Mein Besuch im Jenseits

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    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 03.08.2006, 11:46

    Mein Besuch im Jenseits
    hier wird mein Krankenhaustagebuch veröffentlicht 8)

    Sebastian Ufer

    MEIN BESUCH IM JENSEITS
    DAS TAGEBUCH EINES THEORETISCH TOTEN

    Vorwort:
    Die folgenden Aufzeichnungen stellen meine Tage im evangelischen Krankenhaus Weende dar. Sie spiegeln natürlich nur die Meinung des Autors wider und können nicht als allgemeingültige Bewertung der Institution betrachtet werden.

    TAG 1, Mittwoch der 2. August 2006, freiheit? – der erste Besuch
    Joa, ganz ansprechend gestaltet die Eingangshalle in Weende, bei der Patientenaufnahme erstmal Telefon und Fernseher beantragt und weiter geht’s. Mit dem Fahrstuhl runter in 5.01 – ich wohn im Keller! – Stationszimmer besucht, Untersuchung – Trinken sie Alkohol? –Naja… - Aber jetz nich jeden Tag 3 Bier oder so?! – Nee nee…(4)… ;) Dann kurz gefragt: Ich darf aber heute schon wieder nach Hause? –Oh….das müssen sie entscheiden, wie sie das möchten, es kann natürlich sein, dass sie morgen früh um 7 operiert werden…. – Kein Problem! Machens es gut! – MOMENT! Hier Treppe hoch, dann raus, ins Backsteingebäude! Karte ziehen, ab zur Narkosesprechstunde!
    Also hin da, E52, hoffentlich fangen die nich bei A1 an…. Och wie schön, bis zur Sprechstunde sinds noch 80 Minuten, also weg hier.
    Ich schleiche am Stationszimmer vorbei: Hallo, Herr Ufer! Nehmen sie doch da im Tagesraum Platz. Sicherlich nich, das is der langweiligste Raum der Welt, also ich erstmal in den Fahrstuhl, wo geht’s zur Cafeteria? Erstmal ne Cola getrunken und Zeitung gelesen. Während ich so fröhlich am Fenster sitze geht das vermaledeite Ding auf einmal auf. Elektrische Fenster? Die spinnen, draußen regnets und stürmts und ich sitz hier voll im Durchzug! Also Adios Cafeteria. Mal wieder runter gegangen, Stationszimmer: HALLO! Ich such sie schon die ganze Zeit, sie müssen sich noch anmelden! Im Krankenhaus muss man sich anmelden, schön schön. Ich hab ja auch erst ne dreiviertel Stunde mit den Leuten hier geredet, da kann man ja nicht erwarten, dass schon irgendwer deine Ankunft registriert hat. Also los, frag mich aus. Wieder sie selben dummen Fragen; Nein, auch in den letzten 30 Minuten hab ich mit rauchen nicht angefangen, nein, Alkoholiker bin ich auch nicht geworden! - Ja, Dankeschön, dann gehen sie jetzt am besten mal zum Narkosearzt zur Sprechstunde. (da säß ich schon lange, wenn du mich nich aufgehalten hättest…) Ach ja, haben sie schon so nen gelben Zettel ausgefüllt? -Nein(ich hatte rote und grüne, aber gelb? Nein) – Gut, dann füllen sie den aus und zeigen sie den dem Narkosearzt.
    Kurzer Blick ausm Flur innen Tagesraum, da sitzt einer, der sieht genauso aus wie Jürgen Drews! Dann Treppe hoch, raus, ins Backsteinhaus. Ich befürchte einen riesigen Andrang, betrete den Warteraum und denke, hier stimmt was nich, kein Mensch da…. Nach ner Zeit kam Drews noch, aber mehr auch nich. Ich fülle meinen Fragebogen aus (Trinken sie Alkohol? JA VERDAMMT NOCHMAL! Wie oft? GEWÖHNLICH NUR AM WOCHENENDE, ICH BIN SCHÜLER! Was? NAJA, BIER! Wie viel? (Feld freigelassen)) Also rein zum Narkosedoktor, mit E52 bin ich der Erste, Jürgen hat nur 55, die dazwischen hat der Doktor wohl selbst gezogen. Meister Narkose klärt mich erstmal auf: Naja, es gab schon Fälle von Querschnittslähmung, aber meistens bleibts bei örtlichen Lähmungen. Örtliche Betäubung reicht ihnen doch? Bei ner Vollnarkose wird noch Herz und Kreislauf gefährdet. Achja, manchmal passiert auch nix Schlimmes. –Schön wenn einem schon die Narkose gefährlich wird. Dann freudentrunken durch den Flur getorkelt (Hause!), plötzlich: HERR UFER! Kommen sie noch mal mit.
    Also wegen ihrer OP, entweder wir nehmen das Teil ganz raus, dann gehen sie nur 2 Wochen auf Krücken und bleiben 4 Tage hier oder aber wir müssen das verrücken, dann wird das schon nem Knochenbruch gleichkommen. Ne gute Woche Krankenhaus und 6-8 Wochen Krücken sollten sie dann einplanen. Das entscheiden wir dann morgen aus der Situation heraus. –Schön wenn man vorher weiß, was mit einem passiert. TSCHÜSS!
    Dann tritt tatsächlich noch son Pfleger an mich ran: Hier unsere Nummer, heut um 18 Uhr rufen sie an, dann können wir ihnen sagen, ob und wann sie morgen operiert werden. Und hier noch ne Spritze, die jagen sie sich heute um 19 Uhr rein, müssen sie in den nächsten Wochen eh täglich machen. Aber im Liegen, nich das se dann umfallen! Mit ner Platzwunde am Hinterkopf werden se nich operiert, haha. –Hehe, Scherzkeks.
    So, mittlerweile ist es halb sieben am Abend, eben in Weende angerufen: Ja, Herr Ufer, sie haben Glück! (was ihr da unter glück versteht will ich gar nich wissen…) Sie sind unsere Nummer 2! Ab 7:30Uhr geht’s los! Plus Wartezeit…Herr Ufer, sind sie noch dran? (mir ist vor schreck fast der Hörer aus der Hand gefallen) Also halb acht? – Wäre gut, wenn sie schon etwas früher da wären. – Is gut. (Jetzt darf ich wegen diesen Pennern schon um 6 aufstehen, dann wenn andere Leute grade nachhause gehen! Wenigstens kann ich dann bald wieder was trinken und essen…)
    Zwanzig vor sieben, noch zwanzig Minuten, dann darf ich mir die erste Spritze injizieren. Juhu… Aber schlafen muss ich ja nich, dass mach ich morgen hoffentlich ausreichend….
    Neunzehn Uhr und acht Minuten, joa, so ne kleine Spritze is schon was feines. Wenn ich in den nächsten Wochen ein sterileres Modell bekomme, bin ich glücklich. Aber Hauptsache mein Blut ist vor Thrombose gefeilt. Der erste Tag meines neuen Lebens ist damit jetzt beendet, in zwölf Stunden geht’s dann richtig los.

