Urheberrecht

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    Re: Urheberrecht

    Moroquen - 26.06.2006, 00:36

    Urheberrecht
    2. Urheberrecht

    Das heutige Urheberrecht basiert auf einem völlig veralteten Verständnis von der Erzeugung und Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken, dass im Angesicht der heutigen technischen Realität nur mit enormen Repressalien durchgesetzt werden kann. Dieses Urheberrecht diskriminiert nicht nur die Konsumenten sondern auch die Mehrheit der eigentlichen Urheber gegenüber den wirtschaftlichen Verwertern.

    Die digitale Speicherung praktisch aller urheberrechtlich geschützter Werke und die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit sowohl persönlicher Datenverarbeitungsgeräte als auch der weltweiten digitalen Vernetzung machen eine praktisch kostenfreie Reproduktion der Werke für Privatpersonen möglich. Diese historische Errungenschaft sollte nicht als Gefahr, sondern als enorme Chance für die Menschheit als Ganzes begriffen werden.

    Das von den Verwerten propagierte Konstrukt des so genannten "geistigen Eigentums" basiert auf fragwürdigen Analogien zur materiellen Warenwirtschaft. Digitale Informationen werden durch Kopieren nicht "gestohlen" oder gar "geraubt", sondern vermehrt. Die Selbstregulierung des Marktes kann nicht funktionieren, wenn für jedes Werk genau ein Anbieter existiert. In vielen Bereichen (Kultur, Wissenschaft, usw.) kann nicht auf ein ähnliches Ersatzprodukt ausgewichen werden, wie das in der materiellen Warenwirtschaft möglich ist. Die Gewährung eines (wenn auch zeitlich begrenzten) Monopols auf einzelne Produkte ist daher ökonomisch höchst widersinnig. Die Preisstagnation bzw. -erhöhung, die in den vergangenen Jahre trotz enormer Produktivitätssteigerungen durch die Digitalisierung statt fand, ist ein offensichtlicher Beweis für den wirtschaftliche Versagen des derzeitigen Urheberrechts und führen lediglich zur Bereicherung einer winzigen Gruppe von Nutznießern (polemischer Vergleich: Entwicklung der Gagen von Hollywoodstars in den letzten 20 Jahren).

    Darüber hinaus verschärft die warenwirtschaftliche Ausrichtung des Urheberrechts die Verarmung der kulturellen Vielfalt: Die Selektion der vermeintlich populärsten Werke und deren massive Durchsetzung am Markt durch die Verwerter führt zu einer Diskriminierung der erschlagenden Mehrheit der Künstler und damit zu einer bedauernswerten Monokultur. Die durch das derzeitige Urheberrecht geschaffenen Strukturen verschaffen einer kleinen Gruppe von Verwertern eine enorme Kontrolle über die Distributionsinfrastruktur kultureller Werke. Dies wird nicht nur zu einer inhaltlichen Selektion, sondern auch zu einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Künstler genutzt (vgl. die Daten aus der Rede von Courtney Love http://archive.salon.com/tech/feature/2000/06/14/love/).

    In der Tat finanzieren sich viele Künstler heute nicht oder nur in geringem Maße durch die Lizensierung ihrer Werke, sondern viel mehr über damit verbundene Dienstleistungen (z.B. Konzerte) oder materielle Güter (z.B. Merchandising), falls es ihnen überhaupt möglich ist, aus ihrer Kunst einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.

    Die eigentliche Idee des Urheberrechts, die künstlerische Freiheit und kulturelle Vielfalt durch wirtschaftliche Unabhängigkeit des Urhebers zu sichern und damit das vorherige Mäzenentum abzulösen, muss daher als vollständig gescheitert angesehen werden.

    Weiterhin schränkt die Begrenzung von Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken auf Basis von Kaufkraft die Teilnahme von sozial schwächeren Gruppen am kulturellen, wissenschaftlichen und sonstigen gesellschaftlichen Leben mehr und mehr ein. Die zunehmende Bedeutung von Wissen oder wissensbasierten Fertigkeiten für den beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg macht dies zu einem zentralen sozialen Problem der kommenden Jahrzehnte. Das derzeitige Urheberrecht und seine praktische Anwendung sind eine grundlegende Ursache für die Verschärfung der "ditigalen Kluft".

