18:24


    Wie kam das Christentum nach (Nord-) Deutschland?

    Dass die Ausbreitung des Christentums nicht überall und immer über eine friedliche Missionierung erfolgte, wird von niemandem bestritten. Dabei denkt man z.B. an Mittel- und Südamerika, den Massenmord an den dort lebenden Völkern, von denen nur überleben konnte, wer sich taufen liess. Das ist aber sehr weit weg jenseits des Ozeans und die Täter waren in erster Linie die spanischen Konquistadoren. Aber wie war es denn bei uns in Deutschland, vor allem in Norddeutschland, das nicht von den Römern beherrscht werden konnte. Ihr Versuch scheiterte in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr., als der römische Feldherr Publius Quintilius Varus (46 v. Chr. - 9 n. Chr.) von den Germanen vernichtend geschlagen wurde. Das Christentum kam mit den Franken; davon später mehr.

    Die Regensburger Vorlesung von Papst Benedict XVI am 12. September 2006 hat durch das unglückliche Zitat des byzantinischen Kaisers die Debatte über die vermeintliche gewaltsame Ausbreitung des Islam “mit dem Schwert” beflügelt. Orginalzitat aus der Vorlesung: “…… wendet er sich in erstaunlich schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner.

    Er sagt: 'Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten'.

    Der Kaiser begründet dann eingehend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. 'Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung... Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann...'.

    Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider.”
    Eine Erwiderung erfolgte am 12. Oktober 2006 durch 38 islamische Gelehrte aller Richtungen, sodass sich eine weitere Stellungnahme erübrigt. Hier geht es jedoch um deutsche Geschichte. Es liegt uns ein im Jahr 1880 veröffentlichtes zweibändiges Geschichtsbuch vor, unverfänglich weil damals keine Scharen muslimischer Migranten nach Deutschland kamen und das deutsche Kaiserreich außerdem Verbündeter des Osmanischen Reiches war. Dieses Werk ist:
    Deutsche Geschichte von L. Stacke, 1. Band, Verlag von
    Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig, 1880, S. 175 ff.

