Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

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    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    DemGenitivSeinTod - 17.06.2006, 13:42

    Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie
    Mahlzeit,

    ich hab mich jetzt schon geraume Zeit nicht(!) mehr mit Luhmann beschäftigt, aber eins ist mir hängengeblieben, was ich mir nicht so recht erklären kann:

    1. Was zum Geier ist das System-Gedächtnis (also, wie ist es geartet/wie schauts aus?)? Naja, ich nehm jetzt pauschal mal an, dass es so eine Art Speicher ist, auf das zurückgegriffen wird/werden kann. (2. Kommt im nä. Post)

    Es sollte ja "die Bezeichnung dafür [sein], daß man nicht beobachten kann, wie der komplexe aktuelle Zustand eines Systems in den nächsten übergeht, so daß man statt dessen auf ausgewählte vergangene Inputs als Indikatoren zurückgreifen muß". (N. Luhmann, Soziale Systeme, 11. Aufl - 2003, S.158) Aber wo sind die vergangenen Inputs abgelegt? Meine "Theorie" wäre ja, dass auf (Speicher-)Medien zurückgegriffen wird/werden kann, so in der Art, wie ein Stück Papier, ne Festplatte, das Gehirn, etc; also eher extern.

    Lieg ich da falsch, lieg ich da richtig? Könnte mir das jemand erklären? :?

    Bis dahin, schönen Gruß,
    DGST

    P.S.:Ich mag die Systemtheorie (auch, wenn ich mich bis dato nur - mehr oder minder - mit sozialen Systemen beschäftigt hab); jedoch so ganz durchgestiegen bin ich immer noch nicht. Vielleicht, werd ich deshalb später noch die ein oder andere Frage dazu posten :D

    EDIT: Habs mal umbenannt; da ich selbst auch andere Fragen habe und es evtl dem ein oder anderen auch so geht :D



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    DemGenitivSeinTod - 20.06.2006, 10:25


    Weiter im Kontext, vielleicht ist ja folgende Frage einfacher :lol: :

    Ich hab bei Kneer/Nassehi mal folgenden Satz gelesen: "Kommunikation flaggt sich, so Luhmann, selbst als Handlung aus." (Kneer/Nassehi, Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, 4. Aufl - 2000, S.88 )

    Nun:
    2. Wie macht sie das? Ist das "nur" ein theoretischer Kunstgriff oder kann man das auch (empirisch) sehen - sonstwie feststellen?



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    DemGenitivSeinTod - 22.06.2006, 12:12


    Noch ein bisschen Allgemeiner, bevor ich irgendwie in den Tiefen das Waten anfange - und mich als ziemlicher Systemtheorie-nicht-Versteher outen muss (von den anderen Theorien, die ich nicht kenne oder nur marginal, will ich gar nicht reden :wink:) ; im Endeffekt, bin ichs einfach Leid, wenn ich die ganze Zeit von Theorien höre/lese und der praktische Bezug ganz abhanden kommt - oder, weil ich gerade ein thematisch anderes Seminar besuche, alles Vorherige wieder vergesse. Also:

    3. Wenn Luhmann, von den Systemen schreibt, von der Selbstreferenz, Fremdreferenz, Autopoiesis, der Einheit der Differenz von Mitteilung, Information und Verstehen -> Sind das Grundannahmen? Wenn es Systeme gibt, dann müssten die so oder ähnlich aufgebaut werden? Oder gibts da doch auch Befunde in der Praxis?

    Zum Beispiel: Ich "sehe" schon, dass sich die Thematik einer Kommunikation zB auf das vorher Kommunizierte bezieht (selbstreferent) oder von Außen angereichert wird (fremdreferent). Wenn Zahlung auf Zahlung folgt / Wenn Zahlung folgt, weil ich Hunger hab. Im Endeffekt also empirisch. Aber gibts in der Theorie eben Aspekte, von denen man auch sagen kann, dass ist jetzt ein Apriori?



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    Nebromolus - 23.06.2006, 13:19


    Wow - Respekt! Wie engagiert! Und vor allem: wie wissenschaftlich! Gleich noch die Stellen angegeben und konkrete Fragen gestellt! Ich bin beeindruckt.