    TAG 2, Donnerstag der 3. August 2006, bin ich nur glücklich wenn es schmerzt?
    Was für ein schöner Tag, um achtzehn zu werden. Andere Menschen stehen morgens um sechs auf, um sich dann in den Arsch zu beißen! Ahhh, ich darf doch eh nix mehr essen, da hätt ich auch noch zwanzig, dreißig Minuten pennen können…
    Angekommen, ist ihr Knie schon rasiert? -Nö. Dann benutzen sie diese unglaublich tolle mega super Enthaarungscreme. Klasse, ich also das Zeug aufgetragen, während das so einwirkt aufm Beipackzettel gelesen: Kann zu Hautirritationen führen, unbedingt vorher am Arm testen. Aha, schön. Also nach zehn Minuten abgewaschen, glatt rasiertes Knie bewundert, hmmm…leicht rot und mitten auf der Kniescheibe haben sich genau 2 Minipickel gebildet. Dann irgendwann um zwanzig nach acht kommt die Visitentruppe. Einer zückt schon den Edding und malt mir Kreis und Kreuz aufn Schenkel, da bemerkt Dörges trocken: Hier der Pickel auffer Kniescheibe, da können wir nich operieren. Wenn das ein Notfall wäre, aber so….außerdem hab ich noch nix gefrühstückt und brauch ne Pause. Verschoben, kommen se nächsten Mittwoch wieder, da rasieren wir das Knie dann im OP. (Ausgezeichnet Jungs, mein Kreislauf und Puls stehen kurz vorm Kollaps dank Beruhigungspille, die mir verabreicht wurde, aber wenigstens kann ich dann noch ne Woche saufen.) Beim rausgehen noch ne kleine Spritze mitbekommen, sie kennen das ja, am Dienstag gegen 19 Uhr. Um halb fünf Dienstag rufen se dann wieder an, dann sagen wir ihnen, ob und wann sie operiert werden. Die ganzen Untersuchungen müssen se dann nich noch mal machen. (Das wär ja auch noch schöner! Macht’s gut!) Als ich so schläfrig die Treppe hochtorkelte fiel mir allerdings wieder der einzige Nachteil an der ganzen Sache ein: Ich muss den Bundesligastart im Krankenhaus verfolgen! Hauptsache ich krieg wieder den netten alten Mann aus Hattorf als Zimmernachbar, der is ausgezeichnet.
    So, jetzt erstmal ein bisschen pennen und dann geht’s Dienstag weiter.



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Jörn - 03.08.2006, 12:21


    war irgendwie schon klar das dass passiert!



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Erik - 03.08.2006, 12:42


    warum kann man wegen zwei pickeln auf dem knie nicht operieren?



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 03.08.2006, 12:50


    weil dann das infektionsrisiko zu hoch ist, eigentlich könnte man ja operieren aber joachim meinte das hat eh zeit, also ab nach hause.



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Gerrit - 03.08.2006, 16:31


    tja..dann sollte man das rasieren mal vernünftig lernen :wink: dann passiert sowas nicht



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 03.08.2006, 17:10


    Gerrit hat folgendes geschrieben: tja..dann sollte man das rasieren mal vernünftig lernen :wink: dann passiert sowas nicht

    Ey, das war widerliche Enthaarungscreme!