    Die nachfolgenden Zitate sprechen für sich selbst (Karl = Kaiser Karl der Große, Wittekind = Herzog der Sachsen): … Erbittert über den Abfall des hartnäckigen Volkes führte Karl im nächsten Frühjahre (779) den
    fränkischen Heerbann über den Rhein, besiegte die Sachsen bei Bocholt an der Aa und drang abermals bis zur Weser und im folgenden Jahr 780 bis zur Elbe vor, nahm wiederum Geiseln, ließ Festungen bauen und brachte viele zur Taufe. ……
    In Sachsen begann man bereits die fränkische Heer- und Gerichtsverfassung, die Eintheilung des Landes in Gaue oder Grafschaften einzuführen, Priester und Mönche anzusiedeln zur Verbreitung des Christenthums, bischöfliche Sitze und die Einführung des Zehnten vorzubereiten.
    Zwei Jahre hatten die Sachsen Ruhe gehalten, aber Zehnten und Frohnden erinnerten die früher freien Männer fortwährend an den Verlust ihrer Selbstständigkeit. …… …… Die Sachsen zerstörten nach ihrem Siege von neuem die Kirchen und erschlugen oder vertrieben die Geistlichen. Jetzt aber hatte Karls Geduld ein Ende; er behandelte die Sachsen als eidbrüchige Empörer und saß bei Verden and der Aller über sie zu Gericht. Wittekind war wieder entflohen, aber 4500 seiner Anhänger wurden von den sächsischen Edlen selbst ausgeliefert. Während Karls Handlungsweise bis dahin nur das Ziel hatte, die Anerkennung des Christenthums und seiner Herrschaft durchzusetzen, so ließ er sich jetzt, empört durch den fortdauernden Widerstand und den Abfall von der gelobten Treue zu einer entsetzlichen Rachetat ortreißen. Er ließ die 4500 Sachsen durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilen und an demselben Tage enthaupten. In jene Zeit fällt auch der Erlaß eines strengen Gesetzes, das bestimmt war, Christenthum und
    christliche Einrichtungen zugleich mit der fränkischen Herrschaft in Sachsen zu befestigen. Die Ausübung heidnischer Gebräuche, die Umgehung der Taufe und der Rückfall zum Heidenthum wurden mit dem Tode bestraft, jede Entweihung der Kirchen und des Cultus, so wie die Verletzung von Geistlichen mit den schwersten Strafen belegt ………
    ……… Bei den Sachsen wurden die alten Ordnungen durch die Institute der christlichen Kirche und des fränkischen Staates immer mehr verdrängt. …… Mit tiefem Ingrimm ertrugen sie Sachsen den Druck der fränkischen Herrschaft und der Abgabe des Zehnten vom Bodenertrag wie vom Erwerb an die Kirche; die gezwungene Theilnahme an Kriegen außerhalb ihrer Heimath erfüllte ihre Herzen mit stets wachsender Erbitterung ..…… Ganz besonders verhasst war diesen die gezwungene Theilnahme am Kriege gegen die Avaren 1).
    Immer tiefer schlug der Ingrimm Wurzeln in den Gemüthern des unterdrückten Volkes, noch einmal erwachte der unbeugsame Freiheitssinn mit der alten Macht und Stärke …… Im ganzen nördlichen Sachsen flammte die Empörung wieder auf, Bischöfe und Priester wurden vertrieben, Kirchen und Heiligthümer wurden zerstört, die alten Volkseinrichtungen mit dem alten Götzendienst traten wieder ins Leben. Diese neue Erhebung erfüllte den fränkischen Herrscher mit Zorn und Unwillen, bestärkte ihn aber in dem festen Entschlusse, die Sachsen von neuem mit aller Strenge seinem Machtgebote und der Ordnung der christlichen Kirche zu unterwerfen. …… ja er griff endlich zu dem Gewaltmittel, ganze Schaaren wehrhafter Mannschaft und viele
    Tausende sächsische Familien aus ihren alten Wohnsitzen herauszureißen und in Frankreich anzusiedeln, während er das erledigte Land seinen Getreuen, geistlichen und weltlichen Herren zuwies und die Niederlassung fränkischer Anbauer in den entvölkerten Landestheilen beförderte 2). Durch solche Strenge und Energie gelang es endlich dem Frankenkönig, den Widerstand des Volkes zu brechen und die einzelnen Stämme und Gemeinden desselben durch Verträge zur Niederlegung der Waffen und zur Anerkennung der fränkischchristlichen Ordnung zu veranlassen. …………
    Die Sachsen unterwarfen sich der fränkischen Gerichtsordnung, dem Heerbann, der christlichen Kirche und der Zahlung des Zehnten …………
    Fromme Geistliche, wie die Zöglinge des Klosters zu Fulda, erweckten und nährten allmählich in dem starren Volke den christlichen Sinn und gewannen es auch innerlich für den Christenglauben, nachdem es durch das Schwert unterworfen worden war. Und wenn auch das Christenthum den Sachsen mit Gewalt aufgedrungen war, so schlug es doch bald tiefere Wurzeln und bewährte seine bildende und erziehende Kraft.
    Ende der Zitate.

    Kommentar auf lateinisch: et tu quoque - und du auch!
    Und zum Schluss noch eine Anmerkung zur Religionsfreiheit in Deutschland in geschichtlicher Sicht. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde den Fürsten und den Räten der Städte das Recht zugestanden, die Religion für ihr Gebiet festzusetzen. Für die Untertanen war der Glaube des Landesherrn maßgebend (lateinisch: cuius regio, eius religio - wes die Herrschaft, des der Glaube). Wer den von der Herrschaft
    bestimmten Glauben nicht annehmen wollte, durfte auswandern. Da Staat/Politik und Konfessionszugehörigkeit nicht getrennt wurden und politische Allianzen wechselten, führte das ebenfalls zu einem Konfessionswechsel des jeweiligen Landesherrn. dem seine Untertanen folgen mussten; das geschah nicht selten mehrere Male!
    1) Hier bietet sich eine Parallele zum Versuch der USA Deutschland in den Irak-Krieg zu ziehen an.
    2) vgl. Palästina zur Zeit der Kreuzzüge und heute.