    Mal schaun wie und ob ich dir helfen kann... das wird jetzt eher unsystematisch... mußt gucken, wie du meine ausführungen auf deine Fragen hin verwenden kannst.

    ALSO:

    Gewissermaßen ist die Annahme, dass es Systeme gibt, das grundlegende Apriori der Systemtheorie. Das brauch Luhmann, um die daran anschließenden Überlegungen "plausibel" zu machen. Allerdings mag der Begriff Apriori zu stark gefasst sein. Grundannahme trifft es vielleicht besser. Goffman braucht ja auch "Individuen" um seine Theorie zu plausibilisieren, auch wenn andere Theorien das Subjekt oder das Individuum lieber verabschieden möchten - bzw. "ohne" auskommen. Nennen wir die Annahme, es gäbe Systeme also Grundannahme.

    Erst aus dieser Annahme ergeben sich die Dinge, die du aufgezählt hast: Selbst- und Fremdreferenz, Autopoiesis, etc... das sind die fundamentalen Annahmen, WIE Systeme beschaffen sind. Und diese Annahmen sind - gewissermaßen auch aprioris, allerdings sind sie ja der Biologie entlehnt und nur "abgewandelt" übertragbar. Luhmann leiht sich also Begriffe und auch die systemoperationen aus einer anderen wissenschaft, um sie als konstitutiv für seine Systemannahme zu verwenden.

    Dass du diese dinge beobachten kannst ist schön :-) das macht ja auch den Sinn einer Theorie aus. Allerdings - und das mußt du gleich mitbedenken: Du siehst das nur, weil du es siehst: weil du bereits mit der systemtheoretischen Brille guckst! (Kingt jetzt doof - ist aber so)

    so. und was die sich als Handlung selbst ausflaggende Kommunikation betrifft: Das ist die logische Konsequenz, wenn man ernst nimmt, dass nur Kommunikation kommuniziert. Handlung und das was die "Personen" (als kommunikative Adresse) mit der kommunikation "machen" ist schlichtweg Zuschreibung. Und aus der Zuschreibung ergibt sich die zurechenbarkeit von Kommunikation, die dann als Handlung interpretiert wird. Ein Beispiel:

    DU kaufst im Supermarkt voll viel ein, hast aber nur 15 Euro dabei. An der Kasse kommt raus, dass du nicht alles zahlen kannst. (das wäre Kommunikation im Sinnen von zahlen/nicht-zahlen im funktionssystem Wirtschaft; es ist als wirschaftliche Kommunikation, die (nur) im System Wirtschaft anschluss findet). Dann sagt die Verkäuferin zu dir (als Person = kommunikative Zuschreibungsadresse): "Junger Mann, da hättense mal besser kalkuliert!"

    Also: auch wenn es an sich nur Kommunikation (im funktionssystem wirtschaft) ist, wird den Personen dies als Handlung zugerechnet. Diese Zurechnung von Kommunikation ist es übrigens, die das Individuum/Subjekt/mensch wieder in die Systemtheorie ALS Person hineinholt.

    So... keine 100%ige Wahrhaftigkeitsgarantie... aber im Großen und Ganzen dürfte das hier stimmen.

    Hat Spaß gemacht!
    Dir hoffentlich auch??

    Hihi - chakka - olé olé



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    Nebromolus - 23.06.2006, 13:28


    Oh - ich hab das mit dem Gedächtnis vergessen.... also...

    "Kultur ist, so können wir festhalten, das Gedächtnis sozialer systeme, vor allem des Gesellschaftssystems." (Gesellschaftsstruktur und Semantik; S. 47)

    Und Gedächtnis meint, dass SEmantiken bereit gestellt werden, die Sinnselektierend in der Kommunikation wirken. Das gedächtnis wird in der Kommunikation ständig neu konstituiert - es ist kein Archiv, das vergangenes festhält, sondern ein prozessuales "System", das kommunikativ aktualisiert wird. Je nachdem wie was mittels einer Bezeichnung (beobachtung 1. ordnung) unterschieden wird, wird das Gedächtnis der sozialen Systeme hergestellt. Es ist gewissermaßen der "Sinnlieferant" das das Anschließen von Kommunikation erlaubt. Wenn bspw. immer wieder kommunikativ auf liebessemantiken zurückgegriffen wird, konstitiuert sich erst diese Liebessemantik als "kulturelle" Kommunikation und wird in das Gedächtnis eingeschrieben. Das Gedächtnis stellt also einerseits kulturelle Codes zur verfügung, doch diese wurden erst zu solchen, weil sie immer wieder aktualisiert und erinnert wurden... das ist recht zirkulär... also gekennzeichnet von produktion und reproduktion in der "Praxis"..... der Kommunikation...

    klarer? hihi.....