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Jay Pai - 03.08.2006, 17:33


    Gut, dass das noch weiter geht. Selten so nen geilen Bericht gelesen!! lol



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Julian - 03.08.2006, 18:24


    ufer wird nur übern tisch gezogen, im krankenhaus wie beim poker



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 08.08.2006, 15:39


    TAG 3, Dienstag der 8.August 2006, ein neuer OP-Termin ist wie ein neues Leben
    Der 8.8., Schnapszahl is angesagt, gerne würde ich heute Abend den ein oder anderen Schnaps verzehren, aber das wär wohl recht unvorteilhaft. So langsam muss ich mir mal Gedanken machen, wie ich es schaffe, den OP Termin noch mal herauszuzögern, nur zu gerne würde ich einmal noch Dr. Unterarzt’s Gesicht sehen, der erklärt: Ja, das fällt uns auch nicht leicht, der OP kostet 1500 Euro pro Sitzung und jetzt steht der leer… Naja, aber die „eitrigen Pickel“ (O-Ton Joachim Dörges) sind weg und in der Regentonne schlafen um ne Erkältung zu erzwingen darf ich nich. Hmmm… aber das wird schon noch, da geh ich ganz fest von aus. Irgendwas hat Dörges schon noch inner Hinterhand („Wie? Sie sind Brillenträger?! Da könn wir nich operieren, lassen se sich mal die Augen lasern, so is das Infektionsrisiko zu hoch!“, „Was? Sie sind unter 18? Da dürfen wir so was noch nich machen!“, „Sie nehmen gar keine Drogen? Tut mir Leid, da hab ich die falsche Akte bekommen. OP verschoben!“, „Wieso strecken sie mir den ihr Knie entgegen? Sie werden doch am linken Ellenbogen operiert, oder nich?“, „Ich hab Migräne, da is das letzte was ich will, ihnen ihr beschissenes Knie zu operieren!“, „Mann, war ich gestern wieder dicht, den letzten Joint hätt ich vielleicht weglassen sollen, also, wer von den Drillingen soll denn unters Messer?“, „Eben is ein Notfall reingekommen, meine Frau hat versucht sich umzubringen.“, „Ich bin mit meinem 20.000 Euro Monatsgehalt nicht zufrieden, unbefristeter Streik!“, „Ich hab heut Geburtstag! Unabhängig davon, dass ich mit den Kollegen schon 3 Kisten Öttinger leergepumpt habe, will ich heut nur noch Brustoperationen an jungen Blondinen vornehmen, also fahren se nach Hause!“)
    Auf jeden Fall ist es jetzt Dienstagmorgen um halb zehn und ich bin schon wach, obwohl ich erst vor gut sechs Stunden angefangen habe zu schlafen. Mein guter Freund Sebastian Stroh hat mit seinem Rum auch seltsamerweise keinerlei Wirkungen hinterlassen. Von achtzigprozentigem Alkohol hatte ich mir schon etwas mehr erhofft... Naja auf jeden Fall hat mein Tag mit einer feinen Meldung begonnen, eben beim Frühstück wurde mir mitgeteilt, dass gestern beim Testspiel MSV Duisburg – FC Scheiße 04, welches bis zur 80. Minute 1:1 stand, in der 75. Minute ER eingewechselt wurde. Carsten Wolters live und in Farbe im Free - TV zu bewundern. Unbestätigten Meldungen, dass der MSV danach noch 5:1 gewonnen haben soll werde ich im Laufe des Tages noch nachgehen.
    Die Frage ist nur, was macht man unter der Woche um halb elf morgens? Online is eh keiner, also surf ich ne Runde im Internet, muss meinen neuen Taschenrechner sowieso noch aufrüsten.
    Oho, eben ein Texas Hold’em Spiel für den TI-83+ gefunden und geladen. Mittlerweile hab ich so gut 10 Spiele für das Teil, wenn ich jetzt noch ein Verbindungskabel zum Computer hätte, dann wär ich glücklich.
    Keine Lust mehr, ich glaub ich leg mich noch mal hin oder hör Musik. Oder Beides.
    Schlafen wird generell völlig überbewertet, außerdem, falls ich morgen operiert werden sollte (unwahrscheinlich), dann penn ich ja morgen eh den ganzen Tag, da muss ich ja nich auch noch vorarbeiten. Das is wie als wenn man abends auf ne Party geht und sich da betrinken wird, aber trotzdem mittags schon mal ordentlich vorglüht. Völlig Unsinnig.

    fortsetzung folgt, tach is ja noch nich vorbei



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 08.08.2006, 19:11


    Ich sage A Ich sage U Ich sage S ich sage G Ich sage E Ich sage Z Ich sage E Ich sage I Ich sage C Ich sage H Ich sage N Ich sage E Ich sage T. Ich sage AUSGEZEICHNET. Die wollen mich da glaub ich nich mehr haben: Hallo, Sebastian Ufer, ich wollte wissen, wann ich morgen operiert werde. (…Stille…) Ach, der von letztem Donnerstag?! Das tut mir jetzt leid, wir haben vergessen sie in den OP – Plan einzutragen… Sie werden wahrscheinlich Donnerstag operiert!
    Jawoll! Heut morgen noch gedacht, was macht der Dörges wohl wieder und dann so ne Sache. Ich glaub, der ganze Laden is ziemlich dumm. Naja, mir soll’s recht sein, ich bleib keinen Tag länger im Krankenhaus und darf einen später hin. Perfetto, wie der Staatsfeind Nr. 1 sagen würde.



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Jörn - 09.08.2006, 18:54


    das gibt es doch gar nicht!



