Scharia-Baby

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    Re: Scharia-Baby

    Krautfleckerl - 12.10.2010, 21:54

    Scharia-Baby
    Stets bin ich auf der richtigen Seite. Ich muß auf der richtigen Seite stehen, werde eins mit den anderen Richtigen. Richtig wird von wenigen Taktschlägern bestimmt, ich reihe mich ein, marschiere im vorgegebenen Rhythmus. Zu anderen Zeiten hätte ich mich den Scheiterhaufenanzündern angeschlossen oder den Soldaten eines mordenden Despoten. Ein hervorragender Henker wäre ich gewesen, ein eifriger Folterknecht, ein kalter, strenger Lageraufseher. Die Richtigen sind stets anders je nach Zeit und doch dieselben. Unsereins bekämpft den Widerspruch, das ausscherende Wort, den abweichenden Gedanken, das verboten Geschriebene. Zu welcher Zeit auch immer, gleichgültig unter welchen Verhältnissen, auf jedwede als richtig geltende Art und Weise.

    Auch heute stehe ich in Reih und Glied. Ich bin Österreicher, Engländer, Italiener, Schwede, Schweizer, Deutscher, Franzose, jedweder Angehörigkeit, mich gibt es überall, wo nur in eine Richtung gedacht werden darf. Der Takt der Gegenwart verordneter Selbstzerstörung und Selbstverachtung gefällt mir. Die Zerstörung als allgemein gültige Lehre. Ich werde eins damit.

    Das cisatlantische Gebilde, der Länder und ihre Völker zersetzende Völkerkerker, das bin ich. Ich sitze in dessen Institutionen. In den Schreibstuben der Gazetten, im Fernsehen, im Radio, in den takteinhaltenden Parteien, in den Vorständen großer Unternehmen, in Regierungen dort bin ich zu finden. Ich bin Frau oder Mann, Reporter, Autor, Politologe, Abgeordneter, Soziologe, Friedensbewegter, Umweltschützer. Demograph, Historiker, Rechtsanwalt, Staatsanwalt, Richter, Gewerkschafter, Schauspieler, Fernsehsprecher, Ochtasechzg, Pfarrer, Bischof ich bin alles und nichts, stets eingereiht in die Richtigen.

    Die Geschlechtsteile habe ich mir entfernen lassen, in der Sprache, doch bald wird dieser vorgegebene Akt an meinem Körper vollzogen werden. Darüber werde ich froh sein, ist es doch das Richtige. Verordnet ist die Selbstaufgabe, die Unterwerfung unter die spitzen, runden, schlanken Türme.

    Noch muß ich Zurückhaltung üben im Schlag gegen den Widerspruch, das verbotene Wort. Noch muß unsereins sich damit begnügen, das Widerwort mit lautem, schrillem Gekreisch abzutöten, mit harschen, harten Schablonen in die Schranken zu weisen, durch Drohung mit materiellem Existenzverlust gar nicht erst aufkommen zu lassen, es mit der niederträchtigen Verleumdung, sowie dem Rufmord zum Schweigen zu bringen.

    Ich wünsche, daß sie über uns kommen, das Ende bereiten, unter Qualen. Die runden, spitzen, schlanken Türme aus der Wüste. Mit ihren Krummsäbeln sollen sie dahinmähen Abendland. Wenn sie forthin über uns kommen, die Bärtigen mit den Krummsäbeln, schlägt meine Stunde. Es wird für mich sein wie dereinst.

    Vollständig entkleiden werde ich mich. Nackt und geschlechtslos werde ich mich vor den bärtigen Reitern aus der Wüste in kalten, nassen Kot niederwerfen, meine Fersen werden das Gesäß berühren, mein Rücken wird gekrümmt sein, mein Haupt gesenkt, meine Arme werden ausgestreckt den schlammigen Boden berühren. In meinem Gesicht spüre ich von der Stirne weg bis zur Nase den Kot, der durch mein heftiges, erwartungsvolles Atmen durch die Nasenlöcher, in den Mund, kriecht. In diesem Moment wird ihr Gesetz Geltung erlangen, wird zum Richtigen, zum Taktschlag. Ihr Recht, ihr Gesetz, meine Sehnsucht.

    Sie werden mir nicht die Fesseln an den Knöcheln festbinden, mir einen Pfahl mit abgestumpfter Spitze durch die Öffnung des Gesäßes stoßen, um mich danach auf diesem aufzurichten und ihn im Boden festmachen, damit er in langen Stunden der unsäglichen Pein sich durch meine Organe bohrt, sie zur Seite schiebt bis das Herz erreicht ist, dem Augenblick des qualvollen Todes. Dies tun sie nur mit den vom Richtigen Abweichenden, nicht mit mir. Und wenn doch? Nein, sicher nicht. Werde ich mich doch voll und ganz unterwerfen. Ich stecke meinen Zeigefinger in den Mund. Ich brauche doch keine Angst zu haben aufgrund meiner vollkommenen Unterwerfung, meiner lückenlosen Einreihung ins Richtige. Wenn sie nun doch nicht kommen werden die Krummsäbel, die Länder der Abendsonne verheerend? Ich werde mich wenden, mich nach dem Takt richten, mich einreihen, wo auch immer das Richtige sich befinden möge. Aber so wird es nicht sein. Man sieht sie bereits heranstürmen die Wüstensöhne mit ihrem Schrei der Verwüstungslust.

    Sie sind bereits nahe, kennen mich, kennen den hier vorherrschenden Takt der verordneten Selbstzerstörung. Höhnisch spottend, in tiefer Verachtung nennen sie mich „Baby”. Ich bin „Baby”.

    Ihr Gesetz. Ich werde dabei sein, dienen, gar selbst die Bestrafung der Nichteingereihten durchführen, sollte es mir befohlen werden. Wenn sie die Widersprechenden mit am Hinterhaken eines Wagens gefesselten Händen zum Hinrichtungsort schleifen, wo ihnen mit Messern die Bäuche aufgeschlitzt werden, ihnen die Eingeweide entrissen und auf das freche Maul geworfen.

    Lächelnd werde ich den langen von Schmerzensschreien begleiteten Todeskämpfen beiwohnen. Wonnig werde ich Wimmern, Weinen, jammerndes Flehen nach Gnade eines schnellen Todes vernehmen. Ein Genuß den Geruch des Blutes Widersprechender, falsch Denkender, Gegenschreiber einzuatmen. Werde auf Befehl der nunmehr Richtigen den Unzähmbaren die Schädeldecke zertrümmern bis die falsch denkende Hirnmasse herausquillt, Gliedmaßen abhacken, Steine werfen auf bis zum Hals lebendig Eingegrabene. Sie sind doch selbst schuld, würden sie bloß wie ich sein, es wäre den Widerprechern erspart geblieben. Oh, wenn es doch nur schon so weit wäre. Sie verachten mich, die Ritter der runden, spitzen, schlanken Türme. Doch ich bleibe am Leben durch meine vollkommene Unterwerfung. Ich habe kein Ich, kein Spiegelbild, keine Gedanken, ich lebe bloß durch meine Unterwerfung.

    Sie rufen mich, die Bärtigen mit Krummsäbel. Ich höre ihre lachend höhnenden Stimmen: „Baby”.



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