    Herausgeber: Abdullah Leonhard Borek • E-Mail: albborek@freenet.de
    Erscheint in loser Folge
    Abdruck der Beiträge unter Quellenangabe gestattet und erwünscht.
    Namentlich gezeichnete Fremdbeiträge geben die Meinung des Verfassers wieder.
    In Zusammenarbeit mit Discover Islam und Ahmed Al Fateh Islamic Center Bahrain
    http://www.muslim-liga.de/1099065221_1099065183_1099065183_oeffnen_ja.htm



    Re: Papst Benedikt XVI zu VERNUNFT und ISLAM

    M.M.Hanel - 17.11.2007, 19:22


    Faktisch richtig. Moralisch nicht rechtens
    Mona Sarkis 11.11.2007

    Was der Papst in Regensburg tatsächlich gesagt hat
    "Kein Zwang im Glauben". Es ist wohl die am meisten zitierte Koransure. Auch der Papst bezog sich in seiner umstrittenen Regensburger Rede im vergangenen Jahr auf sie. Doch was hat es tatsächlich mit der Sure auf sich? Und welchem Zweck diente ihr Herbeizitieren Papst Benedikt XVI?


    Die Empörung auf muslimischer wie nicht-muslimischer Seite nach der Rede von Papst Benedikt XVI am 12. September 2006 war groß. Darin hatte dieser die Aussagen des oströmischen Kaisers Manuel II Palaiologos (1391 – 1425) über die Gewalt im muslimischen Glauben zitiert: "Zeige mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du, so sagt er, nur Schlechtes und Inhumanes finden. Wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten." Zwar gäbe es die berühmte Koransure 2, 256, die besagt, dass es "keinen Zwang im Glauben" gibt – doch, so Benedikt, "es ist wohl eine der frühen Suren aus der Zeit, wie uns ein Teil der Kenner sagt, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war."

    Diese letztere Aussage des Papstes untersuchte Patricia Crone, Islamwissenschaftlerin am Institute for Advanced Studies, Princeton. Ihr Fazit: faktisch liegt der Papst richtig. Er hat sich allerdings – und das ist bemerkenswert - eine der frühesten, zur Sure vorliegenden Deutungen herausgepickt.

    Papst zitiert die Deutung, die die Sure für überholt erklärt

    Die "Kenner", auf die sich der Papst berief, lebten in der Zeit bis zum 10. Jahrhundert – in einem auf Religion basierendem Gemeinwesen. Die Idee von Religion als Privatsache schloss dies per se aus, denn so Crone in ihrem kürzlich in Freiburg gehaltenen Vortrag:
    Quote: You obviously can't have religious freedom in a community based on religion. You can't have freedom in a church. All you can have is freedom to leave the church, if you don't agree with it. But in a society based on shared religion you can't easily have that freedom either unless you remove yourself physically, to go to live somewhere else.
    Die Sure stellte für die Exegeten demnach einen Widerspruch dar, den sie in drei Varianten zu lösen suchten.

    Die erste Deutung lautet:
    die Sure stammt aus mekkanischer Zeit. Mohammed war damals noch nicht "der Mohammed" – Gott habe ihm daher gesagt, dass er Nicht-Muslime weder zum Islam zwangsbekehren könne noch solle (womit wir bei der Deutung wären, auf die sich Benedikt XVI stützte). Doch mit Errichtung der ersten muslimischen Gemeinschaft in Medina und der Ausbreitung des Islam habe Gott den Befehl zum Dschihad gegen die Ungläubigen erteilt. Die in Koransure 2, 256 festgehaltene Offenbarung galt den damaligen Exegeten somit als überholt. Zwar steht sie im Koran, doch das tun alle Offenbarungen Gottes – was wiederum impliziert, dass der Koran nicht zuletzt als entwicklungsgeschichtliches Zeugnis rezipiert werden darf.