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 09.08.2006, 19:21


    doch, morgen mittag solls losgehen



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Jörn - 16.08.2006, 16:25


    hast du dir eigentlich notizen gemacht um dein Tagebuch weiter zu führen? das wäre ja so geil! :wink:



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 17.08.2006, 17:03


    jo, geht demnächst weiter



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 21.08.2006, 15:30


    TAG 4, Mittwoch der 9. August 2006, langsam wird’s mal Zeit
    Schon seltsam, mittlerweile is Tag 4 erreicht und es gibt noch nich mal einen Termin für ne OP. Heute Abend um sechs wird noch mal angerufen, ich hoffe ja zurzeit auf ne OP nächsten Montag oder Dienstag und wenn ich mich auf meine Freunde aus Weende verlassen kann, dann is das wahrscheinlich noch zu früh.
    So, acht Uhr abends ham wirs jetzt, ich weiß gar nich, was ich den ganzen Tag gemacht habe, jedenfalls soll meine OP morgen gegen Mittag angehen. Genauen Zeitpunkt gibt’s nicht, ich bin der letzte der operiert wird. Ganz Klasse sag ich, ich freu mich schon auf 17 Stunden nix essen. Eben als ich mir mal wieder ne Anti-Thrombose Spritze gesetzt hab is mir auch ein kleiner Fehler unterlaufen, ich hab das Teil leicht schief rausgezogen und dann hat es geblutet, aber da steh ich ja voll drüber. Ich muss morgen um halb zehn im Krankenhaus sein und gammele dann da stundenlang. Aber da wird schon noch irgendwas dazwischenkommen, bei der Anstalt rechne ich da ganz fest mit. Ich würde es ja fast lustig finden, wenn die mir morgen im OP mein Knie mit nem Rasierer rasieren und dann irgendwo reinschneiden, dann lieg ich da, halbtot und Dörges erklärt mir, was passiert is.
    Nacht sag ich, obwohl, ich muss ja eh erst viertel vor neun aufstehen, da mach ich doch noch mal durch. Andererseits darf ich nix essen und mit dem Nachtprogramm im deutschen Fernsehen kann ich nicht viel anfangen. Verdammt.

    TAG 5, Donnerstag der 10. August 2006, OP oder nich OP, das is hier die Frage
    Die Sonne strahlt und dafür, dass ich als letzter drankommen sollte ging das doch ausgezeichnet zeitlich. Um zehn vor elf haben se mich aus meinem Zimmer rausgebracht (Zimmer 14, recht jugendlicher Nachbar), dann noch ne Runde mit dem Bettenaufzug gedreht und schon war ich inner Schleuse. Problem Nummer 1. „Wir ham kein OP Tisch mehr!“. Also haben die netten Menschen dann flugs einen zusammengebaut, dann in die sterilen Hallen; erstmal minutenlang geredet (Sind sie Nichtraucher? – Nein. – Wann die letzte geraucht? - … Nein, also nein in dem Sinne von Ja, ich bin Nichtraucher…) und an alle Geräte der Welt angeschlossen. Der überaus freundliche Anästhesist (der, der die Narkose macht) hat mir die ganze Zeit erklärt, was er da so treibt hinter meinem Rücken. Dann der erste geringe Schmerz des Tages: Ne schöne Narkosespritze mitten ins Rückenmark… Naja. Also schnell Beine positioniert und nachdem das zweite Mal die Frage gestellt wurde, ob ich mein Bein anheben könnte, wurde mir ganz warm, es kribbelte und dann Totalausfall. Schön, schön sag ich, im Winter sehr gut zu gebrauchen. Dann hat mich glaub ich noch irgendwer gefragt, ob ich schlafen möchte, meine unvorteilhafte aber ironisch gemeinte Antwort „Ich schlaf eh ein“ wurde wohl als Ja gewertet, anders kann ich mir nicht erklären, dass, als ich aufwachte Dörges und ein farbiger Kollege schon dabei waren sich über die Bundeswehrkarrieren ihrer Kinder und ähnliche Dinge zu unterhalten. Mir fiel auf, dass es in dem Schuppen gefühlte minus 12 Grad waren, aber das Vergnügen mir meine Decke zu greifen wurde unterbunden. Meine Arme waren gefesselt. Dann noch ein bisschen gewartet, bis Doktores meinen Verband fertig hatten und dann ab. Blick auf die Uhr…Wie? Schon kurz nach eins? Die letzten Worte im OP: „Die Betäubung hält noch ca. 4 Stunden an“ und von Dörges: „Hoffe, sie ham sich von dem Knubbel verabschiedet“.
    Wie ich dann so im Zimmer lag ist mir dann auch aufgefallen, dass ich meinen rechten Fuß wieder bewegen konnte. Um viertel nach zwei konnte ich dann wieder alles bewegen…
    Der Tag war dann recht eintönig, das deutsche Nachmittagsfernsehprogramm ist nicht das Beste. Irgendwann gegen sechs sind dann noch vier Menschen vorbeigekommen, an die genauen Namen kann ich mich nich mehr erinnern ;) Dann üppiges Abendbrot vertilgt (lecker Joghurt…), Simpsons zu Ende geschaut und vor Langeweile fast gestorben. Also vom Zimmertelefon erstmal neun Eoronen vertelefoniert, Handys sollten aber auch ganz anders abgerechnet werden… Joa, hmm… abends… Fernsehen is klar, aber was war das noch… Zimmernachbar Christian aus Hardegsen stellt als einzige Bedingung: Kein POPSTARS! Hehe, guter Mann. Aber ich wüsste echt nich mehr, was wir da geschaut haben, ich glaube teilweise Cobra 11, dann noch so ne Schnulze auf VOX (eingeschaltet: Hubschrauber und Pistolen gesehen…aber wurde nix draus;)) Ich hab aber eh wieder lang telefoniert und wollte dann früh pennen, nachdem Schwester mir dann auch bitteres Paracetamol verabreicht hatte, hab ich auch gedacht, es klappt, aber…



