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Greenway, Alice - Weisse Geister




Greenway, Alice - Weisse Geister

Beitragvon Karthause » 27.09.2009, 18:33

„Der Sommer, von dem ich erzählen will, ist die einzige Zeit von Bedeutung. Es ist die Zeit, an die ich denken werde, wenn ich sterbe, so wie sich andere vielleicht einen verlorenen Liebhaber ins Gedächtnis rufen oder einer Liebe nachtrauern, die nie zustande kam. Für mich gibt es nur eine Geschichte. Es ist die meiner Schwester – Frankies Geschichte.“ (Seite 8 )

Hongkong 1967. Die 13jährige Kate ist die Ich-Erzählerin dieses Romans. Die Familie lebt in Hongkong, während der Vater, Fotograf für das Time Magazin, den Vietnamkrieg mit dem Fotoapparat begleitet. Nur alle sechs Wochen besucht er seine Familie und es wird schnell deutliche, welch tiefe Spuren der Krieg bereits in seiner Seele hinterlassen hat. Frankie, die nur wenig ältere Schwester von Kate, ist in einem Alter, in dem sie nicht mehr ganz Kind und noch nicht ganz Frau ist. Mit ihren weiblichen Reizen spielt sie schon sehr bewusst. Frankie und Kate stehen sich sehr nahe. Die Mutter der beiden ist äußerst labil und lebt eigentlich nur mit ihrer Kunst. Anfangs scheint die Zeit der Drei recht unbeschwert zu sein. Die Elternteile sind beide sehr mit sich selbst beschäftigt und die Töchter sind mehr oder minder in der Obhut der damit doch recht überforderten chinesischen Haushälterin. Das Unheil scheint vorprogrammiert zu sein. Eines Tages begleiten die beiden Mädchen die Haushälterin zum Markt und fallen in die Hände von Rebellen. Kate muss für sie einen Auftrag ausführen, während Frankie in von den Aufrührern als Geisel gehalten wird. Dieser Tag ändert das Leben der Schwestern und deren Verhältnis zueinander grundlegend. Frankie soll auf ein Internat geschickt werden, auch um zu vermeiden, dass Kate durch deren Einfluss in Schwierigkeiten gerät. Da sie aber immer noch Frankies „Geheimnisschwester“ ist, ist es dafür bereits zu spät.

Alice Greenways Debüt-Roman „Weisse Geister“ beginnt fast beschaulich mit einem schönen Tag am Meer. Auf den ersten Seiten könnte man eine leichte Familiengeschichte vor exotischer Kulisse erwarten. Aber fast mit jeder Seite, die gelesen wird, nimmt die Intensität des Romans zu. Und nach und nach werden die unterschwelligen Probleme der Familie deutlich. Die fehlende Nähe der Eltern, das heimliche Verfolgen der Kriegshandlungen, die daraus resultierenden Ängste werden von der Autorin psychologisch gut durchdacht, beleuchtet und gut in Szene gesetzt. Aber auch die politische Situation im Hongkong in der 2 Hälfte der 1960er Jahre wurde von der Autorin beeindruckend gut herausgearbeitet und nachvollziehbar beschrieben. So stellt sie in diesem Buch die jungen Mädchen und die exotische Szenerie den Schrecken des Kriegs und der chinesischen Kulturrevolution gegenüber, das Zarte und Vergänglicher im Unterschied zu Krieg und Gewalt.

„Weiße Geister“ ist sehr einfühlsam geschrieben, vielleicht auch weil die Autorin selbst in Hongkong aufwuchs. Ihre Sprache ist fast schon poetisch, leise, gefühlvoll, aber lebendig und beeindruckend. Das Buch hat mich emotional sehr berührt, es war intensiv, jedoch ohne jede Gefühlsduselei geschrieben. Alice Greenway ist eine Autorin, von der ich gern wieder Bücher lesen würde.

Über den Autor

Alice Greenway, 1964 in Washington D. C. geboren, aufgewachsen in Hongkong, Bangkok, Washington, Jerusalem und Massachusetts, studierte an der Yale University. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie in Edinburgh, Schottland. Weiße Geister ist ihr erster Roman. (Quelle: Klappentext)

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OT: White Ghost Girls * Gebundene Ausgabe: 224 Seiten * Verlag: mareverlag * ISBN-13: 978-3866481015

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von Anzeige » 27.09.2009, 18:33

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Beitragvon Krümel » 28.09.2009, 09:55

Kommt ins Blog :D (Hui, momentan stauen sich die Rezis :lol: prima!)
BildLiebe Grüße,
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