    Zwei spätere Sureninterpretationen

    Schon damals aber waren die Meinungen geteilt. Gerade dem Aspekt historisch bedingter Veränderlichkeit des göttlichen Wortes widersetzte sich die zweite Deutung, die die Sure der Zeit in Medina und dort einem einmaligen Ereignis zuordnet: die Kinder vieler Bewohner Medinas waren jüdisch oder christlich erzogen worden. Nach Mohammeds Einzug wollten die Eltern die Konversion ihrer (mittlerweile erwachsenen) Kinder erzwingen – doch Gott verbot dies: "Kein Zwang im Glauben".

    Auch die dritte Deutung siedelt die Surenentstehung in Medina an und bezieht sie dezidiert auf die Dhimmis, d.h. die Juden und Christen, die nicht zwangsbekehrt werden dürfen, hier allerdings ohne zeitliche Begrenzung.

    Von einer auch für die Muslime selbst geltenden Religionsfreiheit ist jedoch nirgends die Rede. Zugleich schreiben alle drei Deutungen, so Crone, der Sure gesetzliche Normativität zu. Erst das 9. Jahrhundert habe eine Verschichtung von der Juristik zur Theologie evoziert. Nun hieß es, dass Gott von seiner Allmacht abließ, um dem Menschen freie Wahl zu lassen. ER würde also keinen Zwang ausüben. Eine Welt der Freiheit tat sich in dieser von den sogenannten Mu'taziliten vorgenommenen Interpretation auf. Jedenfalls beinahe. Denn die Idee von Gottes Überlegenheit gegenüber dem Menschen übertrugen sie eins zu eins: ER übt keinen Zwang aus. Der Mensch tut es sehr wohl. Handelt der demnach Gott zuwider?

    Auf ihrer Suche nach der Lösung des Widerspruchs zwischen einem politischen Gemeinwesen auf Religionsbasis und Gottes Zusicherung von Religionsfreiheit stießen sie zu folgender Interpretation vor: die Sure besage generell, dass niemand einen Menschen zum Glauben zwingen könne. Gott tut es nicht und der Mensch – könne es nicht. Innerer Zwang funktioniere einfach nicht. Äußerlicher hingegen schon.

    Zwang unter Menschen
    Denn das Äußere, das "embodied social being", wie Crone formuliert, müsse sich in Normen einfinden. Das gelte auch für nicht-muslimische Gesellschaften und bis in die Moderne hinein. Für die muslimische Gesellschaft des 9./10. Jahrhunderts hieß die Norm: Unser Gemeinwesen basiert auf Religion, wir alle sitzen in diesem Boot und dürfen es nicht zum Kentern bringen. Norm bedeutet per se Zwang. In der Idee aber, dass sich dieser auf das Äußere beschränkt, die Seele aber nie bezwingt – in dieser Idee lag der Hinterausgang.

    Von hier aus springt Crone in die Moderne, zu den Tiefgläubigen des 20. Jahrhunderts, die sich mit einer neuen Norm konfrontiert sahen: dem "Säkularismus". Etwa Sayyid Qutb, der Begründer der ägyptischen Muslimbrüderschaft. Qutb wurde 1966 hingerichtet, Ägypten wurde damals von Gamal Abdel-Nasser, dem Verfechter einer arabischen säkularen "Umma" regiert. Qutb hatte Zeit seines Lebens gegen diese Zwangsbekehrung der Muslime argumentiert. Religionsfreiheit, so Qutbs einflussreiche, im Gefängnis verfasste Exegese, bedeute die Freiheit der Muslime, ihren Glauben zu leben. Und mehr: Wahre Religionsfreiheit gäbe es nur unter islamischer Führung, denn nur diese lasse das Ausleben von Religion zu. Die Islamisten der Moderne schlossen dabei – im Großen und Ganzen – die Dhimmis ein, mit denen sie Juden und Christen meinten. Manche verstanden alle Anhänger monotheistischer Religionen als Dhimmis, denn, so Crone: ihr wirkliches Feindbild hieß Atheismus. Religiöse Freiheit umfasst demnach nicht die Freiheit, keine Religion zu haben – und damit in Amoralität zu verfallen.