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 21.08.2006, 15:33


    TAG 6, Freitag der 11. August 2006, Juhuu, Freitag…
    Satte 4 Stunden gepennt und 4 wachgelegen. Naja, wird schon noch. Um halb acht in der Früh kommt die Schwester und misst Fieber, dann Visite, von Dörges natürlich keine Spur. Beim Kollegen wird der Verband aufgeschnitten: Sieht gut aus, Montag geht’s raus… Hund… Dann Frühstück, eigentlich genauso wie abends. Christian macht wieder auf Krüppel und lässt sich alles zurechtschneiden, warum hab ich nichts am Arm? Der Junge läuft den ganzen Tag fröhlich durch die Gegend und selbst 2 Wasserbehälter (einen für mich) trägt er ganz locker…
    Um kurz vor elf, ich schaute grade Poker im Deutschen Sport Fernsehen, klopfte es dann an der Tür und ein unscheinbarer junger Mann trat ein. Für mich noch lange kein Grund, meine Kopfhörer abzunehmen, erst als er nach einem gewissen Sebastian Ufer fragte und sich als Physiotherapeut vorstellte wurde ich aufmerksam. Er ist dann allerdings flott wieder verschwunden, um mir überhaupt erstmal Unterarmgehstützen zu besorgen. Mit dem grauen Modell „Sterbebett“ durfte ich dann ein paar Runden im Zimmer drehen. Ganz Klasse. Irgendwann hat er sich dann verabschiedet: Is mein letzter Tag heute, wir sehn uns also nich mehr, morgen kommt ne Kollegin.
    Dann um zwölf Mittag, was es gab weiß ich nich mehr, es war aber ein Zufallsmenü, weil ich ja am Vortag nix auswählen durfte. Nachmittags Fernsehen geschaut und gegammelt. Noch gefühlte 3-mal Temperatur gemessen, Abendessen und Simpsons. Es liefen zwei ausgezeichnete Folgen. Um 19 Uhr erschien die dümmste Schwester der Welt um mir ne schöne Thrombosespritze zu verabreichen. Is anscheinend nich ganz glatt gelaufen, ein blauer Fleck hat sich gebildet. Abends dann irgend son Fußballspiel gesehen, vorher lief die Nationallhymne, aber an die Mannschaften kann ich mich partout nich mehr erinnern. Ergebnis is mir auch schleierhaft, nur die eine Mannschaft hatte unglaublich hässliche Trikots (muss ich haben).



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 22.08.2006, 16:00


    TAG 7, Samstag der 12. August 2006, Stalone for President!
    Schon besser geschlafen, son Samstagmorgen is aber auch was feines. Da arbeiten nämlich die Bauarbeiter nich, die ansonsten immer direkt vor unserm Fenster Rabatz machen. Bei der Visite wurde auch noch der störende Verband entfernt, ebenso wie der Schlauch, der das Blut raussaugt. Als der gezogen wurde, war mir klar, dass ich in diesen Tagen nichts Schmerzhafteres mehr erleben würde. Und dann, ja dann durfte ich duschen. Mhhh…duschen. Das war wirklich ein Genuss. Ansonsten ging Samstag nich viel, im Fernsehen bis nachmittags Pro Sieben eingeschaltet, unter anderem mit Stromberg und Simpsons, dann noch mal mit den neuen Krücken (blau-schwarz, eine Augenweide) ne Runde gedreht, aber ne Physiotherapeutin kam (trotz Versprechen…) nich mehr vorbei. Abends den wunderbaren Chuck Norris in Walker, Texas Ranger bewundert und ab 20:15 Uhr auf RTL einen leicht verwirrenden Film gesehen, in dem ein Außerirdischer, der eigentlich vielleicht keiner ist, auf die Erde kommt und im Irrenhaus landet. Zum Glück wurde es dann ab 22:35 Uhr hochwertiger, es lief Rambo II – der Auftrag. Ein ausgesprochen dummer Film, der aber genau daraus seinen Reiz bezieht. Die vier Top Szenen:
    4. ein Dialog von Rambo mit einer Einheimischen, der sich über 2 Minuten erstreckt und in dem er nur ein Wort benutzt, nämlich: ja.
    3. Rambo verspricht dieser Einheimischen, sie mit nach Amerika zu nehmen, sie rennt vor Freude los und wird nach 4 Metern erschossen.
    2. Rambo wird von nem Russen gefangen genommen, der sagt zu ihm, weil er seine Leute nicht anfunken will: Stolz ist ein erbärmlicher Ersatz für Intelligenz! Rambo: Mag sein.
    1. Zu Beginn des Films: Colonel: Rambo, sie werden mit den besten Waffen ausgerüstet, die unser Land zu bieten hat! Rambo (mit seinem dummen Hundeblick): Ist nicht der Verstand unsere beste Waffe? Colonel: Das war früher so. Heute verlassen wir uns auf Technik. Rambo (der den ganzen Film nur mit Waffen kämpft): Sie vielleicht.
    Schon ein köstlicher Film. Nächste Woche läuft Teil 3…