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    DemGenitivSeinTod - 11.07.2006, 19:12


    Holla die Waldfee! Das ist ja Einiges :-D

    Ich hab mir mal einwenig Zeit gelassen, um mir Manches nochmal durchzulesen und durchzudenken; hier nun die Überlegungen dazu. Und danke für die Antworten - ich bin doch etwas klüger geworden (Natürlich mit neuer Komplexität, die ich nun wieder zu reduzieren versuche ;-) )


    Zum Teil der Grundannahmen:

    Damit hab ich also nicht nur einen blinden Fleck, sondern gleich mehrere, wenn auch gewissermaßen(!) gestaffelte: Erstmal die System-Annahme, dann die ganzen Beschreibungen des Systems? So setz ich mir also erstmal die System-Brille auf, dann die, dass ich Autopoeisis feststelle, Selbstreferenz annehme, etc. Somit hat doch dann jede Theorie keine klare Brille (natürlich ist das auch nur eine vereinfachende Metapher), die eine Brille ist sondern irgendwas in der Art von einem Fernrohr, Kaleidoskop oder Facettenauge bei Insekten. Aber um im Rahmen des Vergleichs mit der Brille zu bleiben: So gesehen, hab ich doch immer eine auf? Ob sie jetzt nun vom Hersteller Systemtheorie, Momentbedingt, Alltagswissen und Sozialisations Co. KG, Habermas, Sonst-Wem ist. Da bahnt sich mir der Gedanke an, dass ich im Endeffekt keine Brille trage, sondern meine "Augen" nur je anders fokussieren... oder mich Frage, ob ich denn überhaupt Augen de facto habe, wenn man mal davon ausgeht, dass auch die Wahrnehmung ein System ist, und damit meine Brille/Augen "nur" Umwelt ... falls es zu philosophisch wird, stop schreien ;-)

    Die sich als Handlung ausflaggende Kommunikation:

    Hmm, ansich hab ich das mit dem Supermarkt verstanden. Doch würde ich das nicht so eng fassen. Ich weiß natürlich nicht, wie die Aussage mit der "Kommunikation flaggt sich als Handlung einer Person" Luhmann weiterbeschreibt - wie gesagt, ich habs aus Kneer/Nassehi. Jedoch, würde ich das nicht nur auf eine Person beschränken, sondern allgemeiner auf Systeme: Kommunikation flaggt sich als Handlung eines Systems - oder noch unschärfer: ...flaggt sich als Handlung seiner Umwelt aus. Wie komm ich darauf? Nun, nehmen wir mal die Studiengebühren. Die Entscheidung mit der "ich" leben muss, wurde doch von einer Organisation auf die Beine gestellt (Also nem anderen System). Und unschärfer: Von einer Organisation, dem Recht, der Wirtschaft, dem ganzen Drumrum-brimborium. Das auf eine Person zu verkürzen, Stoiber ;-), wär mir a) zu leicht - naja schade eigentlich - b) doch im Endeffekt zu ungenau? Damit will ich das Individuum nicht wieder rausschmeißen, sondern im Endeffekt ist es nur ein Faktor. So flaggt dann eigentlich nicht das System selbst aus, sondern der Beobachter?