    Darf also der Muslim, der von seinem Glauben abfiel, zwangsbekehrt werden? Schwierig. Und die zunehmende Dominanz Europas mit seinem säkularen Weltbild machte die Sache nicht leichter. Entsprechend unklar fallen die Antworten der modernen Exegeten aus. Dem Bestreben, die Toleranz des Islam zu betonen – und über eine solche verfügt er unbestritten, wie seine jahrhundertealte Toleranzgeschichte belegt –, steht der Widerwille entgegen, vom Prinzip der Religionsfreiheit im Angesicht des übermächtigen Säkularismus abzulassen. Wolle man einen Querschnitt aus ihren heutigen Antworten ziehen, komme man, so Crone, zu dem Schluss:
    Quote: Conversion is unnecessary, impossible, forbidden, required, a good thing, and highly commendable.

    Verwirrungen und Verstrickungen
    Verwirrend fiel ihr zufolge auch die Erwiderung der 38 muslimischen Gelehrten auf die Regensburger Papstrede aus: "Kein Zwang im Glauben" stamme keineswegs aus mekkanischer Zeit, sondern, im Gegenteil, aus der Periode, da der Islam auf dem Weg zur Expansion gewesen sei. Auch laute die Kernaussage der Sure: Einen Menschen innerlich zum Glauben zwingen zu wollen, ist unmöglich. Diese Stellungnahme sei insofern nicht korrekt, als jene frühe Deutung, die der Papst heranzog, tatsächlich existierte. Zugleich ist unbestreitbar, dass diese über die Jahrhunderte von anderen Deutungen revidiert wurde.

    Von diesem Interpretationsdschungel überdeckt blieben aber, wie Crone schlussfolgert, die Antworten auf die Fragen nach säkularer Staatsordnung und der Vertretbarkeit "äußerer" Unterwerfung.

    Warum wählte der Papst die früheste Deutung?

    So weit, so gut die äußerst fundierte Islamkritik Crones. Was sie jedoch nicht beantwortet – und was auch nicht ihr Anspruch war – ist die Frage, warum der Papst in der heutigen aufgehetzten Zeit ausgerechnet die erste Deutung herangezogen und sie mit dem Zitat von der Verbreitung des Islam durch das Schwert aufgerundet hat? Zufälligkeit, gar Unkenntnis sind bei dem viel belesenen Benedikt XVI zweifelsfrei auszuschließen.

    Für westliche Friedensforscher wie Werner Ruf oder den bedeutenden libanesischen Politologen Joseph Samaha fällt die Antwort eindeutig aus.

    Der Papst habe bewusst jenes Konstrukt untermauert, um dessen Festzementierung sich westliche rechtsgerichtete Meinungsbildner wie Samuel Huntington, Bernhard-Henri Lévi, Alain Finkelkraut, André Glucksmann oder die fundamentalistischen Evangelikalen in den USA seit Langem bemühen: Die Bedrohung des Abendlandes durch den Islam.
    In seiner Analyse, die im August 2007 in der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Schrift rls standpunkte erschien, dreht Ruf den Anklage-Spieß zunächst um: Weshalb suche der Papst nach Beispielen im Islam, um den Zusammenhang von Religion und Gewalt darzulegen? "Fällt (ihm) nicht ein, dass zeitgleich mit dem 1. Kreuzzug in Europa die ersten groß angelegten Progrome gegen Juden stattfanden?"