    TAG 8, Sonntag der 13. August 2006, was ist ein Sonntag?
    Unterschiede an den Tagen gibt’s ja hier kaum, man verliert auch völlig sein Zeitgefühl. Die Schwestern haben uns heut überaus lange schlafen lassen, Frühstück erst um halb neun…aber sonntags gibt’s ja auch keine Visite. Das Fernsehprogramm am Morgen ist auf eine Zielgruppe zwischen 2 und 10 Jahren ausgerichtet, also hab ich mir nen komischen Cartoon angeschaut, dann geduscht (mhhh…), Bundesliga Pur, Doppelpass. Zwischendurch hat sich auch die Putzfrau mit Christian (sichtlich genervt der Mann, hätt er mal nich verraten, dass er Maschinenbau studiert…) über die Bezahlung deutscher Ingenieure unterhalten… Dann Mittagessen (so kurz nachm Frühstück, die spinnen doch!). Dann meine Krankenhauslieblingsserie X-Factor auf RTL2 geschaut, die ist sehr unterhaltsam. Über den ganzen Tag verteilt wurde ich auf Handy und Krankenhaustelefon auch gefühlte siebenmal angeklingelt, was mich immer wieder zu schmerzhaften, weil schnellen, Bewegungen auf den Krücken verleitet hat…
    Irgendwann gab’s Abendessen, während diesem lief allerdings Fit for Fun TV auf VOX in unserem Fernseher, und da war ein Bericht über behaarte Frauen, die sich mit Lasertherapie behandeln lassen müssen, weil sie sonst jeden Tag ne Stunde Ganzkörperrasur vornehmen müssen… Dann die Tier – Nanny mit nem dummen Hund, der keine Treppen runterläuft. Bis 20:15 hab ich mich dann mit Christian unterhalten, er kennt seltsame Leute, zum Beispiel einen, der sich drei Monate lang morgens nur von Weißbrot mit Marmelade, tagsüber nix und abends nem Teller Nudeln ernährt hat…der musste dann ins Krankenhaus, weil ihm wichtige Vitamine gefehlt haben. Als Fit for Fun TV lief wurden da auch Asia Suppen getestet, Christian hat sich während seines sechsmonatigen Aufenthalts in Australien (in ner WG mit nem Nordkoreaner) fast nur von dem Zeug ernährt, weil das verdammt billig is und satt macht, im Gegensatz zu den Leuten im Fernsehen behauptet er allerdings, das Zeug würde nach nix schmecken… Unser Abendfilm sollte eigentlich „Die letzte Festung“ (son Gefängnisfilm) werden, weil wir uns so gut mit der Situation identifizieren konnten, aber wir haben dann doch auf RTL Die Mumie angeschaltet. Irgendwann zu Beginn des Films sind 4 hungrige Wesen im Zimmer aufgetaucht, die natürlich abends um 21 Uhr noch die Cafeteria besuchen wollten. Is leider nix draus geworden, also ham sie den gesamten Wasservorrat der Station 5.01 leergepumpt… Ins Zimmer zurück: „Is was passiert?“ Christian: „Nich viel. Die Mumie is aufgewacht und greift jetzt alle an.“ Na dann. Also den Film zu Ende geschaut. Aber dann. Dann auf Pro Sieben gewechselt, noch lief das Ende von der Festungsgeschichte, der Gefangene Ex – Colonel wurde erschossen, weil der Aufseher befürchtet hat, er würde die Flagge entweihen (falschrum hissen). Hat er aber nich, die hat dann richtig rum geweht, aber tot war er trotzdem. Naja. Um 22:45 Uhr lief dann der Film des Tages. Christain hat leider schon gepennt, aber das war kein Grund für mich, 15 Minuten Ruhm zu verpassen. Ganz vorzügliches Stück Filmgeschichte, das sich kritisch mit dem Medienwesen in den USA auseinandersetzt. Zwei Killer aus Osteuropa bringen Menschen vor laufender Kamera um, als sie dann den berühmten Kommissar Eddie Flemming töten und das Video für eine Million Dollar an ein Boulevardmagazin verkaufen, welches das Video natürlich sofort ausstrahlt wird der Eine gefangen genommen, kommt allerdings wieder frei, weil er für geisteskrank erklärt wird (is er aber nich, scheiß USA…). Letztendlich sind dann der Killer und sein filmender Partner am Ende tot und ein Brandaufklärer, der ein Kumpel von Flemming war, und der einen der Kerle erschossen hat, schlägt dem Menschen, der das Video mit dem Mord an seinem Freund ausgestrahlt hat eine rein. Vollkommen zu Recht übrigens. Die Aussage des Films ist also, dass jeder Mensch, der in den USA ein schweres Verbrechen begeht reich und berühmt werden kann.
    Memo an mich selbst: Videokamera beschaffen, Tickets nach New York buchen, guten Anwalt besorgen. Nee, aber das würde definitiv klappen, man wird einfach für irre erklärt, geht inne Psychiatrie, sagt nach nem Jahr: Nein, ich bin gar nicht verrückt. In diesem fantastischen Land kann man dann nicht noch mal für das gleiche Verbrechen verurteilt werden, also is man frei und man kann damit rechnen, dass einige Talk-Shows oder Biographen oder Regisseure deine Lebensgeschichte haben wollen.
    Hat mich beschäftigt der Film…