    Gedächtnis und Semantiken:

    Ich hab mir jetzt mal den Abschnitt "Semantik" (in Baraldi/Corsi/Eposito, "GLU. Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme.", S.168 ff., , 4. Auflage, 2003) durchgelesen. Dort lese ich dann auf Seite 169: "In der schriftlosen, segmentär differenzierten Gesellschaft ist die Semantik nur mündlich verfügbar und vom Gedächtnis der Teilnehmer [...] abhängig. Nach Erfindung der Schrift [...] wird es möglich die Semantik in geschriebenen Texten zu verankern". Ich würde sagen, dass ich mit dem Speicher nicht so falsch lag. Was mich dann aber stutzig macht ist, dass Luhmann im nächsten Schritt die Semantik neu zu belegen scheint, nämlich nicht mehr - wie ich, nicht Luhmann, es sagte: Speicher, sondern im Bezug zur Reflexion: "[...] die semantischen Formen entwickeln und differenzieren sich [...] und schließen an die Reflexion der Funktionssysteme an." (Baraldi/Corsi/Eposito 2003, S.169). Damit ist Semantik also eine Art flüchtiger Speicher, der auf sich selbst verweist/verweisen kann? Was mir hier ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet ist, die meiner Meinung doppelte Belegung des Begriffs Semantik: Zum Einen, wird sich auf die Inhalte bezogen (das Gespeicherte und der Speicher selbst) und zum anderen auf dessen Funktionsweise, der Selektion?, selbst (also, wie es gespeichert und abgerufen wird). Oder vernachlässigen die drei Italiener den Kultur-Begriff Luhmanns? Oder hau ich da die Begriffe durcheinander?



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    DemGenitivSeinTod - 02.08.2006, 16:49

    Ein kleiner Exkurs die Soziologie betreffend
    Ein kleiner Exkurs die Soziologie betreffend

    Ich hätte mal eine - vom Thema abweichende - Frage, die sich aber schon seit geraumer Zeit, na sagen wir, seitdem ich mich im letzten Semester der Mündlichen unterzogen habe (sprich mich bewusst mit vers. Theorien auseinandersetzte) treibt. Dazu auch gleich noch, einen netten Verweis, damit es hochgestochen, wichtig klingt ;-) :"Erst dann wird ersichtlich, dass auch die soziologische Selbstbeschreibung der Gesellschaft in einem gesellschaftlichen Kontext steht und also auch nur im Hinblick auf selbst erzeugte (Bezugs-)Probleme zu interpretieren ist." (Nassehi 2006, "Der soziologische Diskurs der Moderne", S. 17)
    Nassehi schreibt von Bezugs-Problemen, plural. Und wenn ich mir diverse Theorien anschaue, dann kann man durchaus von Plural sprechen. Aber, was ist das Bezugs-Problem der Soziologie selbst? Naturgesetze erklären wir nicht. Wirtschaftliche Zusammenhänge/Verteilungsfragen nur bedingt, juristische auch nicht wirklich. Soziale Ordnung? Na, dass ist ja eher theorieabhängig - wie der Beobachter beobachtet. Ebenso Geschlechterdifferenzierungen, Ungleichheiten, Gleichheiten, Herrschaftsverhältnisse, Lebenswelten, Schichten, Klassen?
    Vielleicht, liegt es an der Vielzahl von Theorien, die ich mir einverleiben durfte (und schon wieder vergesse), aber ich sehe leider den Wald der Soziologie nicht mehr, nur Bäume. Das einzige Bezugs-Problem, dass ich in der Soziologie (als Soziologie) erkennen kann, ist die Soziologie selbst; bzw. die jeweilige(n) andere(n) Theorie(n). Ja, ich bin auf Systemtheorie eingeschworen, wenn auch nur dürftig; dennoch denke ich, dass ich "auf den Trichter" auch ohne Luhmann gekommen wäre, wenn ich unter der Diversität der Theorien nach Einheit frage.
    Bei der Wirtschaftswissenschaft könnte man als Bezugsproblem die Untersuchung der Verteilung von knappen Gütern zusprechen, bei der Physik, die Materie bzw. deren Transformation / Energie bzw deren Transformation. Die Biologie beschäftigt sich grob mit dem Leben (oder dem Tod), die Philosophie mit dem Menschen/dessen Sinn/dessen Sein, Politologie mit den Machtverhältnissen, Geschichte mit der Differenz Vergangenem zum Jetzigen, die Mathematik mit der stringenten Durchhaltung ihrer eigenen Logik / Grundaxiome.