    Im Sinne einer produktiven, vielfältigen, gerechten und kosteneffizienten Wirtschaft ist ein grundlegender Paradigmenwechsel im Verständnis von "geistigem Eigentum" dringend nötig. Wir fordern daher:

    - Es muss ein einklagbares Recht auf die Möglichkeit des freien Kopierens von urheberrechtlichen Werken für private und gemeinnützige Zwecke geschaffen werden. Alle bisherigen Bestrebungen dieses Kopieren zu verhindern oder zu beschränken müssen sofort beendet werden.

    - Die urheberrechtlichen Ansprüche auf Werke müssen zeitlich stärker begrenzt werden.

    *Anmerkung* Die schwedische Piratenpartei fordert eine Verkürzung von 70 Jahre nach Tod des Urhebers auf 5 Jahre nach Erstveröffentlichung. Ich halte diese Forderung für populistisch und unrealistisch, da diese in vielen Bereichen keine nennenswerte wirtschaftliche Verwertung ermöglichen (z.B. für Schriftsteller). Ich tendiere zu 50 Jahre nach Erstveröffentlichung für Werke mit hoher künstlerischer Schöpfungshöhe (Romane, Lieder, Gemälde, Spielfilme, usw.) und 10 Jahre nach Erstveröffentlichung für Werke mit einer geringeren künstlerischen Schöpfungshöhe (Zeitschriftenartikel, Kurzgeschichten, Soundsamples, Software, usw.).

    - Die Förderung von Werken, die frei zugänglich gemacht werden, z.B. durch Lizensierung als Open Content unter Open-Source oder Creative Commons Lizensen.



    Re: Urheberrecht

    Lichtblind - 26.06.2006, 22:16


    Es ist allerdings rechtsstaatlich nur sehr schwer zu fordern bereits zugstandenes Urheberrecht plötzlich drastisch zu verkürzen. Das grenzt an Willkür (ob man nun davon überzeugt ist, dass ein Urheberrecht wie es heute existiert, rechtens ist oder nicht, spielt keine Rolle).
    Anders sieht es bei Urheberrecht aus, das neu erteilt wird. Da kann man durchaus fordern, dass es nur für 5 Jahre gilt. Eine Unterscheidung zwischen Werken halte ich für problematisch, da man in manchen Fällen die Grenzen nicht klar ziehen kann (da es ja nicht um ein Buch oder einen Film geht, sondern um den Inhalt).

    Da eine nicht-kommerzielle Nutzung und Verbreitung ohnehin absolut legal sein soll, ist das Problem des Urheberrechts imo nicht so schwerwiegend. Vor allem da man Regelungen für die kommerzielle Verwertung von Neuinterpretationen und Zusammenstellungen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls durchaus regeln kann.



    Re: Urheberrecht

    Moroquen - 26.06.2006, 23:32


    Lichtblind hat folgendes geschrieben: Es ist allerdings rechtsstaatlich nur sehr schwer zu fordern bereits zugstandenes Urheberrecht plötzlich drastisch zu verkürzen. Das grenzt an Willkür

    Jede Änderung von Gesetzen greift mehr oder minder willkürlich in die Rechte und Ansprüche der Einzelnen ein. Es wird ein zuvor gewährter oder in Aussicht gestellter Anspruch reduziert oder zurückgenommen. Das passiert allerorten und ist die einzige Art wie ein gesetzlicher und gesellschaftlicher Fortschritt umgesetzt werden kann.
    Denke an die plötzliche Einführung von Studiengebühren. Die Studenten, die mitten im Studium stecken, werden sicher auch über Willkür klagen. Oder die Rentner über stagnierende Renten. Oder die Arbeitnehmer über ein steigendes Renteneintrittsalter. usw. usf.
    Natürlich kann man in der praktischen Ausgestaltung der Urheberrechtsreform über Übergangsregeln sprechen. Das ist aber imo nicht Thema unseres Parteiprogramms.