    "Weiß er", der als Kardinal Ratzinger lange Jahre der vatikanischen Glaubenskongregation vorsaß, die wiederum die Nachfolgerin der Inquisitionskommission ist, "etwa nichts von den Hexenprozessen, den zigtausend Frauen, die außerehelich schwanger wurden, öffentlich gedemütigt, gequält oder zum Selbstmord getrieben wurden?" Und "wie kann dieser oberste Vertreter der Kirche sich auf Vernunft und Aufklärung berufen, wo doch gerade diese Kirche die Schriften eines Immanuel Kant und anderer Aufklärer auf den Index, die Liste der verbotenen Bücher, gesetzt hat?"

    Stattdessen reklamiere dieselbe Kirche mittlerweile Aufklärung, Freiheit und Menschenrechte für sich und bringe, wie in Regensburg geschehen, den Islam mit Inhumanität und die Koransure 2, 256 mit der Zeit in Verbindung, da Mohammed viel zu machtlos war, um – quasi sein wahres "inhumanes" Gesicht zu zeigen.

    Deckmantel für den Krieg gegen den "Islamofschismus"

    Benedikts Rede mache somit auch die von den westlichen Medien angestrengten Differenzierungen zwischen "dem Islam" und "islamischen Terroristen" zunichte. Zwar handelt es sich für Ruf ohnedies um unzureichende Differenzierungen, da sie Individuen gleichsetzende Charakteristika oktroyieren. Zumindest aber sei dergestalt versucht worden, nicht die Weltreligion an sich zu diffamieren. In Regensburg aber habe der Papst klargemacht, von wem die Bedrohung ausgehe – von dem Islam. Dass es sich dabei um eine Religion mit komplexer Vergangenheit, zwei großen Glaubensrichtungen, von denen allein eine vier Rechtsschulen aufweise, diversen regionalen Ausprägungen und zahllosen Formen von "Volksislam" handle, sei offenbar irrelevant.

    Auch für den libanesischen Linksintellektuellen Joseph Samaha bestand kein Zweifel an den Motiven des Papstes. In seinem Leitartikel zur Rede bemühte der Gründer der Tageszeitung "Al-Akhbar" nicht das Religionshistorische, sondern konzentrierte sich auf das Jetzt. Seine Fragen: Warum hat der oberste Theologe des Vatikans nicht den nötigen zeitlichen Abstand zu den von ihm herangezogenen jahrhundertealten Aussagen eingenommen? Vor allem: Warum hat er das, was er gesagt hat, in dieser Zeit gesagt? In einer Zeit, in der der Kalte Krieg beendet und das kommunistische Feindbild entschwunden ist. In einer Zeit, in der sich US-Präsident George W. Bush zum Krieger gegen einen gallertartigen Feind namens "Terrorismus" aufschwingt. Ein Feind, der deshalb so gallertartig ist, weil er aus seiner arabischen wie islamischen Geschichte und seinen Beweggründen "herausgeschält" wurde, mit dem Zweck, aus ihm eine "ideologische Krankheit" zu machen.

    Die Krankheit wurde "Islamofaschismus" genannt und Ussama Bin Laden als ihr Virus ausgewiesen. Die daraus erwachsene Kenntnis laute: "Wir", der Westen, müssen uns zusammenschließen, um "unsere" freiheitlichen Werte zu verteidigen und "deren" faschistoide Werte zu ändern. Wäre Benedikt XVI dem Beispiel des entschieden gegen die Irak-Invasion protestierenden Johannes Paul II gefolgt, wäre die Zuspitzung etwas weniger dramatisch. Mit seiner Rede aber habe der oberste Vertreter der katholischen Kirche der Bushistischen Ideologie den kulturellen und moralischen Deckmantel geliefert. Wenig ist das nicht, so Samaha.

    Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26488/1.html



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