    Und die Soziologie? Nun, dort kann ich wie gesagt, keine Einheit ausmachen. Die anderen angesprochenen Beispiele, mögen sich ab einem gewissen Grad in verschiedene Theoriebereiche aufspalten lassen, haben jedoch - meines (!) Erachtens - immer einen Bezug zu einem Basisproblem. Gab es nun eigentlich dieses eine Bezugsproblem der Soziologie jemals bzw. gibt es dieses eine Bezugsproblem für die Soziologie noch? In manchen Augenblicken scheint es mir vielmehr so, dass Soziologie eine Semantik ist, ein Entscheidungsmerkmal für organisatorische Aspekte: Die Uni, die SoziologInnen prüft, das Wirtschaftsunternehmen, die SoziologInnen bezahlt (oder auch nicht). Soziologie als Gedanke mutiert vielmehr in einen Rahmen, dessen, was anderweitig als Gesellschafts-/Geisteswissenschaft bezeichnet wird. Einen Raum (ich nehm jetzt nicht "Arena", denn ich weiß leider nicht genau - trotz grober Vorstellung - was Nassehi damit explizit meint. Falls mir das Jemand präziser erklären könnte: Bitte gern! ;-) ) in dem verschiedene Aspekte bezüglich des menschlichen Zusammenlebens (und damit auch Nicht-Zusammenlebens) beleuchtet werden. Es entzieht sich meiner Vorstellung, Soziologie als Subjekt bzw. Individuum zu betrachten (insb. nicht als In-Dividuum).

    Vielleicht kennt der ein oder andere folgendes Gespräch: "Und, was studierst du?" - "Soziologie." - "Aha, und in welchem sozialen Bereich willst du dann was machen?" (Wahlweise auch: "Aha, Sozialpädagogik / soziale Arbeit?"). Sofern man darauf eingeht und nicht erwidert: "Ja, genau Sozialpädagogik", sondern verneint und sich dann der Frage gegenübersteht: "Und was macht man dann als Soziologie / und was macht die Soziologie?" ... Nun ja, ich komme dann immer etwas in Zugzwang; versuche es dann immer auf "Beobachtung von Gesellschaft" zu wenden, und dank ein bisschen Phrasendrescherei (Fragebögen, soziale Ordnung, Max Weber, 1968, Meinungsforschung) ist es damit auch wieder gut. Doch, so wie ich den Gesichtsausdruck meines Gegenübers danach deute und in Reflexion meiner Antwort, scheint keiner wirklich damit zu frieden zu sein.
    Erstmal zur Frage: "Und was macht die Soziologie?". Sie weißt erstmal darauf hin, dass es fernab soziologischer Kreise und deren näherer Umgebung, kaum eine Idee existiert, was sie denn macht. Schlimmer noch, auch wenn ich mich mit meinen KommilitonInnen unterhalte, scheint mir keine klare Antwort zu kommen - oder vielleicht: überhaupt möglich zu sein. Je länger die Zeit, in der ich nun Soziologie "studiere" desto weniger weiß ich, was ihre unitas ist, ihr Merkmal, dass sie von Nicht-Soziologie unterscheidet. Mit Soziologie/Nicht-Soziologie meine ich jenen erwähnten organisatorischen Aspekt, jene Differenz zu anderen Gesellschafts-/Geisteswissenschaften. Auch Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich mit Zusammenleben, ebenso Psychologie, IKK, KW - wenn auch auf unterschiedlicher Basis. Aufgrund dessen frage ich mich, was das genuin soziologische an der Soziologie ist? Und, wie sich für einen Beobachter, eine Einheit der Soziologie bilden kann?