    Lichtblind hat folgendes geschrieben: Anders sieht es bei Urheberrecht aus, das neu erteilt wird. Da kann man durchaus fordern, dass es nur für 5 Jahre gilt.

    5 Jahre halte ich für viele Bereiche zu niedrig. Die wirtschaftliche Verwertung von Büchern, Filmen, Musikstücken braucht eine gewisse Zeitspanne, um sich zu entfalten. Du darfst nicht vergessen, dass wir hier nur über die kommerziellen Nutzungsrechte (z.B. Nachdruck und Vertrieb von Romanen) sprechen, da wir ohnehin ein Recht auf Privatkopie als essentielles Element des Urheberrechts fordern.

    Lichtblind hat folgendes geschrieben: Eine Unterscheidung zwischen Werken halte ich für problematisch, da man in manchen Fällen die Grenzen nicht klar ziehen kann (da es ja nicht um ein Buch oder einen Film geht, sondern um den Inhalt).

    Meine Unterscheidung bezog sich nicht auf das Medium, sondern auf seinen primären Verwendungszweck. Ein Kunstwerk oder Kulturgut sollte einen längeren Schutz genießen, als Werke, die einen funktionalen, wirtschaftlichen Charakter haben (Software, Nachrichten, Handbücher, usw.).
    Die Idee dahinter ist es, dass die Verkürzung bei Produkten wie Software die ständige Weiterentwicklung notwendig macht und somit Innovation fördert und gleichzeitig die Gefahr des Protektionismus verringert.
    Allerdings lassen sich diese Ziele nicht auf den künstlerischen Markt übertragen, die wie bereits erwähnt, noch dazu wesentlich träger ist. Daher muss man diese Bereiche trennen, um beidem gerecht zu werden.
    Kritiker werden vielleicht behaupten, eine solche Unterscheidung sei in der Praxis sehr schwer. Dem kann ich nur entgegen halten, dass die ebenfalls schwierige Frage, ab wann überhaupt ein urheberrechtlich schützenswertes Werk vorliegt, in der Praxis keine relevanten Probleme bereitet.

    Lichtblind hat folgendes geschrieben: Da eine nicht-kommerzielle Nutzung und Verbreitung ohnehin absolut legal sein soll, ist das Problem des Urheberrechts imo nicht so schwerwiegend.

    Das ist völlig richtig.

    Lichtblind hat folgendes geschrieben: Vor allem da man Regelungen für die kommerzielle Verwertung von Neuinterpretationen und Zusammenstellungen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls durchaus regeln kann.

    Damit würden wir ziemlich inkonsistent. Wir sollten klare Regeln vorgeben und nicht Kommerzielles mit Gemeinnützigem vermischen.



    Re: Urheberrecht

    Lichtblind - 27.06.2006, 09:46


    Persönlich wäre es mir schon Recht, wenn jegliches Urheberrecht sofort verkürzt würde. Aber ich wäre ja auch nicht betroffen. Und eine direkte Notwendigkeit sehe ich dazu nicht. Der Vergleich mit den Studiengebühren ist gut, weil die Einführung viele Menschen plötzlich trifft und ihnen Zukunftspläne verbaut. Eine Verlaufzeit von 10 Jahren hätte schon mindestens da sein müssen... aber das ist ein anderes Thema.
    Ähnlich sehe ich das hier. Sicherlich muss man sich auf Kompromisse einstellen, weswegen es schon notwendig ist nicht zu tief zu stapeln, allerdings kann diese Strategie auch nach hinten losgehen. Wenn man zu ungeduldig ist, wirkt es tatsächlich so als wollte die Piratenpartei nur auf Beutezug gehen, um sich persönlich auf Kosten anderer zu Bereichern. Man muss dort stark und geduldig sein, wo andere Parteien diesen langen Atem nicht haben. Außerdem sollte man guten Willen zeigen, also aus einer dominanten Position heraus argumentieren => auch der Gegenseite Zugeständnisse machen (nicht aus Überzeugung, sondern aus gutem Willen).



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