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Re: Vaterfigur Nowotny spielt alle Rollen
Sammy - 25.05.2006, 06:28Vaterfigur Nowotny spielt alle Rollen
Gut zwei Wochen vor der WM weiß Jens Nowotny noch nicht, bei welchem Verein er in der kommenden Saison spielen wird. Dem 32 Jahre alten Verteidiger wird wieder einmal Kalkül vorgeworfen.
Jens Nowotny ist in seinem Element. Beim Training der Fußball-Nationalmannschaft in Genf brüllt der Abwehrspieler Anweisungen, fuchtelt mit den Armen und sucht ständig das Gespräch mit den Mitspielern. Neben ihm wirkt der immerhin fast einen Kopf größere Per Mertesacker wie ein Waisenknabe. Und doch scheint es zu passen. «Ich strahle eine gewisse Ruhe aus», sagt der 32 Jahre alte Leverkusener. Die «Lockerheit», die er als erfahrener Spieler mitbringt, will Nowotny seinem elf Jahre jüngeren Kollegen vermitteln.
Erfahrung des Alters
Unter den 20 bis 26 Jahre alten Verteidigern der Nationalmannschaft nimmt Nowotny sich aus wie eine Vaterfigur. Doch nicht nur die Erfahrung des Alters, davon ist der Profi von Bayer Leverkusen überzeugt, hat ihn in den Kader für die Weltmeisterschaft gebracht. «Ich habe auch nicht unbedingt gespielt wie eine Pflaume», sagt Nowotny, für den in der Bundesliga-Rückrunde eine Leidenszeit zu Ende ging. «Er hat sich die Nominierung mit seinem Engagement hart erarbeitet», bestätigt Bundestrainer Jürgen Klinsmann.
Nowotnys Leiden war nicht nur körperlicher Natur. Immerhin konnte der Innenverteidiger nach dem vierten Kreuzbandriss seiner Karriere 14 Spiele für Bayer bestreiten. Probleme gab es hauptsächlich in der Beziehung zu seinem Verein. Nowotny wurde zwischenzeitlich vom Spielbetrieb ausgeschlossen, nachdem er Bayer Leverkusen im September letzten Jahres erfolglos wegen Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall verklagt hatte.
Kühler Kalkulierer
Die Aktion machte Nowotny in den Augen der Fans zum geldgierigen «Raffke» und kostete ihn viele Sympathien. Er durfte zwar weiterhin mit der Mannschaft trainieren, medizinische Behandlung in Anspruch nehmen und bezog auch weiterhin sein Gehalt, schien aber nie mehr für Leverkusen spielen zu dürfen. Erst vor wenigen Wochen einigten sich beide Seiten auf eine Auflösungs-Vereinbarung zum Saisonende, die Nowotny eine geschätzte Abfindung in Höhe von 4,7 Millionen Euro garantiert.
Kurz vor der WM steht Nowotny nun erneut als kühler Kalkulierer da, denn ein neuer Arbeitgeber ist noch nicht gefunden. «Ich bin dabei, Angebote zu sondieren», sagt er und besteht darauf, klarzustellen, dass «ich die WM nicht als Bühne nutzen will». Vielmehr wolle er die Entscheidung über seine Zukunft in aller Ruhe im Kreise der Familie treffen.
Matthäus im Weg
Von der großen Bühne wäre Nowotny im letzten Jahr beinahe lautlos verschwunden. Schon vor zwölf Jahren bezeichnete ihn sein damaliger Trainer beim Karlsruher SC, Winfried Schäfer, als besten Libero der Bundesliga - beweisen durfte der Motorradfan dies aber fast ausschließlich im Verein. In der Nationalmannschaft stand ihm vorerst ein anderer Libero im Weg: Lothar Matthäus. Bei der Europameisterschaft 2000 übernahm der reaktivierte Rekordnationalspieler Nowotnys Posten – die Mannschaft schied in der Vorrunde aus.
Als Nowotny endlich als Stammspieler galt und für die WM 2002 in Japan und Südkorea fest eingeplant war, ereilte ihn ein Schicksalsschlag. Im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester United zog er sich einen Kreuzbandriss zu und fiel für das Turnier aus. Als er bei der EM 2004 wieder spielte, musste sich die Mannschaft bereits nach der Gruppenphase aus Portugal verabschieden.
«Kann alle Rollen spielen»
«Ich habe schon so viel erlebt», sagt Nowotny. «Daraus habe ich positive Lehren gezogen und weiß, was ich kann.» Beweisen soll er dies nun bei seiner ersten Weltmeisterschaft. «Er ist in der Abwehr der Erfahrenste», sagt Christoph Metzelder, «für uns junge Spieler ist das sehr wichtig». Der Dortmunder weiß auch die Vielseitigkeit des Kollegen zu schätzen. In der Verteidigung gebe es vor der WM «keine Kombination, die sich ausschließt».
Das sieht auch Nowotny so: «Jürgen Klinsmann weiß, dass ich alle Rollen spielen kann». Eine Sache muss der selbstbewusste Nowotny sich aber eingestehen. Allem hochspezifischen Training zum Trotz war und ist er nicht der Schnellste. «Ich glaube nicht, dass ich Thierry Henry noch einmal einholen werde», sagt er.
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