    Ein Zweites:
    Dank der Reflexivität der Soziologie - zumindest: Dank der Reflexivität verschiedener Theorien (Beck, Luhmann, Nassehi, in Ansätzen vielleicht auch Adorno oder die Folgen der politischen Ansätze Marx) kommt man, um nochmal das Zitat aus dem "Soziologischen Diskurs der Moderne" anzusprechen, nicht umhin, Soziologie - Gesellschaftswissenschaft - als in der Gesellschaft, Arena, Rahmen lokalisiert zu betrachten. Damit entbehrt sie zwar nicht einer Erklärungsfähigkeit, jedoch einer Prognosefähigkeit. Ein Beispiel: 90% der Deutschen würden nächsten Sonntag die XY-Partei wählen. Dies würde als Aussage in einer Zeitung veröffentlicht. Anhand quantitativer Methoden mag das durchaus für die Stichprobe als empirisch zutreffen, aber tatsächlich? Sagen wir, ich lese das und denke: "Oha, so viele? Nö, dass kann ich nicht zulassen, meine Stimme kriegt die YXZ." und damit stünde ich nicht allein da. Nächsten Sonntag ist dann Wahl, YXZ gewinnt, die Prognose war als Prognose falsch. Die Schafe - um mit Popper und dem Falsifikationismus zu sprechen - waren nicht weiß, sondern, die die ich beobachtet habe, waren auf der Seite, auf der ich sie gesehen habe weiß - unter der Voraussetzung dessen, dass sie überhaupt Schafe waren und das weiß weiß ist. Nochmals: Ein Zweites: Ist die Soziologie / Gesellschaftswissenschaft nicht schon immer Geschichtswissenschaft - wenn auch in einem zeitlich engeren Rahmen als die gängige Geschichtswissenschaft - auf Grund dessen, dass Zukunft immer transzendent bleibt?



    Re: Luhmanns Gedächtnis / Systemtheorie und Fragen an sie

    DemGenitivSeinTod - 08.01.2007, 11:00

    Tickle me Luhmann's brain
    Dann kram ich mal meinen alten Thread wieder raus. Nein, Aufgeben trotz fehlender Resonanz is nicht :wink:

    Ich muss ehrlich zugeben, ich habe mich auf dem Weg in die Tiefen der Theorie sozialer Systeme etwas verfranst; insbesondere auf dem kleinen Umweg über die Chaostheorie. Daher bin ich mal wieder rausgestiegen und begann von Vorne. Und, wie sollte es anders sein, hab ich auch prompt wieder etwas (mir) Erklärungsbedürftiges gefunden:

    Der liebe Luhmann schreibt: "Der Systembegriff bezeichnet also etwas, was wirklich ein System ist, und läßt sich damit auf eine Verantwortung für Bewährung seiner Aussagen an der Wirklichkeit ein." (Luhmann 2003: Soziale Systeme, S.30) Niklas hat ja schließlich nichts Ontologisches mit seinen Beschreibungen im Sinn, soweit bin ich schon. Doch auf Basis von einwenig Ontologie, sprich in Erinnerung an den ollen Husserl und den etwas weniger ollen W.I.Thomas (Der mit seinem Thomas Theorem), bin ich dann zumindest bei der Frage angelangt: Und, was ist nu die Wirklichkeit in der es die Systeme gibt?

    So begab ich mich dann wieder rein in die langsam zerfleddernden Sozialen Systeme, auf der Suche nach der Wirklichkeit ...und hab erstmal nix gefunden. Also begnügte ich mich zunächst mit "Realität". Prompt, auf Seite 604 wurde ich fündig: "[...] und Realität ist für ein solches System nichts anderes als die laufende Reproduktion - weil sie gelingt, wenn sie gelingt [...]" (Luhmann 2003: Soziale Systeme, S.604). Nikki bezieht sich bei "solches System" auf Sinnsystem. Jetzt hab ich ja noch in Erinnerung, dass er mal sagte (oder Kneer/Nassehi über ihn), dass auch psychische Systeme Sinnsysteme seien.

    Und, hier stellen wir also mal einen kleinen Bezug zum Threadtitel wieder her, jagen ein bisschen Ontologie, Soziologie und Psychologie durch den Fleischwolf, hoffen, es versteht noch irgendwer, was mein Anliegen ist, und kommen zu der Frage: Wie wirklich (resp. wirklichkeitsnah) sind die realen Systeme und ihre Beschreibung? Und natürlich: Wie isn das bei Luhmann jetzt genau mit der Wirklichkeit? (Zusätzlich: Was ergibt sich, wenn man das wiederum vor die Aussage stellt: "Folgende Überlegungen gehen davon aus, daß es Systeme gibt." (Luhmann 2003: Soziale Systeme, S.30)? Sprich, keine erkenntnistheoretischen Zweifel, sondern schon im Zusammenhang mit der Systemtheorie selbst.

    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit :wink:



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