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Jörn - 22.08.2006, 17:02


    :lol: :lol: :lol: :lol: :lol:



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    bassi - 24.08.2006, 12:39


    TAG 9, Montag der 14. August 2006, neue Woche – gleiches Schicksal
    Scheiß Montag…hab ich früher gern gesagt, weil da Wochenende vorbei ist, aber in der Anstalt hier da is dir das ja so was von wumpe… Visite: Irgend so ein neuer Arzt beantwortet meine Frage nach baldiger Entlssung mit: Joa, sieht ganz gut aus, demnächst können wir sie entlassen. DEMNÄCHST? Geht’s vielleicht noch genauer? Diesen Monat noch? Dämlicher Affe! A propos Affe, der so nette Dr. Dörges hat seit der OP auch nichts mehr von sich hören lassen, man nennt ihn hier nicht umsonst Napoleon… Christian steht noch vorm Frühstück am Telefon und ruft seinen Vater an, er solle ihn doch bitte abholen… Achja, muss schön sein hier raus zu kommen… Is ja nich schlecht hier, alle nett und guter Service, aber das is einfach so unglaublich langweilig hier, noch ne Woche und ich brauch ne Zwangsjacke. Als ich gegen halb neun so drüber nachdachte, was der Fernseher heute alles bietet (ich steh kurz davor meiner Fernbedienung nen Namen zu geben!) höre ich auch noch ne Schwester sagen: Wir ham heute zwölf Entlassungen, mehr als die halbe Station geht raus… Warum ich nich??? Dann, Minuten später kommt mein Pflegerfreund Marc rein (der studiert in Göttingen, was genau hab ich aber wieder vergessen…) und erklärt mir, dass ich umziehen müsste… Achja, auch mal schön. Zwei ältere Damen wollen unser schönes Zweibettzimmer besetzen, aber Christian is ja eh gleich weg und ich…wer bin ich schon? Also hat Marc einfach mal alle meine Sachen auf mein Bett geworfen (Ordnung wird hier großgeschrieben) und verfrachtet dieses in ein schniekes Dreibettzimmer. Ein Bett komplett leer, auf dem anderen türmen sich Flaschen, deren Inhalt ehemals Apfelschorle war. Aber noch keiner hier. Ich mich also wieder angepasst, erstmal geduscht in meiner neuen Residenz. Hier gibt’s sogar zwei Fernseher, einen momentan nur für mich und einen für den Genossen drüben. Dann wieder inne Heia, irgendwann is dann der Kerl gekommen, Christian hat sich zwischenzeitlich auch verabschiedet („Viel Glück, hoffentlich kommste auch bald raus! Gute Besserung!“). Der Kerl: im Rollstuhl, weil er (wie ich später erfahren habe) sich beim Versuch seiner (dummen) Freundin die Tür zu öffnen (die hatte sich aus ihrer eigenen Wohnung ausgesperrt…) beide Fersen gebrochen hatte…ausgerutscht. Bestimmt schmerzhaft. Der sieht auf jeden fall aus wie son typischer norddeutscher Kneipier; klein, rundlich, Glatze, Tätowierungen aufn Oberarmen… klasse Mann, geschätzte Anfang dreißig. Soll morgen noch mal operiert werden.
    Dann noch nen neuen Pfleger kennen gelernt (bald hab ich mein Poesiealbum voll…): „hallo, ich bin Rafael, Schüler, is heut mein erster Tag hier…“ Stiernacken (so nenn ich meinen Kollegen gegenüber, weil ich seinen Namen nich kenne bzw. vergessen habe) fragt gleich: Um Pfleger zu werden muss man doch erst innen OP oder nich? Rafa: Ja, entweder OP oder Intensivstation. Stier: Und? Rafa: Ich bin schon vorher mit nem Rettungswagen mitgefahren, also hab ich mal OP ausprobiert, is ganz gut, aber sicher kein Job für jeden.
    Der Rafael is auf jeden Fall am Tag noch dreimal wiedergekommen…Was gucksten da? Ich: King of Queens… Is das gut? Ich:…joa, ganz lustig……Wie schmeckt das Essen?...ich mach mal das Fenster hier auf. Der Mensch hat dann das Fenster komplett aufgerissen, also komplett im Sinne von ganz auf…der spinnt. Nach dem Mittagessen is ne Schwester gekommen und wollte wissen, was ich Dienstag speisen möchte. Ich musste innerlich heulen, wertete ich dies doch als Zeichen noch nen verdammten Tag länger hier bleiben zu müssen. Siegfried Stiernacken hat mir allerdings erzählt, er dürfe noch drei bis vier Wochen hier verweilen, also fang ich lieber erst gar nicht an zu meckern. Er hat übrigens wirklich ne Kneipe und is in Osterode geboren, kennt Dorste. Nachdem ich mit Muttern die Cafeteria besucht hatte, wurde mir wieder mal die Sinnlosigkeit meines Bleibens klar: Was soll ich noch hier? Ich kann halbwegs auf Krücken laufen, mehr werd ich in der nächsten Woche nich erreichen!
    Der Nachmittag ging zügig vorüber, hab telefoniert, einziger negativer Aspekt des Tages: die Schwestern servierten mir nicht meinen gewohnten Wildbeeren – Tee, sondern so ne widerliche Apfel-Hagebutten Sorte…Stiernacken frisst übrigens den ganzen Tag, ich frag mich, wo der das alles her hat… Das Fenster is noch auf und weil’s mittlerweile draußen regnet und stürmt knallt die Tür dank Durchzug jedes Mal zu, als wär die Welt am Untergehen. Abends auf Pro Sieben 5ive Days geschaut, ein Kerl findet seine eigene Mordakte…isn Fünfteiler a 50 Minuten und verdrängt Stromberg auf 22:50 Uhr. Stiernacken is eingepennt und das hältste ja nich aus, so wie der schnarcht, dass gibt’s ja gar nich. Kein Wunder, dass das andere Bett leer ist. Der Penner hat sogar seine Glotze (direkt über mir!) angelassen und jetzt, wo ich schlafen möchte (Mitternacht) leuchtet über mir ein Licht, es is verdammt laut und außerdem is das scheiß Fenster noch auf! Kalt hier, aber ich steh ja wohl kaum auf und wuchte dieses 10 Quadratmeterteil zu!

    TAG 10, Dienstag der 15. August 2006, time to say goodbye...
    Schwester kommt morgens rein, hab übrigens seit Donnerstag nich mehr so schlecht geschlafen, noch ne Nacht mit dem Ochsen da drüben und ich spring aus dem Fenster, misst Temperatur und erreicht bei mir den Tiefstwert von 35,2°C Yes, noch nen Topwert hingelegt.
    Die Visite überrascht mich schlaftrunken mit der Aussage: Sieht gut aus, wir können sie entlassen. Ich frage noch mal nach: Ich darf jetzt sofort raus? Doktor Dumm: Ja. …
    JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!! Stiernacken is schon ewig im OP, obwohl es erst acht Uhr morgens is, ich ruf Muttern an: Sofort vorbeikommen, ich darf/will raus!
    Joa, die Schwester hat mir noch mein Pflaster gewechselt, dabei aufn Fernseher geschaut, MTV lief, genauer James Blunt…“Tut mir leid, ich kann jetz nich weitermachen (glotzt aufn Fernseher). Großartig, der Mann. Kommt der eigentlich aus Großbritannien oder Amerika? Ich (völlig perplex, keine Ahnung habend): England glaub ich… Als das Video dann vorbei war hat mir die Frau dann noch reichlich Pflaster und Duschpflaster für die Heimat mitgegeben. Meiner Meinung nach, aber zuwenig, in Anbetracht der Tatsache, dass ich normalerweise jeden Tag dusche… Meine Freude wuchs weiter, als mir die Schwester meine Thrombosestrümpfe abnahm und sie auch keine Anstalten machte, mir irgendwelche Spritzen mitzugeben. Ausgezeichnet dass alles hier, nur Muttern kommt nich an Land und selber packen übersteigt meine Möglichkeiten.
    Kurz nach 9 Uhr morgens, Mutter noch nicht in Sicht, kommt dann auch noch die Putzfrau rein und scheucht mich aus meinem Bett… Zum Glück ist Muttern dann irgendwann angetanzt und hat Klar Schiff gemacht, die osteuropäische Putze stand schon kurz davor meinen Schrank eigenhändig zu entleeren… Aber alles gut gegangen, gepackt und ab.
    Als ich die Institution durch den Haupteingang verlassen wollte, offenbarte sich mir ein letztes Problem… Die verdammte Drehtür dreht sich ganz schön flott… Da ich auf Krücken unterwegs war, hab ich sicherheitshalber den gefühlte 50 Meter entfernten Nebeneingang genommen. Dann durfte ich das erste Mal seit Donnerstagmorgen wieder ungesiebte Luft atmen, wie man so schön sagt, es hat zwar geregnet, aber das war mir in der Situation vollkommen egal, jetzt weiß ich, wie sich Schwerverbrecher bei ihrer Entlassung fühlen.
    Leb wohl, evangelisches Krankenhaus im Stadtteil Göttingens, den man Weende nennt!



    Nachwort des Autors:
    Am nächsten Tag beim Hausarzt hab ich dann doch noch ne Zehnerpackung Thromosespritzen eingesackt, um mir die Qualen zu erleichtern hab ich aus der Apotheke aber dazu noch desinfizierende Alkoholtupfer mitbekommen. Spitzenmäßig… Mein linkes Knie is geschwollen und mittlerweile doppelt so dick, wie die Variante auf der rechten Seite. Der Vergleich mit einer kleinen Bowlingkugel ist nicht übertrieben, deshalb hab ich das Teil auch den ganzen Tag mit Eis gekühlt, bringt aber nich wirklich viel bisher… Naja, Dienstag kommen die Fäden raus und dann darf da sogar wieder Wasser draufkommen, hab übrigens vom Hausarzt eine neues ultimatives Pflaster bekommen, das zwar Luft durchlässt, aber Wasser abweist, also brauch ich den ganzen Mist ausm Krankenhaus nicht mehr. Der blaue Fleck durch schlechte Spritze klingt langsam ab, meine selbst gesetzten Spritzen sind zudem einfach zu gut, um einen neuen zu erzwingen.



    Re: Mein Besuch im Jenseits

    Jay Pai - 24.08.2006, 16:30


    Joa dann sag ich doch mal, dass dein Aufenthalt im Krankenhaus doch was gutes hatte, und zwar das Tagebuch. Sehr nett, auf das du dich bald wieder verletzt!



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